„Ich kann doch jetzt nicht schlafen, ich krieg kein Auge zu. Ich bleib am Telefon." schluchzend ließ Eva den Hörer auf die Gabel fallen.
„Harry, fahr doch schon mal den Wagen vor. Irgendetwas hab ich übersehen, wenn ich bloß drauf käme." murmelte Bruno noch, dann warf er sich seine Lederjacke über, schob sich eine Al Capone zwischen die Mundwinkel, und eilte die Treppen des Präsidiums hinunter.
Keine zehn Minuten später bog der Wagen mit quietschenden Reifen um die Kurve und stoppte abrupt vorm Alcatraz. Ein Penner schaute von seiner Lambruscoflasche neugierig hoch.
„Da habt ihr aber lange gebraucht. Der ist mit der Puppe schon über alle Berge." kicherte der Penner mit lallender Stimme.
Bruno horchte auf, beugte sich dann über den Penner und schüttelte ihn aufgeregt
„Was hast du gesehen, wer ist über alle Berge. Los red schon."
Kichernd antwortete der zerlumpte Mann
„Na der aus dem roten Käfer. Wissen sie Herr Inspektor, mein Gedächtnis..." wobei er gierig und genießerisch auf seine Weinflasche herabschaute.
„Du kriegst von mir eine Flasche, den besten Roten, den es gibt. Aber jetzt red endlich" fuhr Bruno ihn an.
„Also, das war so. Der von dem roten Käfer, so ein großer, kräftiger. Na, der ist raus aus seinem Auto, wollte rein in die Pinte, und da stand sie. Ein Klasseweib, rote Mähne, supersexi, enge weiße Jeans, Mann, die hatte vielleicht einen geilen Arsch. Da träum ich heut Nacht von. Na, und als die ihn gesehen hat, nimmt sie ihn, den großen Kräftigen am Arm, und schwupps sitzen die beiden in einem Sportwagen, und da hätte sie mich beinah über den Haufen gefahren. Hab grade noch meine Buddel gerettet. Krieg ich jetzt meine Buddel? Herr Inspektor? Braucht auch nix edles zu sein, ihr Bullen verdient ja man auch
nich so viel, hab ich nich Recht?"
„Wo sind sie hingefahren und hast du das Kennzeichen gesehen?" redete Bruno auf ihn ein.
„Warten sie, Herr Inspektor, das war so ein kleiner Sportflitzer, feuerrot und die Nummer. Nun, der war von hier, irgendwas mit X und hinten drei Sechsen" kicherte er
„ hab gleich gedacht, das passt zu der Puppe. Die sind die Allee runter geflitzt." Deutete er nach links.
„Da, kauf dir was dafür. Du hast mir glaub ich sehr geholfen." Sagte Bruno im davoneilen, nachdem er dem Penner einen Zwanziger in die Hand gedrückt hatte.
Er warf sich auf den Beifahrersitz des mit laufendem Motor wartenden Einsatzwagens.
„Fahr los Harry. Ich ruf mal in der Zentrale an. Der müsste zu finden sein der Wagen."
Keine zehn Minuten später kamen die Ergebnisse durch.
„Ich wird verrückt, Harry. Der Name der Halterin steht in den Akten. Eine der toten Frauen, vor zehn Jahren hieß so, nur ein anderer Vorname. Fahr zur Lindenallee, Lindenallee 24, muss im Villenviertel am Stadtpark sein. Hoffentlich kommen wir rechtzeitig an. Und Harry, wenn wir in die Lindenstraße
einbiegen, mach die Musik und das Blaulicht aus. Wir wollen doch unser Schätzchen nicht erschrecken."
„Hallo Zentrale, schickt bitte noch einen Wagen in die Lindenstraße 24, aber ohne Musik und Festbeleuchtung. Vielleicht brauchen wir Verstärkung. Ach ja, ruf doch bitte meine Verlobte an und sagt ihr Bescheid. Sie soll aber um Gotteswillen zu Hause bleiben. Over"
Langsam mit ausgeschalteten Scheinwerfern stoppte der Einsatzwagen vor dem Tor der alten Villa. Alles war dunkel, das schmiedeeiserne Tor war geschlossen, kein Laut drang aus der Villa.
Bruno wuchtete sich aus seinem Sitz, da
kam auch schon der zweite Streifenwagen.
Das Tor war nur angelehnt, es quietschte leise beim öffnen. Vorsichtig gingen die drei Männer und die Beamtin über den knirschenden Kies bis zur Treppe.
„Katja und Robert, ihr geht zur Rückseite und schaut, ob ihr irgendwo durch ein Fenster oder eine Tür hinein könnt. Harry und ich versuchen es von vorn."
Bruno und Harry stiefelten die fünf Stufen zur Eingangstür empor. Seltsam auch hier war die Tür nicht verschlossen. Bruno drückte die Klinke herunter, mit leisem Knarren öffnete sich die Tür. Es war stockfinster. Bruno tastete nach
seiner Pistole, während Harry den Lichtschalter fand. Eine trübe Funzel flackerte auf. Direkt vor ihnen war das Treppenhaus. Eine Treppe ging zum Keller herunter.
„Ich glaub der Vogel ist ausgeflogen. Halt die Stellung hier oben und warte auf die beiden Anderen. Ich schau mal nach unten."
Während Harry mit gezückter Pistole in der Diele stand, kletterte Bruno mit der Taschenlampe in der Hand die Stufen herunter.
Er rüttelte an mehreren verschlossenen Türen. Knarrend öffnete sich eine, vorsichtig lugte er um die Ecke, leer, in der Ecke eine alte Truhe. Mit flauem
Gefühl im Magen öffnete er den Deckel. Gott sei Dank, keine Leiche, nur ein paar Kleidungsstücke, eine weiße Jeans, ein dunkelblaues T Shirt und ein schwarzer Männerslip mit Playboyhäschen.
Eva, du bist etwas einfallslos mit deinen Geschenken, musste er trotz der Anspannung kichern. Er trug ein ebensolches Stück.
Er nahm sein Handy und rief die Spurensicherung herbei, Max musste im Haus gewesen sein, war vielleicht noch da. Doch er hatte das unbestimmte Gefühl, das dem nicht so war. Sie war mit ihrem Opfer entwischt. Sie hatte Max überrumpelt.
Wo konnten sie ab geblieben sein?
In der Grundmühle? Wohl kaum, trotzdem würde er einen Wagen dorthin schicken. Resigniert und besorgt schlurfte er wieder nach oben. Harry und Katja standen an der Treppe nach oben.
„Schaut euch oben um, aber der Vogel ist ausgeflogen und sie hat Max dabei. Robert, du gehst noch mal nach unten, und durchstöberst die anderen Räume. Irgendwo werden die Schlüssel sein."
Plötzlich hörten sie ein Knirschen auf dem Kiesweg. Mit gezückter Pistole riss er die Eingangstür auf. Es war Eva.
„Was willst du denn hier? Max war hier. Sie muss ihn überwältigt haben, seine Kleidungsstücke sind unten im Keller,
alle."
„Ich glaub ich weiß, wo sie ihn hingeschleppt haben könnte. Ins anatomische Institut der Uni. Die haben Semesterferien, da ist kein Schwein. Ich hab ein wenig rumtelefoniert. Amanda hängt immer mit einer gewissen Vera zusammen. Die arbeitet in der Pathologie, da kann man leicht jemanden verschwinden lassen" brach Eva schluchzend in Tränen aus.
„Du könntest Recht haben. Ich schick ein paar Leute dorthin. Muss nur kurz telefonieren. Fahr wieder nach Hause, ich ruf dich gleich an, wenn wir ihn gefunden und befreit haben. "
Eilig rannten sie durch den Garten zum
Auto.
„Ich will mit. Keine zehn Pferde können mich daran hindern. Du schon gar nicht. Ich bring das Weib um, wenn sie Mäxchen auch nur ein Haar gekrümmt haben. Ich rück dir nicht von der Pelle, Bruno."
„Gut, aber du hältst dich zurück und bleibst im Wagen wenn wir drüben sind. Steig ein" entgegnete Bruno während er ihr die Wagentür aufhielt.
Gott sei Dank war das pathologische Institut der Uni in einem Altbau am Stadtpark untergebracht, keine zehn Minuten von hier. Da würde sich eine Tür, oder ein Fenster finden, durch das man eindringen konnte. Bei modernen
Schließanlagen hätte es Schwierigkeiten gegeben.
Mann, was dröhnte mir mein Schädel. Ich wollte mir die Augen reiben, doch ich konnte keinen Finger rühren. Was war los? Ich öffnete meine Augen und war minutenlang von einem grellen Licht geblendet. Eine riesige Lampe, hing wie eine Sonne über meinem Kopf. Ich konnte meine Arme und meine Beine keinen Zentimeter bewegen. Endlich hatten sich meine Augen ans Licht gewöhnt. Ich blickte an mir herunter. Ich war nackt, Arme und Fußgelenke waren mit Metallklammern fixiert, und ich lag auf einem Metalltisch. Deshalb war mir so kalt. Langsam fing mein Hirn wieder
an zu arbeiten.