Schweinehund
Dort kauert er. Mein Herr und Meister.
Dieser Schweinehund!
Jetzt und hier - gar nicht mehr so meisterlich. Wie oft ging ich für ihn durch die Hölle.
Ich bin nicht sicher, wie es geschah.
Doch weiß ich genau, meine Position hat sich merklich verbessert.
Wie irrwitzig ist das?
Er schaut mich aus seinen hündischen
Augen an.
Ganz ruhig.
Und streicht mir sanft über den Rücken.
Über meinen Rücken!
Während ich die zerdrückte Tablette hinunterwürgen muss.
Er achtet darauf, dass ich keinen Krümel übrig lasse.
Bitter wie die Pisse, nach der es hier überall riecht. Der Gestank macht mich fertig.
So empfindlich war meine Nase noch nie.
Noch nie in meinem Leben hing ich angekettet an dieser Wand.
Corona gehört an diesen Platz, nicht ich!
Ich doch nicht!
Saß ich doch eben noch bei Muttern und habe ihre Buwwespitzle genossen.
Ganz langsam breitet sich das Feuer in mir aus. Der Speichel trieft vor lauter Aufgeregtheit von meinen Lefzen.
Das Blut pocht rauschend in den Adern.
Bin so aufgewühlt und aggressiv.
Die Pille wirkt schnell.
Ganz schön skurril, es am eigenen Leib zu spüren.
In meinem Mund der Geschmack von Essig. Sauer und beißend. Ekelerregend.
Und kein Schluck Wasser zum Nachspülen. Entschuldige Corona, das habe ich nicht gewusst.
Das Gebrüll, ja, der ganze Lärm macht mir Angst. Angst, aber gleichzeitig erregt er mich.
Mich erfüllt Kampfeslust.
Jaulen und Knurren, Bellen und Schreien.
Adrenalin pur.
Das Gemisch kriecht unter die Haut.
Ich bin da keine Ausnahme.
Mir ist bewusst, dass es meinem Gegner gleich an den Kragen geht.
Oder mir.
Vielleicht.
Was ich nicht weiß, ist, wie ich in diese Lage geraten konnte.
Es ist nur ein Traum, darauf zähle ich. Ganz bestimmt wäre es besser, jetzt aufzuwachen.
Wie ein elender Frosch hängt er da.
An die Wand gedrückt.
Zitternd.
Den Schwanz eingezogen.
Was für ein Schwächling.
Ich versuche ihm zu vergeben.
Könnte ihn erlösen. Einfach so.
Doch ich bringe es nicht fertig.
Will sehen, wie er sich schlägt.
Will sehen, wie … ich kann meine Gedanken nicht zu Ende denken.
Doch verlange ich ihm diese Bürde ab.
Dieses ungelenke Fleischpaket prahlte stets mit seinen schweren Gewichten, die er gestemmt hatte.
Nun soll er sich mal im Kampf beweisen.
Ein Stöhnen.
Ein letzter Atemzug.
Ein Sieger. Ein Verlierer.
Der Verlierer kommt weg.
Den Gewinner machen sie für die nächste Runde frisch.
Die Kette an meinem Hals wird von der Wand gelöst. Ich bepisse mein eigenes Bein.
Nun bin ich an der Reihe.
Ich.
Wieder wird geschrien.
Das Adrenalin schießt durch meine Adern. Schockartig.
Beinahe schmerzhaft.
Mein Nackenfell sträubt sich zur Bürste auf.
Der Gegner wird ebenfalls in die Arena geführt.
Sie stacheln uns an.
Der Saal tobt.
Ich spüre die Pflicht,
eine gute Show zu liefern.
Die Glocke ertönt.
Wir werden losgelassen!
Mein Gegenüber rast auf mich zu und verbeißt sich in meiner Nase.
Es ist ein Höllentanz.
Höllenritt.
Höllenschmerz!
Verzweifelt versuche ich mich aus seinem festen Biss zu winden. Zwecklos.
Ich kann nichts entgegensetzen.
Kann nicht denken.
Nicht handeln.
Die Sinne versagen.
Fühle mich unendlich dumpf und gelähmt. Ehrgeiz und Adrenalin verpuffen.
Spüre Schläge auf meinem Hinterteil. Kämpfen soll ich.
Doch weiß ich nicht wie.
Mir fehlt der Überblick.
Flehe innerlich um Erlösung.
Aber so schnell geht das nicht.
Fleischfetzen aus Schulter und Nacken.
Die Ohren rauschen betäubend.
Schnappe um mich, doch erhasche ich nur Luft. Der Angreifer ist viel zu flink.
Für mich.
Mein Blick ist getrübt, die Schwärze gewinnt.
Sacke leblos zusammen.
Mein Gegner zerrt noch eine Weile an mir.
Schleudert Fetzen meines Fleisches durch die schweißgetränkte Luft.
Die Eingeweide quellen hervor.
Gepunktet habe ich nicht.
Der Verlierer kommt weg.
Der Gewinner wird auf den nächsten Kampf vorbereitet.
Er gab mir den Namen „Corona“.
Die Krone, die Königin.
Die Bestie, die niemals verliert.
Als Siegerin stehe ruhig von meinem Platz auf und kehre diesem widerlichen Ort den Rücken.
Für immer.
Selbst in diesem lahmen und stinkenden Männerkörper zu leben ist besser,
als in einem trainierten und drahtigen Hundekörper im Kampf zu Enden.