Einen vom Pferd erzählen
Ich wurde ins Büro des Redakteurs gerufen. Wir haben da über die Feiertage für unsere Ausgabe noch zwei Absätze frei. Da haben wir uns gedacht in dieser Ausgabe den Lesern unserer Zeitung ein kleines Anekdötchen nahezubringen.
Woher kommt die Redensart „Jeder ist seines Glückes Schmied“. Oder: „den Ball flach halten?“
Ich sah ihn etwas verdattert an.
„Klemmen sie sich dahinter. In zwei Tagen liefern sie.“
Was soll man machen? Wenn man kleiner Angestellter, kleiner Journalist ist, dann bleibt
nur Augen zu und durch.
Ich stöberte im Archiv, fand aber nichts außer einem gewissen Dr. Prof. Alvarus Feinbein, seines Zeichens Linguistiker von Weltruf, spezialisiert auf Redensarten.
Ich fuhr zu ihm.
Er bewohnte ein Häuschen im berühmten Erholungsort Rummelsdupfing.
Der Professor konnte Zeit für mich erübrigen. Das sei kein Wunder, mutmaßten die Einen später, denn er hätte sich zurückgezogen und würde sich über eine Abwechslung freuen. Die Anderen meinten, dass sich für den schrulligen Professor sowieso keine Sau interessieren würde.
Ich landete also in seinem Studierzimmer. „Was kann ich denn für sie tun?“
Ich brachte mein Anliegen vor.
„Es geht mir um die wissenschaftlich fundierte Auskunft woher der Ausdruck „den Ball flach halten kommt. Ich habe gehört, dass es vom Fußball herrühre. Wenn man den Ball flach hält, kann man präziser passen und den Ball besser kontrollieren, also man nicht das größere Risiko durch ein hohes Zuspiel eingehen muss.“
Der Professor nahm die Brille ab.
„Woher haben sie denn diesen Mist?“
Ich zuckte mit der Schulter.
„Das hat einen wesentlich älteren Ursprung“, begann Feinbein. „Es rührt von den Majas her, genauer gesagt von den Olmeken, rund 1000 v. Chr. Das Ballspiel hieß Pok-ta-Pok. Im Laufe der Zeit änderten sich die Regeln etwas,
aber Ziel war es den Kautschukball von ca. zwei Kg durch eine steinerne Öse in sechs Meter Höhe zu werfen. Es war ein Mannschaftssport.“
Als sich Alvarus Feinbein umständlich eine Pfeife anzündete, fand ich meine Sprache wieder.
„Aber dann ist es doch von Vorteil, wenn man den Ball hoch spielt. Das Tor war doch in sechs Meter Höhe.“
Der Professor paffte.
„Der Mannschaft, der das Tor gelang, war Sieger. Allerdings war dann die Verlierer Mannschaft dem Tod geweiht. Ein kulturelles Opfer. Sie wurden wie ein Kautschuckball zusammengeschnürt, dann die steilen Pyramidenstufen hinuntergestoßen. Tödlich!“
"Aha“, verstand ich, „und deshalb sollte man beim Spiel den Ball flach halten, damit der Gegner nicht zum hohen Wurf kam.“
„Richtig, mein junger Freund. Wir wissen das, seit Popol Vuh (heiliges Buch des Rates) der Maja entziffert werden konnte. Allzu flach natürlich auch nicht, denn der Ball durfte den Boden nicht berühren.“ "Ich nehme an: Tödlich?" "Hm!"
Ich war beeindruckt und beschloss meinen Fehler auszumerzen. das brachte mich auf einen neuen Gedanken. Ich konnte meine nächste Frage nicht zurückhalten.
„Apropos Redewendung: Meinen Fehler ausmerzen. Da weiß ich aber Bescheid. Im März hat man die Schafe ausgesondert, die sich nicht so recht zur Nachzug eigneten.
Fehlerhafte Schafe sollten nicht mehr die Qualität der Herde beeinträchtigen.“
Ich strahlte ihn an.
Dr. Feinbein riss die Pfeife aus dem Mund.
„So ein Unsinn! Eine weit verbreitete Theorie, die jeglicher Grundlage entbehrt. Eigentlich hieß es einmal ausharzen und stammt von den alten Germanen. Wenn sich ein Steinmetz bei den Runen etwas verklopft, also falsch geritzt hatte, dann wurde der Ritz mit Hartz wieder ausgebessert. So sparte man sich einen neuen heiligen Stein verwenden zu müssen, konnte ihn zu Ende beschreiben.“ „Und aus ausharzen wurde mit der Zeit ausmerzen?“ „Auch falsch, denn die Ernte vom angeritzten Pechbaum hieß bei den Germanen merzen.“
Ich notierte eifrig und traute mich kaum mehr nach jeder ist seines Glückes Schmied zu fragen, tat es aber dennoch, weil mich der Professor freundlich anpaffte. Diesmal allerdings verzichtete ich auf eine Interpretation.
„Sieh da“, rief der Professor, "sie sprechen mich auf meine Dissertation an! Das freut mich! Jeder ist seines Glückes Schmied hat mich viel intensive Arbeit gekostet.“
„Nee, is' klar“, nickte ich beifällig, „zweifellos!“ „Ja, ja, das Mittelalter war schon eine brutale Zeit“, sinnierte Dr. Feinbein. Ich wurde doch wieder vorlaut.
„Ich habe gehört, dass es sich um das Knacken der Keuschheitsgürtel der Burgfäuleins handeln würde. Nur ein Schmied,
ein Spezialist für Schlösser kam sozusagen in den Genuss von, äh, Glück und so.“.
„Mein Gott, welchem Unsinn sind sie denn da aufgesessen? Die Redewendung kommt aus dem Mittelalter, das stimmt schon, aber die Erklärung ist eine ganz andere. Beginnen wir mit „vom hohen Ross herunter kommen“. Fiel ein Ritter in der Schlacht vom Pferd, dann musste er sich dem Kampf am Boden stellen. Und wo war er verwundbar? Am Gesäß und zwischen den Beinen. Die Gegner mit Piken und Lanzen konnten ja von hinten zustoßen.“ „Auweia“, entglitt es mir. „Deswegen gab es einige, findige Ritter, welche Platten auch untenrum vom Schmied anfertigen ließen. Rüstungen waren damals sozusagen maßgeschneidert, auf Maß gehämmert und
extrem teuer. So konnten sie Sonderwünsche verwirklichen. Das untere Stahlblech war dem Sattel und dem Hintern des Ritters angepasst. Und ganz vorsichtige schützten auch ihr Gemächt.“ Ich wurde rot. „Sicherlich sinnvoll.“ „Jedenfalls soll Ritter Bourmeaut in der Schlacht bei Calais ausgerufen haben, jeder ist seines Glückes Schmied. Dabei köpfte er einen Pikanier, der ihn vergeblich von hinten durch den Hintern aufspießen hatte wollen.“ Ehrfurcht vor so viel Wissen übermannte mich. „In meiner Dissertation allerdings, da stieß ich auf eine andere Erklärung. Da sagte der Page von Ritter Sire Gawain nämlichen diesen Ausspruch. Jeder ist seines Glückes Schmied. Er hatte nämlich die entsprechenden Rüstungsschalen seines Herren nicht mehr
rechtzeitig entfernen können, denn es waren einige Lederriemen vorher zu lösen . Unglücklicher Weise hatte der noble Ritter sowohl Harndrang als auch Bedürfnisse den After betreffend gehabt.“ Der Professor ließ die entsetzlichen Worte im Raum stehen.
„Ja, ja“, bestätigte ich, „das Mittelalter war sehr brutal.“
Und da ich über das wahrscheinlich grausame Schicksal des armen Pagen nichts wissen wollte, beendete ich die Sitzung.
Ich bedankte mich vielmals und fuhr mit meinem neu erworbenen Wissen Freude strahlend wieder in die Redaktion.
Mein Chef sah mich schief an.
„Diesen Mist können sie vielleicht noch auf
irgendeiner Internet Plattform veröffentlichen. In unserer seriösen Zeitung hat so etwas keinen Platz. Wir nehmen lieber von Fräulein Gabrielle ihren Aufsatz über das Liebesleben der Schlüsselblume.
Ich grämte mich und sagte mir:
Wie gewonnen so zerronnen.
Und diesmal wollte ich gar nicht mehr wissen, woher diese Redewendung kam.