Wie bringt uns Poesie zum Weinen ?
Dieses Buch ist an meine geschätzten Mitautorinnen und -autoren ebenso gerichtet, wie an interessierte Leserinnen und Leser.
Ich fand diesen Artikel in dem Magazin GEO im Februar 2017 - wo sonst, als im Wartezimmer von meinem Akupunkteur. Die Ausgabe konnte ich leider nicht auftreiben, aber den Artikel hatte ich mit meinem Phone fotografiert.
Es handelt sich um Forschungsergebnisse des Neuropsychologen Eugen Wassiliwizky vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik.
GEO führte mit ihm ein Interview.
Ich hoffe, die Forschungsergebnisse dieses Neuropsychologen bewegen euch ebenso, wie mich.
Eure Martina
Leider ist es mir nicht gelungen, den Artikel als Fotos hier so einzufügen, dass alles gut lesbar ist. Daher hier für Euch den Text von mir übertragen:
Wie bringt uns Poesie zum Weinen?
-----Wie Gedichte Gefühle wie Leid und Lust auslösen, erforscht Neuropsychologe Eugen Wassiliwizky vom Max-Planck-Institut für emprische Ästhetik.
GEO: Wieso bewegt uns Gereimtes?
WASSILIWIZKY: Reime wecken eine Erwartung: Unser Gehirn versucht, das Ende des Verses vorherzusagen. Wenn sie sich erfüllt, fühlen wir Befriedigung. Interessant ist, dass metrische Muster in ähnlichen Hirnarealen
verarbeitet werden wie Belohnung.
Moderne Gedichte haben häufig weder metrische Muster noch Reime...
und sind stärker an individuelle Vorlieben gebunden.Der Gipfel des Bewegtseins ist erkennbar an einem "Gänsehautfaktor", den wir an der Haut messen. Für unsere Studien haben wir uns auf bewegende Gedichte konzentriert und Werke gewählt, die eine Form von Leid ausdrücken. Eingebettet in ein Gedicht löst das aber gleichzeitig Lust aus....
Wir empfinden Lust beim Leiden?
Ja, das Leiden kann man an der Kontraktion eines Stirnmuskels über der Augenbraue erkennen, die wir gemessen haben.
Gleichzeitig konnten wir in den Hirnscan-Daten sehen, dass das Belohnungszentrum aktiviert wird. Das sind tiefe Strukturen im Gehirn, die immer dann aktiv werden, wenn uns etwas
besonders gut gefällt.
Aber, warum gefällt es uns zu leiden?
Negative Emotionen sind aus evolutionären Gründen intensiv, weil wir in Gefahr sein könnten. Deswegen werden sie schneller verarbeitet und bleiben länger in Erinnerung.
Wenn wir intensive Emotionen, wie bei einem Gedicht in sicherem Rahmen erleben, können wir sie auskosten.
Und warum wird die Metrik in derselben Region verarbeitet wie Belohnung?
Die Strukturen, in denen Belohnung verarbeitet wird, sind Millionen Jahre alt.
Die poetische Sprache ist viel jünger, nur einige Zehntausend Jahre alt - zu kurz, um für diese Art von Reizen Neues aufzubauen. Deswegen werden die vorhandenen Strukturen
wiederverwendet.
Wer interessiert sich noch für Gedichte?
Kinder lieben poetische Sprache, aber nur ein bis zwei Prozent der Erwachsenen lesen Gedichte. Am Verlust des Interesses im Jugendalter ist auch die Schule schuld: Wo Gedichte nur Analyseobjekte sind, wird den Schülern die Poesie verdorben.
Wichtig ist, das sie zuerst einen emotionalen Zugang zum Gedicht finden.