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Zugfahrt - Forum-Battle 76

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"Quo vadis?"
Veröffentlicht am 11. April 2019, 8 Seiten
Kategorie Sonstiges
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Über den Autor:

Ich erinnere mich noch gerne meiner allerersten Zeilen - ein Schulgedicht: Der Winter ist ein Bösewicht, die Bäume tragen Schneegewicht, die Stämme sind kahl und so schwarz wie ein Pfahl, die Felder sind weiß und auf dem See liegt Eis. In den seither vergangenen Jahrzehnten hat sich mein Schreibstil sicher geändert - ist erwachsen geworden -, aber die Freude am Schreiben ist ungetrübt.
Quo vadis?

Zugfahrt - Forum-Battle 76

Vorgaben


heimlich träumen rattern Notbremse Dampf Weiche Verspätung unterwegs Ungeheuer

Zugfahrt

Lange her, etwas mehr als 30 Jahre, zu einer Zeit, als in Europa noch Schlagbäume, Grenzstationen und Passkontrollen zu so mancher Verspätung im Reiseverkehr beitrugen. So auch 1988 bei meinem ersten und einzigen Interail-Abenteuer, meiner letzten Chance fast ganz Europa per Zug zu erfahren. Da gab es überall Grenzen, gekennzeichnete wie auch unsichtbare, sprachliche, menschliche, tiefgreifende oder erhebende. Doch ich wollte unterwegs sein. Ich träumte von Erlebnissen, die in Erinnerung blieben, von netten Begegnungen, Weichen und Brücken zwischen dem Gestern und dem Morgen. Manches hatte sich erfüllt, auf

Manches hätte ich gerne verzichtet. Doch darauf nicht! Ich hatte gelesen, dass das stählerne Ungeheuer in Irùn, einer kleinen Stadt zwischen Frankreich und Spanien, in die Luft gehen würde! Warum? War das vielleicht ein Luftschiff, ein versehentlich gebuchter Abstecher zu einem heimlichen Luftschloss? Ich schüttelte den Gedanken schnell wieder ab und widmete mich der Realität. Denn die Antwort war wenig prosaisch. Die Spurweite auf französischer Seite war eine andere als auf der iberischen Halbinsel. Und dann, fragte ich mich. Wie sollte es weitergehen? Ich folgte neugierig den anderen Reisenden, die aufgeregt oder auch völlig unbeeindruckt auf den unbedachten Bahnsteig des kleinen Städtchens strömten. Flirrende Hitze und

vielstimmiges Durcheinander schlugen mir entgegen. Nicht nur der warme, Staub beladene Wind nahm mir den Atem. Genervt vom eintönigen Rattern des wenig komfortablen Zuges reckte ich mich ausgiebig. Gottlob konnte ich den schweren Rucksack im Abteil lassen, nur die Papiere steckte ich ein. Dazu hatten mir erfahrene Mitreisende geraten. Dann ertönte ein gellender Pfiff und Bedienstete liefen hektisch von einem Waggon zum nächsten. Halterungen wurden fixiert, Notbremsen gelöst. Dann bemerkte ich, wie sich der Stahlkoloss plötzlich in Bewegung setzte. Zentimeter für Zentimeter verschob sich mein Horizont und der Zug schwebte über dem Boden. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, dann senkte sich der ganze

Zug wieder und die Radreifen standen nun auf einer anderen Spur. Mit einem tiefen Seufzer setzte sich eine altertümliche Dampflok vor meinen Zug. Die Reisenden strömten wieder hinein auf der Suche nach ihrem Abteil. Ich

hatte die ganze Zeit fasziniert da gestanden und dem Treiben zugesehen. Ein Pfiff! Ich erklomm die zwei Stufen, dann setzte sich der Zug in Bewegung. Ich kannte nur ein Ziel, immer der Nase nach gen Süden ...


Kein Luftschloss, keine abenteuerliche Wende. Und doch ist mir diese kleine Episode meiner Interrail-Reise auch nach mehr als dreißig Jahren präsent. Besonders im Hinblick auf die politischen Weichen, Wege, Ideen frage ich mich allerdings: Quo vadis, Europa?

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Über den Autor

KatharinaK
Ich erinnere mich noch gerne meiner allerersten Zeilen - ein Schulgedicht:
Der Winter ist ein Bösewicht,
die Bäume tragen Schneegewicht,
die Stämme sind kahl
und so schwarz wie ein Pfahl,
die Felder sind weiß
und auf dem See liegt Eis.
In den seither vergangenen Jahrzehnten hat sich mein Schreibstil sicher geändert - ist erwachsen geworden -, aber die Freude am Schreiben ist ungetrübt.

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Friedemann 
Deine anregende Geschichte weckte auch in mir Erinnerungen an die ärgerlichen und verfluchten innereuropäischen Grenzkontrollen und das Geldwechseln an den Grenzen, deren Wegfall wir damals so sehr bejubelten. Wesentlich schlimmer noch wäre bei solch einem Rückfall die Gefahr, dass die bald schon 80jährige Friedensperiode zu Ende gehen könnte.

Liebe Grüße,
Friedemann
Vor langer Zeit - Antworten
KatharinaK DAS ist der Punkt, Friedeman, auf den ich hinrollen wollte.
Danke für Deinen Kommentar.
Liebe Grüße,
Katharina
Vor langer Zeit - Antworten
schnief Ein tolle Erzählung!
Liebe Grüße Manuela
Vor langer Zeit - Antworten
KatharinaK Danke, Manuel. Mir kam diese Episode wieder in den Sinn. Da konnte ich nicht anders.
Liebe Grüße,
Katharina
Vor langer Zeit - Antworten
Ninamy67 Hallo liebe Schreibslerin, deine Geschichte hat mir gut gefallen!

LG
Nina
Vor langer Zeit - Antworten
KatharinaK Danke, Ninamy. Mir kam diese Episode wieder in den Sinn. Da konnte ich nicht anders.
Liebe Grüße,
Katharina
Vor langer Zeit - Antworten
Bleistift 
"Zugfahrt..."
Diese kleine Interrail-Spurwechsel-Geschichte hat mir gut gefallen,
ebenso, wie die am Ende deiner Story gestellte Frage,
auf welche die Politiker dieses Europas noch immer keine
Antwort wissen... Wenn ich mir dagegen diese desaströsen
Zerfallserscheinungen etwas näher betrachte, dann erst stellt
sich mir völlig zu recht diese Frage: Wohin gehst Du?...
LG
Louis :-)
Vor langer Zeit - Antworten
KatharinaK Danke, Louis, dass Du mitgereist bist. Dieses Battle schrie förmlich danach. Und meine Erinnerung tat ihr Übriges.
Wohin DAS führt? Ans Ende Europas? Zumindest geografisch ...
Liebe Grüße,
Katharina
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Ein sehr schöner Reisebericht, der mir gut gefallen hat.
Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
KatharinaK Danke, Bärbel. Mir kam diese Episode wieder in den Sinn. Da konnte ich nicht anders. Eigentlich sollte ich die ganze Geschichte erz...
Liebe Grüße,
Katharina
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