Bobby wusste nicht, wie es weiter gehen sollte. Die ganze Situation war seltsam. Seine Eltern waren letzte Nacht nicht nach Hause gekommen - jedenfalls vermutetete er das. Er hatte niemanden kommen gehört und im Haus war alles am selben Platz wie zuvor. Als er vorhin in das Schlafzimmer seiner Eltern gegangen war, hatte das Bett nicht so ausgesehen, als hätte jemand darin geschlafen. Hatten seine Eltern die ganze Nacht reglos in der Straße gestanden? Der Gedanke gefiel Bobby nicht. Immer mehr kam er sich vor, als wäre er in einem Alptraum gefangen. Das konnte doch nicht die Realität sein ... Es war alles so schnell gegangen, dass er keine Zeit gehabt hatte, zu realiseren, wie sehr alles aus den Fugen geraten war. Die Welt war nicht mehr dieselbe. Es war komisch, die ganze Zeit allein im Haus zu sein. Er war zuvor nur einmal Abends allein zu Hause gewesen - als seine Eltern ausgegangen waren und sie keinen Babysitter
hatten finden können. Er sei ja mittlerweile alt genug, hatte sein Vater zu seiner Mutter gesagt - Und seine Mutter hatte gesagt, dass er doch erst elf Jahre alt sei. Doch sie waren gegangen. Bobby hatte es damals unheimlich gefunden, doch es war auszuhalten gewesen. Nun beängigste ihn weniger, dass er alleine zu Hause war; viel mehr beängstigte ihn, dass sein Leben sich wohl für immer verändert hatte. Und er verstand es nicht. In gewisser Weise war es durch den Fakt, dass es so surreal war, leichter zu verkraften - Es schien einfach nicht wirklich.Doch er musste etwas tun. So konnte es doch nicht weiter gehen? Es hat alles mit diesem Brot zu tun, dachte Bobby, als er in der Küche stand. Reste des Brots lagen in einem Körbchen auf der Arbeitsplatte. Irgendetwas musste mit dem Brot nicht stimmen. Er nahm eine Scheibe in die Hand und musterte sie. Körnig und köstlich, dachte er. Das Brot sah eigentlich normal aus.
Vielleicht sollte er es Bills Vater zeigen. Vielleicht war tatsächlich mit dem Brot etwas nicht in Ordnung. Das könnte man doch herausfinden. Bills Vater kannte vielleicht Leute, die das Brot analysieren könnten. Er war immerhin Arzt und Ärzte kannten sicher andere gebildete und fachkundige Leute - Das war doch kein abwegiger Gedanke? Bobby packte die Scheibe in einen Gefrierbeutel. Er würde sie Bills Vater geben. Das schien ihm eine gute Idee zu sein. Besser sofort, dachte er und ging los. "Ich kann nichts versprechen", sagte Bills Vater. "Es war ja nur eine Idee", sagte Bobby. "Und es war eine gute Idee." Bills Vater hielt den Gefrierbeutel in der Hand und begutachtete ihn. "Es sieht wie normales Vollkornbrot aus." Bobby nickte. "Ich werde schauen, was ich tun kann. Es sollte eigentlich kein Problem sein", sagte Bills
Vater. "Hoffentlich." "Aber das könnte dauern. Ein paar Tage vielleicht." Das war Bobby nicht recht. Je schneller es ging, desto besser wäre es, fand er. Aber da konnte man wohl nichts machen. Er nickte wieder. "Was ist mit euch?", sagte Bills Vater und blickte zu Bobby und Oliver. "Eure Eltern sind ja -" Er runzelte die Stirn. "Nun, sie sind zu Hause. Wollt ihr bei uns bleiben, bis -" Wieder unterbrach er sich. "Bis das alles vorüber ist?" Bobby und Oliver schauten sich fragend an. Dann nickten sie. "Wär vielleicht besser so", sagte Oliver. "Is ziemlich gruselig allein zu Hause." "Okay. Wir haben irgendwo noch Luftmatratzen und Decken." Bills Vater blickte zu seiner Frau. "Ich denke schon", sagte sie. "Gut, gut. Also ich denke, das wird kein Problem sein. Bis heute Abend haben wir das
geregelt." Es schien wirklich eine gute Idee zu sein, fand Bobby. Er wollte keine weitere Nacht in dem leeren Haus verbringen. Es kam ihm zu groß und unheimlich vor, wenn er nachts alleine dort war. "Danke Mister Walters", sagte Oliver. Bobby pflichtete ihm bei. Bills Vater machte eine wegwerfende Handbewegung. "Das ist doch eine Selbstverständlichkeit. Und ihr könnt mich ruhig John nennen." Bobby und Oliver nickten. "Und, habt ihr Lust auf Pfannkuchen?", sagte Bills Vater. Er grinste. Er schien darum bemüht zu sein, eine lockere Atmosphäre zu schaffen. Bemüht darum, eine Art Normalität wieder herzustellen. "Klar", sagte Bobby. "Pfannkuchen gehen
immer." Harry war verzweifelt. Schon seit dreißig Stunden (er hatte es ausgerechnet) standen die Menschen mit den leeren Gesichtern in der Geschäftsstraße und blockierten sie. Die Menschen standen so dicht gedrängt in der Straße, dass die Tür zu seinem Laden blockiert war. Er kam nicht hinaus. Zum Glück hatte er hier eine Toilette. Gut, Getränke und Essen sollten kein Problem sein - er hatte hier ja einige Vorräte -, doch es war unangenehm, hier eingesperrt zu sein. Ganz zu schweigen davon, dass es unbequem war, hier zu schlafen. Er hatte hier kein Bett, nicht einmal eine Couch, und auch keine Decken oder Kopfkissen. Ein paar Tage war es auszuhalten, aber Harry wusste nicht, wie lange er auf dem harten Boden mit ein paar Kleidungsstücken als Kopfstücken würde schlafen können. Irgendwann würde sich das rächen. Und er
konnte ja nicht ewig hier ausharren - Irgendwann würden auch seine Vorräte zur Neige gehen. Und was war dann? Würde diese Gestalten jemals verschwinden? Warum standen sie überhaupt herum? Er erhob sich von seinem Stuhl und ging zum Kühlschrank. Er nahm eine Dose Cola heraus und öffnete sie. Die Menschen mit den leeren Gesichtern standen murmelnd vor dem Fenster. Er konnte ihre Stimmen hören. Immer zu sagten sie: Körnig und köstlich, körnig und köstlich, körnig und köstlich ... Er hatte es schon stundenlang gehört. Er nahm einen großen Schluck und musste aufstoßen. Hoffentlich bekomme ich kein Sodbrennen, dachte er. Er hatte keine Protonenpumpenhemmer mehr. Na, was soll's, dachte er. Das wird mich schon nicht umbringen. Er schaute hinaus zu den Gestalten. Sie standen nur da und murmelten. Er konnte sich keinen
Reim darauf machen, was hier geschah. Er wusste nur, dass alles mit Daniels und seinem Brot zusammenhängen musste. Das war glasklar. Nur, wie ließ sich das Problem lösen? Er hatte keine Ahnung. Er ging zu einem Regal und nahm ein Snickers. Immerhin würde er nicht verdursten oder verhungern müssen. Vorerst.