„Bennett.“ Jack stand lässig in den Türrahmen gelehnt und sah mit einem belustigten und einem traurigen Auge auf die ihn sich darbietende Szenerie. Der Schwerverbrecher hockte vor ihm, kraulte einem Rottweiler den Bauch und die Frau seines Lebens stand da hinter und wusste nicht, wie sie mit der Begegnung der beiden Männer umgehen sollte. „McAllister.“, sagte sein Gegenüber schon gefasster und war in der Lage aufzustehen. Eisige Blicke trafen erst den FBI Agenten und dann Jules. „Wie konntest du nur?“ Brians Ton war hart. Seine Schwester begann zu zittern. „Ich habe gar nichts gemacht.“ Als sie hilflos die Hände in die Luft warf, verursachte das Jack fast körperliche Schmerzen. „Am Anfang wusste ich nicht mal, dass er … dass er...“ Von Schluchzern geschüttelt musste sie den Satz
abbrechen. Aufgelöst starrte sie erst auf den Boden und dann zu Jack, mit Augen, die so blau waren, wie das Meer, in dem sie gerade schwammen. Herzklopfend musste er mit ansehen, wie die tiefe Enttäuschung in ihr hoch kroch. Genau in diesem Moment, in dem sich Jack in ihrem Anblick verlor und sein Hirn irgendeinen Weg suchte, das alles wieder zu kitten, schoss Brian Bennett aus der Wohnung und knallte die Tür zu. Sofort wollte er hinter ihm her setzen, doch Jules stellte sich ihm in den Weg. Flehend sah sie verheult zu ihm hoch und schüttelte den Kopf. Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und gab ihr einen verzweifelten Kuss, während dem er sie zur Seite schob. Hoffentlich spürte sie all seine Liebe. Dann riss er sich von ihr los, schenkte ihr noch einen Blick, in dem sein ganzer Kummer lag und öffnete die Tür.
„Bitte.“, flüsterte sie noch und dieses Wort stach in sein Herz wie ein stumpfer Dolch, denn er konnte ihr den Wunsch nicht erfüllen. Er sprang durch die Tür und hetzte die Treppen hinunter auf die Straße. An der gegenüberliegenden Ecke sah er Bennett in einen blauen Wagen steigen. Laut fluchend lief er um die Ecke, sein Dienstauto hatte er an der Seite des Blocks geparkt, damit es Bennett nicht warnen würde. In der Karre sitzend gab er an Max durch, wo er sich befand und in welche Richtung sich Bennett aufgemacht hatte. Unterdessen er Brian verfolgte, spukten in seinem Hirn die Bilder von Jules herum, die verloren und stumm nach seiner Hilfe fragte. Doch diesen einen, ihren einzigen Wunsch, ihren Bruder zu verschonen, konnte er nicht erfüllen und das fühlte sich schrecklich an. Dieser Blick, als er durch die Tür ging: enttäuscht, traurig und verletzt.
Hölle, niemals hätte er gedacht, dass ihn diese Mischung an Gefühlen, abgefeuert auf sein Herz, ihm dermaßen die Luft zum Atmen nehmen würde. Er hat sie verloren, in dem Moment, als er durch die Tür hinter ihrem Bruder her rannte, dass wusste er ganz genau. Diese Erkenntnis zerbarst sein Innerstes in abertausend Stücke und eine Träne brannte sich ihren Weg über sein Gesicht. Jules wurde wahnsinnig: Brian, ihr verdammter Bruder Brian Bennett, wagte es bei ihr aufzutauchen und zwar genau an dem Abend, den sie sich in den schönsten Farben ausgemalt hatte. Wem machte sie hier eigentlich was vor? Seit sie herausfand, womit Jack seine Brötchen verdiente, ahnte sie, dass es so oder ähnlich ablaufen musste. Natürlich wusste Jack, das ihr Bruder Brian und in was dieser verstrickt war, immerhin stand er auf der Fahndungsliste nicht sehr weit unten. Nachdem Jack gegangen war,
um ihren Bruder zu schnappen, sackte sie an der Wand zusammen. Die Hände faltete sie auf ihren Knien, stützte ihren Kopf darauf und wiegte ihren zuckenden Körper sanft hin und her. Einige Zeit später warf sie sich zitternd auf ihr Bett und schrie ihre gesamte Hoffnungslosigkeit in ein Kissen. Die Tränen wollten lange Zeit nicht versiegen, irgendwann ging sie, sich die Haare raufend, in der Wohnung auf und ab und konnte sich kaum beruhigen. Irgendwie musste sie jetzt all ihre Frustration los werden, daher machte sie sich für eine Runde joggen fertig. Mit Flöckchen an ihrer Seite fühlte sie sich nach diesem Schock sicher genug draußen herum zu laufen. An der dritten Kreuzung hatte McAllister Glück und fand den Wagen von Bennett, der gerade eine grüne Ampel passierte. Er informierte Hawk, Jones und Smidt, der die Information an
die anderen weiter geben würde. Vor ihm entdeckte er Max's Auto, das mit Blaulicht auf ihn zu gerast kam, um den Verdächtigen gemeinsam in die Zange zu nehmen. Schließlich schafften sie es, ihn mithilfe von einigen Cops in die Ecke zu drängen, Bennett stieg hoch erhobener Hände aus dem Wagen und kniete sich auf die Straße. Zusammen mit SSA Smidt fand er sich am Ende des Abends mit Bennett in einem Verhörraum wieder. Ein kaltes, graues Zimmer mit glatten Wänden und einer grell leuchtender Lampe an der Decke, ein Tisch mit montierbaren Fesseln und je zwei Stühlen an den langen Seiten. Links von der Tür war der obligatorische Spiegel eingelassen, der eigentlich kein Spiegel war, sondern einen gesonderten Raum in welchem Max Hawk und andere Kollegen die Szenerie beobachteten, abschirmte. „Bennett, ich möchte gleich Klartext reden: Sie
sagen uns allen Scheiß, den wir brauchen, um Hernandez hinter Gitter zu bekommen und wir beschützen ihre Schwestern vor seiner Rache. Ganz einfacher Deal.“, begann Jack. Sein Kiefer trat vor Anspannung hervor. „Und was ist mit mir?“, fragte der Andere. Selbstbewusst lehnte Brian sich in seinem Stuhl zurück. „Sie bekommen eine angenehme Zelle, drei Mahlzeiten am Tag und müssen nicht sterben, wie wäre es damit?“ Jacks Stimme klang mehr als gereizt. „Das ist nicht genug. Meine Schwestern können Sie gar nicht beschützen und wenn ich auspacke, komme ich erst gar nicht an mein Mittagessen, so schnell habe ich was tödlich Spitzes im Rücken. Also, nein danke, ich werde ihr Angebot ablehnen.“ „War ja klar, dass sie sich mehr um sich, als um ihre Schwestern kümmern. Eigentlich wollten sie die eine ja sowieso schon umbringen
lassen.“ Betont lässig lehnte sich der Agent in seinem Stuhl zurück. „Was soll ich getan haben?“ Ungläubig starrte Bennett seinen Widersacher an und beugte sich bedrohlich zu ihm vor. „McAllister, passen sie gut auf, was Sie jetzt sagen.“ „Bennett, mein lieber Bennett, der Autounfall war kein Zufall. Sie wollten Jules töten.“ Ein wütender Aufschrei hallte durch den kleinen Raum und brachte Jacks Trommelfell beinahe zum platzen. „Ich soll den einzigen Menschen, den ich in dieser gottlosen Welt liebe, umbringen? Die Andere vielleicht, aber nicht Jules!“ „Verkaufen Sie mich nicht für Blöd! Der Mann arbeitet für Sie und Ihren Boss.“ „Wie kann eigentlich so ein hohlköpfiger Idiot, wie Sie, bei meiner Schwester landen? Es war reiner Zufall, das gerade Juan diesen Unfall verursachte. Glauben Sie mir, dafür hat er bezahlt. Ich beschütze, was ich liebe und
benutze es nicht zu meinem Vorteil.“ Provokant grinsend rutschte er wieder auf seinem Stuhl hinunter und sah zu, wie die Zornesröte in McAllisters Gesicht stieg. „Wagen Sie es ja nicht, Bennett!“, flüsterte dieser heiser. Er musste dringend hier raus und frische Luft schnappen, sonst würde er noch etwas sehr, sehr dummes tun. Also stand er einfach auf und ging. Draußen angekommen strich er sich nervös durch seine struppige Frisur und hörte, wie ihm jemand nachlief. Es war Max, der ihm gefolgt war und in den sternlosen Himmel sah. „Du hast dich da in ganz große Scheiße geritten, McAllister.“ „Riesige Scheiße.“ „Du liebst sie.“, stellte der Indianer leise fest und legte seinem Freund mitfühlend eine Hand auf die Schulter. „Ja. So sehr, das es weh tut, Max. Ich hätte fast
den Fall für sie hingeschmissen. Aber vor diesem Monster muss ich sie beschützen. Er wollte sie umbringen!“
„Ich denken, er sagt die Wahrheit. Ein dummer Zufall, mehr nicht. Jedoch hat dir dieser Zufall den Job gerettet, man.“
Jack blickte Ausdruckslos zu seinem Kumpel hinüber und brachte die graue Hirnmasse in Wallung. „Sie wird mir das nie verzeihen.“