Liebe Grüße Bob
Das Wasser in der Wanne ist fasst noch zu heiß, es umhüllt ihren Körper, sie liebt es so. Sie fühlt sich geborgen. Der Duft von Rosen wabert durch den warmen Raum. Ihre noch trockene Hand schiebt das Messer beiseite und greift zur Zigarette, die sie umständlich aus der Packung zieht. Klick, klick, klick macht das Feuerzeug bis endlich ein Funke entsteht und daraus eine Flamme. Hektisch zieht sie an der Zigarette, legt das Feuerzeug beiseite und greift nach dem Weinglas. Ein kräftiger Schluck ergießt sich in ihren Mund um dann langsam in ihren Körper zu gleiten. Jane summt das alte Lied vor sich hin, es
dauert eine Weile bis sie den Text singt, sich unterbricht um sich treiben zu lassen.
Regen fiel auf uns herab, der letzte Zug war gerade abgefahren. Egal, wir hätten die Fahrkarte ohnehin nicht bezahlen können. Wir waren einfach unterwegs, von Ost nach West. So trampten wir die Straße entlang, mit Wasser in den Schuhen, das unsere Füße hin und her rutschten. Unsere Kleidung wirkte schäbig. Wenn ein Fahrzeug kam, blieb Bob stehen und hielt den Daumen hoch. Einige fuhren an uns vorbei. Das machte nichts, weder Wind noch Wetter,
Hauptsache wir waren zusammen, Jane und Bob. Mehr brauchten wir nicht.
Ein Truck hielt neben uns, wir stiegen ein. Der Fahrer gab uns eine Decke, in die wir uns hüllten. In der Kabine roch es nach Schweiß, die Scheibenwischer gingen unermüdlich hin und her. Bob zog seine Mundharmonika aus der Hosentasche. Er spielte herzzerreißend, ich sang dazu. Der Fahrer fragte nach anderen Liedern, auch diese Wünsche erfüllten wir ihm. So fuhren wir durchs Land. Der graue Regentag ging in die Nacht über. Die Zigarette des Fahrers glühte, der Rauch schwebte durch den engen Raum, wir musizierten immer noch. Wir waren frei, frei, weil wir
nichts zu verlieren hatten. Wir hatten nur uns, das genügte uns. Du wärmtest mich. Du sahst direkt in meine Seele. Wusstest was ich dachte, was ich wollte. Hieltest einfach meine Hand.
Wir fühlten uns so gut, so frei, als wir am nächsten Morgen in der Sonne am Strand lagen. Die Wärme hüllte uns ein, ich fühlte deine Wärme in mir. Mehr brauchte ich nicht zum Leben. Alles war so leicht. Egal was für ein Wetter war, mit dir war alles einfach. Wir waren so zufrieden. Doch du warst immer auf der Suche, nach ich weiß nicht was. Ich wollte nach Kathmandu, zur Krone der Freiheit, du zu Fuß durch Afrika. Du spieltest auf deiner Mundharmonika, ich
sang. Es war so unbeschwert. Ich konnte dich nicht halten, du musstest deinen Weg gehen. So ging ich meinen.
Rauchringe schweben durch den Raum. „Wenn du mich jetzt sehen könntest! Was ist aus mir geworden? Ich war noch nie in Kathmandu. Nichts ist mehr leicht. Die Zeit wird immer weniger. Schon lange habe ich nicht mehr gesungen. Ich werde nicht mehr nass im Regen, gehe nirgends mehr zu Fuß hin. Mein Sekretär, Henry und mein Chauffeur Paul sorgen schon dafür. Die Kleidung stammt von Designern. Meine Schuhe fühlen sich an als wäre Blei in den Sohlen. Morgen ist wieder so ein Tag, Termin nach Termin. Wofür? Doch ich schwör dir Bob, ohne
mich! Was würde ich dafür geben, noch einmal deinen Körper zu spüren.“ Es ist mehr ein Flüstern das sie von sich gibt. Die Hand die eben noch die Zigarette hielt rutscht ins Wasser, langsam, kein Spritzen. Einfach nur rutschen. Ihr Kopf gleitet nach vorn als wollte er auf das rotgefärbte Wasser schauen.
Das Klingeln des Telefons zerstört die Stille. Henry hebt den Hörer ab. „Ja, bitte!“, meldet er sich. „Wie, Jane ist nicht zum Termin erschienen?“ Er legt seinen Stift beiseite. „Jane wollte selber fahren, ich schicke Paul um zu sehen wo sie ist.“ Er legt den Hörer auf. Greift
wieder nach dem Hörer, drückt die Kurzwahltaste. „Paul, fahr bitte und sieh nach wo Jane steckt. Vermutlich hat sie verschlafen. Jetlag und so!“ Henry knallt den Hörer auf, er weiß das Jane das Telefon immer ausstöpselt, wenn sie sie schlafen will.
Paul lenkt das Fahrzeug, durch die überfüllten Straßen. Fußgänger hetzten vorbei, rennen vor ihm bei Rot über die Straße. Er bremst, er schaltet gibt wieder Gas. Nieselregen fällt herab, legt sich auf die Windschutzscheibe nieder. Paul schaltet den Scheibenwischer an. Er fährt in die Tiefgarage. Mit schnellen Schritten geht er durch das Treppenhaus,
direkt zum Portier. Der begleitet ihn mit Ersatzschlüsseln. Sie stehen vor der Tür des Apartments. Der Portier nestelt mit dem Schlüssel am Schloss herum.
„Ich habe ihr eben noch einen Brief gebracht“, erklärt der Portier während er öffnet.
„Ich glaube hier ist niemand“, meint Paul und macht einen Schritt in die Wohnung. Im Eintreten hebt er den Briefumschlag auf, der kaum verschlossen ist. Trotz seiner Überzeugung geht er weiter, von Zimmer zu Zimmer. Höflich klopft er an die Tür zum Bad. Vorsichtig öffnet er. Paul sieht sie in der Wanne liegen. Er weiß es ist zu spät. Henry, so ist ihm klar wird das Notwendige in die Wege leiten.
„Es ist niemand mehr da“, sagt er zum Portier. Der geht. Paul ruft Henry an. Während er wartet öffnet er den Brief.
Liebste Jane,
ich warte auf Dich in Kathmandu.
Liebe Grüße
Bob