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Jules erwachte als erstes aus ihrem kleinen Schlaf. Wohlig träge räkelte sie sich ein wenig, bis ihr auffiel, wie süß Jack noch zu schlafen schien. Vorsichtig stemmte sie sich etwas hoch und betrachtete sein markantes Gesicht, mit der leicht schiefen Nase und den Raspel kurzen Haaren. Sie konnte nicht anders und so bedeckte sie sein ganzes Gesicht mit zarten Küssen. Doch Jack regte sich nicht, also wurden ihre Küsse etwas weniger sanft und schneller. Plötzlich drückten Jacks Hände, die er die ganze Zeit um sie gelegt hatte, fest zu und er rollte sich auf Jules. Erschrocken kreischte sie auf und musste lachen, als er sein Gesicht an ihren Hals drückte und sie dort küsste.
Eine Weile alberten sie noch so herum, unterdessen wurde es immer dämmriger. Sie beschlossen heim zu fahren.
Zutiefst zufrieden drehte sich Jules ein letztes Mal zu dem kleinen Zauberwald um. Dies wĂĽrde ihr neuer Lieblingsplatz werden.
Im Auto sitzend, bemerkte die junge Frau, dass Jack unruhig auf seinem Platz hin und her rutsche.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte sie daher.
„Mmmh. Ja.“, antwortete er, aber es schien ihm wirklich etwas auf der Seele zu liegen.
„Spuck’s schon aus.“, sagte Jules fordernd und drehte sich soweit der Gurt zuließ zu ihm hin.
„Mmmh. Also... verhütest du eigentlich? Ich meine... ich habe vergessen...“
Lächelnd legte sie eine Hand auf seine Schulter. „Alles ist gut. Ja, ich nehme seit Jahren die Pille.“ Erleichtert atmete er tief aus. „Gut. Aber du warst doch noch… also bist du… warst du…ich meine…“
Jules ahnte worauf er hinaus wollte und beschloss dem stotternden Kerl ein bisschen
unter die Arme zu greifen.
„Ja, ich war noch Jungfrau.“ Interessiert sah sie ihn an. War das wichtig für ihn?
„Und das hast du mit mir…? Warum…? Warum ich? Ich meine, das ist doch etwas Besonderes.“
Jack hielt auf eine Kreuzung zu. Aufmerksam sah er nach links, bevor er wieder etwas Gas gab.
„Für mich bist du etwas Besonderes.“, sagte Jules dann nach einigem Zögern leise. Er sah zu ihr herüber. „Ich habe mich in dich…“, mehr hörte er nicht. Aus dem Augenwickel sah McAllister einen schwarzen Van auf sein Auto zurasen. „Vorsicht!“, rief er noch, wollte seinen Arm schützend vor Jules legen, doch es war zu spät.
Ein lauter Knall zeugte von der ungebremsten Heftigkeit des Aufpralls. Jack nahm einen stechenden Schmerz im Kopf wahr, nachdem seine Stirn gegen das Lenkrad prallte. Ein
kleiner, roter Fleck blieb dort zurĂĽck.
Benommen befühlte er seinen restlichen Körper, aber er schien keine ernsthaften Verletzungen davon getragen zu haben. Laute Warnsignale von den ineinander geschobenen Autos brachten ihn langsam in die Realität und zu Jules zurück. Sofort schoss sein Blick zum Beifahrersitz herüber, um zu sehen, wie es ihr ginge. Diese hing bewusstlos in ihrem Gurt, den Kopf schlaff zu Seite geneigt. Hölle, atmete sie noch? Warum war sie bewusstlos? Bitte, lass sie nicht tot sein! McAllister atmete tief durch und behielt ihren Brustkorb im Auge, während er zwei Finger an ihren Hals legte. Erleichtert seufzte er, als sich ihre Brust leicht hob und er einen leichten Herzschlag spürte. Daraufhin überprüfte er, ob sie irgendwo festhing. Dem war zum Glück nicht so und das einzige Problem, sie aus seinem Wagen zu schaffen, war das andere Auto, welches ihre Tür versperrte.
Vorsichtig befreite er sie aus ihrem Sitz und zog sie durch seine Seite auf die offene StraĂźe.
Auf einmal hörte er einen Motor aufjaulen und aufblickend konnte er sehen, wie der Van zurück setzte und sich aus dem Staub machte. Jack reagierte aus jahrelanger Gewohnheit, stand auf und merkte sich das Nummernschild, als er einen Blick darauf erhaschen konnte.
Jules hörte Steinchen unter festen Schuhen knirschen, dann legte sich eine warme Hand an ihre Wange. Eine bekannte Stimme sagte: „Hier ist FBI-Agent SSA McAllister…“
BekĂĽmmert sackte sie in das schwarze Nichts herab. Aber warum war sie traurig? Das war ihr letzter Gedanke.
Mit dieser Szenerie im Kopf, kam sie durch ein nervtötendes Piepen wieder zu Bewusstsein. Angestrengt versuchte sie die Lider zu öffnen,
ohne Erfolg. Da vernahm sie plötzlich wieder die bekannte Stimme.
„Danke, Doc. Ich werde hier warten, bis sie aufwacht, wenn Sie erlauben.“
„Natürlich. Gibt es Familie, die wir verständigen können?“
„Nein. Ich weiß leider keine Namen oder Nummern.“
Die andere Stimme, wohl die eines Arztes, dem Gespräch nach zu urteilen, brummte etwas Unverständliches, dann schloß sich eine Tür.
Es raschelte neben ihr, ein Stuhl wurde ĂĽber den Boden gezogen.
„Hey, Prinzessin. Du musst aufwachen.“, flüsterte Jack seiner Jules ins Ohr und als hätte sie ihn erhört, öffnete sie ihre Augen.
Etwas orientierungslos wanderten diese im Zimmer herum. Irgendwann blieb ihr Blick endlich an ihm hängen und er lächelte ihr glücklich zu. „Hey, du Schlafmütze.“, sagte er
sanft.
Das Gerät für ihr Herz piepte hektischer und Jack grinste spitzbübisch.
Bis er in Jules kalte Augen sah.
„Raus hier, sofort!“, krächzte sie, wahrscheinlich versuchte sie zu schreien.
Ungläubig starrte er sie an. Was zur Hölle hatte sie da gerade gesagt? Mit leicht zittrigen Fingern, griff er nach einem bereitgestellten Wasserglas und reichte es ihr. „Bitte, trink erst mal. Deine Stimme ist ganz rau.“ Er half ihr das Wasser zu sich zu nehmen. Kaum setzte er das Glas wieder auf dem Tisch ab, wiederholte sie ihre Worte.
„Raus hier, du elendiger Lügner! Du Betrüger! Raus! Ich will dich nie wieder sehen.“
Das Piepen wurde beinahe hysterisch. Jules fixierte in mit harten Blicken aus ihren eisblauen Augen. Was hatte er
verpasst?
Eine Krankenschwester kam herein gestürzt, während Jules dabei war, sich auf dem Bett aufzurichten. „Raus!“, krächzte sie wie eine Furie wieder und wieder.
„Bitte verlassen Sie den Raum, die Patientin darf sich nicht aufregen.“, befahl die Schwester und drückte Jack in Richtung Tür, bevor sie versuchte, Jules zu beruhigen.
Wie betäubt schritt er durch die Gänge und wusste nicht was los war. Weshalb war Jules plötzlich so aufgelöst? Erkannt hatte sie ihn jedenfalls eindeutig. Wieso nannte sie ihn also einen Betrüger?
Während der Fahrt in einem Dienstwagen kaute er unaufhörlich auf seiner Unterlippe. Was war bloß in sie gefahren?
Im BĂĽro angekommen, lief er als erstes Hawk ĂĽber den Weg, den die sorgenvollen Furchen in
dem Gesicht seines besten Freundes sofort alarmierten. „Ist sie aufgewacht?“
Jack nickte lediglich und setzte sich an seinen Schreibtisch. Energisch tippte er das Kennzeichen des Unfallwagens in die Datenbank und sah das Ergebnis kurz darauf einige Minuten mit schrecken geweiteten Augen an.
Unterdessen wurde Jules ruhig gestellt, die Schwester hatte sie nicht mit ihren Worten von der Hysterie abbringen können. Die Medikamente benebelt ihr Gehirn, doch bei weitem nicht genug, dass ihr übles Gedankenkarussell zu einem Ende fand.
Jack hatte sie angelogen. Er war gar kein Securitymann sondern ein berechnender FBI-Agent. Was, wenn er herausfand, dass… ? Jules brach der kalte Schweiß bei diesem Gedanken aus. Das durfte sie niemals zulassen. Jack durfte niemals etwas von IHM erfahren und ER
nie von dieser Affäre. Sie wusste genau, ihr Herz würde daran zerbrechen. Aber sie musste die beiden beschützen, eben weil sie sie liebte.