Kurzgeschichte
Osten erglüht - Thema: China

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"Osten erglüht - Thema: China"
Veröffentlicht am 04. Februar 2009, 12 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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einer der auf dem Weg ist ...
Osten erglüht - Thema: China

Osten erglüht - Thema: China

                        Osten erglüht – ein Buch für China  

                                    Bevor du dich daran machst, die Welt zu verbessern,

                                    geh dreimal durch dein eigenes Haus.

                                                                              (chinesisches Sprichwort)
    Was haben wir in Deutschland? Nur Bauernregeln und prompt fällt mir ein „Hochmut kommt vor dem Fall“. Wo sind aber die Sprüche unserer Weisen? Wo sind überhaupt die Weisen hin? „Es gilt der Weise nichts im eigenen Land“ – nur in China ist es nicht so.  EntreeIch möchte mir einen Wunsch erfüllen. Ein Buch für China schreiben. Über eine fremde, ferne Welt. Es soll davon erzählen, wie ich in meinem Leben, zu verschiedenen Zeiten, mit immer anderen Wissen und Erkenntnissen dieser uralten Kultur begegnete. Ohne Vorsatz, ohne Absicht – jedoch immer wieder, wie ein Keim, der in mir war und zu wachsen begann. Der als „Geist der ewigen Fragen“ mich begleitete, wie der aus der Flasche. Als ich zum ersten Mal die Vereinigten Staaten besuchte, kam ich in einer Kleinstadt in ein Textilgeschäft. Man stellte mich vor, als „The special Gest of Germany“ und die lächelnde Verkäuferin stellte mir sofort die Frage: „What do you think about America?“. Das war schon seltsam und zugleich logisch. Sie wollte wissen, was man so in „good old Germany“ denkt. Und hier liegt mein Ansatz. Wie ein Mosaik soll ein Bild entstehen, wie ein Mensch im fernen Deutschland, dem Riesenreich begegnete, ungewollt jedoch bewusst und zu immer anderen Zeiten. Aus anderer Sichtweise soll eine individuelle Retrospektive entstehen und den Lesern zeigen, wie man einem Land begegnet ohne es sogleich zu besuchen, wie es Spuren im Herzen hinterlässt und Bilder im Kopf. Wie in einem Kaleidoskop sehe ich die Geschichten sich zusammenfügen und schlage immer neue Seiten in meiner Erinnerung auf. Aus dem Keim, einer Idee, war das Pflänzchen einer kleinen short Story geworden. Ich schreibe für die, die genauso wie ich versuchen die Faszination China zu begreifen und bin mir sicher, dass es nicht komplett gelingen kann. Ich schreibe für die, die vielleicht eine Übersetzung lesen werden und damit ein wenig davon erfahren, wie die Welt sie sieht. Mit Sichtweisen kann man ein Fundament zur Verständigung legen. Soll Jeder sein Gedankenhaus darauf bauen und dadurch erfahren, dass es nicht lebenswichtig aber interessant ist, ein wenig über die Sichtweise des anderen zu wissen.  Ferne WeltenBegegnungen haben einen Anfang. Meine Begegnung mit dem fernen „Reich der Mitte“ liegt mehr als vierzig Jahre zurück. Es war ein Weihnachtsfest in Thüringen. Keiner hatte uns darauf vorbereitet. Und da saß er dann in der „guten Stube“ – Wang Tso Tsung aus China. Ein Student der Elektrotechnik, den meine Mutter als Angestellte der Hochschule mit nach Hause brachte. Er erzählte von der fernen Heimat und der weiten Reise, wenn er heimfuhr. In meiner Erinnerung sind es drei Monate mit der Eisenbahn gewesen, mit der Trasib, genauso ein einfacher Zug, so stellten wir uns vor, wie er uns zu den Großeltern nach dem Nachbarort Langewiesen brachte. Welch ein Vergleich zu den 20 Minuten – drei Monaten im Zug leben, wohnen – essen – schlafen. Mit fremden Leuten, durch fremde Länder, wie klein wird da die Einheit Stunde. Von fremden Genüssen, den Speisen daheim, hat er wenig oder gar nichts erzählt. Überhaupt hat er wenig geredet, die andere Sprache halt. Nett wir er, sehr still und bescheiden. Wie reich müssen wir ihm vorgekommen sein in unserer eher einfachen Art, das Fest zu begehen. Denn ein geschmückter Baum war da, ein Braten und Geschenke. Ja – Geschenke hatte er für uns mitgebracht. Jeder bekam ein Buch, ein schönes und seltenes Kinderbuch mit vielen Bildern. Das eine, das vom „Bären Ladislaus“ hat uns durchs ganze Leben begleitet. Wir behielten den Text und können heute noch Fragmente davon wiedergeben. Mutti bekam einen Fächer aus Sandelholz, den hat Sie immer zwischen die Wäschestücke in den Schrank gelegt. Auch er existiert noch heute und das fein geschnitzte Muster verwundert noch immer den Betrachter. Aus diesen Tagen ist die Existenz von Hand – und Taschentüchern aus China sicher vielen Menschen im Osten Deutschlands noch ein Begriff. Da waren Tiermotive darauf und die zarten Schnupftücher wollte man gar nicht entweihen. Ein Stoff – ein ganz besonderes Gewebe – BROKAT – sollte in den Sechzigern die Runde machen. Ausgerechnet Brokat, der Stoff für die Kleider der Reichen machte im frühen Arbeiter – und Bauernstaat Furore. Mutti musste auch so ein Kleid haben. Unklar, über welche Kanäle diese Seltenheit kam. Es war ein sehr fester, kompakter Stoff und er wurde zu einem engen Kleid, das alle Nuancen der Figur betonte. Vielleicht fanden die Eltern so etwas erotisch? Irgendwann schleppte Vater mal Schelllackplatten nach Hause, der „Rundfunk-KONSUM“ hatte ein neues Sortiment bekommen, die alten Platten gingen für wenig Geld an den Kunden. So hörten wir auf dem alten Grammophon die ungewohnte Musik, die Hymne aller Chinesen: „ Osten erglüht, China ist jung, rote Sonne grüßt Mao Tse Tung...“ – eben dieser gottgleiche Mao, neben Stalin und Chrustschow und dem Spitzbart mit der Fistelstimme, den man uns in der Schule als sportliches Vorbild mit Hosenträgern verkaufte. Wenn mein Bruder am Abend im Bett lagen, träumten wir uns in die fernen Länder, waren wie Marco Polo auf Handelsreise. Die Schule bot uns wenig Wissen, das parteipolitisch gesteuerte Programm stellte eherne Bildtafeln auf, das „Eiserne Büffelchen“ in Korea und die „Timurtrupps“ in der fernen UdSSR. Mit Wang auf große Reise gehen, das Land mit der „Großen Mauer“ sehen, die alten Kaiserpaläste bestaunen und dann wieder zu Muttern, wenn der kleine Hunger kommt. Dann waren da noch die seltsamen Buchstaben, wie man die nur lesen konnte? Die vielen offenen Fragen waren wie eine unerreichbare Geliebte, die dadurch, dass man sie niemals trifft, ewig attraktiv bleibt. Fast vierzig Jahre sollte vergehen, bis... Aber das gehört zu einer anderen Geschichte.  Filme und  BücherWieder war es die Hochschule, die uns China nahe brachte. Wir durften als Kids in den großen Hörsaal im Alten Technikum. Da, wo die klugen Studenten still saßen und den weißen Professoren lauschten. Das soll damals so gewesen sein. Jedenfalls hat man das uns so erzählt. Wir durften in den Bänken sitzen und es gab einen Dokumentarfilm über die Volksrepublik. In schwarz – weiß flimmerte eine völlig unbekannte Welt vorbei. Staudamm bauen am Jang Tseg Jang, dem Gelben Fluss. Es mutete seltsam an, wenn wir die kleinen Leute mit den Tragekörben sahen, die Berge versetzten. Alle waren gleich einfach gekleidet und wer wollte da den einen von dem anderen Chinesen unterscheiden? Riesige Bagger bewegten sich wie urzeitliche Ungetüme dazwischen und es schien, als ob alle Chinesen immer wieder dieses Lied sagen: „ Osten erglüht, China ist jung...“ Wir sahen unendliche Reisfelder und Menschen, die bis zu den Knien im Wasser arbeiteten. Außer diesen Sequenzen, die deutlich in der Erinnerung blieben, waren da mit Sicherheit noch Aufmärsche und Parteiversammlungen zu sehen – ein einig Volk von fleißigen Menschen, ohne Murren und Knurren. Der Film hatte einen ersten, prägenden Eindruck hinterlassen und die Neugier geweckt. Im Jahr 2000 sollte mir diese Erinnerung noch einmal begegnen. Meine Baustelle lag in Berlin – Johannistal, dort befanden sich bis zur Wende die DEFA Kopierwerke. Auf dem Baufeld, so erzählten die älteren Anwohner, wurde vor dem Krieg oder kurz danach „Das Bad auf der Tenne“ gedreht. Später war ein Bauhof daraus geworden und als wir die Fläche übernahmen, war sie komplett von Bewuchs und Gebäuden beräumt. Nur was ist in der Tiefe? Beim Aushub der Fundamentlöcher, es war Frühjahr geworden, tauchten an der Baggerschaufel Filmstreifen auf. Wir hatten einen Keller geöffnet und Unmengen von alten, verdorbenen Filmen kamen zum Vorschein. Filmseiten, wie große Röntgenbilder lagen neben den Zeugen der Vergangenheit. Sie schienen zum Vorspann des Filmes zu gehören und gaben Reste des Inhaltes Preis. „Befreites China“ – Dokumentarfilmstudio Moskau, da lagen die Zeitzeugen auf einem Haufen, vermischt mit Grundwasser und dem Schlamm der Baugrube und hauchten ihr Leben aus. Ich musste die Umweltbehörde alarmieren, die ließ die Arbeiten an dieser Stelle stoppen und der Fund musste analysiert und entsorgt werden. So hatte die filmische Befreiung einen fatalen Baustopp bewirkt und alle staunten über dieses Ereignis. Unweit an der Straßenecke Stubenrauchstraße/ Eisenhutweg fanden wir nicht nur einen Einmann – Betonbunker aus dem II. WK, sondern auch Helm- und Granatenreste. Da kamen also ganz nah nebeneinander Dinge aus der Erde, die uns sicher sehr viel zu erzählen gehabt hätten, nur der Lärm und die Eile der neuen Zeit verstreuten diese Zeugen an neuen Plätzen. Keine Zeitung berichtet davon, dass die filmische Befreiung mehr als fünfzig Jahre später sich noch einmal zu Wort gemeldet hatte und das Krieg und Befreiung friedlich nebeneinander geschlummert haben.                                                                       Doch zurück in die Kindheit. Neugier war geweckt. Neugier konnten wir mit Lesen bedienen. Eltern fragen oder gar die Großeltern – Fehlanzeige. Nicht das sie nicht unsere Fragen hörten, doch das Thema war doch zu schwierig. China erschöpfte sich in der Vorstellung von vielen kleinen gelben Menschen und deren sprachlichen Problem mit dem „l“. So sang man wacker: „...Drei Chinesen mit dem Kontrabass, saßen auf der Straßen und erzählten ich was, kimmt die  Polizei, sagt, was ist denn das? Drei Chinesen mit dem Kontrabass...“. Ende der Erkenntnis. Mehr war da eben nicht. Also stöberten wir in der Kinder- und Jugendbibo und im elterlichen Bücherschrank. Jugendgerecht gab es Marco Polo und seine Berichte glichen Märchen aus einer unwirklichen Welt. Aus der Tiefe meiner Erinnerung taucht ein Schmöcker auf, so nannten wir die Heftchen, die den Dreigroschenromanen auf sozialistische Art Konkurrenz machten. Ich sehe noch den Einband vor mir, ein feindlicher Flieger der Tschan Kai Tschek – Armee. In der Phase des kalten Krieges tat man alles, um uns klar ein Feindbild zu vermitteln. So entstand in den wüsten Alpträumen das Bild einer Pirateninsel Taiwan, auf der eine hochgerüstete Truppe von blutrünstigen Konterrevolutionären lagert, die den Weltfrieden permanent bedroht. Kein Platz für einen Erklärung von Zusammenhängen und woher sollten wir auch eine kritische Wertung beziehen, die Welt war regulär geteilt in Freund und Feind. Umso seltsamer, dass eine Amerikanerin, die Schriftstellerin Agnes Smedley, die erste war, die uns ein lebendigeres Bild nahe brachte. In ihrem Roman „China blutet – China kämpft“ begegnete uns eine lebendige Welt, in der auch Widersprüche Platz hatten. Zwei Bücher waren in einem Band von 672 Seiten vereinigt und kosteten 1958 glatte 15,00 Mark. Heute kein Preis für einen solchen Roman, damals viel Geld. Der Onkel hatte es der Mutter zu Weihnachten 1958 geschenkt – so etwas schenkte man eben und der Parteiverlag – Dietz Verlag Berlin besorgte die 3.verbesserte Auflage von sage und schreibe 50 Tausend Stück. Liese ich heute die Originaltitel: „CHINA FIGHTS BACK – CHINA’S RED ARMY MARCHES“, so fällt mir sofort auf, wie geschickt man die Übersetzung „angepasst“ hat. Als Leser lebte ich in den Zeilen, litt unter den Folterungen, verdammte die japanischen  Invasoren und ritt im Riesenheer hinter dem Vordermann, der auf dem Rücken die Tafel zum Lernen trug. Es war so leicht gerecht zu sein, wenn man sich nur für die rechte Seite entschied. Sehr breit war das Interesse zu dieser Zeit noch nicht, der Bruderbund zur Sowjetunion hatte uns mit Beschlag belegt und in unseren Spielen waren wir lieber Kosaken unter Kotschu Bay.          

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Boris
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