Sein letzter Vatertag
Beitrag zur Schreibparty 77
Vornehmlich B aber ich habe versucht A und C ebenfalls unterzubringen.
A - Eine Geschichte über einen Vintage Koffer am Strand, mit ganz viel Urlaub darin.
B - elf der zwölf Worte verarbeiten: Fernweh, herzallerliebst, Zeitgeist, Vertrauen, Spaß, lernen, Pistole, Strand, Schuhe, Kreditkarte, Auto, Eimer.
C - Thema: Vatertag
Wie im heutigen Zeitgeist üblich, wollten zu diesem Vatertag auch Paul und seine Freunde Jack, James, Dereck, Luke und John eine Herrentour machen, unabhängig davon, ob sie bereits Vater waren oder nicht. Doch dies sollte kein gewöhnlicher Ausflug mit Bollerwagen, Schnaps und Bier werden.
Nein, zum Unmut ihrer Frauen, hatte die sechs Freunde das Fernweh gepackt und so wollten sie das ganze lange Wochenende ihr Mannsein feiern. Mittwochabend wollten sie in den Flieger steigen und erst am Sonntag wieder zurückkommen.
Es war ein Spiel um Spaß und Vertrauen. Die Männer wollten ihren Spaß und die Frauen sollten lernen ihnen zu vertrauen.
An ihrem Ziel angekommen genossen sie ihre
Freiheit, liebäugelten mit den jungen Frauen, die im Bikini am Strand lagen. Zudem wollten sich selbst beweisen, dass sie auch heute noch genauso gut feiern konnten, wie in ihren Zwanzigern. So war es nicht verwunderlich, dass Jack plötzlich mit einem Eimer voll Sangria und Strohhalmen vor der Truppe stand. Einzig James verzichtete auf das alkoholische Getränk, denn er hatte noch etwas Besonderes geplant und schließlich wurden Leihwagen nur an nüchterne Personen vermietet.
Und so mietete James ein Auto und fuhr mit seinen Freunden zu einer abgelegenen Bucht, wo sie fernab des klassischen Tourismus feiern und trinken konnten.
Später am Abend entzündeten sie ein
Lagerfeuer an diesem Strand, den sie ganz für sich allein zu haben schienen. Ein wenig zu einsam, fand Paul, der lieber in dem Touristengebiet geblieben wäre, nicht zuletzt wegen der herzallerliebsten weiblichen Gesellschaft - was war schon gegen einen kleinen Flirt einzuwenden?
Hier in dieser Einsamkeit blieb ihm nur das Trinken und anfänglich interessante Männergespräche wandten sich allzu schnell in geistloses, unverständliches Gelalle. Und so gönnte er sich einen kleinen Moment der Einsamkeit und spazierte ein wenig den Strand entlang zu einem Gebüsch, dass sich gut eignete, um die Notdurft zu verrichten.
Plötzlich ergatterte etwas anderes Pauls Aufmerksamkeit. In dem Gewächs lag ein
Koffer. Keiner von diesen modernen Trolleys, sondern so ein alter Lederkoffer, ohne Rollen oder sonstigem Schnickschnack. Heutzutage würde man es als Vintage-Look bezeichnen. Nun war Paul doch neugierig, wem der Koffer gehören könnte. Einen Hinweis darauf würde er wohl nur finden, wenn er das gute alte Stück öffnete. In dem Koffer fand er ein paar schwarze Kleidungsstücke, Schuhe, eine Flasche Wasser und ...
Er erschrak. Ihm war, als wäre er wieder nüchtern, als er sah, was sich noch in dem Koffer befand. Eine Pistole. Ein Bild von ihm selbst mit seiner Frau und einige Zettel mit aus Zeitungen ausgeschnittenen Buchstaben.
Ich weiß, was du getan hast, Paul.
Paul, das hättest du nicht tun sollen.
Das wirst du noch bereuen.
"Was soll der Mist?", fragte Paul sich selbst und überlegte tatsächlich, ob er jemals Schuld auf sich geladen hatte.
"Hey Paul. Ich weiß, was du getan hast", hörte er plötzlich James hinter sich sagen. Erschrocken drehte Paul sich um. "Du hast bestimmt richtig gut in den Busch gereihert", fügte James hinzu.
"Nein. Aber schau mal. Ich hab hier einen Koffer gefunden. Da ist eine Pistole drin. Und Nachrichten an mich. Schau her." Paul führte James zu dem Koffer. Doch James blickte nur drein und schüttelte den Kopf.
"Sorry mein Freund, aber ich glaube, der Alkohol hat dir einen Streich gespielt. Lass
uns wieder zu den anderen gehen und noch einen trinken."
"Aber ..."
"Da ist nichts, glaub mir, das bildest du dir ein. Wie sollte auch so ein Koffer hierherkommen", beschwichtigte James, während er Paul wieder zum Lagerfeuer schob.
"Das hättest du nicht tun sollen", meinte Luke zu Paul, als dieser mit James wieder zurück zum Lagerfeuer kam.
"WAS? Was hätte ich nicht tun sollen?!", brüllte Paul, ein wenig verstört von der Tatsache, dass er diese Worte eben noch in diesem Koffer gelesen hatte. Einem Koffer, der angeblich ein Hirngespinst sein sollte.
"Na weggehen, ohne was zu sagen. Wir
haben dich überall gesucht, Mann", antwortete Luke ruhig. Dann rief er in die Dunkelheit: "Jack, du kannst zurückkommen. James hat unseren Ausreißer gefunden."
Jack kam angelaufen. "Na zum Glück, bist du wieder da. Wir hatten schon Angst, wir müssten deine Leiche aus dem Wasser ziehen."
Schon wieder eine solche Anspielung. Paul schien es, als würde er verrückt werden. Erlaubten sie sich alle einen schlechten Scherz auf seine Kosten - dachte Paul für sich, während Jack schon die nächsten Bierflaschen an die Herrenrunde verteilte. Doch Paul war nicht mehr nach Alkohol zumute. Er wollte nur noch hier weg. Zurück ins Hotel, am liebsten sogar ganz nach
Hause, hoffend, dass bei seiner Frau alles in Ordnung war. Doch da nun auch James Alkohol trank, war für heute Nacht nicht mehr, an eine Rückfahrt zu denken. Sie würden wohl hier an diesem einsamen Strand übernachten.
Während die anderen immer ruhiger wurden, und begannen vor sich hinzu schnarchen, fand Paul keine Ruhe. Wie sollte er hier schlafen, wo offensichtlich etwas gegen ihm in Gange war. Ich hab mir den Koffer nicht eingebildet - dachte er bei sich und so betrunken, dass er schon Dinge sah, die nicht da waren, war er auch nicht. So beschloss er, noch einmal zum Wasser hinunterzugehen und nach dem Koffer zu sehen.
Er konnte es nicht fassen. Hier war kein Koffer. "Das kann nicht sein. Das kann nicht sein", murmelte er vor sich hin, während er durch die Gräser kroch und nach etwas suchte, was wohl tatsächlich ein Hirngespinst gewesen war.
"Das ist unmöglich. Ich werde verrückt. Vielleicht hatte James wirklich recht und ich hatte zu viel Alkohol", redete er sich selbst gut zu, während er sich auf den Weg zurück zu seinen schlafenden Freunden machen wollte.
Plötzlich hörte er in rascheln in einem der hohen Grasbüsche. "Wer ist da?" Doch es kam keine Antwort.Da war doch jemand - dachte Paul. Das konnte doch nicht schon wieder Einbildung sein. Er ging in das Gebüsch, hoffend einen seiner Freunde beim
Pinkeln zu erwischen. Stattdessen stolperte er dort über den Koffer. Er war geöffnet. Die schwarze Kleidung, die Schuhe und die Pistole fehlten.
"Oh mein Gott. Ich wusste es. Ich hab es mir nicht eingebildet." Ihm war, als würde sein Hals austrocknen. Er brauchte etwas zu trinken. Er nahm die Flasche Wasser aus dem Koffer, öffnete sie und trank ein paar Schlucke und bereute sogleich, dass er es getan hatte. Es schmeckte anders und er spürte, wie ein Kribbeln durch seinen Körper ging. Aber er wahr nicht mehr fähig sich zu bewegen. Er war wie paralysiert.
Plötzlich stand ein dunkel gekleideter Mann vor ihm, hielt Paul die Pistole vor. Er konnte nichts an ihm erkennen, denn er trug eine
Maske, die den Unbekannten in der Dunkelheit der Nacht noch unsichtbarer machte.
"Bereust du?", herrschte der Unbekannte, Paul mit einer seltsam verstellten Stimme an.
"Was?", brachte Paul nur schwach hervor.
Der Vermummte hielt ihm das Bild von ihm mit seiner Frau vor. Das Bild, das Paul vorhin in dem mysteriösen Koffer gesehen hatte.
"Warum?", presste Paul dieses kleine Wort aus sich heraus, bald würde er gar nichts mehr sagen können.
"Du hast sie geheiratet, die Liebe meines Lebens. Und dann hast du sie betrogen, mehr als nur einmal und hier hättest du es auch wieder getan. Doch das ist jetzt vorbei, du wirst sie nie wieder betrügen."
Jetzt wusste Paul gewiss, wer unter der Maske war. Und doch fragte er sich immer noch, ob alle anderen eingeweiht gewesen waren. Wenigstens einer musste Bescheid gewusst haben.
"Sie ist zu gut für dich."
Paul hätte genickt, wenn er gekonnt hätte.
"Das Wasser in der Flasche war vergiftet. Die Paralyse wird noch einige Stunden anhalten. Die Natur wird den Rest erledigen. Judy wird eine starke Schulter brauchen, die ihr Trost spendet."
Das was von Pauls Bewusstsein noch übrig war, nahm wahr, wie er zum Wasser geschleift wurde. Er spürte, wie erst seine Kleidung, dann sein Körper durchnässte. Mit dem Gesicht unter Wasseroberfläche wurde ihm
der letzte Sauerstoff genommen.
Ein letztes Mal sah er das Lächeln seiner Frau vor seinen Augen und er bereute, sie mehrfach betrogen zu haben.
Die lokalen Medien berichteten von einem tragischen Unfall, bei dem ein Tourist wohl volltrunken im Meer schwimmen gegangen und dabei ertrunken sei.