der dankbare Hirsch
Der dankbare Hirsch
Nachts im Walde zwischen den Bäumen,
wo sämtliche Hasen und Igel schon träumen,
da stolziert der Hirsch mit großem Geweih
auf Moosen, an Farnen und Stöckern vorbei.
Und im Mondesschein durchstreift er frei
das Dickicht, die Büsche, die Weiden und Wiesen,
beschaut junge Pflanzen, wie sie dort sprießen,
und gewohntes Gehölz, wie es gedeiht.
Besinnlich erscheint die Wald-Atmosphäre,
er schreitet bedächtig in irdischer Schwere,
durch erdigen Duft, die Luft inhalierend,
Sinneseindrücke für sich selektierend,
gleicht er sogar dem
Waldwuchses-Hüter
wertvoll wachend über wäldliche Güter.
Die Winde rascheln an Ahorn und Birken,
die sich teils beruhigen und teils verstärken,
und an Eschen und Eiben, da klettern Insekten
die sich unscheinbar vor Feinden versteckten.
Ein waldiger Kauz in nicht weiter Ferne
Tönt einsam melodisch in nächtlicher Stille.
Am Himmelsgewölb, da funkeln die Sterne
und inmitten des Hirsches ein pulsierender Wille.
Doch liegen manch Bäume ihm in der Quere,
die ungezählt am Waldboden verstreut,
da befällt ihn sogleich eine steinige Schwere,
worüber der Hirsch sich gar nicht erfreut.
Seit Tagesanbruch beschaut er ernsthaft
die menschlich bedingte Raubwirtschaft.
Bäume betrachtend, wie sie hart leiden
Kann er in sich den Aufruhr nicht meiden,
und er bäumt sich auf mit starkem Geweih
Und hinterlässt einen dröhnenden Schrei.
Er röhrt und klagt so laut er kann,
wie ein bitter traurig brüllender Mann,
und durchschallt beinah den halben Wald:
„Schon wieder ein Baum in stumpfer Gestalt!
Von Menschen zersägt, den Wäldern entrissen,
mit Maschinengewalt zu Tode gebissen,
enthauptet, entwendet, mit technischem Wissen,
doch ohne Respekt und ohne
Gewissen,
so geht es manch Wäldern wahrlich beschießen.
Wir werden dich Baum in Freundschaft vermissen.“
Da horchten manch Rehe bedachtsam auf,
aus dem Grasen wird Gehen und daraus ein Lauf
und sie eilen geschwind über Bäche dahin,
wo heimlich die Treffen der Wildtiere sind.
Und sie sehen den Hirsch, der weiß zu berichten,
wás die Menschen im Walde alles vernichten,
was Jahrzehnte gewachsen in guter Belichtung,
himmelwärts hoch in sonnige Richtung.
Und mit einem Schlag durch menschliche Gier
Manch Schädel zertrümmern vom Zwergen-Getier,
mach Körper zerschmettern durch
Baumes-Sturz,
und in den Winden, da flattert der Menschen-Furz.
Er wettert cholerisch, vom Zorne erfüllt
Und regt sich noch auf über Abfall und Müll.
Die Tiere, die horchen, sie wissen bescheid,
sie beäugen selbst täglich das tragische Leid,
und erörtern für sich: Was den nur tun?
Wie kann die Zerstörung der Menschen endlich mal ruh’n?
Die Hirsche und Rehe, die Eulen, der Fink
Und all die Bewohner, die erschienen sind
Beraten sich ernstlich mit heißem Bemüh’n:
Wie lässt sich der Mensch zur Gutheit erzieh’n?
Und sie reden und wägen und schimpfen und
denken,
ja fangen fast an sich selber zu kränken
und wissen sogar, das Wissen erst nützt,
wenn es tief in die Herzen der Menschen einblitzt.
Und sie endlich verstehen von ihrer Natur,
dass sie die Bedingung (ist) für ihre Kultur.
Sie doch gehörig Ressourcen verschwenden
Mit kühlem Kopf und blutroten Händen
Und somit den Tieren den Frieden gar rauben,
Abholzung, Rodung und Ausbeutung erlauben.
„Die Wälder den Tieren! Und ohne ein Aber,
ohne Geschwafel und Bürger-Gelaber,
das euphemistisch die Fakten verdreht,
während die wäldliche Schönheit schändlich
vergeht!“
„Die Wälder den Bäumen!“ flüstert ein Fuchs,
der heimlich geschwiegen, ohne ein Mucks,
das Diskutieren der Tiere sorgsam verfolgt
und manch einer Meinung Hochachtung zollt,
so wiederholt er den Satz energisch erneut:
„Die Wälder den Bäumen! Bevor wir’s bereu’n.“
Und Stille trat ein ins Zentrum der Menge
Und ein ruhiges Gedenken wie dies gelänge,
spazierte von Hirn zu Hirn der Tierischen Leiber
und mit einem Male, da jauchzte der Keiler
mit brummiger Stimme, doch begeistert erhellt:
„Ehre den Bäumen! Den Lungen der
Welt!
Und ehre den Blättern! Deren Atmung gefällt,
wie ein unerschöpflich gedeihender Quell.“
Und die Herzen der Tiere schlugen wie wild,
tief inhalierend, mit Demut gefüllt,
betrachtet ein jeder des Nachbars Augen,
wie sie mondscheinbeschienen zum Spiegeln taugen
und sie nickten gütlich bejahend mit ein,
das ist vernünftig, so soll es sein!
Doch der Hirsch, er schüttelt verneinend sein Haupt:
„Wer solches annimmt und tatsächlich glaubt,
die Menschen zu bessern, weil wir verehren,
der hindert ihn nicht, sein Fleisch zu
verzehren!“
und ein älteres Reh erinnert sich gleich:
„Ja, die Menschen, die fressen das unsrige Fleisch,
und nehmen kaum acht, auf sich und auf uns,
und lenken sich ab, mit Spielen und Kunst.“
Und ein reges Getöse murmelt umher,
und plötzlich… ein Schuss!...aus lautem Gewehr,
der unweit der Menge gleich Panik bewirkte,
und die tierischen Hirne gewaltsam verwirrte,
so liefen sie fix, zerstreuend von dannen,
versteckten sich scheu hinter Buchen und Tannen.
Angst durchzittert die tierischen Leiber,
genauso wie Misstrau’n, Trauer und
Wut,
und da zwitschert hindurch ein mutiger Kleiber:
„Auf dem Boden des Waldes liegt Blut.
Tiefrote Spritzer an Moosen und Rinden.
Wer so verletzt, den sollte man finden
Und rasch Ihn versorgen mit heilendem Kraut,
auf das er die morgige Sonne wieder beschaut.“
Da kommt der Mensch stampfend daher
Und schultert ein schwarzes Jäger-Gewähr
Mit dunklen und schweren Leder-Stiefeln,
die sich tief ins Moosgeflecht vertiefen
und Blumenköpfe gewaltsam zerknicken,
sie unter Schwerstbelastung einfach zerdrücken.
Schniefend rotzt er und raucht,
blickt suchend umher und
haucht
seinen giftigen Atem ins Mondscheinlicht,
während im Fernen ein Stock noch zerbricht.
Und er rennt wie wild den Flüchtlingen nach
In grober Manier und habgier-erfasst,
und will die Beute für sich nur erjagen,
aus’m Waldesgebiet ein Opfer raustragen.
Doch sämtliche Tiere sind auch sehr flink,
fast so geschwind wie der flüchtige Wind
und kennen sich aus im waldigem Haus,
wie im Untergrund die findige Maus.
Und eilen durch dichtes Geäst hindurch
Mit Lebensinstinkt und Todesfurcht.
Doch plötzlich zerberstet mit lautem Krach
Ein sperriges Holz zwischen den Wurzeln,
die tierischen Ohren sind hellauf
wach
und hören ein jäh bestürzendes Purzeln.
Ein Jägersschrei mit schmerzendem Kummer
Durchdringt einen Luftzug Mitten im Wald,
als hätte er seinen Arm zertrümmert,
an einer zornig aufragenden Wurzelgestalt.
Wimmernd und fluchend, in pöbelnder Weise
Zetert er rum: „Was für ne Scheiße.“
Und hält sich den Arm, blutend schwer,
und wirft noch hinfort sein kaltes Gewehr.
Strauchelnd und wirr, kein Licht im Gepäck
So fällt er noch einmal tief in den Dreck.
Die Tiere sind fort aus seiner Nähe,
unsichtbar weit hüpfen die Rehe
und suchen sich Schutz, ohne
Gefahr,
einfach weit weg vom menschlichen Narr.
Der Jäger betrübt erkennt nun sein Los,
sitzt schmerzesgeplagt auf nächtlichem Moos
und weiß nicht mehr weiter, als fort zu ziehen,
bevor die letzten Kräfte entfliehen.
Er rafft sich noch auf, mit unsachten Schritten,
trampelt hinfort mit dumpf-dreisten Tritten
und schwankt wirr hinaus aus Waldes-Natur,
die weit durchwurzelten Pfade entlang,
hinterlässt noch dem Wald – eine blutige Spur,
bis die Türe zuklappt und ein Motor erklang.
Das Auto fährt fort, mit miefigem Dampf
Über Schotterwege, in städtische Gegend,
doch der Schrecken sitzt tief nach diesem
Kampf,
in den tierischen Herzen, die leben.
Nach einer Weile als die Unruh verfliegt
Und einige Vögel im Treffpunkt-Gebiet
Sich wieder getrauen, das Wort zu erheben,
fragt sich einer: „Ob alle noch leben?“
Und sie schwirrten herum in besagter Umgebung,
doch hatten sie keine Nachtsicht-Wahrnehmung,
und sie prallten mitunter gegen die Äste,
sodass sich ein Vogel wirklich verletzte,
doch bald darauf mit schwacher Stimme:
„Hier bin ich, Hier! Lebendig bei Sinnen.“
Die Sperlinge wussten mit wachem Gehör
Aus welch einer Richtung das Zeichen erklang
Und fliegen nicht weit mit guten
Gespür
Einen Wald-Wurzel-Weg entlang.
Dort! unter den Büschen, neben den Buchen
Erblickten sie liegend, in Stille gewahr,
das Lebenssubjekt, das sie da suchen,
schwerstverletzt, doch ohne Gefahr.
Schnell hinterher kamen die Ammen,
die Meisen und Hasen, sogar ein Reh,
aus welchen Richtungen sie nicht herstammen,
so tat der Anblick für manche schon weh.
Mit offener Wunde unter den Blättern
Lag der Hirsch, umringt von den Rettern.
Sie entfernten Gestrüpp und Laub Körperweit
Und deutlich sah man des Hirsches Gesicht
Und durch die Lüfte schwingt sein Geweih
Bei rauschenden Bäumen und
Mondeslicht.
„Mir geht es gut – sofern mit bewusst,
dass ich noch lebe, sogar mit Lust,
nur keine Panik, der Jäger ist weg,
was einzig noch bleibt ist wahrlich der Schreck.“
Und Vögel und Hasen bringen das Kraut
Für die schnelle Stillung der Blutung;
an der Hüfte getroffen, noch tief in die Haut
ist nun der Hirsch in gepflegter Behütung.
Und von Rehen sogar wird Essen gebracht
Bei Morgengeruch und schwindender Nacht.
„Wie kann es nur sein, dass er dich nicht fand?“
wurde neugierig der Hirsch von Amseln befragt:
„Würdest getroffen und bist dann
gerannt?
Oder hast du mutig den Angriff gewagt?“
„Als ich gemerkt, dass ich getroffen,
da strauchelte ich, fast wie besoffen,
dem Dickicht entgegen, dass Hoffnung versprach,
als ich schon hörte der Jäger kommt nach.
Und mit einem Male in seltner Magie,
sprach mir die Buche, heimlich wie nie,
dass sie bewacht, ich solle nichts tun,
außer zu atmen und leise zu ruh’n.
Sie tarnte mich rasch, hinter Ästen versteckt,
so hat sie mein Körper mit Blättern bedeckt.
Und als ich vernahm, dass Sträucher mir nah’n,
um mir mein Leben hilfreich zu wahr’n,
da war ich mir gleich der Rettung
bewusst,
Hoffnung atmend, durch meine Brust.
Und als ich noch sah, wie die Fichte dort drüben
Mit ihren Wurzeln, die oben aufliegen,
den Jäger jäh zu Fall noch brachte
und kurz darauf heimlich noch lachte,
da wusst ich bestimmt, wir sind ein Team
und geben den Menschen, was sie verdien’n.
Von daher habt Dank ihr Buchen und Fichten,
ihr Sträucher und Moose und Kräuterschichten
für eure Taten, für die Aktivität,
die alljährlich entsteht, wächst und vergeht.“
Ein jedwedes Tier lauscht aufmerksam zu,
die Käfer, der Specht, mitunter der Habicht,
selbst kommt der Hirsch allmählich zur
Ruh
bei rötlich erwachendem Morgenlicht.
Da erscheint zwischen Hecken, mittendrein
Ein wuschlig weißes Häschen so klein,
und schleppt von Hinten wie schwer
das metallisch schwarze Gewehr.
„Schaut! was ich fand, grad nebenan.
Was ist das nur? Es gleicht einem Bein?
Doch ziemlich verkohlt und schwer wie nen Stein.
Was für ein Stück? Was kann das nur sein?“
Und mit großen Augen schaut’s in die Runde,
die in Schweigen verharrt, denn keiner gibt Kunde.
Bedrückt scheint die Stimmung, wie
freude-gelähmt,
so wird das Gewehr von Manchen verfemt,
von Älteren zumeist, die sich schmerzhaft erinnern,
„Das ist das Werk von den menschlichen Sündern!“
sagte der Fuchs, der das Schweigen gebrochen,
und man hörte sein Herz furchtbar laut pochen,
und sogleich darauf mit hysterischem Schrei
klagt die Drossel: „Hilfe! Nun ist es vorbei!“
und flüchtet beflügelt durch das Geäst
durch verzweigte Kronen zu ihrem Nest.
Und einzelne folgen ihrem Beispiel,
und rennen vor Angst, jedoch nicht viel,
ins sichere Heim, zu ihren Versteck,
bevor ein Schuss im Brustcorpus steckt.
Doch der Hirsch befiehlt entschieden dem Freund,
einer Rotwild-Natur mit gereifter Erfahrung
„Nimm ihr das weg, bevor wir’s bereu’n,
im Dienste unsere Lebens-Bewahrung.“
Und er wendet sich hin zur tierischen Runde
„Durch das meine Freunde“ kommt’s aus dem Munde,
„wurden einige Menschen furchtbar und unsagbar reich,
es durchlöchert blitzschnell Körper und Fleisch
es brachte mir hier, diese blutrote Wunde,
doch sein Nutzen ist schrecklich zu jeder Stunde,
vom Abschuss zum Treffer braucht’s eine
Sekunde.“
Und widerwillig legt das Häschen sogleich,
das Gewehr dem Freundes-Hirsch auf sein Geweih,
„wieso darf ich nicht spielen, was ist denn dabei?“
Jammert es betrübt, mit kindlicher Stimme,
doch der Hirsch knurrt auf mit innigstem Grimme:
„weil das ein Werk, erzeugt von den Affen,
die Humanoiden nennen es Waffen
Sie hantieren und handeln, in ihren Horden,
und bezwecken damit das Töten und Morden!“
das Häschen blickt nun verschreckt zu dem Hirsch,
der böse drein blickt und hörbar laut
knirscht,
mit seinen Zähnen, als der Träger des Eisens
und ringsherum da krakeelen die Meisen:
„Wo schleppst du es hin? Was wird damit werden?“
„Ich bewahre uns Tiere vor weiterem Sterben.
Und trage es weit, wo keiner es findet
Wo es endgültig jetzt ins Nicht-Sein verschwindet!“
„Doch vielleicht könnten wir’s sinnvoll gebrauchen?“
so lärmten die Jüngeren fast wild herum:
„vielleicht kommt ein Jäger dahergelaufen
mit seinem Gewehr und deshalb, darum
könnten wir’s nutzen, um uns zu wehren,
bevor wir Ihm nur mühsam was
lehren,
was er vergisst, in geschäftiger Eile
und Stumpfsinn ausheckt in langweiliger Weile.“
„Nein!“ brüllen die Tiere fast einstimmig laut,
welche der Waffe überhaupt nicht vertrau’n,
und sagen sogleich: „es soll keiner haben,
wir sollten es lieber schleunigst begraben,
damit es nur Fort, kein Unheil anrichtet,
und irgendwessen Dasein zernichtet.“
So tat der Hirsch, wie ihm beauftragt
Und lief durch den Wald kilometerweit,
auch wenn das Gewehr ihn nicht grad behagt,
so war doch dafür die richtige Zeit.
An einem Hang von Felsen und
Buchen
gräbt er ein Loch mit seinem Geweih
wo’s keiner erahnt, wird keiner suchen
und verbuddelt es tief in Schufterei.
Als er wieder zurück und erleichtert erzählt
Wie er einen sicheren Platz hat gewählt,
da erfreuen sich viele der Tiere zurecht,
„Gut gemacht! Die Gewähre sind schlecht!
Sie können verrotten für immer und ewig,
erst ohne Gewalt werden wir friedsam und selig.“
und plötzlich da windet sich in die Winde des Morgens, als sämtliche Tiere sich allmählich beruhigen, noch eine verwurzelte Stimme ins Gemenge der Menge: das Raunen eines alten Baumes, so als wollte er klingen; zum Anfang des Tages noch ein Liedchen singen:
Und im Waldesgebiet existieren so viele
Lebensformen, Pflanzen und Tiere
Und alle haben Sie Recht auch zu sein,
in allen Gestalten, ob groß oder klein.
Ob kriechend, ob krabbelnd, ob kletternd,
ob tierisch bewusst über Menschen herwetternd,
ob springend, ob laufend, ob fliegend,
ob freundlich-gestimmt oder verschwiegen.
Das natürliche Haus erscheint reich beseelt,
mit vielen Gesichtern, mit Farben und Formen
doch wurden manch Wesen mit Absicht gequält,
die kurz darauf in Schmerzen gestorben,
drum wisse bescheid, wie und für was du auch handelst,
bevor du, mit Vernunft begabt, manch Wesen verschandelst.
Danke für die Aufmerksamkeit.