D, wie Dursley
D, wie Dursley - Eine Kurzgeschichte
Das letze Mal, dass ich die Stimme dieses Mannes gehört hatte, musste eine Ewigkeit her sein.
Damals, als er und seine Familie zu uns gekommen waren, war ein Schockmoment für Daddy gewesen.
Durch die Gespräche mit Mum hatte ich erfahren, dass mein Vater die Besuche des Fremden meist mit irgendwelchen Ausreden zu umgehen wusste und es ihm bis zu diesem Zeitpunkt auch gelungen
war, aber allem Anschein nach, hatten sie ihr Vorhaben kurzfristig geplant und ebensowenig angekündigt.
Daddy hatte Angst vor ihm und seinen Leuten.
Doch diese Leute waren Teil meiner Familie, auch wenn Daddy dies immer bestritt.
Dabei schienen mir mein Onkel Harry, seine Frau Ginny, meine Cousins James und Albus sowie Lily, die um ein Jahr jünger ist als ich, sehr nett.
Damit ich meine Meinung änderte,
mussten die Kinder meinem Dad erst Streiche spielen, dessen Ausgang eine Backpfeife zur Folge hatte, die sich Albus einfing.
Daddys Kopf schwoll plötzlich an und wurde immer größer.
Da auch Oma Tunia und Opa Verni anwesend waren, wussten die Potters nur all zu bald, wann es an der Zeit war, zu gehen.
Dankesgebete gen Himmel schickend, wetterte Opa noch Tage nach dem “Riesen-Kopf-Vorfall”, den Tante Ginny zu verzeichnen hatte, indem sie meinen
Vater aufgrund des Backpfeifen-Ausrutschers “verhexte”.
Deutlich gaben mir Mummy und Daddy zu verstehen, dass dieser Besuch wohl der letzte der Potters sein würde und dass Familienfeiern wie Ostern, Weihnachten, Silvester und sämtliche Geburtstage nur noch im Kreise unserer kleinen Sippe stattfanden.
Dennoch erhielt ich jedes Jahr von Lily und Albus eine Geburtstagskarte und revanchierte mich, wohlerzogen und anständig, mit Briefen und Keksen.
Dass die Grüße meiner Verwandten meist
recht seltsam und eigenartig waren, störte mich nicht, hielt ich es doch für ein paar gelungene Scherze, wenn die Torte auf dem stabilen Karton plötzlich zu schweben begann, die Kerzen meinen Namen schrieben und das Konfetti Jubelschreie ausstieß.
Doch wieder stand mein Onkel unangekündigt in der Tür und schien um ein Gespräch mit Daddy zu bitten.
Daran, dass man mich des Wohnzimmers verwies, hielt ich mich, auch wenn Onkel Harry darauf bestand, dass ich im Zimmer bleiben, auf der Couch sitzen und ihm zuhören
sollte.
Daddy stritt mit ihm und scheuchte ihn beinahe hinaus, wäre Mum nicht dazwischen gegangen.
Davonstehlen kam für mich nicht in frage, also versuchte ich nach besten Kräften, mein Ohr so dicht gegen das Holz der weißlasierten Tür zupressen, dass ich ein paar Brocken aufschnappen konnte.
Donner grollte plötzlich durch das Haus, Funken flogen aus den Steckdosen und ein ohrenbetäubendes Geheul verfing sich in meinen
Ohren.
Der Schreck fuhr mir in die Glieder, sodass ich schnellstens den Flur verließ.
Die Frage, ob Daddy und Mum den Krach nicht gehört hatten, stellte sich mir in dieser Situation nicht, noch immer suchte ich Schutz und verkroch mich unter den Küchentisch.
Demotiviert und enttäuscht, dass mein Lauschangriff ins Leere verlaufen war, schlich ich die wenigen Stufen zu meinem Zimmer hinauf und erblickte etwas Gefiedertes auf meinem Schreibtisch
sitzend.
Der messerscharfe Schnabel und die gelben Augen folgten jedem meiner Schritte akribisch, skeptisch und wissend.
Durch den Laut, den das Tier plötzlich ausstieß, erschrak ich und gab einen spitzen, kreischenden Schrei von mir.
Das bekannte Poltern und Trampeln der schweren Füße meines Vaters, sowie das Schnaufen, Röcheln und Rasseln in seiner Kehle, kündigten seine Ankunft
an.
Doch vernahm ich auch noch leichte und beschwingte Schritte, die denen meiner Mutter nicht unähnlich waren, aber dennoch anders klangen, dumpfer, kräftiger.
Daddy riss die Tür zu meinem Zimmer auf und stieß, ebenso wie ich keine Minute zuvor, einen erschreckten, dröhnenden Laut aus.
Die Worte meines Vaters überschlugen sich und konnten auch durch die sanften und wohlklingende Töne meiner Mutter nicht in Schach gehalten
werden.
Dudley Dursley war außer sich vor Wut, die ihm bereits den Hals hinaufkroch und er beschimpfte Onkel Harry und klang böse und gemein.
Dieser blieb ruhig und überlegt und blickte, wie die Eule auf meinem Schreibtisch, wissend und ahnend.
Die Hand nach dem krächzenden Tier ausstreckend, hüpfte dieses auf seinen Arm und mein Onkel band etwas von den Krallen des Vogels.
Das briefähnliche Papier segelte lautlos
zu Boden, fiel immer tiefer und sank letztendlich auf den Teppich zu meinen Füßen.
Dies ist für Miss Daisy Elgin Dursley bestimmt
Diese Worte prangten auf dem verknitterten Stück und noch ehe ich es eingehender betrachten konnte, riss Daddy mir das Blatt aus den Händen und blickte wutschäumend zu Onkel Harry herüber.
Die sauberen und geschwungenen Lettern
seien allein für mich gedacht, erklärte ihm mein Onkel, als Daddy in störrischer Haltung den Kopf schüttelte und mit Panik im Blick zu mir herüber sah.
Drohenden Blickes deutete Daddy auf die Tür und die Bemühungen Harry Potters, ihm die Situation zu erklären, schlug er aus.
Durch diesen Vorfall, der sich kurz vor meinem elften Geburtstag zutrug, besserte sich die Beziehung zwischen den beiden Männern zwar nicht, doch versprach mir Mummy, dass ich in den Sommerferien verreisen dürfe und ich mir aussuchen könne, wohin die Reise
gehen sollte.
Die Wahl war getroffen und zu meiner Überraschung befand sich jeden Tag ein seltsam aussehender Umschlag im Briefkasten, den Daddy wohlweislich verschwinden ließ, noch ehe ich einen solchen zu Gesicht bekam.
Doch ich wusste, um was es sich dabei handelte, schließlich hatte Mummy mir heimlich einen auf das Kopfkissen gelegt, während ich schlief; und auch wenn Daddy, Oma Tunia und Opa Verni es nicht guthießen, würde ich einen Schritt in eine fremde Welt wagen, in der auch ich eines Tages lustige
Geburtstagskarten zustande brächte und Konfetti zum Jubeln bringen würde.
“Daisy Dursely”, hallte es durch die große Halle, während ich einen erstickenten Schrei ausstieß und langsam einen Fuß vor den anderen setzte.
Der große, alte, etwas muffig-riechende Hut rutschte mir samt Krempe über den Kopf und verkündete mit lauter, kräftig Stimme:
“Hufflepuff”
Durch die Jubelschreie ringsum und dem
hastigen Winken der fremden Kinder und Jugendlichen an den Tischen, stolperte ich in eine Zeit und eine Welt voller Magie und Zauber.