Culinaria exotica
„Setzt euch Mädels“, empfing der Chefredakteur, sein Rechercheteam. Die vier Reporterinnen setzen sich an den runden Tisch, der in der Ecke des Redaktionsbüros stand.
„Wie ihr wißt, steht eine neue Ausgabe im Raum. Nachdem wir letztes jahr die kulinarischen Highlights Chinas und Vietnams dokumentiert hatten, habe ich diese Saison ein besonderes Highlight geplant.“ Sonja, die Fotografin und Emma die Chefreportein stießen sich an.
„Morgen gehts für euch mit deem Flieger über Cairns in Australien nach Port Moresby auf Neuguinea. Dort holt euch
euer Guide ab und bringt euch in den Dschungel zu einem abseits lebenden Stamm. Unser kulinarisches Interesse gilt diesesmal Long Pig. Ihr seid von der Fleischbeschaffung bis zum anschliessenden Festmahl dabei.“
„Aber, Long Pig ist doch der Menschenbraten der Kannibalen“, ewarf Dominique ein.
„Ach Mädels, Kannibalismus war gestern. Heute werden sie Schweine grillen. Keine Angst, ihr landet nicht auf der Karte. Euer Guide übergibt dem Häuptling ein großzügiges Gastgeschenk, damit ist eure Sicherheit garantiert. Also macht was draus.“
Frühmorgens standen die vier Frauen am
Flughafen, Mario der stellvertretende Chef hatte sich ihnen angeschlossen. Der Flug war anstrengend. Nach über 24 Stunden stiegen sie übernächtigt am Flughafen aus, es war schwülwarm. Die Luft war mit Feuchtigkeit gesättigt. Ihr Guide, ein pechschwarzer Melanesier mit Kräusellocken empfing sie mit breitem Grinsen. „Ich zeige euch jetzt euer Quartier. Morgen früh gehts mit einer Cessna in den Busch. Von einer Dschungellandebahn müssen wir noch ein paar Stunden mit Booten zum Stamm.“ Er begrüßte die Frauen, besonders intensiv musterte er Mario. Die Gruppe bezog ihre Zimmer und schlief bald tief und traumlos. Geräuschvoll hob die Cessna b
und bald flogen sie über dichte Dschungel. Der Motor stotterte ein paar mal. Ihr Guide deutete nach unten und meinte „Hier sollten wir nicht unbedingt landen, die Stämme bestreiten noch Kannibalismus und ihr wohlgenährten Europäer wärt eine willkommene Bereicherung der Speisekarte.“
„Aber ich denke, es gibt keinen Kannibalismus mehr“, stotterte Sonja, die Fotografin.
„Das möchte die Regierung der Welt weismachen, um keine Touristen abzuschrecken. Kannibalismus ist weiterhin weit verbreitet. Sogar, wenn ihr unbeleitet die Slums der Hauptstadt durchstreift, habt ihr gute Chancen auf
einem Hinterhofgrill zu landen. Ein wohlgenährter Tourist gilt als Leckerbissen, zumal die Lebensmittelpreise astronomisch hoch sind.
„Und der Stamm den wir besuchen?“
„Das sind praktizierende Kannibalen, aber euch passiert nichts, weil ich dem Häuptling euer Gastgeschenk überreiche.“ Er schaute uns fragend an. Mario klaubte einen dickgefüllten Briefumschlag aus seiner Gesäßtasche und reichte ihm unserem Führer.
„Ach ja, mischt euch nirgends ein, ihr könntet schnell ein Tabu brechen. Fotografiert, fragt, aber kein Mitleid mit dem Opfer, das könnte euewr Verhängnis
werdeen, dann kann ich euch nicht mehr helfen.“
„Opfer, warum sollten wir Mitleid mit einem Schwein haben“, wollte Karin wissen.
„Schwein, wer hat euch das erzählt? Ihr nehmt an einer Originalzeremonie teil. Die Eingeborenen haben einen jungen Burschen gefangen, ein paar Wochen gemästet und werden ihn im Rahmen der Zeremonie schlachten. Ihr sollt Original Long Pig erleben. Das Fleisch schmeckt übrigens hervorragend.“ Unser Guide grinste übers ganze Gesicht.
„Hast du, schon mal....?“ Sonja wurde blaß. Unser Guide nickte,“Das ist mein Stamm und ich freue mich schon auf
einen saftigen, fetten Braten.
Die Gruppe verstummte eingeschüchtert. Endlich landete die Cessna auf einer Dschungelpiste.
„Bleibt in meiner Nähe, wir werden bestimmt schon beobachtet.“ Nach kurzem Marsch erreichten sie den Fluss. Sie stiegen in die beiden Boote die von tiefschwarzen nackten Eingeborenen gesteuert wurden. Die Männer trugen nur einen Beutel zum verstauen ihres besten Stücks, ansonsten waren sie splitternackt. Die Beiden musterten ihre Fracht mit hungrigen Augen.
„Was meint ihr, die taxieren uns wie Metzger ihr Schlachtvieh. Sollen wir wirklich, die wollen einen Menschen
schlachten.“
„Wir haben keine Wahl, oder wollt ihr dran glauben? Lasst es uns professionell angehen“, entgegnete Mario.
Am nächsten früh präsentierten uns die Eingeborenen einen jungen wohlgenährten Burschen.
Sonja fotografierte ihn von allen Seiten, er schien sediert zu sein, denn er zeigte keine Angst. Während eine der Eingeborenen in seine pralle, fleischige Pobacke grabschte, prüfte Emma seinen gut entwickelten Hüftspeck. Er sollte also das Fleisch fürs Long Pig liefern.
Später platzierten ihn die Eingborenen gefesselt und geknebelt auf einer Schlachtbank.
Sonja fotografierte wieder. Es kostete Überwindung, dabei zuzusehen, wie er geschlachtet wurde. Er hatte deutliche Ähnlichkeit mit einen rosigen, fetten Mastschwein, Später sahen wir seinen ausgeweideten Körper ohne Kopf, Arme und Unterschenkel. Die Eingeborenen hatten seine Körperhöhlen damit und verschiedenen Gemüsesorten gefüllt und vernäht. Zwei Männer schoben eine Stange durch seinen Körper vom After bis zum Hals und hievten ihn auf eine Feuerstelle. Er war als Spießbraten ausersehen. Nach ein paar Stunden war das Fleisch durchgebraten, ein
unwiderstehlicher Bratenduft durchzog das Dorf. Jetz kam der Moment, vor dem es uns gegraust hatte. Wir sollten das Fleisch probieren. Eine Weigerung hätte unseren Tod bedeutet, mahnte uns der Guide noch einmal.
Ein Eingeborener schnitt Stücke aus der fleischigen Hinterbacke und gab sie uns zum kosten.
„Das ist eine besondere Geste für Euch. Die Schinken sind das Leckerste.“ Wir probierten mit geschlossenen Augen und stellten uns vor es wäre Schweinebraten und es schmeckte auch kaum anders. Das etwas fette Fleisch hatte eine dicke knusprige Kruste. Wir bekamen noch Kostproben von verschiedenen Stellen
des appetitlichen Köpers. Jetz waren wir wohl auch Kannibalen geworden im Dienste unseres Auftrages.
Emma und Domenique machten eifrig Notizen. Später, als wir uns verabschiedet hatten und in die wartende Cessna einstiegen, atmeten wir auf. Am Flughafen von Port Moresby verabschiedeten wir uns von unserem Guide und flogen wieder heim. Zwei Tage später legten wir unsere Notizen und die Fotos unserem Chefredakteur vor. Er war begeistert. „Das Heft wird ein Knaller“, lobte er uns.
„Gib zu, du hast gewußt, das uns da Menschenfleisch serviert wird“, meinte Emma.
„Wärt ihr hingefahren, wenn ihr es gewußt hättet?“
Alle schüttelten ihren Kopf.