Kurzgeschichte
Schweinehund - Party 83

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"Schweinehund - Party 83"
Veröffentlicht am 25. Februar 2020, 12 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Andrea Minutillo
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich - eindeutig rot - freiheitsliebend - in mir drin schon mal unsicher, beinahe verklemmt - nach außen der Fels in der Brandung - die Person, auf die man sich verlassen kann - auch mal anlehnen, kein Problem - ein dunkles samtiges Rot also - richtig viel Farbe - dicke Haufen davon auf der Leinwand - Struktur - Kunstschule Zürich - zahlreiche Ausstellungen in der Region - flippig - flapsig - bunt in mir drin - auch mal ...
Schweinehund - Party 83

Schweinehund - Party 83

Schweinehund








Dort kauert er. Mein Herr und Meister.

Dieser Schweinehund!

Jetzt und hier - gar nicht mehr so meisterlich. Wie oft ging ich für ihn durch die Hölle.

Ich bin nicht sicher, wie es geschah.

Doch weiß ich genau, meine Position hat sich merklich verbessert.


Wie irrwitzig ist das?

Er schaut mich aus seinen hündischen

Augen an.

Ganz ruhig.

Und streicht mir sanft über den Rücken. Über meinen Rücken!

Während ich die zerdrückte Tablette hinunterwürgen muss.

Er achtet darauf, dass ich keinen Krümel übrig lasse. Bitter wie die Pisse, nach der es hier überall riecht. Der Gestank macht mich fertig.

So empfindlich war meine Nase noch nie. Noch nie in meinem Leben hing ich angekettet an dieser Wand.

Corona gehört an diesen Platz, nicht ich! Ich doch nicht!

Saß ich doch eben noch bei Muttern und habe ihre Buwwespitzle genossen. Ganz langsam breitet sich das Feuer in mir aus. Der Speichel trieft vor lauter Aufgeregtheit von meinen Lefzen.

Das Blut pocht rauschend in den Adern.

Bin so aufgewühlt und aggressiv.

Die Pille wirkt schnell.

Ganz schön skurril, es am eigenen Leib zu spüren.

In meinem Mund der Geschmack von Essig. Sauer und beißend. Ekelerregend.

Und kein Schluck Wasser zum Nachspülen. Entschuldige Corona, das habe ich nicht gewusst. Das Gebrüll, ja, der ganze Lärm macht mir Angst. Angst, aber gleichzeitig erregt er mich.

Mich erfüllt Kampfeslust.

Jaulen und Knurren, Bellen und Schreien. Adrenalin pur. Das Gemisch kriecht unter die Haut.

Ich bin da keine Ausnahme.

Mir ist bewusst, dass es meinem Gegner gleich an den Kragen geht.

Oder mir.

Vielleicht. Was ich nicht weiß, ist, wie ich in diese Lage geraten konnte.

Es ist nur ein Traum, darauf zähle ich. Ganz bestimmt wäre es besser, jetzt aufzuwachen.




Wie ein elender Frosch hängt er da.

An die Wand gedrückt.

Zitternd.

Den Schwanz eingezogen.

Was für ein Schwächling. Ich versuche ihm zu vergeben.

Könnte ihn erlösen. Einfach so. Doch ich bringe es nicht fertig.

Will sehen, wie er sich schlägt.

Will sehen, wie … ich kann meine Gedanken nicht zu Ende denken.

Doch verlange ich ihm diese Bürde ab. Dieses ungelenke Fleischpaket prahlte stets mit seinen schweren Gewichten, die er gestemmt hatte.

Nun soll er sich mal im Kampf beweisen.


Ein Stöhnen.

Ein letzter Atemzug.

Ein Sieger. Ein Verlierer. Der Verlierer kommt weg.

Den Gewinner machen sie für die nächste Runde frisch. Die Kette an meinem Hals wird von der Wand gelöst. Ich bepisse mein eigenes Bein.

Nun bin ich an der Reihe.

Ich. Wieder wird geschrien.

Das Adrenalin schießt durch meine Adern. Schockartig.

Beinahe schmerzhaft.

Mein Nackenfell sträubt sich zur Bürste auf. Der Gegner wird ebenfalls in die Arena geführt.

Sie stacheln uns an.

Der Saal tobt.

Ich spüre die Pflicht,

eine gute Show zu liefern. Die Glocke ertönt.

Wir werden losgelassen! Mein Gegenüber rast auf mich zu und verbeißt sich in meiner Nase.

Es ist ein Höllentanz.

Höllenritt.

Höllenschmerz!

Verzweifelt versuche ich mich aus seinem festen Biss zu winden. Zwecklos.

Ich kann nichts entgegensetzen.

Kann nicht denken.

Nicht handeln.

Die Sinne versagen.

Fühle mich unendlich dumpf und gelähmt. Ehrgeiz und Adrenalin verpuffen.

Spüre Schläge auf meinem Hinterteil. Kämpfen soll ich.

Doch weiß ich nicht wie.

Mir fehlt der Überblick.

Flehe innerlich um Erlösung.

Aber so schnell geht das nicht.

Fleischfetzen aus Schulter und Nacken.

Die Ohren rauschen betäubend.

Schnappe um mich, doch erhasche ich nur Luft. Der Angreifer ist viel zu flink.

Für mich.

Mein Blick ist getrübt, die Schwärze gewinnt. Sacke leblos zusammen.

Mein Gegner zerrt noch eine Weile an mir.


Schleudert Fetzen meines Fleisches durch die schweißgetränkte Luft.

Die Eingeweide quellen hervor.

Gepunktet habe ich nicht.

Der Verlierer kommt weg.

Der Gewinner wird auf den nächsten Kampf vorbereitet.










Er gab mir den Namen „Corona“.

Die Krone, die Königin.

Die Bestie, die niemals verliert.

Als Siegerin stehe ruhig von meinem Platz auf und kehre diesem widerlichen Ort den Rücken.

Für immer.


Selbst in diesem lahmen und stinkenden Männerkörper zu leben ist besser,

als in einem trainierten und drahtigen Hundekörper im Kampf zu Enden.

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Hörbuch

Über den Autor

Frettschen
Ich
- eindeutig rot
- freiheitsliebend
- in mir drin schon mal unsicher, beinahe verklemmt
- nach außen der Fels in der Brandung
- die Person, auf die man sich verlassen kann
- auch mal anlehnen, kein Problem
- ein dunkles samtiges Rot also
- richtig viel Farbe - dicke Haufen davon auf der Leinwand
- Struktur
- Kunstschule Zürich
- zahlreiche Ausstellungen in der Region
- flippig - flapsig - bunt in mir drin
- auch mal nachdenklich
- manchmal introvertiert
- stets auf der Suche nach Neuem
- in meinem Bereich versteht sich
- Sternzeichen Löwe
- Querdenker und Rebell
- reiße mir die guten Seiten des Alltags unter die Nägel
- manchmal erwische ich auch die weniger Guten,
doch die schüttele ich hastig ab

ich liebe:
- einsame Orte
- den Wind
- das Geklapper der Taue an den Masten
- ob an Fahnen oder Booten, ist mir egal
- die Ruhe im Wald
- der Schutz eines Baumes - wenn man sich darauf einlässt
- das Eintauchen in die Arbeit an der Staffelei
- wenn`s gelingt
- das sichere und untrügliche Gefühl,
etwas Besonderes entstehen zu lassen
- das Spielen mit unserer Sprache
- gutes Essen
- ein unerwartetes Lächeln
- Musik - alle Richtungen
- am besten schön laut
- Tanzen
- Ausdruck
- Profil
...

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NORIS Eine interessante Geschichte, die nachdenklich macht.
LG Heidemarie
Vor langer Zeit - Antworten
KaraList Keine leichte Kost ... sie spiegelt die Grausamkeit der höchst entwickelten Spezies wider. Ein "verdienter Körpertausch".
Drastisch und realitätsnah beschrieben.
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Ja, ein abgrundtief grässliches Thema. Ich weiß auch nicht, warum ich immer wieder auf so düstere Szenarien komme.
Ich danke Dir fürs Lesen und Kommentieren.
Vor langer Zeit - Antworten
Enya2853 So manche (menschliche) Kreatur sollte solch einen Körpertausch mal erleben, um zu spüren, was er anderen Kreaturen antut (nicht nur den tierischen). Sehr gut dargestellt, das Leiden, das dieser Schweinehund nun spüren muss. Zumindest der Ansatz einer Einsicht wird sichtbar: "... das habe ich nicht gewusst ...". Nun, wenn man auch nur ein wenig Einfühlungsvermögen und Empathie seinen Mitgeschöpfen gegenüber hat, dann ist diese späte Erkenntnis absurd.

Eine interessante Story, die nachdenklich stimmt.
LG
Enya
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Vielen Dank, liebe Enya
Tja, da fallen mir noch andere interessante Körpertäuschchens ein - - - zum Beispiel, wenn Hundehalter ihren Lieblingen bescheuerte Schleifchen oder Pullover anziehen ... haha ... das wäre dann nicht ganz so bösartig, aber gemein ist das trotzdem, auch wenn manche Menschen sowas süß finden ♥
Vor langer Zeit - Antworten
Enya2853 Stimme dir voll zu, warum kann Mensch tier nicht einfach Tier sein lassen? Respekt üben?
LG
Enya
Vor langer Zeit - Antworten
Gabriele Hut ab!!
Deine Geschichte gefällt mir - hiier macht der Körpertausch echt mal Sinn.
Wünsche dir viel Erfolg!
Liebe Grüße, Gabriele
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Dankeschöööön :))
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Bedrückende Geschichte. Mir tun solche Hunde leid. Man sollte lieber deren Halter so aufeinander los lassen.
LG Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Deswegen habe ich diese Geschichte ja geschrieben! Thema der Party ist Körpertausch. Und in meiner Geschichte haben Hund und Halter die Körper getauscht. Der Halter ist im Kampf gefallen - er konnte überhaupt nicht kämpfen! Das musste immer die Hündin Corona erledigen ... dieses mal nicht. Und so lässt sie ihn und die schreckliche Kampfarena hinter sich - zwar in dem schäbigen Körper ihres Halters, aber lebendig.
Vor langer Zeit - Antworten
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