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Herr Radeuke meldet sich an
Herr Radeuke ging gen Stadt, um dort Dinge zu erledigen, die jeder Mensch nur in der Stadt erledigen kann.
Bis zu dem Zeitpunkt, an dem Herr Radeuke erfahren hatte, daß er gen Stadt zu gehen hatte, hatte Herr Radeuke nie wirklich gewußt, was der Begriff Stadt überhaupt absteckt. Es hatte ihn auch nie interessiert. Jegliche SoistesinderStadt-Erzählungen hatte er verpaßt, da er längeres Zuhören haßte. Herr Radeuke lauschte am liebsten Befehlen und Informationen für ihn brauchbare Informationen. Befehle mochte er wegen der gesparten Denkarbeit so gern.
Am allerliebsten tauchte er in die ihm wohlbekannten Gefilde seines Klosetts. Wenn er auf seinem Klosett saß, war Herr Radeuke gänzlich er selbst. Und dort kannte er sich am besten aus. Dort ward er umgarnt von Geborgenheit und Zufriedenheit. Dort hatte er die Welt-leck-mich-am-Arsch- Gesinnung inne, und diese Gesinnung war Herrn Radeukes Lieblingsgesinnung, womit der Kreis sich schließt.
Lediglich Müdigkeit, Kackreiz, Hunger und Probleme waren geeignet, ihn aus dem Kreis zu holen. Eingriffe von Außerhalb waren für den als Angreifer empfundenen mordsgefährlich. Eingriffe von Außerhalb glichen der Erweckung eines Bären aus dem Winterschlaf. Einst hatte ein unwissender Fremder einen solchen Eingriff getätigt, indem er Herrn Radeuke nach einem Stückchen Zucker für seinen Maulesel gefragt hatte. Daraufhin hatte Herr Radeuke dem Fremden eine Ohrfeige gegeben, die dafür verantwortlich gewesen war, daß des Fremden Gehirn vollständig aus des Fremden Nase geflutscht war. Zwar hatte der Doktor das Gehirn wieder in den Schädel zurückgespritzt, aber dennoch war der Fremde arg verwirrt von dannen gezogen.
Die Schuld schlechthin an allem Schlamassel der Welt lud Herr Radeuke dem ‚Weibsvolk auf. Alle seine Freunde hatte Herr Radeuke der ‚Weiberwelt abgeben müssen. Nach ihrem Eintritt in die ‚Weibersphäre waren sie ihm teilweise entfremdet worden. Manchmal lachten sie in seltsamer, ihm unbekannter Art über ihn. Herr Radeuke wähnte seine Freunde in diesen Momenten in Sphären irgendwo über der seinen, ohne Verbindung. Das haßte er und dafür haßte er das ‚Weibsvolk. Sobald Herr Radeuke jedoch ein menschliches Wesen des anderen Geschlechts kontaktieren mußte, ward dieser Haß verschwunden und Herr Radeuke benahm sich wie ein Neutrum zum anderen.
Dies waren die Hauptbestandteile des Gemisches, mit welchem Herr Radeuke seinen Lebensweg geteert hatte.
Jetzt ging Herr Radeuke also seit drei Minuten gen Stadt. Und weil dieser Gang gen Stadt für Herrn Radeuke nichts denn Unannehmlichkeiten bedeutete, ward Herr Radeuke äußerst mißgelaunt und sehnte sich nach einer Platznahme auf seinem Klosett. Sein Gemüt war also arg defekt.
Herr Radeuke glotzte auf den Straßenasphalt und grummelte ausführlich. Seine Ohren achteten dabei auf eventuelle Motorengeräusche.
Herr Radeuke beschimpfte alle für seine Reise verantwortlichen Personen. Er beschimpfte sie namentlich und in der Sinnreihenfolge, das heißt, daß er die, die er am meisten haßte, zuerst verfluchte, und daß er sich an die, die er aus verschiedenerlei Gründen weniger haßte, erst erinnern mußte, bevor er sie verfluchen konnte. Herr Radeuke trainierte allerdings so lange jegliche zu verfluchenden Namen, bis er jederzeit jeden von den für seine Reise Verantwortlichen bis in den Heizkessels der Hölle verfluchen konnte. Somit waren der Bürgermeister Ali Abdul Ibrahimson Horst Schmidt und die Wächterin der öffentlichen PißundKack-Anlage Fräulein Mechthild Melanie Menjossa-Mahaharaninim-Getörf in Herrn Radeukes Herzen gleichgestellt, was Herrn Radeuke ein klitzekleines Bißchen zufriedener gestaltete.
Zufrieden grinsend, den Umständen entsprechend zufrieden grinsend, schaute er auf und blickte umher. Die Natur mit allem Drum und Dran präsentierte sich ihm: bohren Waldesrandbäume, Rapsfelder, Blumenwiesen, Viehzeugs, Bäche, Flüsse, Teiche, Moore und Seen und weitere Natürlichkeiten der guten alten Mutter Erde. Herr Radeuke befand all diese Anblicke jedoch als schnöde, weshalb er wieder sein Haupt senkte. Er wollte seine hart erarbeitete Zufriedenheit nicht belasten und beobachtete die Straße sowie seine darauf schreitenden Füße.
kkg
Dann, plötzlich quasi, ward Herr Radeuke von einem Schild aufgehalten. Auf dem Schild stand „Stadt“. Herr Radeuke war vor der Stadt. Er umging das Schild und betrat die Stadt. Sofort stellte Herr Radeuke jegliches Grummeln, Verpönen, Bedauern sowie seinen Beinbetrieb ein, um eine Orientierung vorzunehmen. Dazu benutzte Herr Radeuke seine Sinne, die ihm allerlei wundernswerten Kram präsentierten.
So wiesen ihn seine Augen darauf hin, daß die Stadt wesentlich mehr Häuser, Autos und Menschen aufwies denn das Dorf. Seine Nase wiederum ließ ihn einen Geruch empfangen, den Herr Radeuke als absolut himmlisch befand. Außerdem ward der Geruch von den Atemwegen bis zur Lunge von einem belustigenden Kribbeln begleitet, dessen Existenz die von ihm verabscheute Reinheit der Dorfluft bisher verschwiegen hatte. Herr Radeuke lachte vor Freude und Glück auf, und als er bemerkte, daß seine Ohren keinerlei lästige Naturgeräusche mehr sendeten, vollbrachte er einen doppelten Freudentango mit seitlichem Hüftschwung. Dabei briet vor Allem die Tatsache, daß sein alter Erzfeind Wind hier nicht zu hören war, eine angenehme Befriedigung im Herzen des Herrn Radeuke. Er haßte den Wind, da dieser eine Vielzahl ihn schändigender Geräusche zu verursachen wußte. Im Dorf konnte er den Wind überall hören, egal wo er herumlungerte, sei es im Gebälk, im Geäst oder in der Kleidung. Nun aber ward der Wind von Klängen überdeckt, die gar lieblich und sanft durch die Gehörgänge des Herrn Radeuke säuselten und nach ihrer Ankunft in der Schaltzentrale Euphorien bis in die Zehnägel sendeten.
Herrn Radeukes Schmerzen bezüglich seiner Arbeit waren also betäubt.
Langsam schritt Herr Radeuke gen Stadtinneres. Aufgrund der Unbekanntheit der Stadtgefilde benutzte er dabei eine Portion Vorsicht - um nicht unter die Räder zu kommen, quasi. Für etwaige Beobachter sah es aus, als ob sein Fortbewegungsapparat ein Externer sei; als sei Herr Radeuke eine Marionette, die ihre Beine selbst lenkte. Mit Kopfbewegungen, die Richtungsänderungen der Augen unterstützten, verhielt es sich genauso. Dergleichen Kombinationsbewegungen unter der Maßnahme der Vorsicht waren für Herrn Radeuke eine sehr, sehr große Mühe. Somit war die Überquerung einer städtischen Straße für Herrn Radeuke kein Katzensprung:
Hochkonzentriert lenkte Herr Radeuke sein Haupt nach links. Er spannte die Beinmuskulatur an und hievte den rechten Unterschenkel in die Höhe, um jederzeit die Straßenüberquerung vornehmen zu können. Herr Radeuke sah zunächst nichts denn ein langes konturloses Auto.
Er verschärfte seinen Blick.
„Viele Autos hintereinander Lücken.“ meldete seine Datenverarbeitungszentrale dem Verstand. Dieser wiederum teilte Herrn Radeuke höflichst mit, daß Herr Radeuke auf eine Lücke zu warten habe, die ihm genug Zeit schenke, um eine Kollision mit einem Auto zu vermeiden.
Herrn Radeukes Vorsicht hatte übrigens Verstand, Datenverarbeitungszentrale und andere Einheiten, die sie unbedingt für ihre Arbeit benötigte, zwangsrekrutiert.
„Wie erkenne ich eine genug Zeit spendende Lücke?“ fragte Herr Radeuke seine Vorsicht. „Erinnere dich an die Dorfstraße. Donnerstags. Um Zwölf. An den mysteriösen Donnerstag.“ half die Erfahrung. Herr Radeuke erinnerte sich: „Dorfstraßenüberquerungen passieren jeden Donnerstag um Zwölf Uhr Mittags. Donnerstag um Zwölf habe ich meinen Zeppelin in dem Dorfzeppelintiefflughafen abgestellt. Donnerstag um Zwölf bin ich an der Dorfstraße positioniert, die ich zu überqueren habe, um im Dom den Austausch von gebügelten und ungebügelten Hemden vorzunehmen. Wie ich es heute bereits getan habe, spähe ich zu meiner Linken nach sich bewegenden Autos meistens kommen keine. Doch an jenem mysteriösen Donnerstag im Februar schnellte eines heran. Es kam aus der Kurve geflitzt, und ich zögerte mit dem Straßenüberquerungsvollzug. Das Auto, es war gelb, blau und flach, schoß am Casino vorbei, und ich zögerte immer noch. Als es an der Pudelwelpenuniversitätsklinik vorbeijagte, zweifelte ich an einem erfolgreichen Straßenüberquerungsvollzug im Speziellen, und als es an der Radarfalle des Herrn Tosotogalli und seiner Frau Frau Tosotogalli durchbrauste und die polizeiliche Radarfalle blitzte, verwarf ich mein Vorhaben, die Straße erfolgreich zu überqueren, bevor das Auto mich passiert hatte, gänzlich.“ Herr Radeuke hielt inne. Seine Erinnerung an sein einziges Straßenüberquerungserlebnis mit Vehikelbeteiligung war abgeschlossen. Während dieser Erinnerung hatte Herr natürlich keine Obacht walten lassen können. Eventuelle Möglichkeiten für eine erfolgreiche Straßenüberquerung waren also verpufft. Allerdings interessierte solches Herrn Radeuke nicht.
„Was mache ich jetzt mit der Erfahrung, an die ich mich soeben erinnerte?“ fragte Herr Radeuke seine Vorsicht. Diese ließ den Verstand antworten: „Du Volltrottel namens querliegender, ständig gedeihender Rosetteneiterpickel,“ antwortete der Verstand ruhig, „jetzt mußt du den Kram anwenden.“ „Den Kram anwenden das verstehe ich nicht.“ meinte Herr Radeuke leicht mimmosernd, „hier sind doch viel mehr Autos als damals bei meiner Straßenüberquerung mit Vehikelbeteiligung!“ Der Verstand des Herrn Radeuke pausierte kurz. Herr Radeuke unterdrückte währenddessen eine aufkeimende Verzweiflung ohne jeglichen Kraftaufwand. Ein kleiner Stapel Wut half ihm nämlich bei der Unterdrückung. Nach vier Minuten meldete sich der Verstand zurück:
„Wann hättest du damals vor dem flachen, gelben Auto die Straße überqueren können?“
„Als er in der Kurve auftauchte, ganz sicher. Aber als er an der Pudelwelpenuniversitätsklinik vorbeijagte, hätte ich es auch noch geschafft.“ flüsterte Herr Radeuke zunächst. „Na bitte!“ herrschte ihn sein Verstand an, „du kannst eine Straße überqueren, ohne unseren Körper zu beschädigen. Herzlichen Glückwunsch und viel Spaß.“ Der Verstand ward von der Vorsicht abkommandiert, welche gleichzeitig die Augen an die Front bat. Diese sollten für Herrn Radeuke eine Lücke erspähen, die eine von der Vorsicht genehmigte Straßenüberquerung zuließ. Eine derartige Lücke erschien zunächst nicht. Natürlich entstanden andere Lücken. Zum Beispiel Ampelstaulücken. Aber diese Lücken konnten seitens der Vorsicht nicht als gefahrlos identifiziert werden. Die Erfahrung hatte diesbezüglich noch nicht genug brauchbare Informationen gesammelt.
Ergo wartete Herr Radeuke, derweil seine Augen spähten, seine Erfahrung sammelte und seine Vorsicht überwachte.
Aus Langeweile schlief Herr Radeuke ein, wogegen die Vorsicht nichts unternahm, weshalb sie und ihre rekrutierten Einheiten mit einschliefen. Die Augen spähten weiter. Sie schickten sogar mehrere Lückenmeldungen gen Schaltzentrale, die natürlich nicht mehr besetzt war. Diese Meldungen wurden also unnützerweise getätigt. Die Augen starrten nur noch entgeistert, quasi. Ihr Besitzer schlief ja, wie bereits erwähnt.
Nach einer langen, langen Zeit gesellten sich auch die Muskeln zu ihrem schlafenden Chef. Sie hielten ihre Arbeit für nunmehr überflüssig. Besonders die Beinmuskulatur bereute ihre nutzlos geleistete Arbeit und ward erbost darüber, daß ihr Arbeitgeber den Ruhestand aufgesucht hatte, ohne sie vorher dorthin zu entlassen. Hierob war die Beinmuskulatur sehr sauer, stinksauer sogar.
Letztendlich schliefen sie jedoch alle einträchtig. Auch die Augen schliefen mit, da ihnen die schlappen Augenlider die Sicht nahmen und die ihnen erholsame Dunkelheit verabreichten.
Kurz gesagt: Herr Radeuke erholte sich tiefschlafenderweise. Nur manchmal zappelte er während des Schlafes, wenn seine Seele ihn daran erinnerte, Trägerin kleinerer Lasten zu sein.
Als Herr Radeuke genug geschlafen hatte, wachte er auf. Zuerst mußte er sich aus seiner Schläfrigkeit heraus neu orientieren.
Herr Radeuke spürte den Asphalt an seinem Arsch, erlauschte die Automotorenarien und wußte wieder, wo er war und was er zu tun hatte. Unverzüglich nahm Herr Radeuke wieder die Lauerstellung ein, um aus dieser heraus eine erfolgreiche Straßenüberquerung zu absolvieren. Er sah, daß die Automasse stark abgenommen und die Lückenzahl zugenommen hatte. Er wunderte sich lediglich kurz darüber, und befragte seinen morgenmuffelnden Verstand nicht hierzu. Statt dessen freute Herr Radeuke sich, daß die neuen Daten eine erfolgreiche Straßenüberquerung erfahrungsgemäß vereinfachen mußten.
Diese Freude kostete Herrn Radeuke drei Lücken.
Herr Radeuke verpulverte überdies drei weitere Lücken, da er sich eine extragroße Lücke gönnen wollte. Irgendwie glaubte er, sich eine solche verdient zu haben. Er wollte die Straßenüberquerung, deretwegen er unendliche Mühsal erduldet hatte, genießen. Und dafür benötigte er eben eine extragroße Lücke und keine, die lediglich durchgehuscht werden konnte.
Die vierte Lücke war zweckmäßig. Langsam, genußvoll glitt Herr Radeuke in sie hinein, derweil er stets gen linken Straßenhorizont schielte. Die Vorsicht hatte dieses Verhalten angeordnet, da sie überraschende U-Boot-Auftritte vermeiden wollte (haha).
Auf dem Weg zur Straßenmitte teilte Herr Radeuke der Welt seine Fröhlichkeit mittels singen von allerlei lustigen Militärliedern mit. Manche Menschen am Straßenrand freuten sich tatsächlich mit ihm, andere schüttelten verständnislos ihre Köpfe. Auch ward Herr Radeuke lediglich beobachtet und gar nicht beachtet.
Dergleichen weltlichen Reaktionen kümmerten Herrn Radeuke jedoch nicht. Herr Radeuke strebte allein nach einer sicheren und unterhaltsamen Ankunft in der Straßenmitte. Dort angekommen unterließ er jegliche sicherheitsgefährdenden Handlungen und schaute nach der nächsten Lücke andererseits.
Hochzufrieden bemerkte Herr Radeuke , daß auch hier keine Lückendefizite festzustellen waren. Die erste Lücke nutzte er sofort. Wieder jubilierte er während der Lückendurchschreitung. Wieder reagierten die Menschen, und Herrn Radeuke piekte das nicht am Arsch.
In Fröhlichkeit erreichte Herr Radeuke sein Ziel.
Schnurstracks fragte er den nächsten anwesenden Menschen nach einer Möglichkeit der Bierbeschaffung.
Herr Radeuke: „Wo gibt es hier eine Kiste Bier zu kaufen?“
Der Mensch: „Da!“
Herr Radeuke: „Danke.“
Der Mensch: „Bitte.“
Das war die Begegnung in etwas gekürzter Form. Es geschah während dieser Begegnung zweier Menschen nichts Menschliches oder anderer Nennenswerter Kram. Über die ausführliche Wegbeschreibung des Menschen wollen wir hinwegsehen. Herr Radeuke wußte nun jedenfalls um die Möglichkeit einer Bierbeschaffung.
Diese nahm er auch wahr, indem er der Wegbeschreibung des gefragten Menschen folgte und in einem Getränkehandel eine Kiste Bier kaufte. Herr Radeuke schleppte die Kiste Bier an die Stelle seiner Ankunft diesseits, und positionierte sie so, daß er darauf bequem sitzen und jederzeit einen Austausch vornehmen konnte. Unverzüglich setzte sich Herr Radeuke hin. Er öffnete sich eine Flasche Bier, wofür er einen seiner beiden Eckzähne opferte, und begann eine Biertrinkerei zwecks Feiern seiner erfolgreichen Stadtstraßenerstüberquerung.
Herr Radeuke guckte zufrieden geradeaus, in die Richtung seiner Ex-Mission. Allerlei Vehikel kreuzten seinen Blick. Alte und neue, schmutzige und saubere, rote, grüne usw., große und kleine, schnelle und langsame, einmenschbevölkerte und dreistelligbemenschte, nutzvolle und angeberische, legale und illegale, sichere und sicherheitsgefährdende, nasse und trockene, laute und leise, verschiedenrädrige, vertrauensselig gesteuerte und furchteinflößend gesteuerte, ehrlichbezahlte und nichtbezahlte und unehrlichbezahlte und geschenkte und geerbte und geklaute und geliehene Vehikel sah Herr Radeuke. Sie beeindruckten ihn jedoch nicht. Herr Radeuke nahm sie lediglich zur Kenntnis. Seine Zufriedenheit war annähernd perfekt und konnte nicht durch Vehikelerscheinungen vertrieben oder erweitert werden. Herr Radeuke verharrte dieweltamarschleckenderweise, quasi.
Nichts, das ihm Schuld in das Gewissen pumpte, belästigte ihn, und seinem Körper ging es auch recht gut. Sein Körper zwickte ihn lediglich etwas durch die Muskeln, die eine Totalentspannung forderten. Sie hatten schließlich viel für die Straßenüberquerung getan. Ansonsten war Herrn Radeukes Körper gesund. Er besaß keine selbst- oder fremdzugeführten Giftstoffe, die eine Körperschädigung fleißig förderten (dazu hatte Herr Radeuke noch nicht lange genug unter den Abgasen gelebt). Jegliche natürliche Feinde konnte Herr Radeukes Körper ohne Unterstützung und überdimensionalem Kraftaufwand töten, und von Erbkrankheiten ward er auch verschont. Letztlich funktionierte die Mechanik des Körpers des Herrn Radeuke reibungslos, so daß durchaus davon gesprochen werden kann, daß ein gesunder geschundener Körper nach seiner verdienten Ruhe verlangte, indem er den Eigentümer zwickte.
Dieser unterstützte die Forderung des Körpers durch Einnehmen der bequemsten Bierkistenposition.
Herr Radeuke ward mehr und mehr zufrieden.
Jegliche Momentansorgen waren vernichtet.
Die Vergangenheit war vorbei und die Zukunft konnte warten.
Die Gegenwart bescherte Fraglosigkeit und die Erfüllung ihrer Bedürfnisse.
Herr Radeuke war glückselig.
Den Vorstoß eines Menschen in diese Glückseligkeit empfand Herr Radeuke als Störung.
Der Mensch hatte ihn ruppigerweise in den Rücken geboxt.
„Entschuldigen sie die Intervention,“ sagte der Mensch, „aber ich halte sie für so cool, daß sie mir eine Flasche Bier darreichen werden.“ Herr Radeuke reichte eine Flasche Bier nach hinten dar. Damit war die Störung für ihn abgeschafft. Und tatsächlich ruhte die Störung zwei Minuten lang. Dann kehrte sie zu Herrn Radeuke zurück. Der Störung Ursache, der Mensch, stach wieder in Herrn Radeukes Glückseligkeit: „Sie sind sehr cool, werter Herr. Die Tatsache, daß sie mir auf ein einfaches Anfragen eine Flasche Bier geben, obwohl wir einander fremd sind, eröffnet meinem Geiste ihre Coolheit. Sind sie ein Bürger dieser Stadt?“ Herr Radeuke schüttelte den Kopf./ um sich wieder gänzlich seiner Glückseligkeit widmen zu können, und nicht weil der Mensch höflich gewesen war./ Aus demselben Grund allein reagierte Herr Radeuke auf die weiteren Störungen.
„Wo wohnst du?“ fragte der Mensch neugierigerweise.
„Auf dem Kuhdorf.“ schickte Herr Radeuke aus den tiefgelegenen Gefilden seiner Zufriedenheit gen Oberwelt.
„Da bist du ja lebendig begraben.“ höhnte der Mensch.
Herr Radeuke schüttelte den Kopf.
„Was machst du denn da?“ fragte der Mensch mit hämischer Neugierde.
„Scheißen und Arbeiten.“ antwortete Herr Radeuke.
„Das reicht dir?“ fragte der Mensch vollverwundert.
Herr Radeuke nickte.
„Kein Kino, keine Disco, keine Pferderennbahn, keine Drogenparties, kein Erstligafußball, kein Pizzaservice, kein Roulettespiel, keine Vierundzwanzigstundentankstellen, keine reichhaltige Biergartenauswahl, keine stete Bumsgelegenheit, keinen Bahnhof, keinen Flughafen, keine Fremden und meinetwegen auch Oper und anderes Theater - nur Arbeit?“
Herr Radeuke zuckte mit den Schultern.
„Aha.“ Der Mensch stockte kurz. Er war sehr verwirrt. Bevor die Verwirrung stärker als er werden konnte, fuhr er fort, Herrn Radeuke zu stören: „Was willst du hier?“
„Mich melden.“ Verteidigte Herr Radeuke seine Glückseligkeit.
„Und danach gehst du wieder in das Kuhdorf?“ versuchte sich der Mensch in das radeuksche Zentrum zu bohren.
„Eigentlich.“ schränkte Herr Radeuke ein.
„Du bist dir also nicht mehr sicher?“
Herr Radeuke schüttelte den Kopf.
„Aha, du wirst vielleicht länger bleiben als geplant?“
Herr Radeuke nickte und staunte über ein Zebra, daß aussah wie ein Auto ohne Dach.
„Faszination Stadt, he?“ forschte der Mensch nach Herrn Radeukes Einschränkungsursache.
Herr Radeuke zuckte mit den Schultern.
„Jaja. Hier in der Stadt sprießt das Leben. Wer die Stadt nicht kennt, hat die Welt verpaßt. Du lebst noch immer in dem ländlichen Vakuum. Und nun spürst du die städtische Verlockung. Du wirst ihr nicht widerstehen können. Du wirst die Welt erfahren müssen.“
Herr Radeuke vollzog einen Austausch.
Dennoch war sie durch einen Funken gefährdet. In dem Funken lag reiner Ärger. Unmerklich für alle Parteien hatte ihn der Mensch mit Hilfe seiner ersten Frage in Herrn Radeukes Zufriedenheit gepflanzt. Dort hätte er schmelzen können, in aller Ruhe. Er wäre dann zwar tatsächlich existent, aber ohne Wirkung gewesen. Lediglich das Nichts hätte von ihm erzählen können. Hätte, hätte. Der Funken war entfacht. Die zweite Störung hatte ihn bereits gezündet. Jede weitere Störung hatte das Feuer genährt. Das Feuer war mittlerweile also recht groß. Dennoch griff es noch nicht Herrn Zufriedenheit an, da diese riesig groß war und Herr Radeuke nicht um sie fürchtete. Noch war Herr Radeuke gutmütig gesinnt.
„Kriege ich auch noch eine Flasche Bier?“
Nach einem kurzen und genauen Ausflug in die Bierbestandszahlen reichte Herr Radeuke eine Flasche nach hinten.
„Danke, du bist cool. Coole Flocke.“ Der Mensch boxte Herrn Radeuke während seiner letzten beiden Worte auf den Rücken und lachte schäbig angehaucht.
Herr Radeuke reagierte nicht.
Dazu gab es auch keinen Grund. Herr Radeuke hatte keine Frage oder Bitte vernommen.
Der Mensch spielte weiter mit dem unbekannten Feuer: „Ich kann dir hier natürlich weiterhelfen. Ich kenne mich in der Stadt aus. Du willst bestimmt erst mal richtig bumsen, was!?“
Herr Radeuke schüttelte den Kopf.
„Du willst in das Stadion?“
Herr Radeuke schüttelte bedächtig den Kopf.
„Du willst in das Kino?“
Herr Radeuke schüttelte den Kopf.
„Du weißt es also noch nicht!“Herr Radeuke nickte und wunderte sich nicht darüber, daß die Autos sich immer gleicher präsentierten.
Der Mensch tätigte einige Schritte der nervösen Art, nahm einen tiefen Schluck und säuselte ein „er weiß es noch nicht, aha-aha“ gen Sterne, Sonne- und den Mond natürlich. Dieses Gehabe inspirierte den Menschen scheinbar.
Dafür versäumte er, wie aus einer Glut eine Flamme
auffauchte.
Und so pustete der scheinbar inspirierte Mensch in die sich entfachende Glut: „Du bist dermaßen überwältigt, daß du nicht mehr denken kannst!“
Herr Radeuke schüttelte den Kopf.
„Aber ich habe ihm doch die Freuden der Stadt aufgezählt!“ Der Mensch sagte dies mit Empörung und Unglauben zu niemandem. Dann schickte er einen verwunderten Blick auf Herrn Radeuke, hauchte ein ‚hmm gen Sonne, Sterne und auch gen Mond und fiel zunächst als Störungsursache- in seinen Feststellungstörn: „Du versuchst ein Geheimnis zu haben. Das ist normal. Alle versuchen ein Geheimnis zu haben. Ich versuche auch ein Geheimnis zu haben. Hiermit gebe ich es zu. Ich will nicht vollkommen durchschaut werden. Aber jetzt weiß ich, daß das Quatsch ist. Völliger Humbug! Es kommt auf das Miteinander an! Das Miteinander ist jedoch problematisch, und ich weiß warum: es gibt keine ordentliche Definition von Mann und Frau. Mit dem Existieren einer ordentlichen Definition von Mann und Frau stoppten jegliche Kloppereien um das, was Mann und Frau überhaupt sind. Jeder Heranwachsende kriegt seine eigene Definition in das Gehirn gepustet. Zusätzlich will er etwas für sich ganz alleine behalten. Zumindest bei einer anormalen Entwicklung. Wir hatten eine solche wohl. Ansonsten redeten wir offen miteinander. Aber ich möchte jetzt keinen Müll filtern. Ich möchte mit dir reden. Mit dir. Es tut mir leid, daß ich mich vor dir versteckt habe. Buääh...“ Tränen flogen aus den Augen des Menschen. Herr Radeuke sah keine Tränen, hörte kein Wehklagen und spürte keinerlei fremden Schmerz. Herr Radeuke ward nämlich mit dem Feuer der Ärgernis bestückt. Das Feuer der Ärgernis brannte lichterloh im Leib des Herrn Radeuke. Herr Radeuke ward verärgert, quasi. Dabei beschäftigte er sich nicht mehr mit der Beachtung von Autos, sondern mit dem Herunterwürgen der Flammen des Feuers der Ärgernis. Die Flammen des Feuers der Ärgernis wollten dringend ausgespieen und nicht besänftigt werden.
Von diesem Kampf des Herrn Radeuke mit den Flammen des Feuers der Ärgernis wußte der Mensch wiederum absolut nichts. Schließlich ward sein Dasein fast vollständig mit einer saftigen Jammerei beschäftigt. Der Rest seines Daseins bemerkte die Jammereiignoranz des Herrn Radeuke und bemängelte diese unverzüglich/////: „Ich reiche dir mein Herz dar, offenbare dir meine blutende Seele, scheue keine Tränen, bin bereit, dir mein Leben zu opfern, damit deine verruchte, dreckige, abgefickte und unästhetische Ländlerseele im Stadtreich außerordentlich reingeputzt werde und du jegliche Erquickung erfahrest, ich weine darob, und du prügelst mich noch zusätzlich mit deiner Mißachtung, welche meinen Glauben an den Wert der menschlichen Zunft zerbombt!“
Der Satz, den er anschließend knieenderweise gen Himmel flehte, ward davon jedoch nicht betroffen: „Ich wollte doch nur ein Bier schnorren und höflich dankbar sein!“ Der Mensch sackte in sich zusammen und weinte. Herr Radeuke brannte. Die Flammen des gut und regelmäßig versorgten Feuers hatten ihn besiegt. Sie hatten seine Gutmütigkeit zerstört und die Zufriedenheit weggeschmolzen. Das Produkt dieser chemischen Reaktion war Wut, so daß Herr Radeuke, der aufstand, sich gen jammernden Menschen wand und wutentbrannt zu diesem sprach. Herr Radeuke schrie nicht, brüllte nicht, kreischte nicht, donnerte nicht, wetterte nicht, hysterisierte nicht, sondern sprach wutentbrannt, wie bereits erwähnt. Jedes einzelne seiner Worte war üppig mit Wut bestückt. Sie traten aus Herrn Radeukes Maul heraus, drangen in den Menschen ein und lähmten diesen. Die Lähmung ward von Herrn Radeukes Blick unterstützt, welcher sich ziemlich weit in den Menschen rammte. Zornig angehaucht hätte dieser Blick locker flockig des Menschen Augen zerfließen lassen, sein Gehirn zermatscht, sein Herz für die Ewigkeit vereist und jegliche Kacke(?) mit einem Druck aus den Gedärmen gepreßt , daß der Korpus des Menschen arschaufwärts auseinandergerissen wäre.
Kartoffelkäfergilde kreiste Herrn Radeukes Wut ein und sorgte dafür, daß sie nicht blind aus ihm herausbrach, sondern sich in sein Inneres entlud, gemäß dem Gesetz von Feuer und Gegenfeuer, und von dort sachte in die Außenwelt schipperte, um warnenderweise Gehör zu finden.
„Einst, vor langer, langer Zeit, schwebte ich in Glückseligkeit.“ sprach Herr Radeuke also teils wütend teils wehmütig in sich hinein, „Probleme, Störungen, Heulerei wegen Herzaua und Trübsinn schlechthin schienen auf ewig entflohen. Dann brach eine schnabbelnde Kakerlake in meinen Mikrokosmos und verlangte mein Bier. Ich gab ihm eines zum Ziele meiner weiteren Ruhe. Doch die Kakerlake war nicht begnügt und zerstach mit Fragen die schützende Hülle meines Mikrokosmosses. Ich beantwortete jede Frage zum Ziele meiner weiteren Ruhe, doch die Scheißkakerlake verpißte sich nicht. Sie fraß gnadenlos meine Glückseligkeit auf, so daß diese nunmehr komplett verschollen ist. Ich wage kaum, auf ihre Rückkehr zu hoffen, da sie mir fremd geworden ist, abgefickt fremd gar. Nun werde ich sie neu suchen müssen. Ich muß sie mir wieder verdienen. Aus der Vergangenheit wird sie nicht sprießen, und die Kakerlake hat die Gegenwart unheilbar verseucht, so daß ich sie inklusive meiner selbst hasse. Oh ja, ich wäre lieber zufrieden und besoffen, als das, was ich im Moment bin. Wenn mein geliebtes Klosett schon in der allergrößten Ferne weilt, möchte ich wenigstens in der Zufriedenheit baden und interessante Dinge betrachten. Kakerlaken werde ich jedenfalls meiden und mißachten, und jetzt geht es auch schon los.“
Herr Radeuke entriß dem Menschen die Bierflasche, stellte sie in den Kasten, schnappte sich diesen und marschierte los. Er marschierte gen Bierladen, da er dort das Innere der Stadt vermutete.
Der Mensch war verzweifelt, sehr traurig und sauer auf Herrn Radeuke: „Schaue mich an! Rede mit mir! Laufe nicht weg! Ich erflehe nichts denn ein Gespräch von Mensch zu Mensch! Es tut mir leid, wenn...“
Niemand weiß, was aus dem Menschen geworden ist, und ich möchte jetzt auch keinen Blödsinn dahererfinden. Wenn ihm niemand helfen konnte, wird er möglicherweise wahnsinnig geworden sein.
Herr Radeuke grummelte derweil er gen Inneres der Stadt marschierte. Er regte sich über Idioten auf, die nur nach der Zerstörung andererleuts Zufriedenheit trachteten und verfluchte sie.
Danach ward er wieder hochkonzentriert, um in den fremden Gefilden der Stadt nicht verlustigt zu gehen. Schließlich war Herr Radeuke Inhaber eines Zieles.
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Mittlerweile hatte der dunkelste Teil der Nacht begonnen. Herr Radeuke bemerkte dies zunächst nicht, da allerlei Stadtlichter die Abenddämmerung überflutet hatten. Herr Radeuke schlich nur noch, um die Stadtlichter zu betrachten. Am meisten beeindruckten ihn natürlich die riesigen Leuchtreklamen, deren Flackerbilder sich unverzüglich auf seine Netzhaut schweißten und damit auf ewig in seine Hirnrinde gemeißelt waren.
Herr Radeuke beneidete die Stadtmenschen ihretwegen noch mehr. Im Dorf existierten lediglich gemalte Bilder, die in den Häusern hingen.
Das Anschauen eines Tankpalastes inklusive dessen Beleuchtung rief sogar eine saftige Sabberei bei Herrn Radeuke hervor.
Herr Radeuke setzte sich auf die Bierkiste, um streßfrei sabbern zu können. Anfangs schlich sich sogar das Vorhaben in seinen Sinn, seine Arbeit aufzugeben, um ein Teil des Palastes zu werden dermaßen war Herr Radeuke beeindruckt. Herr Radeuke packte seine Ellenbogen auf seine Oberschenkel und bettete seinen Kopf in seine Handfläche, die fluchs vollgesabbert waren. Die Rotze rann von dort an den Armen herunter und manifestierte sich in Herrn Radeukes Hosen aber das nur nebenbei.
Mit dem letzten Tropfen Speichel verebbte Herrn Radeukes bombastischer Gesamteindruck des Tankpalastes, so daß er diesen detalierter bewundern konnte.
Gemächlich schwebte sein Blick von der Prächtigkeit des Tankpalastes zu dessen Schönheit und Grazie. Des Blickes Präsentation entzückte seinen Besitzer gar äußerst. Auch schenkte er ihm Erregung, indem er lange auf den nackten, sich reibenden Hundertschaften von Elfen, die im Palast herumturnten, pappen blieb blutjung und unschuldig natürlich.
Herr Radeuke ward wieder zufrieden.
Zur Steigerung seiner Zufriedenheit zum Glückseligem öffnete Herr Radeuke eine Flasche Bier und positionierte sich ein wenig um. Die Umpositionierung erfolgte ohne großartige Veränderung des Bequemlichkeitsstatusses. Dann erfuhr Herr Radeuke einen Schluck Bier. Der Bierschluck gestattete ihm die Rückkehr in die absolute Glückseligkeit. Jegliche Sorgen schlummerten für den Moment unauffindbar. Herr Radeuke beschäftigte lediglich seinen Blick und überwachte mühelos die Bierinfiltration. Beides diente seiner Glückseligkeit.
Deshalb mochte Herr Radeuke diese Handlungen.
Herr Radeuke empfand auch keinerlei Last beim Schärfen seines Blickes. Herr Radeuke schärfte seinen Blick nämlich ab und zu. Durch die Schärfung des Blickes waren zum Beispiel die roten und grünen Punkte auf den elfenbeinernen Tankpalastzapfhähnen zu Smaragden und Rubinen aufgeklärt.
( Ohne des Blickes Schärfung hätte Herr Radeuke seine Glückseligkeit nicht mit einem Happen Faszination vermehren können.
Das Drumherum existierte für Herrn Radeuke nicht mehr. Es war ausgeschaltet.
Herr Radeuke glaubte zu leben, und als er glückseligkeitsgetränkt ein Stückchen Vermissen seiner Arbeit schmeckte, war er sicher, ein Teil des ewigen Lebens zu sein. „Können Tote vermissen?“ sagte er sich selbstgefällig angehaucht.)
Herr Radeuke fügte dem Meer seiner Glückseligkeit einige Flaschen Bier zu, welche das Stückchen Vermissen seiner Arbeit hinwegspülten. Dann ermüdete Herr Radeuke. Sein Organismus machte schlapp. Bier, Sehschärfung und die Anstrengungen des Tages im Allgemeinen waren hierfür verantwortlich. Herrn Radeukes Augen deckten sich mit ihren Lidern zu. Ihr Blick versank im Meer der Glückseligkeit, schwappte dort umher und brachte Herrn Radeuke wirre Träume. Herr Radeuke kippte von der Kiste Bier. Wiese erwartete ihn auf dem Erdboden. Die von ihm in der Hand gehaltene unausgetrunkene Bierflasche überlebte die Kippung. Die Kiste Bier verwahrte noch neun Flaschen.
Ein weiterer Tag im Leben des Herrn Radeuke war vorbei.
Die Weckung am nächsten Morgen gefiel Herrn Radeuke gut. Mit seichten Morgenstrahlen tastete die Sonne nach ihm, wobei ihr die Klänge der aufwachenden Stadt halfen. Die Klänge der erwachenden Stadt empfand Herr Radeuke als lieblich. Genießenderweise wandte Herr Radeuke sich ihnen zu, derweil er der Sonne für ihre Sanftheit dankte.
Herr Radeuke erlauschte süße Motorenarien, liebliche Hupchoräle und geschmetterte Hymnen der Berufsverdrossenheit. Kein von ihm verfluchtes Naturgeräusch bohrte sich in seine Gehörgänge.
Herr Radeuke öffnete die Augen. Jetzt hatte er dem Tag verziehen, daß dieser ihn seine Arbeit nicht sehen ließ. Herr Radeuke vollendete sein Bier und packte die leere Flasche in den Bierkasten. Er faßte den Kasten an und wanderte weiter, gen Stadtinneres. Schließlich war das die Herberge seines Zieles.
Um die zig-millionen Straßen überquerte Herr Radeuke erfahrungsgemäß, bis er sich auf einem Platz zurechtzufinden hatte. Der Platz war riesengroß.
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Herr Radeuke plazierte die Bierkiste auf dem Marktplatzgrund und setzte sich in gewohnter Manier darauf. Selbstverständlich huldigte er der Marktplatzankunft, indem er ihr eine ungenüßlich weggexte Flasche Bier opferte. Niemand bemerkte sein Opfer. Zwar sahen manche Menschen einen Typen, der auf einer Bierkiste sitzend am hellichten Tag inmitten des Marktplatzes eine Flasche Bier in einem Zug leerte, aber das Opfer sahen sie nicht. Andere, sehr wenige, konnten den radeukschen Opferschmerz zwar mitfühlen, wußten jedoch, daß sie ihn nicht lindern konnten, was schließlich Sinn und Zweck eines Opferschmerzes ist.
Herr Radeuke plazierte die Bierkiste auf dem Marktplatzgrund und führte den Tanz der Geborgenheit durch, ganz alleine, nur für sich, in einem guten Glauben. Die Menschen um ihn herum gebärdeten sich ebenso, nur tanzten nicht alle, sondern verkauften, survten oder entkleideten sich und so weiter und so fort.
Der Marktplatz beherbergte allerlei Welten, quasi: Einmenschwelten ähnlich der des Herrn Radeuke Zweimenschwelten, Dreimenschwelten, Viermenschwelten und Nochmehrmenschwelten. Das Dasein auf dem Marktplatz war ihr Gemeinsames.
Herr Radeuke beendete sein Tänzchen wegen eines kleinen Herzstillstandes. Außerdem hatte er keine Lust mehr, Tänze zu absolvieren. Dazu verhalf ihm der Begin der Zeit des Tages, in der alles unter ihr ruhiger wurde. Bis auf Fledermäuse, Uhus und Nachtschwärmer, natürlich.
Schnurstracks atmete Herr Radeuke die Gewißheit, über den Verlust der Menschen auf dem Marktplatz und die Tatsache, wieder einen Tag vergeigt zu haben, da seine Mission immer noch unerfüllt war.
Herr Radeuke beschloß den Vollzug einer Trauerfeier hierüber. Er setzte sich auf die Bierkiste, öffnete eine Flasche Bier und prostete auf die Trauerfeier. Nach dem Schluck trauerte Herr Radeuke ordentlich. Drei Flaschen Bier lang trauerte Herr Radeuke ordentlich. Seine letzte gewollt vollzogene Handlung war die Repositionierung der dritten Flasche Bier in die Bierkiste. Danach plumpste Herr Radeuke nämlich von der Bierkiste und schlief ein. Eigentlich rauschte er ein.
Die Nacht bewachte ihn sehr gut. Der Mond und die Sterne waren allerdings etwas beleidigt, da Herr Radeuke ihre Schönheit nicht bewunderte.
Am späten Morgen weckten auf ihn herumtrampelnde Menschen Herrn Radeuke gnadenlos. Diese Menschen hatten von der Existenz des Herrn Radeuke nichts gewußt. Genau so nahm Herr Radeuke lediglich der Menschen Tritte zur Kenntnis.
Herr Radeuke setzte sich und stützte sich auf der Bierkiste ab. Sofort schnellte der Drang in ihm auf, Bier zu sich zu nehmen. Irgendwo, aus den allertiefsten Gefilden des Bewußtseins, wagte die Vernunft einen Antrag zur Ablehnung des Dranges zu stellen, aber Herr Radeuke lehnte ab.
Herr Radeuke ließ sich drängen und frühstückte eine Flasche Bier, weswegen er seine Existenz als vollkommen empfand. Dadurch wiederum erschien Herrn Radeuke die Zufriedenheit. Diese war fast so groß wie eine durchschnittliche Glückseligkeit. Herrn Radeuke erging es also gut. Seine Klovermissung und sein Stadtanwesenheitsgrund waren von dannen gezogen, in den Urlaub gefahren, quasi.
Herr Radeuke war zufrieden.
In diese Zufriedenheit stach mal wieder ein Mensch .
„Da sitzt er, säuft, und alles wartet auf ihn!“ empörte sich der Mensch.
Herr Radeuke reagierte nicht. Es gab für ihn keinen Anlaß zur Reaktion. Den Menschen kümmerte solches nicht. „Hast du überhaupt eine Ahnung?“ wandte er sich diesmal direkt an Herrn Radeuke.
Herr Radeuke schüttelte den Kopf und schüttete sich genießenderweise Bier in den Körper. Nebenher beobachtete er, Interessehalber, Schuhe.
Der Mensch empörte sich wieder: „Wir werden vom Teufel geschluckt und du verglörkst. Das ist unfaßbar!“ Um die Dringlichkeit seiner Worte emporzuheben, prügelte der Mensch mit seinen Handflächen auf seine Stirn ein.
Herr Radeuke freute sich über einen sportlichen Damenschuh, aus dem rotlackierte Fußnägel herauslukten. Über die rotlackierten Fußnägel freute er sich auch, irgendwie.
Der Mensch bemerkte das nicht. Ihn juckte nur sein Anliegen, welches er immer jammerhafter vorstellte: „Wir brauchen jeden! Gar denjenigen, der ausschließlich im Suff taugt! Lege die Flasche weg und rette die Welt!“
Herr Radeuke zeigte einen Vogel. Dann befreite er mit Hilfe eines imposanten Rülpsers seinen Körper von überflüssigen Gasen, und kümmerte sich um seine Frühstücksfortsetzung und Marineseestiefel mit abgefallenen Stahlkappen. „Der hat auch keine Stahlkappen mehr.“ dachte er derweil.
Der Mensch beerdigte sein Antlitz in seinen Händen und heulte auf. Die Finger gestatteten den Augen allerdings einen Durchblick: „Du bist ein gemeiner deutscher Bub! Ein Fiesling bist du jawoll! Gleichgültigkeit entrückt dich dem Leide anderer! Sobald du ein Eckchen vom Leide anderer schnupperst, rammst du dir den Korken der ewigen Glückseligkeit in die Nase und betäubst dein Gewissen mit Genuß! Du überflutest deinen Denkbereich mit Phantasie, so daß dein Gedächtnis ersäuft! Und ruckizucki kichert der Herr über die Dummheit um ihn herum. Du lachst uns aus, schmähst uns, läßt uns qualvoll absterben, in des Teufels Kacke versickern! Du bist ein böser Hundsfott, eine schleuderganglose Waschmaschine, ein musikverachtendes Auto, eine gummiverlassene Krampe...“
Der Mensch mußte seine Rede stoppen. Sein Körper zwang ihn dazu, all die weil dieser den Speichel in keinster Weise mehr kontrollieren konnte, so daß der Speichel wiederum stürmisch auf den Marktplatz triefte und Tausende von Kriechtieren ersaufen ließ. Der Mensch hatte sich in eine Wut gequatscht, ohne quasi.
Herr Radeuke schüttelte den Kopf.
Des Menschen Blutdruck stieg an.
Der Blutdruck stieg dermaßen an, daß sämtliche Adern im Körper des Menschen zerplatzten, die Augen aus dem Körper des Menschen schossen und das Herz im Körper des Menschen zerbarst. Der Mensch verstarb.
Herr Radeuke annullierte seinen Fußblick und kreierte den Kadaverguck, welcher ihm den seelen- und augenlosen Körper des Menschen präsentierte.„Damit hast du nichts zu tun.“ sagte Herrn Radeukes Gewissen Herrn Radeukes Herz. Gleichzeitig zuckte Herr Radeuke mit den Schultern.
Nach der Schulterzuckung beschloß Herr Radeuke in das Getöse des Marktplatzes hineinzuhorchen. Seine Schuhgepiesackten Augen und eine kleine Biergier hatten den Beschluß unterstützt.
Herr Radeuke vernichtete den Inhalt seiner aktuellen, halbvollen Flasche Bier, indem er ihn in seine Verdauungsmaschinerie schickte, und öffnete eine neue, um sich während des Hineinhorchens in das Marktplatzgetöse nicht mit Biernachschubsorgen plagen zu müssen. Dann nahm er den Augenlidern die Muskelkraft und horchte in das Marktplatzgetöse hinein, derweil er nichts denn zufrieden war, kindlich zufrieden müssen wir wohl sagen.
Das erste von Herrn Radeukes Ohren an Herrn Radeuke gesendete Untergetöse bestand aus Maschinengewehrgeratter. Das Maschinengewehrgeratter-
Untergetöse war verständlicherweise lauter als das andere Untergetöse, weshalb Herr Radeuke rein gar nicht daran vorbeihören konnte. Nach dem Geräusch der benutzten Maschinengewehre kroch Menschengewimmer in all seiner Mannigfaltigkeit in Herrn Radeukes Gehörgänge: Körperschmerzgewimmer, Liebemenschenverlustgewimmer, Mitleidsgewimmer, Jammerlappengewimmer undsoweiterundsofort. Herr Radeuke bemerkte schnell den Abbau seiner Zufriedenheit und tauchte tiefer in die Gefilde des Marktplatzgetöses ein. Herr Radeuke tauchte sogar so tief in die Gefilde des Marktplatzgetöses ein, daß er einzelne Worte mitverfolgen konnte. Herr Radeuke klinkte sich in eine Wortkette ein, und auf einmal belauschte er zwei Menschenstimmen, die sich zu einem Dialog zusammengefunden hatten:
Stimme Eins: „Schon wieder ein Massaker?“
Stimme Zwei: „Schrecklich. Kann man denn gar nichts dagegen tun?“
Stimme Eins: „Man kann nur für etwas etwas tun.“
Stimme Zwei: „Hossa!“
Stimme Eins: „Hee!“
Stimme Zwei: „Und was tut man für gegen Massaker?“
Stimme Eins: „Dafür müssen alle vernünftig werden.“
Stimme Zwei: „Quatsch!“
Stimme Eins: „Tschingerassabummgenaurichtig.“
Stimme Zwei: „Massaker sind unvernünftig?“
Stimme Eins: „Kommt darauf an, ob vorher gedacht wurde oder nicht.“
Stimme Zwei: „Massaker mit Denkvorlage sind vernünftig?“
Stimme Eins: „Hossa!“
Stimme Zwei: „Hee!“
Stimme Eins: „Kundschaft.“
Stimme Zwei: „Nachladen?“ (tättääh)
Herr Radeuke peilte weiter. Er schaltete den Sendersuchlauf ein, quasi. Auf jeder Frequenz lauerten Menschenstimmen. Manche schienen sogar zu bemerken, daß er bei ihnen vorbeilauschte.
!!!!!!!!!!!!!!
Er-Gespräche
Doch bevor ein lästiger, zufriedenheitsgefährdender Kontakt entstehen konnte, horchte Herr Radeuke weiter. Er wechselte die Wellenlänge.
( Geliebter Automaten- und Gerätegesang schwebten in seine Gehörgänge. Herr Radeuke ließ sie bis in sein Herz einziehen, wo sie friedlich nisteten und Herrn Radeukes Zufriedenheit ausbrüteten.
Ausschließlich die Arie des makellos singenden Dünnbrettbohrers vernehmend, tauchte Herr Radeuke in die Glückseligkeit, so daß der Dünnbrettbohrer Herrn Radeukes Schnittstelle zum Irdischen darstellte. Bierkonsumierungseinheiten geschahen vollautomatisiert.)
Ein Bombenangriff vereinte die Aufmerksamkeit aller Marktplatzanwesenden inklusive Herrn Radeuke.
Herr Radeuke scheuchte seine Augendeckel hinauf und schickte seine Seekraft in den Bombenangriff. Herr Radeuke grummelte ob arschknapp bevorstehender Bequemlichkeitsverluste, sprang auf und baute in Windeseile einen Luftschutzbunker, in den sich alle Marktplatzanwesenden retteten. Darüber sehr betrübt reisten die Bomber wieder ab.
Röchelnderweise schleppte Herr Radeuke seinen Korpus zur Bierkiste. Die letzte von ihm benutzte Flasche Bier lag zerschmettert bei ihr. Herr Radeuke holte einen Kehrbesen und eine Schaufel und entsorgte die nunmehr für ihn nutzlose Flasche Bier in einem Altglascontainer. Wieder schleppte Herr Radeuke seinen Korpus zur Bierkiste. Er setzte sich neben sie, um sich bei ihr aufzustützen, öffnete eine Flasche Bier und soff sie leer. Die leere Flasche behutsam umklammernd schliefen Herr Radeuke und sein Körper erschöpft ein.
Der Schlaf des Herrn Radeuke und seines Körpers währte lang und intensiv. Sie wachten beide erholt auf. Sie wachten beide dermaßen erholt auf, daß die Erholung theoretisch für drei Wochen Häuserkampf in Stalingrad gereicht hätte.
Dankbarerweise hatten die Gemeinden der Stadt einen Wall um Herrn Radeuke gebastelt. Dieser sollte die Nettigkeit Herrn Radeukes beachtbar machen und einen Hort für den Helden darstellen, sofern dieser in der Stadt geschützt schlummern wollte.
Der Wall existierte durch die gekonnte Mixung chemischer und biologischen Krames. Die Mixung war eine durchschaubare geworden, so daß der Wall Durchsichtigkeit zuließ. Das war kein Zufall gewesen. Die Gemeinden wünschten, den Helden während seines heiligen Schlafes beobachten zu können. Gleichso sollte der Held im Wall heilig herumgammelnd aus jeder Perspektive beobachtet werden können, weswegen ein durchsichtiges Walldach und ein durchsichtiger Wallinnenboden geschaffen worden waren. Daß Herr Radeuke während der Wallinnenboden-
Errichtung nicht aufgewacht war, mag ein Wunder sein.
Fahrstühle kostbaren Materials führten die HerrnRadeuke-
Beobachtungswilligen zu allen Perspektivenpositionen.
Herrn Radeuke darf es also nachgesehen werden, daß er sich nach dem Erwachen zunächst wunderte sowie eine Flasche Bier verschlang, anstatt frohen Mutes und unbekümmerten Gemütes seine Mission zu erfüllen. Herr Radeuke glotzte schließlich in um die achttausendunddrei ebenso glotzenden Artikulationsverbreitungsmaschinen.
Nach der Replazierung der gründlich behandelten Flasche Bier schüttelte Herr Radeuke emsig seinen Kopf. Zahlreiche Befürchtungen ob seines zukünftigen Erdverbleibs tummelten sich dort. Nach der emsigen Kopfschüttelei, die weit über neunundachtzig Prozent der Befürchtungsmöglichkeiten vertrieben hatte, raste Herr Radeuke kopfwärts vor den Wall, um die letzten drei Prozent der Befürchtungen auszurotten. Dies gelang Herrn Radeuke. Herr Radeuke feierte dieses Gelingen unverzüglich, wofür er die letzte Flasche Bier anheuerte. Er öffnete sie an der Bierkiste, tätigte ein Genußschlückchen, welches er zunächst durch den Rachen spülte und dann in den Magen heruntergleiten ließ, stellte die Flasche Bier auf den Boden und tanzte zu erinnerter Musik.
Herr Radeuke tanzte innig. Herr Radeuke tanzte dermaßen innig, daß die Außenglotzenden mit schier übernatürlich starker Sehkraft ab und an seltsame Muskelzuckungen an ihm sahen. Alle siebentausendundneunundneunzig Glotzenden (vier waren gegangen, um Doppelkopf zu spielen) hielten Herrn Radeukes Gebärde für eine außerordentliche Demutshaltung, hauptsächlich wegen Herrn Radeukes Hauptsenkung.
Es waren also keine Außenglotzenden mit schier übernatürliche starker Sehkraft anwesend.
Die Muskelzuckungen waren während des Tanzens Herrn Radeukes einzige Kontakte zur Außenwelt. Ansonsten hielt er sich nämlich tanzenderweise in seinem Nervensystem und seinem Gedächtnis auf, in welchem zwei Musikstücke lagerten. Herrn Radeukes Gedächtnis war nicht sehr groß.
Herr Radeuke tanzte zu jedem Musikstück zwei Male. Weitere Tänze verhinderte der Rückzug seines Gedächtnisses, welches von Herrn Radeukes Verstand im Auftrag der Vernunft in den Ruheraum berufen wurde. Es habe jetzt genug Arbeiten verrichtet, die lediglich dem Vergnügen dienten, hatte der Verstand im Auftrag der Vernunft Herrn Radeuke beschimpft.
Herr Radeuke schüttelte den Kopf, zuckte mit den Schultern und ließ seine Augenlider emporsteigen. Sein Publikum klatschte sehr stürmisch und grölte Laute im Stakkato. Das Publikum erfuhr Glück darob, daß Herr Radeuke aus seiner Demutshaltung herausgeschnellt war und erhoffte sich weitere radeucksche Aktionen, die gemeinsam erlebt werden konnten. Der Augenblick des Herrn Radeuke scherte sich allerdings um die vor dem Tanzen zurückgelassene Flasche Bier. Sie hatte ihn gerufen.
Herr Radeuke schnappte sich die Flasche Bier, setzte sich locker und bequem auf die Bierkiste und feierte weiter, kinneanschauenderweise, vergessend, daß er beäugt wurde.
Die Feier währte bis zur Leerung der Flasche Bier. Anschließend, nach der Leerung der Flasche Bier, welche die letzte war, sah Herr Radeuke keinen Grund und keinen Sinn in einer Feierfortführung.
Herr Radeuke stoppte ebenso die Kinneanschaung, bettete die leere Flasche Bier in ihren Kasten, krallte sich diesen und benutzte die Tür, die die Gemeinden für ihn in den Wall eingebaut hatten. Außerhalb des Walles angekommen verschloß Herr Radeuke ordnungsgemäß die von ihm benutzte Tür. Herr Radeuke äugelte nach der für ihn richtigen Richtung. Herr Radeuke äugelte gründlich nach der für ihn richtigen Richtung. Herr Radeuke äugelte sogar dermaßen gründlich nach der für ihn richtigen Richtung, daß er die um ihn herum eigens für ihn stattfindenden menschlichen Handlungsweisen nicht wahrnahm:
die siebentausendneunhundertneunundneunzig Artikulationsverbreitungsmaschinenhalterungen waren nicht die einzigen, die sich wegen Herrn Radeuke auf dem Marktplatz eingefunden hatten. Diese waren lediglich diejenigen gewesen, die Herrn Radeuke innerhalb des Walles angeglotzt hatten. Aber der Marktplatz spendete ja noch mehr Platz als den direkt am Wall. Die Gesamtsumme der Erdbevölkerung minus vier war mittlerweile auf dem Marktplatz eingetrudelt, um sich mehr oder weniger mit Herrn Radeuke zu beschäftigen. Manche Mitglieder der anwesenden Erdbevölkerung interessierten sich sogar überhaupt nicht für Herrn Radeuke. Sie waren gekommen, weil andere gekommen waren.
Die Kunde von einem außerordentlichen Marktplatzgeschehen hatte verschiedenerlei Abwechslungswünsche oder die Hoffnung auf eine Schmerzlinderung ihres Herzens geweckt. Sie waren zur Taufe der Wünsche und Hoffnungen angereist, quasi. Die Quasi Taufen bzw. die taufähnlichen Rituale wurden in mannigfaltiger Art und Weise vollzogen. Die Mannigfaltigkeit der Arten und Weisen der Quasi Taufen bzw. taufähnlichen Rituale war so groß, daß nur eine klitzekleine Auswahl derselben genannt werden kann:
Es wurde zum Beispiel erwürgt, per Axt zerschmettert, gelyncht, platt gewalzt, erstunken, durch Abstieg geherzinfarktet, verköstigt, verdummt, verfickt, vertelefoniert, zerhackt, verselbstzweifelt, verschimmelt, herkömmlich getötet ( zum Beispiel gerosell entrütasiert ), erschossen, gründlich verzogen, ausgelacht, gruppiert, verfettet, vergessen, schlichtweg unterdrückt und gebohnert.
Das war der Abwechslungswünsche genannte Auswahl.
Die der Hoffnung auf eine Schmerzlinderung sieht wie folgt aus:
Die auf dem Marktplatz anwesenden Menschen dieser Kategorie kümmerten sich um männliche und weibliche Freunde, Familienangehörige, Verzeihung, die besondere Liebe und den nächsten Menschen, die Vertreibung von Vorurteilen, Versöhnung und Auswärtsreisen.
Auch ansonsten waren die Versammelten verschiedenerlei organisiert. Sie waren schließlich nicht als ‚Gesamtsumme der Erdbevölkerung minus vier angetreten, sondern als Gesangsverein, Nation, Boss, Sklave, Herrn-Radeuke-Fan-
Klub, Vater und Sohn, Mutter und Tochter, Mutter und Sohn, Vater und Tochter, Eltern und Kinder, Geschwister ohne Eltern, Betriebsausflug, Ureinwohner, Einsamer, Gelangweilte, Regulatorenverächter, Lustigmacher und so weiter.
Eigentlich war die Gesamtsumme der Erdbevölkerung minus vier jedoch als Für-Herrn-Radeuke-Arbeitend und als Nicht-Für-Herrn-Radeuke-Arbeitend einzuteilen
Letztlich waren natürlich alle als Menschen da, mehr oder weniger verkorkst.
Von den Für-Herrn-Radeuke-Arbeitenden begannen die dafür Zuständigen mit der Präsentation von Musikalischem. Alle alkoholnichttotalverachtenden und nebenverdienstbefürwortenden Musiker spielten, von einem Herrn Fischer dirigiert, liebliche Volkswaisenlieder auf. Natürlich arbeiteten auch andere wie Feuerwehrmänner und Loopingspringerinnen, aber die Musiker werden außerordentlich erwähnt, da sie sich besonders bemühten. Dies wiederum oblag der Verantwortung Herrn Fischers, dessen Kleidung übrigens eine adrette war.
Herr Radeuke hatte indes, wie bereits erwähnt, Sorgen inne. Geduckt, die Augen allerlei Knie mit ihrem Blick streifend, forschte er nach der für ihn richtigen Richtung. Zur Fortbewegung seiner selbst benutzte er eine passive Schrittechnik und ruderte mit den Armen. Herr Radeuke schwamm quasi in Kniehöhe durch die Menschenmenge. Die Bierkiste ritt währenddessen auf seinem Rücken und wartete geduldig auf ihre Füllung. Im Nu hatte Herr Radeuke nämlich den Plan ausgeheckt, die leere Bierkiste gegen eine volle einzutauschen, damit einerseits aus der leeren Bierkiste wieder eine volle werden konnte. Andererseits wollte er aus der neuen vollen Bierkiste ein bis zwei oder drei Flaschen in einer absoluten Ruheposition saufend genießen, um anschließend ausgeruht und mit voller Tatkraft seine Mission zu erfüllen. Danach sollte das erfolgreiche Ende der Mission mit einer kleinen Feierlichkeit begangen werden, nach der wiederum die Reise gen Heimat auf den Plan gerufen ward.
Herr Radeuke sehnte sich nach der Geborgenheit seiner Wohnung, wo er sich ungestört die juckenden Hodensäcke kratzen konnte. (AUS ARBEIT WIRD KLO!!!)
Aufgrund eines unzierlichen Unbehagens hatte Herr Radeuke den Plan ausgeheckt. Das unzierliche Unbehagen wiederum ward von einer Ahnung zum Leben erweckt worden. Und die Ahnung hatte sich während der Kinneanguckerei mit einem „Scheiße, gleich belästigen sie dich“ bei Herrn Radeuke angemeldet.
Nun war Herr Radeuke also inmitten der Durchführung seines Planes.
Er grummelte still und heftig. Jeder Grummler klaute einen Brocken Ichwerdeschonnichtentdeckt-Hoffnung aus seinem Herzen. Den Ichwerdeschonnichtentdeckt-Glauben hatte Herr Radeuke wegen einer übergroßen Ichwerdeschonnichtentdeckt-Unwahrscheinlichkeit aufgegeben.
Eine schwere, scharfe und besonnen geführte Axt ward in Herrn Radeukes Schädel gerammt. Der Stadthenker hatte diese Tat auf Geheiß des Bürgermeister ausgeführt. Sacht entnahm der Stadthenker die Axt dem Schädel des Herrn Radeuke, packte die Bierkiste von Herrn Radeukes Rücken und richtete Herrn Radeuke mit seinem Axtarm auf. Sofort versorgte die Stadtmedizinfrau, ein Früchtchen, die Wunde, welche daraufhin heilte.
Dann trat der Bürgermeister, welcher festlich gekleidet war, an Herrn Radeuke heran. Lediglich laute, leise, trockene, feuchte, stinkende, nichtstinkende, weibliche und männliche Fürze, klappernde Nierensteine, quietschende Lungen, tropfende Genitalien, Rülpser selbstverständlich und andere organische unkontrollierte Geräusche tönten in der Marktplatzatmopsphäre.
Herr Radeuke hörte nichts denn ein dickes Pochen in seinem Schädel.
Der nicht zur Hörmaschinerie gehörende Teil Herrn Radeukes widmete sich der Wut, sofern er nicht zwangsweise zu tun hatte. Herr Radeukes Augenblick war natürlich in sein Inneres gerichtet, auf das Zentrum seiner Wut. Herr Radeuke sah somit den vor ihm stehenden Bürgermeister nicht. Auch roch, schmeckte, hörte und tastete Herr Radeuke den Bürgermeister nicht. Der Bürgermeister spürte diese Komplettignoranz und fühlte sich beleidigt. Aber er fühlte sich nun mal auch irgendwoher verpflichtet, etwas Verstandfütterndes zu erzählen. Somit begann er nach einem bei Herrn Radeuke angewandten Eierkniff mit seiner bürgermeisterlichen Arbeit:
„Lieber Herr Radeuke und liebe Stadtbewohner und liebe Frauen und liebe Männer und liebe Heiden und liebe Religiösen!
Heute finden wir alle bis auf die Viere Herrn Radeuke toll. Auch ihn selbst beschert diese Prozedur ewige Freuden. Unsere Aufmerksamkeit ehrt ihn, wonnich!!!“
Mit dem letzten Wort des letzten Satzes rammte der Bürgermeister sein rechtes Knie in die Genitalien des Herrn Radeuke.
Herr Radeuke jaulte auf.
Die Marktplatzanwesenden hörten einen fröhlichen Zustimmungsgesang ihres Helden.
Der Bürgermeister nahm seine bürgermeisterliche Arbeit wieder auf:
„Himmlische Tage gibt es allezeit, da die Sonne stets am Himmel herumlungert. Natürlich oktroyieren uns beizeiten dunkle und auch gar pechschwarze Wolkendecken anscheinend sonnenlose Tage. Doch haben fleißige und gewissenhaft arbeitende Menschen bewiesen, daß auch hinter diesen die Sonne steckt. Deswegen ‚anscheinend. Ob dahinter noch andere Ursachen lauern ist fraglich und wird jetzt nicht thematisiert.
Aber dergleichen hat nichts mit Heldentum zu tun, denn auch die wahre sonnenlose Zeit, die Nacht, gebiert Helden!“
Der Bürgermeister, dessen Gedanken in eine Art poetischen Fluß für Arme geraten waren, ward von dem Blöken einer Herde Klugscheißer unterbrochen: „Auch zur Nachtzeit wirkt die Sonne, hä!“ Der Bürgermeister zuckte, all die weil das Bewußtsein seiner Abschweifung ihn schüttelte. Es mag befremden, aber der Bürgermeister wußte sich anschließend schnurstracks wieder auf den Marktplatz zu schicken, um seiner Zeit zu dienen: „Trottelaussterbung gibt es nicht,“ versachlichte er, „dennoch befurzen wir die Möchtegernelemente und schalten das Riechorgan zur Gestankszeit ab. Also laßt uns Beachtenswertes bequatschen! Laßt uns den Grund unserer Anwesenheit bequatschen. Wer weiß ihn noch?“ Ein klitzewinziger, kaum hörbarer Hilfeschrei lag in der bürgermeisterlichen Frage.
Es meldeten sich sehr viele. Der Bürgermeister begutachtete die Melder gründlich. Er schaute jeden einzelnen der Melder an. Das dauerte lange. Dann nickte er einem schmutzigen, ärmlich gekleideten chilenischem Mädchen zu.
„Ich soll für Mama Koks verkaufen.“ sagte das Mädchen.
Alle dieser Situation Beiwohnenden blickten kurz beschämt gen Erdinneres, sogar Herr Radeuke regte sich ähnlich. Lediglich die Mutter des Kindes zuckte mit den Achseln. Nach einer Viertelsekunde war jedoch wieder alles beim Alten, wie es so schön heißt. Für den Bürgermeister bedeutete das die Wiederaufnahme seiner bürgermeisterlichen Arbeit. Er überflog nochmals die Melderauswahl und nickte einem nicht herkömmlich gekleideten Europäer zu.
„Wir sind hier, um alles Scheiße zu finden.“ sagte der nicht herkömmlich gekleidete Europäer, „Wir können es uns leisten.“ setzte er nach.
Der Marktplatz murmelte, empört angehaucht.
Der Bürgermeister blieb ernst, obwohl ein unsichtbarer Seufzer seinen Tränenvorrat zu einer Sturmflut einlud.
Der Bürgermeister hätte sehr gerne geweint. Aber das ging natürlich nicht. Sein persönliches Seelenaua interessierte niemanden und Heulerei hatte er für sein Amt auch nicht studiert. Er hatte dafür zu sorgen, daß der ihm anvertraute Marktplatz mit Vernunft umrahmt blieb.
Daher legte der Bürgermeister seinen persönlichen Schmerz in seinen Seelenkühlschrank, der übrigens sehr voll war, und versuchte die bedenkliche Antwort des nicht herkömmlich gekleideten Europäers zu vernichten, indem er sich um eine neue bemühte.
Der Bürgermeister erspähte noch einen nicht herkömmlich gekleideten Europäer und forderte diesen zu einer Antwort auf.
„Wir sind hier um uns an die Nichtalltäglichkeit des Alltags zu erinnern, um Fünfe gerade sein zu lassen, quasi.“ sagte dieser nicht herkömmlich gekleidete Europäer nicht vollüberzeugt, zweifelnd. Er hatte einfach nur gemeint, etwas Schlaues von sich geben zu müssen, da die Situation dergleichen erfordere. Nach einem gedenkminutenhaft anmutenden Moment fügte er errötend hinzu: „Ich bin hier, weil meine Urgroßmutter meinen Hamster an einem gefährlichen Riff zerschellen lassen wird, wenn ich sie heute nicht umherschiebe.“
Die Mannigfaltigkeit der Reaktionen präsentierte sich. Der Bürgermeister hauchte ein leises „Aha“ und brüllte dann „RUHE!“. Alle Unruhigen verstummten, so daß alle verstummt waren.
Der Bürgermeister besann sich, da die Brüllerei ihm eine Wallung beschert hatte. Dazu furzte er. Zuerst spürte er die Schlängelung des Furzes durch die Gedärme. Desgleichen spürte der Bürgermeister, daß der Furz ein landloser war, weshalb er ihn risikolos hörbar die Rosette passieren ließ. Dann schnupperte der Bürgermeister. Der Furz ward von ihm gerochen. Der Furz ward sogar gern von ihm gerochen.
Das war für ihn der Beiweiß der Existenz seines eigenen Furzes und seines Geruchsinnes in der Gegenwart. Die Besinnung hatte funktioniert. Zur gänzlichen Vernichtung der arbeitsstörenden Wallung mußte er sich jetzt nur noch beruhigen.
Das war sehr, sehr schwierig.
Seine Frau hätte ihn beruhigen können, aber da diese zu den vier Doppelkopfspielenden gehörte, mußte er die Beruhigung selbst vollziehen.
Das war sehr, sehr schwierig, wie bereits gesagt.
Zuerst schnippte er jegliche Aufregung von dannen, indem er alles ihn Aufregende, sei in der Vergangenheit, in der Gegenwart oder in der Zukunft gegenwärtig, ignorierte. Das dauerte sehr lange. Das dauerte so lange, daß die Marktplatzanwesenden ausgestorben wären, wenn sie währenddessen den Gesetzen der Zeit unterstanden hätten. Der Konjunktiv verrät es: während der bürgermeisterlichen Beruhigung spielte die Zeit für die Marktplatzanwesenden keine Rolle. Über das Warum wird hier geschwiegen, um nicht allzu weit von der bürgermeisterlichen Beruhigung abzuschweifen, wer weiß, wo das hinführt.
Zuerst ignorierte der Bürgermeister also alle auf freiem Grund und Boden liegenden Kippenstummel und die dafür Verantwortlichen, kümmerte sich nicht um seine mit drei Liebhabern doppelkopfspielende Frau, lachte über das Schreckgespenst der Arbeitslosigkeit im Falle einer heutigen Totalversagung, aß einen Fleischfressendepflanzensalat ohne Gewissensbelastung und beachtete nicht mehr den Currywurstfleck auf der Dienstkrawatte des Henkers.
Dann verscheuchte er alle Unruhe stiftenden Geister; das war gottverdammichverdammt schwierig, denn von überall waren solche herangeströmt. Schließlich war fast die gesamte Weltbevölkerung anwesend. Derartige Geister leben von der Irreleitung ruhespendender Geister, um sich derer Bahnen zu bedienen.
Quasi beziehungsweise bildhaft gesprochen: sie mischen sich in eine ordentlich funktionierende Stromleitung ein und spielen innerhalb der Leitung auf dem Strom reitend Katz und Maus, so daß ein an den Stromkreislauf angeschlossener Kühlschrank zu einer Brotröstmaschine mutiert.
Diese Dinger mußte der Bürgermeister also verscheuchen und ein „Husch-Husch“ oder ein „Sauer-Sauer“ genügte nicht, ebenso wenig wie ein schön langgezogenes und wohlgeformtes „Ohmm“. Was blieb dem Bürgermeister somit anderes übrig, denn ein uraltbewährtes Anti-Böse-Geister-Ritual seiner Ahnen auszupacken?
Nichts, selbstredend, selbstverständlich, natürlich, folgerichtig und zweifelsfrei sogar.
Allein zu diesem Zwecke raste der Bürgermeister in den Wald, wo viele Zutaten für Anti-Böse-Geister-Rituale auf der Lauer lagen, um ihrer Bestimmung folgen zu dürfen, insbesondere Pflanzen und Viecher. Laut Ritualrezept sammelte der Bürgermeister „alles, was man in der Region zu Drogen verarbeiten kann, aber nicht im Krämerladen kaufen darf“ in rauhen Mengen“. Dementsprechend pflückte der Bürgermeister Tollkirschen, Pilze der besonderen Art, Mohn, durchaus zufriedenstellend gediehene Marihuanablüten und allerlei mehr Pflanzenkram in seinen Weihnachtsmannsack. Danach füllte er seinen anderen Weihnachtsmannsack „mit den Ohren der Fauna der Region“ und fällte den „ältesten und weisesten Baum der Region“, eine stattliche deutsche Eiche. Vor ihrer Abhackung hatte sie der Jugend des Waldes Sozialverhalten gelehrt und dabei immer wieder rührende Geschichten aus ihrem langen, erfahrungsreichen Leben erzählt. Sie hatte erzählt wie die Dinosaurier auf das ökologische Gleichgewicht des Waldes Obacht gegeben hatten, wie die Römer und Germanen sich in dem Wald gegenseitig die Köpfe eingeschlagen hatten und wie die Mägde und Knechte sich unter ihrer Krone lieb gehabt hatten . Außerdem hatte sie sich darüber aufgeregt, wie oft sie bepinkelt wurde, ohne sich wehren zu können.
Natürlich versuchten viele Tiere die Abhackung ihrer weisen Waldältesten zu verhindern, aber diese schoß der Bürgermeister aus Notwehr tot und verkaufte sie später als Opfertiere.
Aber das nur nebenbei, wenden wir uns nach diesem kleinen Exkurs in Punkto Eiche wieder dem Bürgermeister zu. So weit es die „im Wald der Region erhältlichen Zutaten“ betraf, ward der Bedarf des Bürgermeisters an Ritualien gedeckt.
Daher raste er in die Stadt zurück, besorgte im Supermarkt die üblichen Ritualien wie Katzenkacke, Nuttenzopf und Babykotze und bastelte aus allem zusammen in einem Druidentopf eine Suppe, und kippte sich dieselbe in den Magen. Dieser schickte die Suppe gen böse Geister, welche im Nu von der Suppe erledigt wurden.
Endlich war der Bürgermeister beruhigt.
Die Konsequenz dieser bürgermeisterlichen Besinnung und Beruhigung war die Auswahl eines weiteren Melders zwecks Antwortsuche. Diesmal nickte der Bürgermeister der Urgroßmutter des von ihm zweitgefragten nicht herkömmlich gekleideten Europäers zu, obwohl diese nicht den Meldern angehörte.
„Ihr seid hier, weil ihr nichts Besseres zu schaffen habt.“ sagte diese hämisch und grinste. Alle anderen Urgroßmütter grinsten ebenso wie sie. Der Bürgermeister und andere Anteilnehmende murrten beleidigt. Darob wiederum lachten die Urgroßmütter lauthals.
„So helft uns doch!“ quengelte der Bürgermeister gen Urgroßmütter. Die Urgroßmütter schüttelten schelmisch die Köpfe und sprachen erhabenerweise aus einem Guß: „Nein, nein, Kinder. Von uns bekommt ihr allerhöchstens mal eine Weisheit verabreicht. Ansonsten gehört die Zeit jetzt uns und nicht mehr wir der Zeit. Ihr dient heute, wir dienten gestern. Wir ruhen heute, ihr ruht morgen, kapiert, Bürgermeisterlein und Konsorten?“ Der letzte Satz der Urgroßmutterschar hatte sich in des Bürgermeisters und dessen Konsortiums Herzen gebohrt und löste dort ein beschämtes Kopfnicken aus. Er vertrieb allerdings nicht den Ärger, welcher ebenfalls dort zweifelsfrei lagerte und maßgeblich in der wörtlichen Rede des Bürgermeisters steckte: „So lacht euch doch vom Rollstuhl in den Sarg. Wir schaffen es auch ohne euch!“
„So wird es kommen. Und nun laß uns die Ruhe.“ antwortete die Urgroßmutterschar schalkhaft. Der Bürgermeister verfrachtete eine Portion Groll gen urgroßmütterlichen Schalk, vollzog eine Kurzbesinnung mittels Fingerschnippen am Ohr und suchte weiter.
Dieses Mal hoffte er die von ihm vergessene Antwort vom Papst zu erhalten. Des Bürgermeisters Haus ward nämlich einst dermaßen gebaut worden, daß er nun in dem Glauben lebte, der Papst schleppte stets eine angemessene Weisheit mit sich herum, um sie auszuposaunen. Obwohl der Papst keiner der Melder war, erlaubte sich des Bürgermeisters Verzweiflung, den Nachfolger von Petrus nach seiner Meinung zu fragen.
Jegliche Höflichkeit vergessend fragte der Bürgermeister den Papst forscherweise: „ Papst, sage mir: warum sind wir hier. Sprich, bevor eine Eskalation erwächst!“
Der Papst beschaute den Bürgermeister gar äußerst vorwurfsvoll. Der Papst beschaute den Bürgermeister gar äußerst vorwurfsvoll, da er außer der rein vorwurfsvollen Beschauung des Bürgermeisters zusätzlich sein Haupt langsam schüttelte und den Zeigefinger der linken Hand schwenkte. Selbstredend ward in des Papstes Miene der Ernst gemeißelt.
Die Faust der rechten Hand hatte er heimlich in seinem Anus versenkt, was des Papstes innere Zufriedenheit stärkte. Dies war ein Lastenausgleich, quasi.
Sofort nach dem Aufprall des Papstvorwurfes errötete der Bürgermeister ob der Scham einer maßlosen Dreistigkeit gegenüber allerhöchsten Instanzen. Er tätigte eine Duckung und wagte keinerlei weitere Handlung ohne Genehmigung des Papstes, so daß er wie ein reuiger Straßenköter verharrte. Der Bürgermeister verharrte wie ein bekackter, zerfickter, reuiger Straßenköter, genau genommen. Der Papst nahm dies wahr und kramte fluchs eine Prise Güte aus seinem Herzen. Ihn nicht schonend scheuchte der Papst seinen Elefanten reitenderweise zur bürgermeisterlichen Bühne, auf welcher der Bürgermeister, dessen Gesinde und Herr Radeuke momentan lebten, mehr oder weniger. Dort zückte der Papst seine päpstliche Keule und drosch im Dreivierteltakt auf das bürgermeisterliche Podium ein, hinter dem der Bürgermeister wie beschrieben verharrte. Während des Eindreschens mit der päpstlichen Keule im Dreivierteltakt auf das bürgermeisterliche Podium erklärte der Papst dem Bürgermeister, daß dieser die Haltung eines reuigen Straßenköters aufgeben könne, all die weil alle Menschen Sünder seien und zwar inklusive seiner selbst, da er nicht aufgepaßt habe und die bürgermeisterliche Frage selbst unbeantwortet lassen müsse. Wie es sich für einen Papst gehöre, hege er aber große Hoffnungen, daß die Antwort eines Tages vom Himmel fallen werde, erklärte der Papst.
Der Bürgermeister nahm wieder seine bürgermeisterliche Haltung ein.
Alle anderen Marktplatzanwesenden exklusive Herrn Radeuke und den Papst natürlich, klatschten zwecks Beifallsbekundung in die Hände. Der Papst grinste daraufhin froh und jubilierte mit hochgestreckten Armen. Dann bat er mittels einer Geste um Ruhe und Aufmerksamkeit, segnete alle mit seinem berühmten päpstlichen Segen und trat wieder in die Reihe. Fast fünf Minuten lang waren alle an den päpstlichen Segen Glaubenden frohsinngetränkt. Nach diesen fünf Minuten wachten sie hoffnungsvoll wieder auf. Die nicht an den päpstlichen Segen Glaubenden schüttelten derweil die Köpfe, murrten, lachten aus, verachteten oder schwiegen schlicht. Danach ward die Situation wieder größtenteils in der bürgermeisterlichen Obhut.
Der Bürgermeister widmete sich also wieder der Suche nach der von ihm vergessenen Antwort. Diese Suche schien dem Bürgermeister mittlerweile aussichtslos. Schließlich ward der Papst unnütz befragt worden. Der Bürgermeister zweifelte innerlich. Dennoch grinste er die Melder zuversichtlich an, und während er innerlich verzweifelt war und äußerlich angrinste, grübelte er schauenderweise welcher Melder die Antwort abrufbar mit sich herumschleppen könnte.
Es geschah nichts. Die Menschheitsgeschichte litt an einem Stillstand, sozusagen.
Aufgrund aufkeimender Langeweile wurden einige Marktplatzanwesende zappelfilliplich.
Niemand erweckte beim Bürgermeister den Anschein, Träger der von ihm vergessenen Antwort zu sein, und niemand bot sich an.
Des Bürgermeisters äußerliche Zuversicht verpuffte.
Das Verpuffen der äußerlichen Zufriedenheit des Bürgermeisters war gleichzeitig der Abbau der Mauer, welche die innere Verzweiflung des Bürgermeisters zu einer inneren Verzweiflung werden ließ. Also: die äußerliche Zufriedenheit des Bürgermeisters war der inneren bürgermeisterlichen Verzweiflung Bollwerk, und dieses Bollwerk zerbröckelte.
Ergo strömte die innere Verzweiflung des Bürgermeisters hinaus in die Gefilde des Marktplatzes und mutierte zu einer sehr gefährlichen allgemeinen Verzweiflung.
Herr Radeuke vertrieb diese.
Wie bereits gesagt, hatte er sich zunächst in seine Wut verkrochen und den Bürgermeister seine Komplettignoranz spüren lassen. Doch eben dieses Spürenlassen hatte ein gänzliches Einigeln des Herrn Radeuke in seine Wut verhindert. Das Spürenlassen war sein einziger Kontakt zur Außenwelt gewesen. Sein Herz war der Außenwelt zugänglich geblieben (ohne quasi). Deswegen hatte er auch spüren können, daß die Außenwelt ihn im Verlauf der bürgermeisterlichen Arbeit stetig vernachlässigt hatte,
wodurch er wiederum ermuntert worden war, mit den Sinnen dem Strom seines Herzens zu folgen und der Außenwelt seine Anteilnahme zu spenden.
Je mehr Anteilnahme er allerdings gespendet hatte, desto mehr hatte er sich gewünscht, dergleichen unterlassen zu haben.
Je mehr Anteilnahme er nämlich gespendet hatte, desto mehr befürchtete er, einen endgültigen Umzug von Ruhehort, Kreis Heiligendorf, nach Unruheherd, gelegen im Lande der ewigen Auseinandersetzung zu vollziehen.
Letztlich und bekanntermaßen spendete Herr Radeuke dem Marktplatz die großmöglichste Portion seiner Anteilnahme. Herr Radeuke trat eine planlose Flucht nach vorne an, quasi.
Der Höhepunkt seiner Anteilnahmespende war jedenfalls die Vertreibung der allgemeinen Verzweiflung.
Das Mittel, welches Herr Radeuke zur Vertreibung der allgemeinen Verzweiflung gebrauchte, war ein verbales:
„Allerliebste Marktplatzanwesenden!“ jagte Herr Radeuke seine Stimme höflich gewürzt inmitten das Zentrum der allgemeinen Verzweiflung, welche schnurstracks und pfeilschnell zu einem Kollektivschreck mutierte.
„Ihr habt also die Kausalität zwischen euch und eurer hiesigen Anwesenheit vergessen bzw. vergessen lassen und wartet nun darauf, daß euch dieselbige verzuckert dargereicht wird, was mich rein gar und überhaupt nichts angeht, obwohl ich anscheinend der einzige bin, der eure Antwort kennt.
Doch leider, leider kenne ich kein einziges Gründlein, welches mich dazu zwingt, euch die Antwort zu offenbaren.“
Der Kollektivschreck war mittlerweile verschwunden und durch eine kritische Aufmerksamkeit ersetzt worden, welche Buhrufe produzierte, die jegliche Zutaten enthielten, von schüchterner Empörung bis reinem Jähzorn.
Herr Radeuke bemerkte dies jedoch nicht:
„Mein Gewissen bleibt also im Schweigefall unbelastet, und mein Wohlergehen ist unreparierbar demoliert, wodurch eine freiwillige Nennung des Grundes eurer hiesigen und heutigen Anwesenheit für mich gen sinnlos tendiert. Diesbezüglich könnt ihr mich mal kreuzweise.
Aber es sei euch ein Trost, daß die Unkenntnis des Grundes weder eine Bildungslücke darstellt, noch den Verlauf eures restlichen Lebens beeinträchtigen wird; ihr müßt den heutigen Tag lediglich, zusammen mit einer kleinen Portion Humor, als den „Allehabensvergessentag“ im Gedächtnis aufbewahren. Ich persönlich werde den heutigen Tag ebenso behandeln.“
Eine fast allgemeine Empörung fand statt, da kaum jemand Herrn Radeukes Worte in die Glaubensschublade steckte, sondern lediglich seine unbefriedigten Bedürfnisse feierte.
Der Bürgermeister schickte einen bewußt vorwurfsvollen Blick gen Herrn Radeuke und veranstaltete eine allgemeine Beruhigung, indem er den Empörten verklickerte, Herr Radeuke habe lediglich gescherzt und werde den Anwesenheitsgrund in Kürze verraten.
In des Bürgermeisters Inneren wirkte indes ein Quirl, der langsam und heimlich einen geheimnisvollen Brei aufquellen ließ.
„Los, Radeuke, sag es ihnen!“ zischte der Bürgermeister Herrn Radeuke herrisch an. Herr Radeuke schüttelte mit dem Kopf, antwortete schlicht „Nö!“ und senkte sein Haupt, um eine von ihm in das Leben gerufene Däumchendreherei beobachten zu können. Er spürte nämlich die Dringlichkeit einer lästigen Missionsverschiebung.
„Ich gebe dir den bürgermeisterlichen Befehl, sofort mit der Antwort rauszurücken!“ keifte der Bürgermeister äußerst herrisch betont gen Herrn Radeuke.
„Leck mich am Arsch.“ antwortete Herr Radeuke schlicht, ohne die Beobachtung seiner um sich selbst drehenden Daumen zu stoppen.
Der Bürgermeister nahm das Emporsteigen einer anständigen Wut auf Herrn Radeukes unanständiges Benehmen wahr und erwartete, zusammen mit einer Vorfreude, einen anständigen Wuterguß auf den unanständigen Herrn Radeuke, wobei er sich von dem Irrglauben, Richter über einen schuldbeladenen Herrn Radeuke spielen zu können, täuschen ließ; denn das im Bürgermeister Emporsteigende war der geheimnisvolle Brei, und das Hauptbestandteil des geheimnisvollen Breis hieß „DUhastdochdieantwortvergessen“.
Die Größe der bürgermeisterlichen Überraschung während der Erkennung der Wahrheit über den geheimnisvollen Brei ist ergo sehr leicht vorstellbar. Ebenso dürfte es uns nicht verwundern, daß die Erkennung der Wahrheit über den geheimnisvollen Brei des Bürgermeisters Kehle zuschnürte, ihn schamrot werden ließ und er ein Auskotzen desselben nicht verhindern konnte. Die Auskotzerei fand über Herrn Radeuke statt und ward von einem Flehen begleitet: „Bitte, Herr Radeuke, nenne uns den Grund unserer heutigen Anwesenheit!“
Herr Radeuke schüttelte die bürgermeisterliche Kotze von seinem Haupt, wunderte sich kurz und fuhr mit seiner Rede fort. Dieses Mal sprach er allerdings:
„Also, liebe Marktplatzanwesenden, die ihr vergessen habt, weshalb ihr in die Gefilde des Marktplatzes ausgeflogen seid beziehungsweise ausgeflogen worden seid. Obwohl ich lieber mit einer prallgefüllten Kiste Bier eine Angel auf einer Autobahnbrücke bedienen würde, unterlasse ich dergleichen Müßiggang aus unerklärlichen Gründen und teile euch euren Anwesenheitsgrund mit, in der Hoffnung anschließend nie mehr sprechen zu müssen. Während der Visitation eines dieser mir hier empfohlenen Fußballstadien könnte eines Tages allerdings eine Ausnahme geschehen: ich erlauschte eine megatönnige Anhäufung meines heruntergekommenen Wortschatzes in der Stadt, der Fremde, fern der vertrauten Heimat. Einige packte ich in mein Herz, aus dem ich sie jederzeit schenken kann. Manche verfrachtete ich in die Nützlichkeitsabteilung meines Schädels. Die meisten fügte ich ordnungsgemäß dem Wortschrott hinzu. Das Wort ‚Stadion pflanzte ich allerdings tief in meine Seele ein.“
Ein fast allgemeines Räuspern erklang. Herr Radeuke kümmerte sich nicht darum:
„Dort wird es mich für alle Zeit erwärmen, womit behauptet ist, daß ich es sogar in die Ewigkeit mitnehmen werde. Das Wort ‚Stadion erquickte mich, führte mich auf den rechten Pfad, den Liebespfad. Der Klang dieses Wortes öffnete mir die Pforte zum Azur des Himmels, wies mich auf die Wichtigkeit der Sonne im Alltag hin, verdoppelte meine Harnbeschleunigung und tröstete meine Klosucht.
Oh Stadion, oh Stadion!
Vorstellung der Geborgenheit!
Traum der absoluten Sorgenfreiheit!
Vision vom nimmer endenden kindlichen Frieden!
Ich will zu dir gehen!
Nur in dir will ich Stimmbandbelastung betreiben!
Oh Stadion, oh Stadion!
Aber jetzt werde ich euch den Grund eurer hiesigen Anwesenheit verraten, obwohl ich, wie bereits gesagt, lieber mit einer prallgefüllten Kiste Bier eine Angel auf einer Autobahnbrücke bedienen würde, und ich werde diese Angelegenheit mit meinen Worten schildern, um zur Aufklärung zu gelangen.
Deshalb:
Wo soll die Reise nun enden, damit eine neue verabreicht werden kann?
Eigentlich war es allerdings ein Ausflug, ein Ausflug in seltsam anmutende Sphären, dessen Länge aufgrund der Existenz der Vergeßlichkeit unfreiwillig ausgedehnt wurde. Doch war der Ausflug an sich überhaupt gewollt? Oder war er schlichtweg komplett initiiert?“
Viele Marktplatzanwesende gruben ihre Gehirne in ihre Gedankenwelt, um die von Herrn Radeuke genannten Fragen zu beantworten. Der Bürgermeister, ungeduldigerweise, stieß Herrn Radeuke in dessen hart arbeitende Leber, zeigte auf den Henker, und Herr Radeuke änderte die Richtung seiner Rede:
„Egal,“ donnerte er die Grübelnden an, die aus einem kleinen Alptraum erwachten und fuhr im Allerweltston fort: „ich glaube aus allen Herzen zu sprechen, wenn ich jetzt mal behaupte, daß das Ausflugsende allseits erwünscht ist, selbstverständlich ein gutes Ausflugsende, und daß es nunmehr weiter geht nach dem Spiel ist vor dem Spiel sozusagen.
Die Frage nach der Antwort lautet daher: wie soll es denn nun weitergehen?
Dabei ist der Antwortinhalt unbedeutend, was meinerseits bereits angedeutet worden war.
Tja, allerliebste Marktplatztussen und tussinnen: wie soll es denn nun weitergehen?
Gehen wir mit der Antwort nach Hause und vergessen, daß IHR die Antwort vergessen habt, womit EURE Vergeßlichkeit denkzettellos die Geschichte passieren würde und EURE Kinder und Kindeskinder einst ebenso dumm rumstehen werden wie Ihr heute?“
Die Verschiedenheit der Reaktionen verdeutlichte sich durch klatschende weise Damen, verschämte Eltern, gleichgültige und gelangweilte Kinder, überhebliches Klugscheißergrinsen und noch viel mehr.
Insbesondere der Weisedamenapplaus und ein aufmunterndes Nicken des Papstkopfes veranlaßten Herrn Radeuke dazu, mit seiner Rede in einer meistenteils ruheversprühenden Tonart wie folgt fortzufahren:
„Allein aufgrund der Vermeidung einer zukünftigen Dummherumstehung der Kinder gleich EUCH am heutigen Tage, sollte nicht nur ein kleingedruckter Eintrag in das Geschichtsbuch erfolgen, sondern ein Denkzettel im Kollektivgedächtnis angeheftet werden, dessen unverschlöschbare Farben das Erwachsenendasein stets an die Pflichten gegenüber dem Kindertum erinnert.“
„Und die Schuldfrage?“ zwischenrufte einer der Marktplatzanwesenden.
„Wem nützt die Klärung dieser Frage?“ warf sich der Bürgermeister zwischen den Frager und Herrn Radeuke.
Der Zwischenfrager empörte sich: „Es muß doch jemand bestraft werden! Wir brauchen einen Sündenbock!“
„Wir brauchen einen Sündenbock!“ johlte ein Teil der Marktplatzanwesenden nach.
„Wofür?“ fragte der Bürgermeister.
„Für ein reines Gewissen; damit wir so weitermachen können wie bisher!“
„Dann benutzt mich. Schließlich habe ich meine bürgermeisterliche Pflicht nicht erfüllt.“ schlug der Bürgermeister den Johlenden vor.
„Ganz genau, du Arsch! Du bist der Schuldige! Tomatet ihn!“
Der Bürgermeister ward von den Johlenden mit Tomaten beworfen. Nachdem der Bürgermeister vollgesuhlt war, zogen die Johlenden zufrieden von dannen.
„Reden sie wieder.“ bat der Bürgermeister Herrn Radeuke.
Ohne Umschweife vervollständigte Herr Radeuke seine Rede, wobei er immer mal wieder gen weise Damen und Papst schielte, um seine Worte in deren Zustimmung zu halten: „Allein die Vernunft sei der Rahmen des Denkzettels, auf daß er niemals vom Mißverständnis gefressen werde, da der Erde Altlasten nicht durch pure Liebe verscheucht werden, oder mag jemand widersprechen?“
Die weisen Damen und der Papst nickten still, nicht um dem Redeinhalt der radeukschen Rede zuzustimmen, sondern um die Frage zu genehmigen. Sie hatten natürlich bemerkt, daß Herr Radeuke mittels der Frage die zum Teil arg eingerosteten Denkmaschinen der Zuhörer ölte, unabsichtlich, nicht bewußt geplant.
Jedenfalls, während der Großteil der Zuhörer tatsächlich seine Denkmaschinen bediente, meldete sich ein Irrer österreichischer Herkunft, welchem Herr Radeuke das Wort gab, was dieser sofort ergriff:
„Ich möchte im Namen der österreichischen Zarin Deutschlands Autobahnen kaufen!“
Mal wieder präsentierte sich die Mannigfaltigkeit der Reaktionen, wobei einige der Marktplatzanwesenden überhaupt nicht reagierten, sondern ihre Denkmaschinen im Gebrauch ließen, wodurch einigen sogar ein Licht aufging.
Herr Radeuke wartete das Erlöschen der Reaktionen ab und erwiderte anschließend die Worte des bekloppten Österreichers:
„Für dergleichen bin ich nicht zuständig, und wir beide werden es vergessen, einverstanden?“
Zusammen mit dem „einverstanden“ bohrte sich Herr Radeuke mit Hilfe seines Blickes durch den Irrsinn des Österreichers bis in dessen Zentrum und zog dieses sachte an sich.
Der ehemals irre Österreicher nickte zwecks Verkündung von Verständnis und Einverständnis und trat, ab sofort zur Abteilung „gesunder Menschenverstand“ gehörenderweise, in die Reihe zurück.
Herr Radeuke schaute nach den mittlerweile aufgegangen und den noch aufgehenden Lichtern sowie den weisen Damen und dem Papst und fuhr mal wieder mit seiner Rede fort:
„
Die Vollendung des Aufblühens einer andächtigen Stille in den Marktplatzgefilden erzwang bei den zumutbaren Marktplatzanwesenden eine Wort- und Gedankenlosigkeit, welche sogar ab und an in eine Gottesehrfürchtigkeit mündete.
Nachdem die Blüte der andächtigen Stille verrottet war, wagte der Bürgermeister die Ansichnahme des gesprochenen Wortes, welches er arschkriechenderweise benutzte:
„Lieber Herr Radeuke,
Also: ihr seid hier, weil ihr mich heute alle, bis auf die Viere, toll findet.“ Ein leichter Spott klapperte im Untergrund der radeukschen Worte, was jedoch kaum jemand bemerkte, da die meisten sich im Rausch des allgemeinen Ahaerlebnisses ihrer persönlichen Ahaerlebnisweise hingaben: übergeschnapptes Kichern ertönte, beschämte Tränen rannen, Ärger wuchs, brach mittels Gebrüll aus und verschwand durch Verzeihen, und ein Mensch, in Guatemala geboren und seit seinem vierunddreißigsten Lebensjahr bei seiner Tante in Tokio lebend, freute sich über das Ende der bürgermeisterlichen Fragerei und den Beginn des Eigentlichen.
Herr Radeuke beachtete dergleichen nicht.
Herr Radeuke vollzog einen Bückling und versuchte eine klammheimliche Davonschleichung zwecks Missionsfortsetzung zu veranstalten, aber der Bürgermeister, obachtgebenderweise, ließ nur einen radeukschen Schritt zu, indem er Herrn Radeukes Kragen packte und Herrn Radeuke gen Gros der marktplatzanwesenden Antlitze stemmte, um den Helden kurz zu präsentieren.
Dann nickte er Bürgermeister dem Henker zu, der mit einem Hieb das Bewußtsein des Herrn Radeuke entfernte und denselben Daraufhin schmiß der Bürgermeister Herrn Radeuke auf den Boden und nahm seine bürgermeisterliche Arbeit wieder auf: „So, liebe Mitmenschen, nun wissen wieder wir warum wir hier sind: Heute finden wir alle, bis auf die Viere, Herrn Radeuke toll!
Herr Radeuke rettete unser Leben, zumindest das Leben derjenigen, die damals bei dem Bombenangriff mitgemacht haben. Übrigens, wo schon mal alle, bis auf die Viere, hier sind: wer war für den Bombenangriff verantwortlich?“
„Wir!“ meldeten sich ein paar Menschen. „Wir sind von Gott ausgewählte Führer!“ plapperten sie idiotischerweise.
„So ein Quatsch!“ fuhr der Bürgermeister fort, „Schämt euch - jetzt!“
Die sogenannten Führer schämten sich.
Nur einer von ihnen mogelte. Er war lediglich mit dem Kopf auf dem Marktplatz angetreten und verhielt sich sehr tückisch, so daß niemand seine verstellte Reue bemerkte. Er wird später mal der menschlichen Erdbevölkerung Ärger verabreichen, aber nur kurz, knapp und kleinen und wird mit einer nagelneuen kanadischen Motorsäge von seiner besessenen Großmutter zerstückelt und gegessen werden; aber das gehört jetzt nicht hierher, da es sich dabei um eine andere Geschichte handelt.
Der Bürgermeister redete wieder. Ansonsten ward geschwiegen, obwohl: in einer Nische irgendwo auf der Welt einer der vier Doppelkopfspieler hämisch „Keine Drei“ versprach und mit seinem Partner prostete.
Diese Worte hörte auf dem Marktplatz jedoch keiner, und sie haben auch keinen Einfluß auf die Geschehnisse dieser Geschichte.
Der Bürgermeister redete also wieder: „Das Bombenangriffthema ist nun ein Historienbestandteil. Oder?“ Das Oder sandte der Bürgermeister kleinmütig gen Papst.
„Meinetwegen sei der Sünder öffentliche Scham genug Buße. Ich erkläre sie hiermit für defektlos!“ sagte der Papst gnädiger- und darüber, daß er, wie seine Vorgänger, während seiner Papstzeit nicht von einer Kriegsteilnahme verschont geblieben war traurigerweise.
Der Marktplatz applaudierte ohne Kommando, wodurch die sogenannten Führer, bzw. die ex-sogenannten Führer erfreut darüber erröteten, ein Teil des defektlosen Kollektivs zu sein. Auch der Bürgermeister applaudierte erfreut, alle freuten sich, die vier Doppelkopfspieler natürlich ausgenommen, diese waren eher im Zustand der Seligkeit, was hier nur kurz wegen der Vollständigkeit erwähnt sei, mal wieder selbstverständlich.
Bis auf Herrn Radeuke fühlten sich somit alle Menschen wonniglich wohl. Herr Radeuke fühlte gar nichts, da er ja unfreiwillig schlief.
Während der Applaudiererei begannen dreihundertvierundsechzig Libanesen, die alle Amin und Amira hießen, den allgemeinen, gesitteten Applaus durch Jubel zu ersetzen. Selbstverständlich herrschte auf dem Marktplatz die städtische Sitte, weshalb die Freudoffenbarungen mittels gesittetem Applaus getätigt wurden. Den Libanesen genügte dies nicht. Ihre Seelen benötigten Jubel, um Freude abzuladen. Das war nicht das Problem.
Der libanesische Jubel erinnerte eine Horde Barbaren daran, daß sie ihre Freudoffenbarungen mittels ‚Axtgewühle begingen. Die Erinnerung ließ die Barbaren die städtischen Sitten vergessen, weshalb sie ihre Freudoffenbarungen mittels ‚Axtgewühle begangen. Die Barbaren zerhackten dem zur Folge kleine Kinder mit ihren Äxten.
Das war das Problem.
Verständlicherweise brachte dieses Gebaren die Mütter der Kinder aus aller Herren Länder auf die Palme. Nicht nur die Mütter der zerhackten Kinder beteiligten sich an einem Barabarenrachefeldzug. Nein, es schlossen sich andere Mütter an, die mit den Müttern der zerhackten Kinder mitlitten und ihre noch nicht zerhackten Kinder vor zukünftiger Barbarenfreude schützen wollten. Der Rest der Marktplatzanwesenden wartete geduldig auf die Normalisierung der Situation. Diese kam nach fast zweiundzwanzig Minuten, dem Tod von neunundachtzig Barbaren und dem Ichlegemeinbarbarentumabgelübde der überlebenden Ex-Barbaren, die nun friedliche Wilde auf irgendeiner kleinen Insel waren. „Ihr dürft euren heidnischen Glauben behalten, bis ich einen Kreuzzug vollführen werde, um euch Katholisch beizubringen.“ versprach der Papst auf Barbarisch, da die Ex-Barbaren ihre neue städtische Sprache noch nicht beherrschten. Sie konnten sie nicht so schnell lernen, da ihre Gehirne während des Barbarentums auf wenige, leicht zu erlernende Dinge spezialisiert worden waren und der Rest verkümmert war. Wirkliches Denken hatten sie nie gelernt, quasi.
Der Papst nickte dem Bürgermeister zu. Der Bürgermeister war zwischenzeitlich etwas entmutigt gewesen, so daß er beinahe seinen Glauben an das Gute abgegeben hätte. Jetzt war er jedoch wieder frohen Mutes und nahm gern seine bürgermeisterliche Arbeit wieder auf: „ Also Leute, ich flehe euch an: benehmt euch hier nicht wie zuhause, sonst müßt ihr sterben oder werdet Verwildert und anschließend bekreuzzugt.“ Alle Marktplatzanweseden applaudierten. Dieses Mal hielt sich die Applaudiererei jedoch innerhalb einer gewissen Grenze. Die Grenze war die Vernunft. Den Bürgermeister erfreute solches: „Es ist schön, daß wir diese Applaudiererei überstanden haben, ohne daß jemand übergeschnappt ist. Weiter so! Und jetzt geht unter Beibehaltung dieses Sinnes mit frohem Gemüt nach Hause und ruht euch aus bevor ihr wieder an die Arbeit geht. Auf Wiedersehen, euer Bürgermeister.“
Alle Marktplatzanwesenden applaudierten. Alle Marktplatzanwesenden applaudierten sehr lange. Nach und nach, niemand weiß genau warum, verebbte der Applaus, so ähnlich wie in einem Theater. Gruppiert oder in Einsamkeit gingen alle nach Hause. Nur das bürgermeisterliche Podium blieb besetzt.
Der Bürgermeister hechelte, da er müde war. Seine Arbeit hatte ihn erschöpft. Er vergaß jedoch nicht, seine Mitarbeiter in den Feierabend zu jagen. Des Bürgermeisters Mitarbeiter gingen sofort nach Hause, um sich auszuruhen. Dann hörte der Bürgermeister ein Stöhnen. Herr Radeuke stöhnte. Er erwachte aus seiner unfreiwilligen Narkose und verspürte hämmernde Schmerzen.
„Wer sind sie?“ fragte der nicht mehr sehr aufmerksame Bürgermeister. Er schwebte zwischen Wachsein und Schlafgefilde.
„Ich bin der, der dir jetzt seine Faust in deiner Visage deponieren wird.“ sagte Herr Radeuke grimmig.
„Laß den Quatsch, Herr Radeuke!“ antwortete der Bürgermeister besonnen, „mein Henker ist weg, ich bin wehrlos.“ Herr Radeuke stockte. Er war augenblicklich verwirrt. Das Verhalten des Bürgermeistermeisters hatte ihn überrascht. Zwar erahnte Herr Radeuke etwas ihm nicht Zugängliches in des Bürgermeisters überraschendem Verhalten, aber er spürte, daß daran nichts auszusetzen war. Herr Radeuke spürte nämlich Vertrauen. Er spürte, daß ihm seitens des Bürgermeisters vertraut wurde, und er spürte, daß er dem Bürgermeister sein Vertrauen zweifellos schenken durfte. Unverzüglich, ohne vorher zu denken tat er dies. Herr Radeuke sprach jammervoll und bestimmend zugleich zu dem Bürgermeister:
„Dann lade mich zu einem Bier ein und entwickele mir einen Personalausweis. Danach gehe ich wieder in mein Kuhdorf, wo ich für immer bleiben werde. Ich werde mich für den Rest meiner irdischen Zeit dort verkriechen und nur noch arbeiten und schlafen.“
Der Bürgermeister lächelte: „Ich lade dich gern zu einem Bier ein und entwickele dir ebenso gern einen Personalausweis, obwohl ich für den Tagesrest dienstfrei bleiben wollte. Aber was bedeutet schon wollen! Doch dann solltest du zusehen, daß du Kontakt mit dem anderen Geschlecht aufnimmst, auch wenn man besser so lange die Finger vom anderen Geschlecht läßt, bis die Liebe vom Himmel fällt, aber ein Gespräch kann ja nicht schaden.“
Herr Radeuke murrte.
„Abwarten.“ sagte er, „Jetzt will ich mein Bier und meinen Personalausweis haben. Anschließend gehe ich in mein Kuhdorf zurück, damit ich die Lästerei der anderen Kuhdörfler schnell hinter mich bringen werde.“ Herr Radeuke starrte kurz in die Unendlichkeit. Dann setzte er nach: „Kontakt zu Frauen ist derzeit noch unvorstellbar.“ Der Bürgermeister lachte. Er half Herrn Radeuke in den aufrechten Gang, nahm ihn in den Arm und sprach: „So, nun gibt es für uns beide erst mal ein Bierchen. Wir gehen in meine Lieblingskneipe!“
Der Bürgermeister und Herr Radeuke gingen in die Kneipe. Herr Radeuke mochte des Bürgermeisters Lieblingskneipe ohne Umschweife. Herr Radeuke fühlte sich sogar in des Bürgermeisters Lieblingskneipe geborgen. Geborgenheitsstörendes wie Neugier und Neid existierte nämlich nicht in den Gefilden der Lieblingskneipe des Bürgermeisters, und die Atmosphäre war eine fröhliche, vom Ernst geprägt.
Der Bürgermeister grüßte alle Kneipeninsassen. Den Wirt und einen Thekenbesetzer grüßte er mittels eines gemeinsamen Handschlags.
Dann tranken Herr Radeuke und der Bürgermeister Bier und unterhielten sich über Fußball.
„Wo soll die Reise nun enden und beginnen? Eigentlich war es allerdings ein Ausflug in seltsam anmutende Sphären. Der Ausflug war wohl länger denn gewollt. War der Ausflug gewollt? Oder war der Ausflug komplettitiert?
Egal, ich glaube aus allen aus allen Herzen zu sprechen, wenn ich mal behaupte, daß das Ausflugsende allseits erwünscht ist, selbstredend ein gutes Ausflugsende.
Ich persönlich glaube an die Zeit der Anfechtung, aber das ist eine Privatsache, die ich ausnahmsweise mal in die Öffentlichkeit gleiten lassen. Schließlich habe ich eine sehr lange Zeit in absoluter Verborgenheit verbracht. Jedenfalls paßt dieses Wort in die Abhakschublade meines Hirns. Möglicherweise hat das etwas mit meiner Herkunft und der Geschichte an sich zu tun, egal, nunmehr, für mich persönlich zumindest, und ich möchte die Herrschaften nicht mit meinem persönlichen, privaten Schnickschnack langweilen.
Die Frage lautet: wie soll es denn nun weitergehen?
Sind wir ab sofort die Guten und die Bösen? Wohl kaum.
Also, was machen wir?
Sollen wir den Geist wieder dahin verfrachten, wo er keinen Unsinn mehr anstellt?
In den Rüssel oder in die Schreibtischschublade?
Wir müssen das Kriegsbeil begraben!
Dabei sollten wir neben Liebe und dem dazugehörigen Krimskrams unsrer Vernunft behalten. Schließlich beherbergt Mutter Erde Altlasten, welche unwegzauberbar sind. Oder mag jemand widersprechen?“
Ein Irrer, Österreicher, meldete sich. Herr Radeuke gab ihm das Wort. Der Österreicher ergriff es: „Ich möchte im Auftrag der österreichischen Zarin Deutschlands Autobahnen kaufen!“
Mal wieder präsentierte sich die Mannigfaltigkeit der Reaktionen. Herr Radeuke wartete das Erlöschen der Reaktionen ab ebenso wie der Bürgermeister und ein paar andere Menschen. Dann erwiderte Herr Radeuke die Worte des bekloppten Österreichers: „Für dergleichen bin ich nicht zuständig, und wir beide werden es vergessen, einverstanden?“ Der einst irre Österreicher nickte zwecks Verkündung von Verständnis und Einverständnis, trat in die Reihe zurück und gehörte ab sofort zur Abteilung „gesunder Menschenverstand“.
Herr Radeuke widmete sich wieder seiner Rede, die er liebgewonnen hatte: „Wenn alle einverstanden sind, werden keine Glaubensliquidierungsabteilungen zusammengestellt, womit wir erreichen könnten, daß jeder Mensch seinen mehr oder weniger persönlichen oder oktroyierten Glauben behalten darf. Ebenso brauchen die Heiden für sich keinen Glauben mehr erfinden.“
Sämtliche Marktplatzanwesenden spendeten Beifall. Nachdem die Beifallsflut verebbt war, mal wieder auf mysteriöse Art und Weise, schier unerklärlich also, meldete sich ein unübersehbar steinalter Mann, der jedem Halbstarken mit einer kleinen Ohrfeige umgenietet hätte.
Herr Radeuke bemerkte die Meldung dieser Person und gab ihr das Wort. Herr Radeuke tat dergleichen auf einer ungewollten Basis: er hatte den Melder nicht übersehen können, weil eine unsichtbare Hand seinen Kopf zu ihm geschwenkt hatte. Der steinalte Mann hatte das Wort irgendwie an sich gezogen, ebenfalls unbeabsichtigt.
Der steinalte Mann sprach ehrwürdig und mit Wehmut: „Jahrhundertelang habe ich bei allerlei Glaubenskriegen mitgemacht, um mich fit zu halten. Jedes göttliche Pseudonym habe ich bekämpft und verteidigt, immer auf der Seite der besser schlapperen Glaubensgemeinschaft. Das hält fit und schützt vor Trägheit. Nebenbei habe ich mitgeholfen, die Glaubensmonopole zu verhindern.
Na ja, jedenfalls katapultiert ihr mich gerade in die Unnützigkeit, und solches bewirkt bei mir eine Mutation zum Jammerlappen!“
Alle Herzen füllten sich mit Betroffenheit. Der Bürgermeister transferierte die Betroffenheit als erster in Worte: „Lieber, ehrwürdiger, steinalter Glaubenskrieger, nunmehr Ex-Glaubenskrieger damit mußt du dich abfinden...“ „Habe ich schon, habe ich schon längst.“ grummelte der steinalte Mann in die Worte des Bürgermeisters, „Du brauchst meintwegen auch nicht bürgermeisterlich zu schwafeln. Ich weiß nämlich, was ich für den Dienst unter der alten Ordnung fordere: für meinen Dienst unter der alten Ordnung fordere ich in der neuen Ordnung den Posten des Haumeisters für alle Herren Länder!“ Ohne Umschweife kreierte das Gros der Marktplatzanwesenden mit Hilfe verschiedenerlei Gesten ein Ablehnungszeichen. All diejenigen, die nicht zum Gros der Marktplatzanwesenden gehörten beziehungsweise gehören wollten, grinsten mit stiller Häme und heimlicher Schadenfreude. Sie waren von der ewigen Reinheit ihrer Seele dermaßen überzeugt, daß sie fest daran glaubten, niemals vom Hausmeister gehauen zu werden und über die zukünftigen Gehauenen schadenfroh und hämisch grinsen zu dürfen.
Herr Radeuke verhielt weder wie die einen noch wie die anderen. Er war einfach ratlos.
Der Bürgermeister versuchte, die Ruhe, den Respekt vor dem steinalten Mann und den Anwesenheitsgrund zu bewahren: „Lieber, ehrwürdiger, steinalter Glaubenskrieger, nunmehr Ex-Glaubenskrieger und Möchtegernhaumeister für alle Herren Länder!
Bleistift Kontrolliert ihr euren eigen Text eigentlich auch noch einmal, bevor, oder nachdem ihr ihn veröffentlicht und freigegeben habt? Daran hab' ich so meine erheblichen Zweifel, allein wenn ich mir dieses Kauderwelsch-Chaos so betrachte, was hier auf einer einzigen fehlgeleiteten Seite abgedruckt erscheint... Die beste Methode, jeden Leser definitiv zu vergraulen... :-( Bleistift |