Erzengel Michael
"Darf ich Ihre Aura lesen?" fragte mich die junge Frau in der Fußgängerzone der Innenstadt.
Irritiert sah ich sie an. "Sie haben eine glückliche Zukunft vor sich, aber ich sehe eine große Traurigkeit in Ihnen. Es ist kein Zufall, dass ich Sie hier anspreche. Der Erzengel Michael schickt mich."
Einen Augenblick dachte ich nach. Meine Traurigkeit war mir klar. Mein Enkel hat nur ein halbes Herz, muss ewig Tabletten nehmen. Natürlich habe ich
eine Traurigkeit in mir. Erzengel Michael schickt sie. Natürlich, der Schutzpatron der Menschen. Nein, ich wollte nicht, dass sie meine Aura liest. Ich kenne meine Aura. Sie ist hell und trägt alles in sich. Meine Vergangenheit, meine Zukunft, ich weiß das wohl. Ich hab ein gutes Gefühl für meine kleine Welt.
"Nein, ich möchte nicht, dass Sie meine Aura lesen, aber ich danke Ihnen für das Angebot."
Ohne mich umzudrehen, wendte ich mich ab und ging weiter meines Weges.
Seltsam, als mich die Frau ansprach,
dachte ich gerade an Laurien, der jetzt sein Zeugnis der achten Klasse erhalten würde. Laurien ist ein wundervoller Junge, gerade 15 Jahre alt, zwar herzkrank, aber guter Dinge. Die Schule ist nur bedauerlicherweise nicht sein Lieblingsort.
Mich überkam eine starke Sehnsucht nach meinen Enkelkindern. Ich rief meine Tochter an. "Habt Ihr am Wochenende Zeit für mich?" - "Nein, Mama, tut mir leid, wir fahren an diesem Wochenende zur Kieler Woche."
Nun ja, dann halt bald. Gut, dass Erzengel Michael ein Schutzengel ist,
dachte ich so bei mir. Lachend dachte ich an ein Ereignis vor kurzer Zei. Ich musste operiert werden und wurde in den Vorbereitungsraum geschoben. "Na, dann werden mir mal den Zugang legen. Mein Name ist Johannes." Ich sah ihn lachend an. "Der aus der Bbel?" - Lachend legte er mir den Zugang. Meine Hand schwoll an. "Oh, ich hol mal einen Kollegen. Das war jetzt nicht so gut." Sein Kollege kam. "Hallo, ich bin Michael. "Der aus der Bibel?", fragte ich leicht irritiert. Michae legte mir den Zugang. Meine Hand schwoll an. "Ich hol mal den Arzt. Das ist wohl doch nicht so einfach bei Ihnen."
"Na, haben meine Praktikanten das nicht hinbekommen?", fragte mich der Arzt lachend. Ich wollte gerade etwas erwidern, als ich dann aber in Schlummer verfiel. Der Arzt verstand sein Handwerk.
Ich weiß nicht, wie der Arzt heißt, aber ich fühlte mich von guten Kräften umgeben.
Wundervoll.