Muß Strafe sein ?
Wer in diesen modernen Zeiten Fragen stellt, sucht die Antwort meist im Internet, vorzugsweise bei Wikipedia. Und da steht dann zum Stichwort "Strafe" :
"Die
Strafe ist ein agressiver Akt gegenüber dem zu Strafenden, der als Folge eines normenverletztenden Verhaltens durch den zu Strafenden vollzogen wird und deshalb im Unterschied zu anderen Formen von Aggression als legitim angesehen wird. In der Regel wird Strafe heute begründet
- mit der Motivation von Erziehung zum Besseren
- mit dem Ziel der Abschreckung potentieller anderer Straftäter
- und dem Ziel des Schutzes der sonstigen Bevölkerung oder zur Wiederherstellung der Gerechtigkeit (Sühne). "
Aha. Es geht also um Normen und deren Verletzung.
Weiß man ja auch. Vor eín, zwei hundert Jahren gab es Kerker für Majestätsbeleidigung und Gotteslästerung; in manchen Staaten dieser Welt bis heutzutage. Taschendiebe wurden gehenkt, Deserteure ausgepeitscht , Hexen gefoltert und verbrannt, ja der Mensch hat viele Ideen entwickelt, wie er abweichendes Verhalten beantworten kann.
Bleiben wir, der Übersicht halber, mal im so genannt zivilisierten Mitteleuropa, oder noch genauer, auf den deutschsprachigen Raum beschränkt , sagen wir mal , am Beginn des 21. Jahrhunderts.
Wir blicken zurück auf eine lange Geschichte, die uns wahrlich alle Varianten des zwischenmenschlichen Umganges bietet, vom in Rudeln lebenden Urgermanen, die den Durchreisenden nach dem Ausplündern als Sklaven weiter verkauften oder an die Hunde verfütterten bis hin zu hoch effektiv organisierten Massenmorden als Bestandteil einer Beutewirtschaft.
Was oder wer da abweichend ist, kann mit Fug und Recht als Mode bezeichnet werden.
In Folge dessen ist es durchaus denkbar anzunehmen, daß künftige Generationen vom unserem Umgang mit gesellschaftlichen Aussenseitern genauso angeekelt sein könnten wie wir beispielsweise von den Verhörmethoden der Inquisition, sei sie nun die römische oder spanische Variante.
Aber wir wollen einmal annehmen, daß es in absehbarer Zeit als nicht hinnehmbar gilt, wenn Kinder ermordet werden; den Begriff des "sexuellen Missbrauches" will ich hier aus vielen Gründen nicht verwenden, für dieses Beispiel ist eine wie auch immer geartete schwere Gewalttat gegen ein Kind gemeint.
Wie mit dem Mörder, der Mörderin verfahren ?
Gibt es hier noch ein "Motiv der Erziehung zum Besseren" ?
Kann jemand wirklich "abgeschreckt" werden, eine solche Tat zu begehen ?
Oder geht es um den Schutz der Bevölkerung ?
Kann es Gerechtkeit geben, wenn ein Kind als zerstückelte Leiche gefunden wird ?
Muß Strafe sein ?
Das wirklich Böse
Ein Triebtäter, also eine Person, die aus nicht steuerbaren innerem Drang heraus Gewalttaten begeht , ist ohne Zweifel eine Gefahr für die gesamte Gesellschaft.
Wenn es auch in den letzten Jahrzehnten immer wieder Versuche gegeben hat, diesen Täter als "krank" und damit "heilbar" hinzustellen, so ist meiner Meinung nach immer ein Risiko gegeben, das eigentlich niemand verantworten kann.
Gleichfalls ist es aber auch zu sehen, daß der so genannte Triebtäter für sein Verhalten nur bedingt verantwortlich sein kann; es mag zwar auch Fälle geben , die einen von Grund auf bösartigen Menschen offenbaren, der absolut bewusst und völlig ohne Skrupel die brutalsten Verbrechen begeht. Aber dieser Typ Verbrecher gehört doch wohl eher in das Reich der Phantasie von Bestsellerautoren.
Bleiben wir der Einfachheit halber beim Klassiker der überkochenden Volksseele, dem "Kinderschänder".
Da begeht ein Triebtäter brutalste Handlungen an einem Kind, die mit dessen Ermordung vertuscht werden sollen.
Der Mann wird gejagt, gefasst, verurteilt und weg gesperrt. Aber das reicht nicht. Weder der erzürnten Öffentlichkeit noch den besonnenen Richtern, die sich um den Schutz der anderen Kinder sorgen. Dieser Täter soll nie wieder morden , er soll in "Sicherheitsverfahrung" genommen werden, also zum Schutz der Öffentlichkeit verwahrt werden; weggeschlossen für immer.
Aber darf man diesen Menschen denn auch "bestrafen" ? Kann die Tat "gesühnt" werden ? Gibt es irgend eine Möglichkeit der "Wiedergutmachung" ?
Ich finde, die Antwort auf alle drei Fragen ist "Nein" !
Eine solche Tat ist derart endgültig, das weder Sühne noch Wiedergutmachung möglich ist. Ein Kind ist tot und bleibt tot, eine Familie, eine Gemeinde, ja die ganze Gesellschaft wurde unwiederbringlich durch Gewalt eines Mitgliedes beraubt, das ist nicht mehr zu ändern.
Aber welcher Sinn liegt dann in der Strafe ?
Meiner Meinung nach
hat es zu allen Zeiten brutale Verbrechen gegeben. Ich denke auch nicht, daß sich das irgendwann einmal ändern wird. Was sich aber ändern sollte, ist der Umgang mit Gewalttätern.
Meiner Meinung nach, gibt es Menschen, die eine abnorme Veranlagung zu Gewaltverbrechen haben. Menschen, die immer wieder Gewalt gegen andere ausüben werden. Menschen, vor denen die Gesellschaft geschützt werden muss.
Ich bin der Meinung, diese Menschen müssen tatsächlich verwahrt werden. Die Gesellschaft muß vor diesen Taten geschützt werden.
Aber ich bin auch der Meinung, ein Mensch mit einer solchen Veranlagung ist und bleibt ein Mensch. Womöglich ein Mensch, der für seine Veranlagung nichts kann. Vielleicht , weil er krank ist, vielleicht, weil er selbst schwere Gewalt erfahren hat. Das ändert zwar nichts am Schutzbedürfnis der Gesellschaft, verbietet aber meiner Meinung nach die "Bestrafung" des Täters.
Ich bin viel eher dafür, derartige Gewalttäter gesichert zu verwahren und sie , abgesondert von der Gesellschaft, menschenwürdig leben zu lassen. Es besteht keine Notwendigkeit, diese Täter zu bestrafen, denn das kann und wird nichts nützen. Es besteht meiner Meinung nach auch keine wirkliche Grundlage dafür, denn für schwere Gewalttaten kann es , jedenfalls in wirklich zivilisierten Gesellschaften keine angemessene Strafe geben. 
