Humor & Satire
Teiresias - Teilnahme an SP 83

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"Erwachen..."
Veröffentlicht am 03. März 2020, 8 Seiten
Kategorie Humor & Satire
© Umschlag Bildmaterial: Kurpark Bad Schmiedeberg
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Getauft, Geschieden, Geimpft: 3G also, tretet näher, Herrschaften! Was ich so schreibe, ist natürlich erlebt, erlauscht, erlesen und erlogen; von alberich bis böse oder dunkeltrüb, und mit Vorliebe gereimt. Erfreue mich an Musik verschiedener Richtungen, an Literatur und natürlich an Menschlichem wie Situationskomik und liebevolle Reaktionen abseits des jeweiligen Business'. Solange ich die komische Seite der Dinge erkenne, geht's mir gut -- und ...
Erwachen...

Teiresias - Teilnahme an SP 83

Teiresias

War ich kurz eingenickt? Passiert mir immer mal in der Bahn. Aber muß mich deshalb dieser Mann vor mir so unver-schämt anstarren? Er kommt mir bekannt vor, doch wieso? Sonst blicke ich dann aggressiv zurück, und es hat sich erle-digt. Heute dagegen, wieso pussele ich nun ständig an meinen Fingern herum; warum zippele ich in meinen Haaren? Bist doch sonst kein Frosch, Alter. Und überhaupt, seit wann habe ich so feine lange Haare? Waren gestern Hormone in den „Corona“-Bieren? Heutzutage weiß man

nie. Jetzt sehe ich mir den Kerl heimlich im Spiegelbild an. Kann schließlich nicht lange direkt hinsehen, er hält mich sonst noch für die leichte Sorte, nicht wahr. Emanzipation hin oder her, wenn's drauf ankommt, halten wir die bewährten Ri-tuale hoch. In der Fensterscheibe er-scheint mir meine Therese… Was für ein Bier aber auch! Aber halt, sie dreht den Kopf wie ich, sie trägt den hübschen gepunkteten Pullover, äh, wie ich… Was ist los? Ja diese lackierten Finger, die gehören ebenfalls mir. Wer tut sowas, habe ich eine Wette

verloren? Nochmal hin und her geguckt. Dambedei dudidel, da wölben sich zarte Brüste, hier wie da!! Die fühlen sich ganz kusch-lig an. Willkommen, ihr zwei, ich bin also plötzlich eine Frau, hoffentlich nur heute... Obwohl, der ganze Körper, seine glatte Haut, der Duft, die Bekleidung, die geschmeidigen Bewegungen und all das, ich könnte mich dran gewöhnen. Nur schwant mir, da kommen weniger hüb-sche Zeiten mit Kopfschmerztabletten auf mich zu; wie bei meiner Freundin Therese. Beim Gedanken an sie weiß ich nun

auch, wer der starrende Typ hier ist und wie das alles kam. Resi, die Süße meines Daseins, steht da in meinem Körper. Würde ich nicht nur zum Rasieren in den Spiegel sehen, ich hätte sie bzw. mich doch sofort erkannt. Jetzt stehe ich zu-gleich neben mir und vor mir. In ihrem Blick entdecke ich dieses vertraute Strahlen und ihr Feuer… das sie auch echten Frauen im Waggon zuteilt. Unver-schämt! Na warte, deine bekannte essig-saure Miene gehört heute abend mal zu meinem Repertoire. Unauffällig streiche ich mir über alle möglichen Partien. Das Kennenlernen tut so gut. Plötzlich mag ich mich selbst, bin

geradezu scharf auf mich. All die Leute drumherum sind sowieso wie stets ge-bannt von ihrem Wisch-und-Weg-Display. Gott, wie oft hatte ich mir ausgemalt, wie es wäre, einmal zu spüren, was sie spürt; sie einmal perfekt zu verstehen. Gestern beim engen Tanz hatten wir einen der seltenen Momente, einander unendlich nahe zu sein, körperlich und seelisch. Aber man sollte nie etwas zu intensiv wünschen… Wie finden wir jetzt Erlösung von dem Zauber? Vielleicht will sie die gar nicht? Muß ich mir an jedem kommenden Tag über endlos viele Äußerlichkeiten den Kopf zerbrechen? Muß ich aller Welt nun diplomatisch

kommen statt geradezu? Fest steht erstmal, heute abend wird mich Therese in die Benutzung dieses Krimskrams im Bad einweisen. Vielleicht lerne ich sogar, eine Feinstrumpfhose zerstörungsfrei überzuziehen. Derweil, ja derweil wird Milchmüller wieder in der Verlängerung das Ausgleichstor holen ̶ und ich bin nicht dabei. Es wird mir doch wenigstens wie da-zumal Teiresias ergehen, nur ohne Strafe der Götter, an die wir nicht glauben? Teiresias wurde vom Mann zur Frau gemacht und verriet, als solche deutlich mehr Freude an körperlicher Liebe zu

erleben. Ja denn, so lange noch das Lämpchen glüht; ob Kopfschmerzen oder nicht. Diese Frau da drüben zum Bei-spiel, die offensichtlich auch meiner Freundin sehr gefällt… Hoffentlich endet der Zauber nicht so bald! © 2020 Brubeckfan

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Über den Autor

Brubeckfan
Getauft, Geschieden, Geimpft: 3G also, tretet näher, Herrschaften! Was ich so schreibe, ist natürlich erlebt, erlauscht, erlesen und erlogen; von alberich bis böse oder dunkeltrüb, und mit Vorliebe gereimt. Erfreue mich an Musik verschiedener Richtungen, an Literatur und natürlich an Menschlichem wie Situationskomik und liebevolle Reaktionen abseits des jeweiligen Business'. Solange ich die komische Seite der Dinge erkenne, geht's mir gut -- und das ist allermeistens.

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HarryAltona Huuuuch… und das mitten in der Bahn und so ganz ohne Vorwarnung. Ich denke gerade darüber nach wie es mir in solch einem Moment gehen würde: Das wäre wohl mächtig stressig. Neue Unterwäsche kaufen, überhaupt Klamotten, Düfte, Schuhe und Geschmeide. Dazu die geilen Blicke der Einsamen, das blöde Anmachen der Unerfahrenen... Ob das besser ist als die Aussicht sich nicht länger das Gesicht rasieren zu müssen???
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Danke Dir, Harry!
Ja, zuerst hätten wir unglaublichen Streß, alles aufzuholen, was schon kleine Mädchen lernen. Aber andererseits... Wir werden auch mal gedrückt und gestreichelt, nicht nur auf den paar Zentimetern, wenn überhaupt; wir dürfen so schwach sein, wie wir sind. Und wir blicken mal hinter die Kulissen.
Angenehme Tagträume
wünscht Dir Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
Enya2853 Hach, klasse. Interessant, wie er versucht, sich mit der Rolle der neuen "sie" anzufreunden.Erst um Erlösung bitten, dann der Wunsch, dieser Zauber möge noch andauern. So ein Perspektivwechsel, auch im Körper, hat was, könnte ja zumindest das Verständnis für den anderen fördern. Irgendwie glaube ich, dass es die Weiblichkeit hier leichter hätte, hm ...

Eine richtig gute Idee und eine ebensolche Umsetzung.

LG
Enya
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Liebe Enya, ich glaube sogar, beide Seiten würden vom Blick hinter die Kulissen der anderen profitieren. Welcher Mann kann schon die seltsamen Worte und Gesten einer Frau entziffern... Soll er zuhören oder nur so tun? Soll er sie bitte in Ruhe lassen oder unverzüglich besprin…?
Aber wie schrieb neulich ein sehr geschätzter Herr Kollege: Nicht mal Frauen verstehen Frauen.
Vielen Dank für alles, und viele Grüße!
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
KaraList Nun zumindest ist Dein vom Geschlechterwandel überraschtes "Zauberwesen" nicht blind. Dieses Sehen verhilft ihm doch zu einigen Erkenntnissen ... der Geschirrspüler muss noch ausgeräumt werden, das Klo müsste geputzt werden und die Gardinen hätten eine Wäsche nötig. Mit anderen Augen wären diese Dinge unsichtbar geblieben.
Eine tolle Idee, lieber Gerd.
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Liebe Kara, erwarte nicht zu viel, zunächst steckt da noch ein Mann in der scheinbaren Frau, der sich ganz unbeholfen in den weiblichen Alltag hineinfinden muß. Dagegen umgekehrt: Seinen Rasierapparat benutzt sie eh immer mal, und Fußballspieler kennt sie besser als er...
Du kennst ja Tuchos Spruch: Frauen haben es ja manchmal auch schwer. Wir Männer aber müssen uns rasieren.
Ja und die Idee kam doch von Andy und Jeanne.
Wenn ich hier so runtergucke, da scheinen mir noch so einige Ideen zum Thema Körpertausch zu stecken. Ein ganzer utopisch-satirischer Roman. (Wie wärs mit Dir...?)
Gruß und Dank!
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
KaraList Lieber Gerd,
es wird sich zeigen, wohin das Zünglein an der Waage sich neigt. Wiegt die Summe der Vorteile, die der Nachteile auf. :-)
Zu diesem Thema habe ich schon einmal eine KG geschrieben. Ein Körpertausch der besonderen Art. :-) Utopisch, ja ... satirisch, nein.
Vielleicht entstaube ich sie ´mal.
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
Friedemann 
Hallo Gerd,
da hast Du uns ja ein schönes und interessantes Märchen kredenzt. Dein LyrIch wäre wirklich zu beneiden, wenn es herausbekommt, wie sein Geschlechterwandel zustandekommt. Dann könnte es beispielsweise die Frauenquote unterlaufen oder auf dem Münchner Oktoberfest die langen Warteschlangen vor den Damentoiletten umgehen.

Liebe Grüße,
Friedemann
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Du meinst also, das könnte dann willkürlich nach Bedarf hervorgerufen werden. Man wüßte dann gar nicht mehr, wer gerade wer ist, und die Emanzipation wäre ganz von selbst geschafft. Heerscharen müßten erforschen, welchen Einfluß der Körper auf das Verhalten hat, sowohl von innen heraus als auch durch die Wertung durch die Umwelt...
"Ich bin meine eigene Frau", sagte Charlotte von Mahlsdorf. So meinte der das also.
Herzlichen Dank!
Viele Grüße,
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
Bleistift 
"Teiresias - Teilnahme an SP 83..."
Na das nenne ich doch mal ein ordentliches Tauschgeschäft,
wo der eine von der anderen, oder die eine von dem anderen
wenigstens emotional einmal so richtig profitieren kann... ...smile*
...Originell verfasste Story... ...smile*
LG
Louis :-)
Vor langer Zeit - Antworten
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