Mit einem Schrei wachte ich auf. Mein Herz raste. Mein Puls schien zu explodieren. Wieder war ich schweißgebadet. Die körperlichen Schmerzen hatten abgenommen, die seelischen waren umso mehr. Dennoch schien diese innere Leere mich nicht los zu lassen. Meine Vergangenheit quälte mich. Meine Taten. Meine Missionen. Ich hatte von einem älteren Attentat geträumt. Bei diesem hatte ich einen Mann ermorden müssen, weil er wahrscheinlich einen Aufstand angezettelt hatte. Wahrscheinlich. Wenn ich so darüber nachdachte, wusste ich
gar nicht ob es wirklich so gewesen war. Ich wusste bei meinen Aufträgen sowieso nie, ob sie wirklich stimmten. Ob mein Tun, mein Verbrechen einen Sinn hatte, einen Zweck. Ob es wirklich Leben rettete, oder ob es einfach nur dem Anführer hilfreich war. Mein Anführer. Jedes Mal wenn ich daran dachte, an ihn dachte, kam in mir so ein komisches Gefühl hoch. Ein Gefühl, dass ich vorher nicht kannte, wenn es um meinen Boss ging. Dort wo eigentlich Vertrauen, Zuversicht, Hoffnung und Sicherheit sein sollte, war nur noch Schmerz, Trauer, Vernachlässigung und Wut. So viel Wut. Was ich alles für diese Person hatte tun
müssen. Welchen Gefahren ich ausgesetzt war. Welchen Glauben ich in ihn gesetzt hatte. Alles war mir davon blieb, war Wut. Wut auf mich, weil ich so dumm war und es zugelassen hatte. Wut auf mich, weil ich ohne Rücksicht auf Verluste gehandelt hatte. Wut auf ihn, weil ich einfach nur eine Marionette seiner Intrigen gewesen war. Warum hatte ich das getan? Was war nur los mit mir? Wieso hatte ich das nicht früher kapiert? Irgendwo von ganz tief in mir kam das Wort Valdir hervor. Valdir. Eine Valdir hatte keine Gefühle. Eine Valdir war von Grund aus Böse. Sie liebte es zu
morden. Sie liebte es zu töten. Blut zu sehen war ihr einziger Glückszustand. Eine Valdir war gehorsam. Eine Valdir hatte keine eigene Meinung. Eine Valdir hatte kein Gewissen. Ich war eine Valdir, dass wusste ich. Dennoch kamen mir all diese Gedanken, was diese Art von Attentäterin ausmachte so falsch vor. Wollte ich wirklich so leben? Wollte ich wirklich nur kämpfen und jemanden umbringen? Wollte ich mein ganzes Leben einer Person verschreiben, die ich nicht einmal gut kannte? Was war hier los? Ich hatte doch schon als kleines Kind davon geträumt eine Valdir zu werden. Oder? Oder etwa
nicht? Ich versuchte diese Erinnerung in meinem Kopf zu finden. Diese Träumereien. Was sie ausgelöst hatten. Was ich darin gesehen hatte. Nichts. Wo war sie? Mein Kopf tat plötzlich wieder höllisch weh. Verursachte mir diese Reminiszenz diese Schmerzen oder sind sie nur zufällig gerade aufgetreten. Ich konnte nicht mehr darüber nachdenken, denn die Qualen brachten mich wieder dazu in die nächste Trance zu
fallen. ~*~ Dieses Mal holte mich ein Geräusch aus meinen Träumen. Etwas bewegte sich in meinem Zimmer, meinem Gefängnis. Ich konnte kaum die Augen öffnen, denn mein Magen verkrampfte sich so stark, dass ich mich zur Embryo-Stellung zusammen rollte und alles zusammen zog, was nur ging. Die Schmerzen ließen jedoch nicht nach. Laut stöhnte ich auf, was den Eindringling in meinem Schlafgemach aufhorchen ließ. Eine größere Silhouette, männlich, würde ich sagen, drehte sich zu mir um. Das war halt das was ich zwischen meinen zusammen
gekniffenen Augen erkennen konnte. Ein komischer Geruch stieg mir in die Nase. Es hatte etwas von Kräutern. Allerdings konnte ich nicht raus riechen, um welche es sich dabei handelte. Anscheinend hatte der Fremde eine Kanne geöffnet, denn im nächsten Moment konnte ich etwas in eine Tasse gießen hören. Ich verfluchte mein Leid, meine Schwäche, denn soviel ich mich auch konzentrierte, die Schmerzen waren einfach zu groß, dass ich mich auf etwas anderes fokussieren konnte. Mit viel Mühe brachte ich es zusammen meine Hände auf mein Gesicht zu legen. Es tat gut Haut auf Haut zu spüren. „Trink das!“, hörte ich aus weiter Ferne eine Stimme zu mir durch dringen.
Eindeutig männlich. Mir kam es vor als hätte ich schon ewig keinen menschlichen Klang gehört, außer der Stimme in meinem Kopf. Ich versuchte auf zu blicken. Vergeblich. Jede Bewegung löste einen weiteren Krampf in meiner Magengrube aus. Automatisch legten sich meine Hände wieder um meinen Bauch. Kopfschüttelnd wollte ich ihm zu verstehen geben, dass es nicht funktionierte. Anscheinend war er schon so knapp neben mir, denn es dauerte nicht lange bis mich ein Gegenstand an meinen Lippen berührte. Meine Nase machte wieder diesen Kräutergeruch aus. Ich öffnete meinen Mund und die Flüssigkeit benetzte meine Lippen.
Nach nicht einmal ein paar kleinen Schlucken musste ich mich wieder übergeben. Mein Magen behielt einfach nichts in ihm. Wieder einmal über dem Eimer gebeugt, bekam ich nur mit, dass das männliche Wesen die Tasse auf den Tisch stellte und dem Raum verließ. Total fertig versuchte ich mich wieder ganz auf die Holztrage zu hieven. Ich lag ausgestreckt auf den Rücken. Das Erbrechen hatte sich gerade so gut angefühlt, doch es dauerte nicht lange, spürte ich die ganzen Schmerzen wieder. Warum? Wo war ich? Die Erschöpfung ließ mich wieder einschlafen. ~*~ Ich war schon 15 Minuten wach, ohne dass
mich eine Erinnerung quälte oder ein Körperteil weh tat. Ich genoss das Gefühl. Es brachte sogar ein kleines Lächeln mit sich. Ich starrte auf die Decke der Grube. Sie war dunkelbraun, fest und manchmal konnte man ein paar Wurzeln herausragen sehen. Ich fragte mich, welches Wetter wir gerade hatten. War es sonnig, oder regnerisch, ging der Wind oder war es einfach nur bewölkt. Ich sehnte mich nach der Außenwelt. Ich hatte so lange geschlafen, dass ich schon gar nicht mehr wusste, wie viele Tage vergangen waren. War es ein Monat, waren es zwei Wochen oder doch nur 3 Tage? Ich wusste es nicht. Dennoch war es mir ein Stück weit egal, weil ich seit Langem wieder mal keine Schmerzen mehr fühlte. Natürlich
ich spürte noch immer diese Leere in mir. Ich wusste nicht was mit mir geschehen war. Ich wusste nicht, warum ich so neue Gefühle entwickelt hatte. Aber ich wusste, dass es mir besser ging. Besser als vorher. Besser als ein Valdir zu sein. Nur wieso das der Fall war, dass wusste ich nicht. Ich wünschte mir die Person herbei, die mich eingesperrt hatte. Ich wünschte mir so viele Antworten auf meine Fragen. Doch anscheinend würde er länger nicht auftauchen. Auf dem Tisch stand ein Tablett mit etwas zum Essen und eine Kanne Tee. Ich konnte es zwar nicht sehen, was es war, doch der Geruch ließ mir das Wasser im mit zusammen laufen. Mir kam es vor, als hätte
ich seit einer Ewigkeit nichts mehr gegessen und wenn ich so meinen Körper betrachtete, war er derselben Meinung. Man sah meine Rippen etwas herausstehen und meine Arme und Füßen waren dünn geworden. Ich war froh, dass ich vorher so durchtrainiert gewesen war, denn so hatte mein Körper als erstes meine Muskeln abgebaut, bevor er zum restlichen Fett von meinem Körper kam. Ich befürchtete, dass ich wieder in Ohnmacht fallen würde, als ich mich langsam aufsaß. Allerdings passierte nichts. Trotzdem verharrte ich eine Minuten in der sitzenden Position, um meinen Körper an das Neue zu gewöhnen. Es waren nicht einmal 2 Meter die meine Liege vom Tisch trennten, dennoch waren die
Schritte für mich so anstrengend, dass ich schwitzte, als ich auf dem Sessel Platz nahm. Auf dem Tablett lagen ein paar Scheiben Brot und etwas Obst. Vitamine würden meinen Körper gut tun und die Kohlenhydrate meiner Stärke. Ich wusste, dass ich langsam essen musste, damit ich alles in mir drin behalten konnte. Schluck für Schluck merkte ich, wie es mir ein klein bisschen besser ging und als ich dann den Tee trank, wusste ich, was mich die ganze Zeit am Leben gehalten hatte. Dieser Tee, es war das gleiche Getränk, dass mir der Fremde in meiner letzten Wachphase an den Mund gehalten hatte, war etwas Besonderes. Das wusste ich. Die Wärme durchflutete meinen Körper und die
Inhaltsstoffe wirkten sich positiv auf mein Gemüt und meinen Zustand aus. Wieder lächelte ich. Ich verspeiste nicht das ganze Essen. Wer wusste, wann ich neues bekam? So teilte ich es etwas auf. Auch wusste ich, dass ein leerer Magen nur langsam sich wieder an Essen gewöhnte. Von der Mahlzeit genährt, machte ich mich wieder auf zu meiner Liege. Alleine diese Aufgabe von A nach B zu kommen, hatte mich so geschwächt, dass ich schon wieder müde wurde. Also fit nannte man eindeutig etwas anderes, nur nicht mich. Froh wieder ins Bettlaken zu sinken, schlossen sich auch schon wieder meine
Augen.