Ein schrilles Klingeln riss ihn aus seinen Träumen. Vor ihm stand Jules, in einem seiner T-Shirts, die auf dem ganzen Boden im Schlafzimmer verstreut lagen und hielt ihm ihr Telefon hin. „Es klingelt schon das dritte Mal. Ich kann da nicht ran gehen. Bitte mach, dass es aufhört.“ Sie klang sehr müde und abgekämpft. „Komm her“, sagte er sanft und klopfte neben sich auf die Decke. Erschöpft nahm sie neben ihm platz und gab ihm ihr Mobiltelefon, dann schlug sie die Hände vors Gesicht. „Bitte lass es aufhören.“ „In Ordnung. Es hört gleich auf.“, beruhigte er sie, strich ihr kurz über den Rücken und nahm sich das klingelnde Ding vor. Etwas zögerlich fragte er sie nach ihrem Code für die Bildschirmsperre. Sie gab ihm ihr Passwort und er machte sich daran, die Nummer auf allen möglichen Wegen zu blockieren.
Erneut hielt er inne, doch dann drückte er beherzt weitere Tasten und reichte ihr das Telefon zurück. „Hier“, sagte er, „wer auch immer das ist, kann dich nicht weiter hierüber erreichen.“ „Dankeschön“, murmelte sie, schon wieder fast im Traumland, „Lass uns jetzt schlafen gehen, ja? Ich mag nicht alleine da drüben liegen.“ Jack nahm Jules behutsam in den Arm, trug sie erneut ins Schlafzimmer und breitete die Decke über ihr aus. „Bleib“, flüsterte sie schlaftrunken und hielt seine Hand fest, als er sich zum Gehen wenden wollte. „Bin gleich wieder da“, raunte er ihr zu und berührte ihre Haare. Schnell zog er sich eine seiner Jogginghosen an, denn bis auf seine Boxershorts trug er nichts und er wollte nicht, dass sie sich morgen früh erschreckte, über ihrer beiden Aufmachung. Dann holte er die zweite Decke aus dem Wohnzimmer und legte sich vorsichtig neben
sie, weil Jules bereits wieder schlief. Dachte er zumindest, doch kaum lag er und suchte eine gute Schlafposition, rutschte sie dicht zu ihm heran. Ihr ganzer Körper schmiegte sich an seinen und es kostete ihn alle Selbstbeherrschung, sie seine Erregung nicht spüren zu lassen. Eigentlich hätte er sich darum keine Sorgen machen brauchen, denn an ihren regelmäßigen, tiefen Atemzügen erkannte er, wie tief sie schon schlief. Die Anschmiegsamkeit war anscheinend eine unterbewusste Reaktion und er freute sich sehr, dass sich gerade diese Frau offenbar so sicher und wohl bei ihm fühlte. Glücklich darüber zog er sie noch näher heran und schlief ein. In dem Moment ihres Erwachens versteifte sich Jules. Etwas lag neben ihr, war warm, atmete und ein Teil davon lag über ihrer Taille. Noch leicht verschlafen suchte sie ihre Umgebung nach etwas Bekanntem ab und entdeckte ihre
Kleidung auf dem Boden. Dann wurde ihr klar, dass sie sich diese selbst ausgezogen hatte und was in der Nacht passiert war. Jack lag nur neben ihr, weil sie ihn darum gebeten hatte. Vorsichtig bewegte sie sich und spürte eine lange Hosen an ihren Beinen. Dankbar atmete sie aus. Hinter ihr brummte Jack müde: „Guten Morgen, Schönheit.“ Jules drehte sich zu ihm um und erstarrte. Die Decke war tief herunter gerutscht, sie konnte zwar sehen, dass er eine Hose trug, sein Oberkörper aber war nackt und lag entblößt vor ihr. Nun ja, nicht wirklich ganz nackt, denn seine Brustbehaarung war nicht rasiert. Unanständige Dinge schossen ihr durch den Kopf und sie wollte mit ihren Händen gerne da durch streichen, es würden ihm bestimmt gefallen genau dort gekrault zu werden. Man konnte sich wahrscheinlich gut daran festhalten, wenn...
Sie zwang sich von diesen Gedanken fort. „Morgen.“, antwortete sie unsicher. Um irgendwas zu sagen, fragte sie nach ein paar Sekunden nach der Uhrzeit. Wie beide feststellten, blieb noch genug Zeit für ein Frühstück, von dem Jack prompt vorschlug, es vorzubereiten, während sie duschen ginge. Also gab er ihr Wechselsachen von sich, über deren Übergröße sie erst mal herzhaft kichern musste und machte sich dann mit Flöckchen auf den Weg zum Einkaufen. Nach ihrer wohltuenden Dusche war Jack noch nicht zurück gekehrt. Zuerst sah sich Jules im Schlafzimmer um, musste aber feststellen, dass es hier nichts zu entdecken gab. Neugierig schlüpfte sie ins Wohnzimmer und inspizierte das Bücherregal. Einige der Titel standen auch bei ihr im Schrank, stellte sie zufrieden fest. Das Gemälde an der Wand fand sie sehr
fesselnd und davor stehend, fand Jack sie. Flöckchen begrüßte aufgeregt sein Frauchen, ließ sich aber schnell von ihr beruhigen. „Das ist ein wirklich beeindruckendes Werk. Ist es von dir?“, fragte sie. „Nein“, lachte Jack, „von meiner Schwester. Leider habe ich sehr wenige Talente und künstlerische schon gar nicht.“ Gemeinsam deckten sie den kleinen Tisch im Wohnzimmer, den Jack von irgendwo her gezaubert hatte. Es war ein wunderbarer Morgen, von dem sich Jules wünschte, er möge nicht so bald vorbei gehen. Allerdings rief die Arbeit beide vom Sofa und nachdem Jack sie an dem Laden abgesetzt hatte, fuhr er winkend davon. Charlie zog sie ziemlich mit der komischen Kleidung auf und forderte, über Details in
Kenntnis gesetzt zu werden. „Also Jules, erzähl' mal von deinem Date.“ Jules rollte mit den Augen und konzentrierte sich wieder auf das Auffüllen der Regale. „Es war kein Date.“ „Und doch trägst du offensichtlich seine Klamotten und wirst von ihm sogar zur Arbeit gebracht.“ „Charlie, lass es bitte. Wir waren letzten Freitag verabredet, haben uns gestern beim Joggen getroffen und spontan den Tag zusammen verbracht. Am Abend bin ich eingeschlafen und er wollte mich nicht wecken. Ende der glamourösen Geschichte.“ „Beim Joggen über den Weg gelaufen? Zufällig? Das glaube ich nicht.“ Der Ladenbesitzer reichte ihr einige Waren an, während er auffordernd neben ihr wartete. „Nein, zumindest nicht gestern. Es war schon Anfang der letzten Woche, seitdem hat es sich ergeben, das wir zusammen laufen“, gab sie widerwillig
zu. „Moment mal, junge Dame, das ist doch der junge Mann der wegen seiner Katze hier war? Ich dachte schon, dass ich mich getäuscht hätte und dein merkwürdiges Verhalten meiner Einbildung entsprang. Du hast die ganze Woche so gestrahlt! Ihr kanntet euch also schon vorher.“ „Ja, wir kannten uns zu diesem Zeitpunkt. Wird das hier jetzt ein Verhör?“ Langsam wurde ihr dieses Gespräch regelrecht unangenehm. „Nein, nein. Aber da du nichts von dir aus erzählst, muss ich dir ja alles aus der Nase ziehen.“, meinte Charlie grinsend und wandte sich einem eintretenden Kunden zu. Abends wartete sie auf eine Nachricht von Jack, immerhin waren sie ja eigentlich für den Abend verabredet, aber er meldete sich nicht. Jack war ins Büro gefahren und kaum war er durch die Tür, kam ihm Hawk entgegen. „Man,
hast du heute Nacht Glück gehabt. Bennett hat ein richtiges Massaker angerichtet und dabei riesige Scheiße gebaut: Er hat das Hauptziel des Anschlags entkommen lassen. Hernandez ist stinksauer und Smidt erst recht, weil wir erst Bescheid wussten, als alles vorbei war und wir nur noch den Dreck wegräumen konnten. Der hat uns richtig zusammen geschissen. Wir müssen Bennett unbedingt schnappen, damit wir endlich an Hernandez ran kommen.“ McAllister nickte stumm und lief mit großen Schritten auf das Büro des Chiefs zu, Max eilte hinter ihm her. „Harry, ich habe da vielleicht was.“ Nach dem Team Meeting ging es ihm elendiger als gedacht, sodass er erst mal eine Runde mit seinem Kumpel Boxen ging, um wieder den Kopf klar zu kriegen. Hinterher legte Max ihm eine Hand auf die Schulter und sah ihn eindringlich an. „Alter, du
musst auf dich aufpassen, so habe ich dich noch nie gesehen. Das darf nicht schieflaufen.“ „Wird es nicht.“, knurrte Jack aufgebracht und ging unter die Dusche. Danach arbeitete er wie ein Besessener. Als auch das nicht half, seine Gedanken eine andere Richtung zu lenken, ging er nach Hause und versuchte zu schlafen. Tatsächlich war er ziemlich fertig von allem, was in den letzten Tagen geschehen war und das Kunststück gelang. Direkt am nächsten Morgen packte ihn das schlechte Gewissen, als er sein Mobiltelefon checkte. Jules hatte versucht ihn zu erreichen. Er atmete tief durch und überlegte, ob es eine gute Idee war, so früh am Tag bei ihr anzurufen. Doch er beschloss, lieber den direkten Kontakt zu suchen und machte sich zum Laufen
fertig. Wie in der letzten Woche täglich, suchten Jules Augen automatisch an der einen bestimmten Ecke nach Jack. Ihr Herz tanzte Samba und ihr wurde ganz mulmig, als sie sah, dass er wirklich dort stand und auf sie wartete. Sie wurde langsamer in ihrem Lauf und stoppte direkt vor ihm, verunsichert sah sie zu ihm hoch. Gestern Abend war sie zu der Erkenntnis gelangt, sie müsse ihn langweilen oder nerven, da er sich anscheinend doch nicht mehr mit ihr treffen wollte. Entsprechend überrascht war sie, ihn jetzt vor sich stehen zu haben, wenngleich sie es inständig gehofft hatte. „Es tut mir schrecklich leid“, begann er ohne Umschweife. „Ich hatte gestern noch einen echt harten Einsatz und war richtig mies drauf am Abend. Deshalb bin ich früh schlafen gegangen und habe nicht mehr an unsere Verabredung
gedacht.“ McAllister machte eine kurze Pause und sah auf den Boden. „Nein, dass stimmt nicht. Ich habe den ganzen, beschissenen Tag an dich gedacht, aber ich hatte so schlechte Laune, dass ich mich dir nicht antun wollte. Der Rest stimmt aber.“ Jules musste schmunzeln. Ihr Jack sah aus, wie ein wütendes Kind, dem man sein Lieblingsspielzeug weggenommen hatte. Sie konnte sich schwer vorstellen, dass er oft so empfand. „Ich mach es wieder gut, versprochen“, sagte er gedrückt, als Jules immer noch kein Wort sagte. Seine Sätze waren genau die, welche sie für ihr Selbstbewusstsein brauchte. Jack dachte den ganzen Tag an sie, war weder genervt noch gelangweilt. Eher hatte er Angst, sie durch eine schlecht Laune zu vertreiben. Sie zu ignorieren, war vielleicht nicht der beste Weg, aber sie
konnte ihn verstehen. Leicht berührte sie seinen Arm und er schaute sie an. „Versprochen?“ Erleichtert lächelte er herunter. „Ja, versprochen.“
„Dann ärgere dich nicht weiter und lass uns endlich laufen.“
Am Ende ihrer Runde, riefen sie sich gegenseitig ein „Bis morgen“ zu und verschwanden in entgegengesetzte Richtungen.