“Ladys and Gentlemen. Mesdames et Messieurs. Ich bin Graf Drag von Hinterwalde. Die bedauernswerte Existenz zu meiner Rechten ist mein getreuer Famulus Igor. Um der gängigen Praxis Genüge zu tun, möchte ich alle Anwesenden formal in Kenntnis setzen, dass Sie Nebenfiguren eines Überfalls geworden sind. Ich erwarte, dass sie diesem Umstand mit angemessenem Benehmen begegnen, dann werden wir gewiss keine größeren Schwierigkeiten bekommen und die leidliche Angelegenheit rasch hinter uns bringen.”
Erstaunt blickten die Anwesenden den hochgeschossenen, dürren
Neuankömmling an, dessen Gesichtsfarbe an frischen Schnee erinnerte und der einen Frack trug, welcher augenscheinlich nur unter größter Lebensgefahr einer Meute hungriger Motten entrissen werden konnte.
“Ob diese Leute mich wohl verstanden haben?”, fragte er seinen Begleiter, der jetzt erst sichtbar wurde, weil er sich zuvor aufgrund seiner gedrungenen Statur im Rücken des distinguierten Herrn verborgen gehalten hatte.
“Ja, Herr”, antwortete der merkwürdige Mann, dessen viele Nähte und Narben und verschiedenartige Körperteile, wie
ungleiche Arme und abweichend pigmentierte Haut, nur einen Schluss nahelegte: Dieser Mann war die Summe der Einzelteile viele Männer (und vermutlic einiger anderer Lebewesen). “Geht nur voran, Herr.”
“Ausgezeichnet. Lass uns zur Tat schreiten, Igor.”
*
“Wir gedenken eine Abhebung vorzunehmen, meine Liebe. Geht ganz schnell. Gebt uns die Truhe und vergesst nicht den dazugehörigen Schlüssel.”
“Eine Truhe haben wir nicht.”
“Dann wickelt alles in eine Plane,
Kindchen.”
“Sie meinen eine Plastiktüte?”
“Ich sehe, wir verstehen uns, Mademoiselle.”
“Plastiktüten haben wir nicht.”
“Igor, warum hatte ich dich gestern gebeten?”
“Fprecht ihr von der neuen Inftallation in Eurem Badefimmer, Herr? Ich fagte Euch, daff daf Urinal nur für daf kleine Gefäft gedacht ift.”
“Gewiss. Doch beim nächsten Mal informierst du mich bevor ein Unglück geschieht. Aber ich spreche von der
anderen Bitte. Wenn ich nicht irre, bat ich darum, eine Bank zu finden und diese kleine Transaktion zu planen. Kannst du dich erinnern?
Entzünden diese Worten deine darbenden Synapsen in deinem bedauernswertem Hinterstübchen?”
“Ja, Meifter. Tut mir leid, Meifter.”
“Nun denn, du Kreatur von magerem Intellekt, hättest du wohl die Güte, diese liebreizende jungen Dame und mich in Kenntnis zu setzen, wie wir das Geschäft erfolgreich abwickeln wollen?”
“Vielleicht kann fie ef in Gefenkpapier
verpacken, o Meifter?”
“Was soll dieses Gebrabbel? Was soll das sein, ein Gefenkpapier?”
“Verfeiht meine Unvollkommenheit, Meifter. Ef ift diefe neue Funge. Fie ift fu grof für meinen Mund. Ein Papier, Herr, in daf man Gefenke hübf verpackt. Fowaf wie Kerfenleuchter fu fönen Beftattungen oder eine hübfe Falatfüffel fu einem Effen.”
“Exzellenter Gedanke, Igor. Mich dünkt, mein Urteil war verfrüht. Nun, junge Dame. Hättet Ihr wohl die Güte alles in Gefenkpapier zu
packen?”
“In was?”
“Gefenkpapier. Ihr müsst schon etwas mitwirken, junges Frollein, das ist doch nicht zu viel verlangt. Merkt Euch, mit einem schönen Hals allein schafft man es im Leben nicht weit.”
Doch die Angestellte bewegte keinen Muskel. Sie starrte ihren Gegenüber mit offenem Mund und tellergroßen Augen an.
“O Anbetungswürdige, entschuldigt den bedauerlichen Fauxpas meinerseits. Das
geschieht, wenn man Jahrhunderte in Gesellschaft eines Igors verbringt, der alle paar Jahre mit einem neuen Sprachtick daherkommt.”
“Entfuldigung, Meifter.”
“Schon gut, Igor. Aber besorg dir baldigst eine neue Zunge. Deinetwegen mache ich mich vor zum Narren.
Junge Freundin, die Rede ist freilich von einem Geschenkpapier. Vielleicht etwas mit hübschen Kerzen. Ich mag Kerzen. Ganz entzückend wäre es, wenn Ihr eine kleine Auswahl erlesener Papiere feilbieten könntet. Falls verfügbar würde ich mich für schwarze Kerzen
entscheiden.”
“Etwaf mit dem Weihnachtfmann ginge auch, Herr.”
“Danke, Igor. Ganz recht. Es dürfte kein Geheimnis sein, dass ich den alten Zottel nicht besonders leiden kann, aber zur Not dürfte das wohl gehen.”
“Wir haben kein Geschenkpapier.”
“Igor, du Nichtsnutz, hörst du? Kein Geschenkpapier.”
“Tut mir fehr leid, Meifter. Ein Briefumflag könnte ficher gute Dienfte
leiften.”
“Du denkst schnell, Igor. Bravo. Gleichwohl darfst du überlegen, wie viele Wochen du zur Strafe im Verlies verweilen möchtest.”
“Gewiff, Herr, ich überdenke meine Feit in der Felle.”
“Nun, o Liebreizende, unser Besuch neigt sich bereits dem Ende, da ich annehmen will, dass Ihr uns mit einem Briefumschlag behilflich sein wollt.”
“Briefumschläge haben
wir.”
“Den Untoten sei es gedankt. Nun denn, worauf wartet Ihr? Würdet Ihr zu meiner Erquickung beitragen und Eure Schätze aushändigen?”
“Auch die Münzen?”
“Münzen?”
“Daf find kleine Feiben auf Metall, Herr. Wie dünne Falamifeiben, Meifter.”
“Ich weiß was Münzen sind, närrischer Unhold. Ich war allerdings nicht auf Münzen vorbereitet. Und nun schweig
still, Igor.”
“Fehr wohl, Herr. Ich fweige ftill.”
“Wenn es unbedingt sein muss, nehmen wir Euch gerne die Münzen ab. Wobei ich allerdings genug Gold besitze und nur ungern einen weiteren Keller bauen lassen möchte. Wir sind hinter Euren wahren Schätzen her. Ich nehme an, Ihr verwahrt die Kostbarkeit in stilvollen Flakons? Gebt nur acht, dass die Münzen das feine Kristall nicht beschädigen.”
“Flakons?”
“Daf find fierliche Gefäfe auf Glaf,
Miff.”
“Igor, du sollst dein Brabbelbrabbel einstellen. Mylady, bitte entschuldigt diesen Kretin.”
“Wir haben keine Flakons.”
“Keine Flakons? Welch närrische Zeiten dies doch sind. Ich bitte untertänigst um Nachsicht, mein Kind. Nach hundert Jahren Tiefschlaf muss ich mich erst an diese modernen Absurditäten gewöhnen. Stellt Euch vor, erst gestern sah ich einen Drachen in eine glänzende Ritterrüstung gehüllt. Er spie Feuer aus seinen Schwingen und das entgegen der
Flugrichtung. Hat je ein Mensch eine größere Verrücktheit erspäht?
Aber genug dieser Anekdoten. Nun wollen wir unser Geschäft zu einem guten Ende bringen.”
“Dann wollen Sie nur die Scheine?”
“Die Scheine?”
“Feine find … “
“Igor, schweig still, wenn du Gefallen an deinem Leben findest. Meine Geduld neigt sich dem Ende. O Entzückende, ich bin aufrichtig bemüht, Euch mit der gebührenden Freundlichkeit zu begegnen.
Doch inzwischen sollte klar geworden sein, dass wir keine Verwendung für Tinnef aus Metall und Papier haben. Können wir nun fortfahren oder muss ich erst meine Bitte mit Nachdruck vortragen.”
“Meifter … “
“Schweig, du elender Spross aus einem Geschlecht von Würmern.”
“Ef tut mir fehr leid, Meifter. Fu Haufe dürft Ihr mich in die Eiferne Jungfrau ftecken, aber ich kann nicht länger
fweigen.”
“Und in die Streckbank, Igor. Ich darf doch darauf vertrauen, dass die Streckbank in meiner Abwesenheit fachkundig gewartet worden ist?”
“Felbftverftändlich, Herr. Ich habe regelmäfig alle Faniere gefmiert und beffere Feffeln gefmiedet.”
“Dein hingebungsvoller Eifer ist wie immer vortrefflich, ganz im Gegensatz zu deiner Intelligenz. Nun sprich, Igor. Was in Teufels Namen ist so wichtig, dass es keinen Aufschub
duldet?"
“Ihr fagtet, Ihr gedenkt eine Bank auffurauben.”
“Natürlich. Nichts anderes tun wir hier. Auch wenn ich einsehen will, dass dieses Unterfangen sich nicht wie erhofft entwickelt.
“Ich fürchte, wir find hier falf. Ich bin untröftlich, Herr.”
“Was soll das heißen, Igor? Heraus damit.”
“Ihr hättet Blutbank fagen müffen, wenn
Ihr Blut ftehlen wollt.”
***