Biografien & Erinnerungen
Weihnachten 1964 - Für Gertraud - Teil III

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"Weihnachten 1964 - Für Gertraud - Teil III"
Veröffentlicht am 12. Dezember 2019, 10 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Unter dem Pseudonym MerleSchreiber veröffentliche ich seit dem Jahre 2012 Gedichte und kleine Kurzgeschichten. Neben Alltagsthemen möchte ich auch tabuisierte Lebenswelten so aufbereiten, dass sie das Interesse und den Zugang zu den Herzen der Leser finden.
Weihnachten 1964 - Für Gertraud - Teil III

Weihnachten 1964 - Für Gertraud - Teil III

Weihnacht 1964

Warten auf das Christkind (Teil III)




Im Alter haben Erinnerungen denselben Stellenwert wie in der Jugend die Träume

Erna Behrens-Giegl

Merle Schreiber Dez/2019



3. Teil Mit der Moni unterm Arm stapfte ich durch den tiefen Schnee quer über den Hof zu unserem Plumpsklo, das wir alle nur "das Häusl" nannten. Von dort kam nämlich die sich überschlagende Stimme des Opas. Auweia, hab ich mir gedacht, der Hansi und der Wiggerl haben wieder mal von außen den Riegel vorgeschoben und den Opa eingesperrt, gerade als der bei seiner Lieblingsbeschäftigung war. Weil es bei uns damals noch kein richtiges Toilettenpapier gab, hat die Oma für diesen Zweck einmal die Woche mit dem Küchenmesser alte Zeitungen in kleine Rechtecke geschnitten und dann im

Häusl auf einen Haken in der Holzwand gespießt. Und der Opa hat nichts lieber gemacht, als mit herunter gelassener Hose gemütlich da draußen auf der rund ausgeschnittenen Holzplatte zu sitzen, eine ekelhaft stinkende Salem-Zigarette nach der anderen zu rauchen und sich aus den Zeitungsfetzerln Lesestoff zusammen zu suchen. Wehe, da hatte jemand, der vor ihm "gesessen" ist, schon einen Teil von einem interessanten Artikel... ähm... verbraucht. Mei Liaba, da konnte er aber extrem züntig (zornig) werden. Züntig, das war er jetzt auch. Er schrie: "Himmi-Herrgott-Sakra-Zement" und noch etliche andere schlimme Sachen, bei denen man sich eigentlich immer gleich das Kreuzzeichen machen musste, wenn es einem

herausgerutscht war. Als ich direkt vorm Häusl stand und mich auf Zehenspitzen zum herzerlförmigen Türausschnitt hochreckte, sah ich sein vom vielen Schelten rot angelaufenes Gesicht. "Moch auf, Dirndl", schnaubte er mit letzter Kraft und ich hab ihn sofort herausgelassen und dabei schnell zum Himmel hoch geschaut, in der Hoffnung, dass mich das Christkindl bei dieser guten Tat gesehen hätte. Aber da konnte man sich ja niemals sicher sein, weil es schließlich unsichtbar mit seinen Engelsflügeln in der Gegend herum flog. Wer mich nun aber auf alle Fälle bemerkt hatte, das waren meine Eltern. Der Vater schaute aus dem Heustockfenster herunter, wo er gerade an einer Vorrichtung tüftelte, um die

Heubündeln mittels eines Flaschenzugs hoch oben in der Luft von der Scheune über den ganzen Hof zum Stallgebäude zu bugsieren. Er war ein richtiger Erfinder, mein Papa. Einer, der die Ruhe in Person war und für jedes Problem früher oder später eine Lösung parat hatte. "Gell, Hund san`s scho, de Buam!", rief er feixend dem Opa zu, was diesen nur noch ein wenig wütender machte. Aber die Mutter, die mit dem Milcheimer unter der Kaibestalltür (Kaibe=Kälbchen) stand, scherte sich nicht darum und schimpfte in meine Richtung: "Ja, ziagst da du woi gleich wos o, dös Fräulein marschiert do im Nachtg`wand umanander. Ja, wo samma denn?!" Ich machte ein ertapptes Gesicht und

überlegte mir, ob dem Christkindl die von mir herbeigeführte Befreiung eventuell schon reichen würde, um meinen Blick ins Weihnachtszimmer wieder gut zu machen. Aber das war wohl doch ein zu großes Vergehen gewesen, um da so einfach davon zu kommen. Während ich folgsam ins Haus ging, um mich anzuziehen, hörte ich vom nahen Schlittenberg meine Brüder mit den anderen Dorfkindern vor Vergnügen jauchzen und johlen bei ihren rasanten Abfahrten auf der selbst gebauten Sprungschanze. Da kam mir in den Sinn, dass es dem Christkindl vielleicht gefallen würde, wenn ich die Buben vor dem Zorn des wutschnaubenden Großvaters warnen würde. Ich machte mich also nach dem Anziehen, gemeinsam mit

meiner Monipuppn, die auch mit Schal und Handschuhe ausgerüstet wurde, schnurstracks auf den Weg zum Schlittenberg. Doch auf halbem Wege kamen mir meine Brüder und ihr Freund, der gleichaltrige Schwemmer Seppi, schon entgegen. Mit wichtiger Miene berichtete ich von dem wütenden Opa und dass er Rache für die hinterhältige Tat der „Hundskrippen“ angedroht habe. Meine Warnungen interessierten die beiden aber überhaupt nicht. Im Gegenteil, sie machten sich sogar noch über den alten "Krauterer" lustig, sagten hämische Dinge und dass er sie sowieso nicht erwischen würde, weil er schließlich zwei dick einbandagierte offene Füße hätte. Ich gab zu bedenken, dass

Abends aber das Christkindl kommen würde und ob sie denn gar keine Angst hätten, dass es keine Geschenke gäbe, wenn sie so schlimme Sachen sagten. "Nein, das Christkindl ist nicht so kleinlich", meinte der eine und der andere ergänzte: "Man darf halt nur nicht ins Weihnachtszimmer schauen, alles andere ist ihm wurscht!" Mir gab es einen Stich. Ich durfte keine Zeit mehr verlieren und musste nun ganz scharf nachdenken, wem ich bis zum Abend noch etwas Gutes tun könnte, damit das Christkindl mir verzeihen und mein Geschenk dalassen würde.

Fortsetzung folgt!

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Über den Autor

MerleSchreiber
Unter dem Pseudonym MerleSchreiber veröffentliche ich seit dem Jahre 2012 Gedichte und kleine Kurzgeschichten. Neben Alltagsthemen möchte ich auch tabuisierte Lebenswelten so aufbereiten, dass sie das Interesse und den Zugang zu den Herzen der Leser finden.

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Darkjuls Liebe Merle, ich kenne so ein Örtchen auch noch aus eigener Erinnerung. Fand es immer gruselig, abends über den Hof dorthin zu laufen als Kind. Es ist doch gut, wenn sich Dinge zum Besseren verändern. Lieben Gruß Marina
Vor langer Zeit - Antworten
MerleSchreiber Ja, auf alle Fälle, Marina. Wenn ich mich nach etwas von damals NICHT zurücksehne, dann ist es das Häusl ;-)
Vielen Dank und liebe Grüße, Merle
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Hi Merle,
ich kenne Teil 1+2 nicht, aber dieser Teil gefällt mir richtig gut. Er weckt Erinnerungen, ist wie imm er souverän und kurzweilig geschrieben. Ab er am allermeisten befällt mir, dass er unserer Gertrud gewidmet ist!!!!!
LG
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
MerleSchreiber Erstmal schön, dass du wieder da bist, Angie. Dich hatte ich schon vermisst. Ja, die Gertraud und ich, wir sind ja hier so quasi die Weißblauen, die mit einer durch und durch bayerischen Seele. Ich hab diese 1964er Erinnerungen schon 2016 angefangen und nicht zu Ende gebracht. Das hat sie sehr schade gefunden, deshalb jetzt für sie.
DANKE Dir und ganz liebe Grüße, Merle
Vor langer Zeit - Antworten
Nereus Da tauchen die Bilder auf liebe Merle, in unserer Mietskaserne gab es das Örtchen auf halber Treppe, also zwischen den Etagen für vier Familien immer eins. natürlich auch mit fein geschnittener Zeitung, die aufgespießt auf riesigen Nagel rumhing
(dein Profilbild SUPER !)
lieben Gruß
markus
Vor langer Zeit - Antworten
MerleSchreiber Das Bild hab ich mir gestern in einer Anwandlung von freudig-melancholischer Erinnerungsgefühle hergesucht. Wenn vier Familien in einem Haus zusammenleben, da gäbe es aber sicher auch viel zu erzählen?!
Vielen DANK, lieber Markus!
Und schöne Grüße von Merle
Vor langer Zeit - Antworten
hingekritzelt (Psssst.......will mich nicht einmischen, aber "Örtchen auf halber Treppe" hatten wir auch,grins. Gehört mit zu meinen ersten/ältesten Erinnerungen der Kindheit. Und die Zinkwanne in der Küche, in der wir samstags der Reihe nach gebadet wurden. Evtl. im selben Wasser. Und der Kohle-Ofen in der '"guten Stube" , hinter dem wir uns nach dem Bad schnatternd versammelten. grins. Psssst. Weitermachen...)
Vor langer Zeit - Antworten
Nereus und Bratäpfel aus dem Warmhaltefach des Kachelofens zogen
lieben Gruß
markus
Vor langer Zeit - Antworten
MerleSchreiber Evtl. im selben Wasser? Also bei uns: Ganz SICHER im selben Wasser. Aber ich durfte immer als erste ;-)
Vor langer Zeit - Antworten
hingekritzelt :-)
Vor langer Zeit - Antworten
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