Vorbemerkung
Man darf nicht vergessen, dass Erdöl – außer als Treibstoff – in der modernen Industrie fast unentbehrlich ist. Deswegen wird immer tiefer gebohrt, Fracking, usw. Alles ist aufwendig und teuer, der Transport ebenso. Bei allen Prozessen der Förderung und des Transports sparen die Ölfirmen wo es nur geht, und zwar bis zur vollkommenen Verantwortungslosigkeit.
Heute pflügen 4 Tanker der Hellespont-Alhambra-Klasse mit 442.000 Tonnen durch die Meere. Vor 41 Jahren ereignete sich ein Tanker Unglück, das Europa betraf, nämlich Frankreich. Es handelt sich um die Havarie
der Amoco Cadiz. Sie hatte 220.000 Tonnen Rohöl gebunkert. Es liest sich aber wie ein Abenteuer Roman und wenn man umweltbewusst ist, so muss man glaube ich öfters schlucken.
Gute Lesezeit!
(wieder eingestellt: 08.03.2020)
Ich freue mich schon darauf, dass Ähnliches in der Arktis passiert!
Copyright: G..Tetzeli
Cover: Amoco - (wikipedia)
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Amoco Cadiz
Auf der spanischen Werft Astilleros Espanoles S.A. in Cádiz wurde an einem Supertanker gewerkelt. 1973 fand der Stapellauf statt. Auftraggeber war die amerikanische Amoco Öl Coporation. So kam das Prachtstück mit einem einzigen Propeller und 50.000 Ps (36.900 kW) zu ihrem Namen: Amoco Cadiz.
Sie konnte 223.000 t Rohöl mit einer Geschwindigkeit von bis zu 17,5 Kn (32 km/h) befördern.
Im Juni 1975 wurde sie für Amoco in Dienst gestellt.
Wir kommen zur Unglücksfahrt.
Bei kabbeliger See, am 16. März 1978, mit westlicher Windstärke sieben bog die Amoco in das Verkehrstrennungssystem vor der Bretagne ein ("rail d'Ouessant", praktisch wie eine zugewiesene Wasserstraße). Sie war bis zur Halskrause beladen.
Dies geschah ca. um 9:45 Uhr, ungefähr 26 Kilometer vor der Küste und Kapitän Pasquale Bardari, Italiener wie die meisten der 37-köpfigen Besatzung, war guten Mutes. Seit über fünf Jahren war er nicht mehr auf der gefährlichen Kanalroute eingesetzt worden.
Plötzlich fiel die Ruderanlage aus. Der Fehler lag offensichtlich bei der Hydraulik. Der zweite Steuermann Cosmo Vaudo und der Kapitän behielten „kühlen“ Kopf, trotzdem der Riese in
der schweren Atlantikdünung manövrierunfähig war. Immerhin wurde ein „TTT“ Signal abgesetzt, heißt zu Deutsch: eine kleine Abstandswarnung, wie man auf herumtreibende Bojen oder Tonnen hinweist. Die Chicagoer Reederei benachrichtigten sie nur Routinemäßig. Eine „XXX“ Warnung (Schiff in Gefahr) oder gar ein „SOS“ hielt Bardari übrigens bis zum bitteren Ende nicht für nötig. Es ging natürlich um das liebe Geld. Erst einmal selber pfriemeln. Man bedenke, wie hoch Bergungskosten wären.
Also wurstelten der Ingenieur und andere Helfer. Sie waren wohl nicht wirklich voll ausgebildete Seeleute. Man fuhr unter Liberianischer Flagge (ach wie günstig) und konnte daher billigste Heuer mit der
grundsätlich ausländischen (billigen) Besatzung vereinbaren.
Um halb zwölf rang sich Pasquale dazu durch, doch noch Schlepperhilfe anzufordern. Die Windstärke hatte sich auf acht gesteigert.
Die „Pacific“, ein Hochseeschlepper mit 10.000 PS, für solche Notfälle von der Hamburger Bugsier-Reederei in der Bretagne stationiert, startete durch. Kapitän Weinert gab von Brest aus Vollgas. So ein fetter Fisch, da konnte er sich persönlich als Bergungsgewinn durchaus ein Einfamilienhaus anschaffen und auch seiner Crew winkte eine fürstliche Belohnung.
Kaum bei dem Havaristen angelangt, gelingt Weinert eine Schleppverbindung mit der
Amoco herzustellen. Das war um 13:30 Uhr. Vertraglich ist noch nichts festgelegt. Normal ist, dass ein Bergungsvertrag vereinbart wird, in dem Fall mit der Hamburger Bergungsfirma unter der Bedingung: nur Geld bei Erfolg (gem. Lloyds Vorgabe).
Inzwischen wühlte sich die Wetterlage zur Windstärke 10 auf.
Bei der Untersuchung der Liberian Board of Inquiry (in Deutschland vergleichbar – das Seeamt) gab es unterschiedliche Aussagen. Ich erlaube mir eine persönliche Meinung dazu.
Jedenfalls schwappte die Amoco zu diesem Zeitpunkt der ersten Schlepptrosse unter Windstäke 10 anfangs mit zwei später drei Seemeilen auf die Küste zu, die inzwischen
nur noch 10 Seemeilen entfernt war.
Laut Bardari hätte Kapitän Weinert vom Schlepper aus das Schleppseil gekappt, weil der Bergungsvertrag nicht unter Dach und Fach gewesen wäre. Wer hatte sich denn geweigert? Es war doch Bardari! Der Italiener teilte nicht einmal mit, in welchem Winkel sich das Steuerblatt verklemmt hatte (vielleicht wusste er es selber nicht). Weinert hingegen erzählte etwas völlig anderes. Das Seil sei gerissen. Dies könnte deshalb passiert sein, weil das Tau falsch befestigt wurde, nämlich am falschen Poller, der nicht nachgab. Der sei deshalb herausgerissen worden. Gegen Weigerung der Pacific spricht auch, dass es Weinert nach dem Riss mehrfach versucht
hat eine neue Trosse zu legen. Laut Weinert war die Crew der Amoco nicht in der Lage gewesen die Trasse ordentlich zu fassen. Ich bin der Meinung, dass Weinert ein halbes Einfamilienhaus auch gereicht hätte, nämlich die Mindest-Bergungsgebühr. Aber nicht einmal einem Lloyd Vertrag wurde zugestimmt.
Weiterhin hätte der italienische Kapitän zumindest die Anker auswerfen müssen, um wenigstens gegen die Drift Zeit zu gewinnen.
Cosmo Vaudo überraschte die Kommission. „Weil wir die Anker hätten verlieren können.“
So ein Anker kostet rund 50.0000 Dollar. Dagegen steht eine Fracht von 220.000 Tonnen Rohöl, vom Tanker selbst ganz zu
schweigen.
Da kann Cosmo Peanuts nicht riskieren?
Noch merkwürdiger:
Rund eine halbe Stunde, bevor die Amoco auf die Felsen krachte, erst als es zu spät war, ließ man den Backbordanker ab (rd. 21 Tonnen schwer). Warum nicht alle zwei in letzter Verzweiflung? Die Bedienung des Steuerbordankers sei wegen der überschwappenden See nicht mehr möglich gewesen, so Cosmo Vaudo. Nicht mehr zu beweisen (oder man wollte es nicht) war, dass der Steuerbordanker schon seit Wochen gar nicht mehr funktionierte. Dies bestätigten mehrere nicht näher benannte Personen.
Die Wartung unter solchen Bananenflaggen wird eben nicht so penibel, also billiger
gehandhabt.
Kurz und gut, nachweislich erst um 16:29 Uhr war der Bergungsvertrag unterschrieben.
Um objektiv zu bleiben: Auch Weinert telefonierte mindestens siebenmal mit der Hamburger Reederei. Das Bergungsgeschäft sei hart. Schon oft wäre man auf Bemühungen sitzen geblieben, weil dem Bergungsschiff Fehler angerechnet werden würden. Barbari quasselte ebenfalls andauernd mit seiner Firma. Die wiederum musste erst die Horde Anwälte aus dem Pferch lassen und Kosten, Verantwortung und Eventualitäten abzuwägen. Weinert meinte zu dem regen Funkverkehr: „Es gibt heutzutage wenig ehrenhafte Gentlemen.“
Praktisch erst acht Stunden nach Eintreffen der Pacific war der Bergungsauftrag erteilt.
Bardari behauptete:
(links Bardari; rechts Harry Rinkema, Vizepräsident Amoco Oel, Anhörung 26.03.1978)
Nachdem das Bergungsseil von Weinert gekappt worden war, hätte sich der Deutsche
Kapitän geweigert zu helfen, bevor der Vertrag nicht geschlossen sei.
Nachweisbar hatte der erfahrene Weinert, dem noch nie eine Bergung in seiner langen Laufbahn misslungen war, dem guten Pasquale rechtzeitig dringend geraten Anker abzulassen, um die Drift zu stabilisieren.
Der Count Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Sir Gordon fasste dann auch zusammen: „Wäre der Lloyd Vertrag geschlossen worden und hätte Weinert sofort energisch handeln können, wäre die Katastrophe gar nicht passiert.
Vier Minuten nach neun Uhr, da war es so
weit: Die Amoco Cadiz krachte mit einem Funkenregen auf die Bretonischen Felsen. Die Besatzung wurde per Hubschrauber gerettet und noch in derselben Nacht brach die Amoco Cadiz auseinander.
Ein Rattenschwanz von Stümpereien, acht Stunden feilschen um Geld, verursachten ein Katastrophenereignis des Jahrhunderts.
Bissige Beobachter dieser Untersuchung, die vom Fach waren, vermuteten sogar noch etwas ganz anderes. „Die Besatzung der Amoco Cadiz tat so, als ob der Untergang sogar gewollt war. So viel Stümperei auf einem Haufen sei beim besten Willen nicht möglich.“
Das wirft für mich die Frage auf: Cui bono?
Wer hätte denn daran Interesse gehabt? Die Amoco war überhoch versichert. Das Erdöl mit 10 US Dollar pro Barrel war auf einem Tiefstpreis angelangt. Die Amoco war wahrscheinlich etwas marode. Hydraulik nicht gewartet? Veraltet? Überholung des Aggregats? Ankerwinde Steuerbord defekt? Vielleicht wäre ihr sogar das Trockendock nicht erspart geblieben.
Nichts ist wirklich erwiesen, zumal die Ladung im Endeffekt ca. 20 Millionen Dollar wert war (aber auch die war versichert!). Ganz von der Hand zu weisen ist eine solche Sauerei nicht, weil Gier keine Grenzen kennt.
Das Ergebnis der Havarie war ein Ölteppich in der Größe des Saarlands. Die Küste war eine
einzige Ölschmiere. Die Natur zerstört, von dem Leid der einzelnen Lebewesen ganz zu schweigen.
Natürlich gingen die Bretonischen Fischer, Muschelfarmen und Touristenbetriebe kaputt.
(Wer will kann sich die Ölpest in Bildern googeln)
Schlussendlich war einer der Folgen die juristische Aufbereitung. Die Position war klar. Keiner hatte Schuld, keiner wollte für das Desaster zahlen. Frankreich, die Kommunen und die einzelnen Betriebe wollten Entschädigung.
Da stapelten sich die Kanzleien, die sich Stapel von Geldern durch ihr Engagement versprachen.
Amoco International wurde beklagt, weil der
Tankereinsatz und die Kapitänsanweisungen schuld gewesen wären. Das gilt auch für Ressort-Chef Claude Phillips, für Amoco Transport Company, für die Ölgesellschaft, welche die Amoco gechartert hatte, sowie für eine weitere Gesellschaft, der die Ölladung gehörte. Die Pariser Advokaten Hugo und Corinne Lepage wollten 500 Millionen herausschlagen, um die Schäden in der Bretagne zu bezahlen. Da waren Umweltschützer auch noch dabei.
Das Ende vom Lied?
Der Rechtsstreit um den Schadenersatz endete erst 14 Jahre nach der Katastrophe. Im Januar 1992 wurde der US-Ölkonzern Amoco dazu verurteilt, insgesamt 195
Millionen Euro an die betroffenen Gemeinden und den französischen Staat zu zahlen.
Meiner Meinung nach nur ein Bruchteil des Schadens.
Wie immer kommen die dreckigen, geldgierigen Umweltsünder prima weg.
Das gilt übrigens auch noch heute nach über 40 Jahren.
Da will niemand dazu lernen.