Es fängt gut an.Gegen 8 Uhr verlasse ich das Haus und will meinen BMW rückwärts in die Garage des Bruders einparken.Ein Peugeot schießt die Benzstr. hinab und hätte mich beinahe gerammt.Als ob der nicht ein paar Sekunden Zeit gehabt hätte?Der Wagen bremste noch mal, wahrscheinlich hatte er auch gepennt, um dann, nach einem Moment, die Fahrt fortzusetzen. Wolfgang hatte es schon krachen sehen. Das Auto stand in der Garage, wieder war es vorher nicht angesprungen und ich holte mein Gepäck.Drei Jahre hier und nun auch noch ins Krankenhaus. Ein Ekzem, eigentlich ging es schon über ein Jahr, aber immer ist es nicht so wichtig, immer ist es nicht so schlimm. Anfangs waren nur Schuppen am Kopf und Schuppen ist nur ein Kavaliersdelikt. Nur beim Friseur war’s ein wenig peinlich, ergo geht man nicht so sehr oft hin. Nur wenn die Frisöse mich noch kennt, wird der Laden schon wieder peinlich. Da fuhren sie dann hin die Brüder ins morgendliche Potsdam, in das E. v. Bergmann Klinikum. Gut das der Bruder den Haupteingang kannte, gut dass er mich gefahren hat. Ein kurzes „...Mach’s gut...“ und er war fort. Ich schlenderte in das „gastliche Haus“, das den Charme des untergehenden Sozialismus ausstrahlte, es strahlte mich förmlich an. An der Rezeption saß ein männlicher Bürger in Dienstkluft und beantwortete ohne Aufzusehen meine Frage nach dem Weg. Die Station D2 – eben Dermatologie, bestand aus einem Flur mit abgehenden Zimmern und müden, muffligen Schwestern. „Da müssen sie sich erst anmelden“ – endlich eine Weisung. So lieben wir die Krankenhäuser und in diesen Bereich habe ich schon ein paar Mark investiert. Deshalb kostet nun die Übernachtung nur 17,00 DM (noch DM) und die Medikamente sind umsonst. Abgekühlt lässig ist der Umgang mit den Kunden, die hier Patienten genannt werden und nach der Abfertigung mit einem Werksvertrag so ziemlich die unfreieste Wesen sind.Weder die Dame an der Anmeldung, die den Aufnahmevertrag (mit Kopie für den Patienten) ausfertigt, noch die Schwestern und schon gar nicht die aufnehmende Ärztin legen Wert auf Namen oder so was. Hauptsache der Klient wird immer benannt, man sollte ihm besser ‚ne Nummer geben. Oder auch nicht, denn die Tradition...Man hat keinen Mangel an dieser Klientel, denn meist wartet man auf die Einweisung. Elf Seiten Druckwerk, ich müsste es auseinandernehmen – nur wer hat da Muse? Keiner belehrt mich ob der Rechtsmittel, denn hier wird massiv Recht vereinbart. Die Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVG), die Hausordnung, ein Merkblatt über die Eigenbeteiligung für gesetzliche Krankenversicherte (da kündigt sich das Klassenrecht an oder das private...), eine Zusammenstellung der liquidationsberechtigten Ärzte des Klinikums ( was war gleich Liquidation – wie sensibel man das Wort wählte) und 4 Seiten Tarife, da weiß man, wo der Frosch die Locken hat. Ganz am Ende steht der Verwaltungsdirektor, ohne Namen, aber sicher mit einem namhaften Salär. Der Tagespflegesatz beträgt 325,97 und schon wieder frage ich mich, wer diese Kosten kalkuliert hat – besonders die 97 Pfennige. Nur die Allgemeine Psychiatrie unterbietet diesen Tarif und das beim Einsatz von viel Wäsche und Personal. Vielleicht sind’s die Geräte, die den Satz so heben. Abgestandene Luft fällt mir als erstes auf und ständig wuselt es im Flur. Wie schön war das System der deutschen Oberschwester, aber der Beruf hat auch seine Wucht verloren. Eine blasse, jungen Ärztin – eben jene, deren Namen ich sofort vergesse, verhört mich oder sie beschäftigt sich mit dem, was mich plagt. Sie scheint weder ein Vorwissen/ einen Befund oder andere Erschwernisse bei sich zu haben und eilt geschäftig weg und kommt wieder, derweil eine ehemalige, deutsche Oberschwester mich ganz nebenbei wiegt. Dann kommt die junge Ärztin wieder und entschuldigt sich ein weiteres Mal zuviel und teilt mir mit, dass sie zwecks Untersuchung sogar die Tür abschließt. Mir ist das so egal, wie die letzte Wasserstandsmeldung und einzig mein chinesisches Tatoo lockt sie aus ihrer Lethargie. Man verfrachtet mich in ein Dreimannzimmer, ich komme mir vor, wie auf einem Schiff ohne Seegang. Se la vie oder so – immerhin bekomme ich eine Birken- und Beifußassoziierte Nahrung verordnet und umgehend verabreicht. Die zwei anderen starren unbewegt auf einen Bildschirm ohne Ton, den man dazukaufen muss.(denke ich) Ich kaufe nicht, ich habe einen kleinen TV dabei, der liefert Ton without Geld. Da bin ich wieder stolz und das Handy darf ich zwar nehmen und nur nicht sehen lassen. Das Zimmer hat außer 3 Betten einen kleinen Schrank (eher Spind) und der Tisch von 60 x 60 reicht mal gerade für zwei. Krank sein für Arme oder hier ist Sozialismus, alle sind gleich. Ein Bild und ein Spiegel gehören noch zur seriellen Ausstattung und über den Betten hängt drohend eine klobige Funktionalleiste. Da ist mein Platz in D2, Zimmer 220 neben der Tür oder besser fast im Schnittpunkt zweier Türen. Meiner Person wird allerhand zugeordnet. Medikamente, muss man hier nicht die eigenen nehmen. Wozu ich den Krempel dann in der Originalverpackung mitgebracht habe? In den Zeiten des Hightech und der Chipkarten kann man die Scannercodes mit Sicherheit irgendwo speichern und wieder abrufen. Nur das ist Kino und wir werden warten, bis die Idee aus Amerika kommt. Was der gemeine Kranke vor Einführung des TV in das Krankenhaus gemacht hat, ich weiß es nicht. Er war krank und Kranke liegen im Bett. Meist leiden sie und so erfüllen sie die „gegnerische“ Erwartungshaltung. Thats live – ne krank. Im Haus der Kranken lungern aber eine Menge Leute herum, die eigentlich gar nicht bettlägerig sind. Da könnte man was machen, nur was und das bei dem Befehl der Internierung. 26.01.2001 Verronnen die Nacht. Es war eine Nacht in Abschnitten und immer wieder bin ich aufgewacht. Das Zeug war seltsam, was ich träumte und durch die schlecht abgedunkelten Fenster fiel jede Menge Licht. Sonst ist es eher still. Der Morgen hat mich früh herausgetrieben, denn wer sich früh wäscht hat keinen Stress. Dann kam noch Baden dran in einer übelriechenden Brühe und das, was aus dem Wasserhahn lief sah auch aus wie der Rost in flüssiger Form. Die Griffe an den Badewannen waren komplett kaputt und sie können auch mal der Grund eines Unfalles sein. Die Taktik der Schwestern, sich viel abzuwimmeln und den Stillhaltekandidaten zuzuschustern geht mir bald ein oder auf. Warum auch nicht. Nur bei den männlichen Mitbewohnern fällt auch was auf, nämlich das sie sich gern verwöhnen lassen. Manche finden es sicher wie Urlaub. Die Bettwäsche wird gewechselt, auffällig ist das reibungslose Zusammenspiel zweier Schwestern. Dann kommt die OA Visite und man beäugt die Hautaufbrüche. Meine Nägel soll ich kürzen und bevor ich Handschuhe verordnet bekomme – schneide ich sie eben ab. Das Frühstück, Blutdruck messen, alle verwertbaren Körperflüssigkeiten abliefern und dann noch Temperatur nebst Puls – bald ist der Vormittag gegessen. Zwischendurch kommt noch mal Farbe ins Spiel, da kann ich auch schon mittun. Das Mittagessen wieder exclusiv for me, dann bummle ich durch Haus und Hof. Das Haus hat einen eigenen Friseur und Kiosk, für Geld kann man sich gleich am Eingang diverse Kleinigkeiten kaufen.Erschrocken weiche ich einer Krankenbahre aus, auf der ein alter Mann durch den Gang geschoben wird. Er sieht so aus, als ob er nicht mehr lange lebt und die Männer, die ihn schieben sehen völlig unbeteiligt aus. Sie fahren einen Patienten. So ist der Begriff ein Universalpool für ein Kind mit Nabelbruch bis zum Opa kurz vor dem Nirvana. Die Fabrik schluckt Viele – nur die Qualität der Entlassung ist ungewiss. Dass es Sterbehäuser sind verdrängen wir gern. Doch gerade irrt Herr B. wieder über den Flur, der gestern mit mir eingewiesen wurde. Er kam mit 2 Stangen Zigaretten, die ihm wichtig waren, ist Jahrgang 1942 und schon völlig verwirrt, denn er sucht ständig in einem anderen Zimmer sein Bett. Das Beispiel „Blut zapfen bei JFW“ ging auch so wie immer schief. Frau Dr. hatte kein Glück, erst beim zweiten Mal wurde sie fündig. Nun schmerzt mein Handgelenk. Es erscheint nach 24 Stunden der Trugschluss, dass alles von alleine läuft. Das Büro in Alzey meldet sich und eine Kamera ist da. Die Sache mit dem Scanner ist am Laufen und meiner Bitte um einen Bildschirm wird auch entsprochen. Sozusagen steigt der Stellenwert oder es scheint so, weil – man bemüht sich um deiner einer. 27.01.2001 Wenn die Nachtschwester zweimal kommt.Zweimal Blut zur Nacht. Jedes mal wache ich eine halbe Stunde vorher auf und denke, ich kann danach nicht wieder einschlafen. Die Schwester bei der Abendbehandlung hat ganz nebenbei erwähnt, dass sie so ein Ekzem sonst nur so bei Kindern gesehen hat. Aus der Haut wollen, in der eigenen Haut sich nicht wohl fühlen – Schlagwörter, die mir automatisch einfallen. Es gibt auch am Abend wieder Käse und Frischkäse, genau wie heute morgen. Vielleicht stellt sich da was um, ein Experiment an der Blackbox Mensch. Input ist die Eingabe und mal sehen, was der Output bringt. Der Appetit versagt überhaupt nicht, selbst in der etwas gewöhnunsbedürftigen Umwelt der Hautstation D2.Ich nehme unterbewusst vieles auf. Stimmen auf dem Flur, unterschiedliche Laufgeräusche und die sehr laute Art, wie sich Schwestern verständigen.Da passt gleich das Beispiel der Morgenschwester, die in unserem Zimmer die Betten richtet. Eine andere kommt hinzu und fragt: „...Bist du allein?...“, obwohl sie uns rein optisch wahrnehmen müsste. Diese „Zoomentalität“ gipfelt nur noch in der Art der „Weißen Wolke“, die sich ab und an (geplant) im Zimmer versammelt, den Delinquenten anspricht ohne ihn eigentlich zu meinen. Gleich geht die Crew ins unverständliche Latein über, das sagt: „... Wir wissen, was du hast, wir haben dir etwas verordnet und reden uns ein, es hilft...“ Wo liegt sonst der Grund der Verständigung in einer toten Sprache, die nur der Patient nicht kennt. Wozu dann die Visite (eigentlich: Besuch) dient, weiß der Geier, denn besuchen wollen die mich nicht. In so einer Lage würde ich keinen Besuch empfangen wollen und auch der ganze Rummel mit den nahen Angehörigen ist Müll. Im neuen Jahrtausend, wo schon das englische Oberhaus und der Papst Konsequenzen vorgemacht haben, sollte dieser „Vollzug“ in seiner abartigen Art auch mal revolutioniert werden. Über meinen Beitrag finanzieller Art will ich gar nicht reden. Da fällt mir sofort die „Raumlösung“ ein, die sicher ein WBK- oder BMK - Entwurfsingenieur verbrochen hat. Die Lösung des Eingangs ist schon ganz daneben, obwohl hier mit Sicherheit noch was zu löten wäre. Die WC- und Waschraumzuordnung in Zellen zu nicht mal 2x 2 Metern ist eine wahrhafte Zumutung. Das zielt schon wieder auf die Unmündigkeit des Kranken, denn der zuckt sicher nicht. Da kann auch die Frische der jungen Schwestern kaum was relativieren, es ist einfach unwürdig und nicht zeitgemäß. Das ging vor 10 Jahren noch, bei 60 Mark SV und einem hohen Maß an individueller Einsicht. Wie dann noch gereinigt wird, mit diesen Reinigungsbrettern und einem System, das nicht erkennbar ist – treibt den Service auf die Spitze. Wie gut das noch 1983 klappte.Gleich mit meiner Einweisung fragte ich nach einem Internetanschluß, da bedeutete mir die Ärztin (inzwischen kenne ich den Namen), dass die Klinikleitung sehr konservativ ist und nur die Chefs über so etwas verfügen. Wenn das eine Antwort ist? Vom Stand der modernen Medizin sollte doch alles zur Gesundung getan werden und das Management wäre gut beraten, wenn...Vielleicht schreibe ich an...?! 28.01.2001 Von der Wurst befreit.Und das seit Donnerstag, die Konsequenz des Krankenhauses ist gnadenlos. Ich, mit meiner Allergie und dem Zucker und dem Blutdruck. So weit ist man schon gekommen. Alles selbst gemacht! Am Ende eines Tages soll man resümieren über das, was ein gutes oder positives Gefühl hinterlassen hat. Automatisch hört man in sich hinein und fragt sich, was das eigentlich ist. Anerkennung durch Dritte, durch den Chef oder sonstigen Vorgesetzten? Und wenn keiner da ist? Und wenn er weit weg ist? Kann man ihm oder wem oder überhaupt verklickern, dass man was geleistet hat? Ist das dann nicht automatisch schön gefärbt? Der Trainer oder neuhochdeutsch Coatch würde sagen: „...Hör’ in dich hinein und du wirst es selbst erfahren...“.Wenn es ganz einfach wäre, hätte der Schweinehund, der innere, nicht mehr viel zu tun. Meine Idee einer Firmenzeitung habe ich gestern doch geschafft. Das Konzept nebst unverkennbarer Überschrift ist der wichtigste Teil. Als ich dann wusste, wie man das Layout bastelt und ein langsames Wachsen miterlebte, da hatte ich ein „gutes Gefühl“. Ein Sonntag auf Station ist wie jeder andere Tag. Sollte er sich auch nicht gerade hier vom Alltag abheben? Wie? Ein kleines Wort, ein besonderer Programmpunkt vielleicht? Da muss man eben erst die Patienten fragen.Mir fällt die schöne Schrift auf dem Medikamentensammler auf. Gleichzeitig 2 X -auf-, nicht gerade gut formuliert. Draußen ist das Wetter so trüb, wie ein Sonntag in der alten Heimat. Trotzdem ziehe ich im Hof eine Runde, ich färbe ja nicht ab – schon wieder ein Lapsus. Was kann ich noch entdecken an Novitäten? Die Vielzahl unterschiedlicher Schilder und Beschilderungen. Ein System ohne System, denn es erschließt sich nur dem Insider. Somit ist es kein Leitsystem und gerade dem muss man in einem solchen Haus eine hohe Bedeutung zumessen. Einen Briefkasten zur „Tütenanforderung“ sieht anders aus als ein Türschild und das wiederum ist klar anders in seiner Form und Aussage als ein abgehängtes Schild an der Decke, das den Weg weisen soll. Die große Kunst besteht darin den Besucher zu informieren und zu leiten ohne zwei untalentierte Brandenburger hinter einem Bürotresen für viel Geld und mit geringem Nutzen zu installieren.Es gibt eine Patientenbeschwerdestelle ganz hinten im Haus. Ob wohl je jemand da hinkommt? Sind ja eh alle krank. Ich bin für ein Ideensuchwettbewerb und die Azubis können da sicher etwas beitragen. Wenn die Schwestern am Sonntag nur irgendeine Besonderheit hätten, das wäre ’ne Idee. Ich komme mir jedenfalls so vor, als ob ich den Leuten den Sonntag verdorben hätte. 29.01.2001 Wenn’s dem Montag graut.Wieder beginnt eine Arbeitswoche. Mit neuer Schichtbesatzung und sofort fällt auf, dass Frau Dr. H. schon sehr früh da ist. Es gibt zwar keine Wolke, mir erscheint die individuelle Visite lockerer und das hierarchische System ist sowieso unklar. Wozu schaut ein OA und ein Prof. da noch auf den Fall? Mit dem Wetter ist auch nicht viel anzufangen, es reicht nur für den Hofgang. Die Nacht war wie immer zerrissen und gegen 6 Uhr zu Ende. Ich registriere, dass ich ruhiger werde und mir für Sachen Zeit nehme, die ich zu Hause im Schnelldurchgang erledigt hätte. Gleichzeitig bin ich nicht so einsam und unsicher, wie früher. Wesentlich interessanter ist der individuell nervliche Teil der Hauterkrankungen, nach denen kein Mensch fragt. Es werden Symptome behandelt, im weitesten Sinne zugekleistert. Wieso Steinkohleteer gut für die Seele ist, ich würde mit Öl und Düften behandeln. Man fragt demokratisch nach, ob man Probleme mit dem Geruch von Salben hat und gleichzeitig wird man durch den Anstrich gekennzeichnet. Ich komme mir so vor. Haut als Atmungsorgan, ich denke in vielen Poren sind Nervenenden und die Gesichtshaut bringt es ja an den Tag. Meine Probleme mit heißen Füßen und ausgetrockneter Nasenschleimhaut sind eventuell ein Hinweis. Ums Klinikum fliegen die Raaben, meist am Abend und ich bin dankbar für ein Stück Besserung. Auffällig ist nach wenigen Tagen, dass es wie eine Unterhaltung klingt, wenn plötzliche einer der Vögel laut krächzt und alle anderen schweigen. 29.01.2001 Nach der Ruhe der NachtImmer bin ich schon gegen fünf on Stage. Da kann man sich in aller Ruhe waschen. Ein paar Rudimente des Traumes haben sich in den Morgen gerettet. Personen waren die Mutter, M.Strauch und ich denke die emotionale Erinnerung an M.H.. Ich bin einen steilen Hügel emporgeklettert und auf halber Höhe stand ein Baum oder Strauch. Ein Ast brach beim Festhalten ab und in der Nähe spielten Kinder, die Russisch sprachen. Ein Gasthaus oder ein Tagungshotel erschien, vielleicht eine Erinnerung an Treffen des GIV oder eine andere Schulung. Der gestrige Tag hat keine OA Visite gebracht, Mutter rief ganz früh an und doch ging der Tag schnell rum. Was passiert, wenn scheinbar gar nichts passiert. Die Behandlung wurde auf die stinkende Steinkohlesalbe umgestellt, geringe Erfolge sind zu registrieren. Ich habe die Post abgeschickt und mich am Nachmittag unerlaubt für eine Stunde entfernt. Dabei fällt mir auf, dass ich ungern frage, ob ich etwas darf. Mit 50 bin ich alt genug. 31.01.2001 That’s liveWieder eine Nacht überstanden. Was der gestrige Tag gebracht hat ist minimal. Irgendwann gab’s Spirometrie, ich hab’ mir die Lunge angestrengt, wie wild... Visite war das Highlight des Morgens. Mit Prof. und OA, die Affenschau wird auch bei der Wiederholung nicht besser.Ich habe mich an die Kasernierung gewöhnt, ohne mich wesentlich zu verbiegen. Ich merke sofort, dass es mir immer schwer fällt, über mich zu reflektieren. Da haben es die Wessis besser... Mein Büro hat sich gemeldet. Nicht meine Bosse, sondern Frau D. von der Telefonzentrale. Ich finde es richtig rührend, welche netten Worte sie gefunden hat und gleichzeitig ist es mir peinlich, wenn sich jemand mit mir beschäftigt. Vielleicht im nächsten Leben... Die Qualitäten der weiblichen Angestellten sind ein Lehrbeispiel, wie manche recht herzlich, manche sogar echt natürlich, manche aber auch gehemmt und kalt erscheinen. Besonders bei den „Serviceleistungen“, wie Essenausgabe und Betten machen kann man den Unterschied bemerken. Die, die dem „Konsumenten“ gut gefallen, merkt er sich mit Dankbarkeit. Der Appetit und der Schlaf – Rhythmus haben sich gut einreguliert. 01.Februar 2001 FaschingKann man an Fasching denken, wenn man im KH bemalt wird? Wohl kaum! Die Raaben kreisen aufgeregt um den Komplex, was haben sie nur? Ein normaler Tag war gestern und die erste Woche ist überstanden. Mit etwas Besserung und erneutem Jucken an Händen und der Brust. Die kleinen Plänkeleien sind vielleicht der Flirtersatz des Alltags? Ich habe aber eigentlich gar kein Umfeld, fällt mir auf. Also schaffe ich mir eins oder nehme es mir vor. Am Vormittag erkunde ich das Haus an unbekannten Ecken. Gegen 10.30 besuchte ich Ludwig, der auf der Urologie liegt. Die haben ihn an der Prostata operiert oder so – ein Touch der Sprache, die man hier spricht.Das Basteln an der Firmenzeitung hatte mich auch etwas aufgehalten, zumal ich mit dem Einfügen nicht zurecht kam. Meine Tochter, fern in D.-dorf hat mir geholfen. Mein Bruder rief am Abend an, um mir von der Sauna zu berichten.’Ne Jungsche mit einem roten Bär, die Konturen rasiert, das war ihm aufgefallen und wenn das Anschauen Freude macht – why not.Ganz nebenbei, ich wollte immer schon erwähnen, das der Innenhof des Klinikums/Garten sehr gut angelegt und vorgehalten ist. Gleichzeitig registriert der Patient den „Riesenaschenbecher“, der unter dem Fußabstreicher angelegt wurde. Ein Beweis für die schlechte Komplettleitung des Hauses, der Verwaltungsapparat scheint ohnehin überaus aufgebläht. Als unser TV- Gerät gewechselt wurde, waren mehr als 5 Personen im Spiel. Beim Blick aus dem Fenster stelle ich fest, dass es auch im Winter jede Menge verschiedenes Grün gibt. 02.Februar 2001 Das Krankenhaus wacht aufMit dem Schwung, den nur Frauen am Morgen entwickeln können, erwacht das Klinikum. Raus aus den Betten und das Laken gerichtet, rein in die Falle und auf die Visite warten. Die Raaben kreisen schon um den Bau.Was hat mich gestern dankbar gemacht? Ein Anruf des Büros, der mich überraschte, die Anteilnahme der Kollegen, die sicher an eigene Erfahrungen mit dem Krankenhaus denken? Auf jeden Fall war ich zufrieden, dass mein GF das Zeitungskonzept so erst mal akzeptiert. Mal sehen, was daraus wird. Mutti hatte eine Idee für Abzeichen (Buttons) zum Treffen des GIV im Mai – ich habe die Realisierung an Rainer gegeben, der will sehen, was er tun kann. An den Händen bricht ein Ausschlag aus der unangenehm juckt und Bläschen bildet.Meine Hofrunden habe ich konsequent gesteigert und wenn der Bewegungsradius eingeschränkt ist, macht das Bewegen wieder Spaß oder man tut es bewusst. Der Test der Lunge hat ergeben, dass die Werte so gut sind, dass kein Lungenspezialist eingeschaltet werden muss. Schwester D. hat uns gestern über die Extermfälle auf D2 erzählt, da kamen Fälle vor... Die Nackenhaare sträuben sich, wenn man an Maden in Wunden oder an Krätze und verschorfte Köpfe denkt mit kleinen Tierchen. Letztlich ist aber jede Krankheit ein Befall durch andere Organismen und es gibt Millionen von Bakterien und Viren, mit denen wir jeden Tag leben ohne es bewusst zu checken.Nun ist es Mittag und die Visite ist durch. Der OA hat sich sehr beliebt gemacht mit der süffisanten Bemerkung: „...Sie könnten hier noch ein halbes Kilo abnehmen...“. Frau Dr. H. hat dies mit einem Zwinkern relativiert. Nun geht unser Dritter. D. aus Niemek. Ein besonderer Fall, wo mit Sicherheit eine psychische Komponente reinspielt. Ein Mensch, den seine Umwelt total geprägt hat und der sehr empfänglich ist für jede Beeinflussung. Er trägt das Herz auf der Zunge, kann man bei ihm sagen. Ein besonderes Verhältnis zum Vater, der kommt und nur so dasitzt. Die Mutter verunglückte vor Jahren tödlich. Zur Stiefmutter hat er ein komplett gespaltenes Verhältnis und die Schwester nutzt ihn aus. Eine Frau wäre hier sicher nicht schlecht, der Schwester ist aber der LAG weggelaufen (nebst Kind) und da hat er eine. Ganz nebenbei mag er Kinder, er vergöttert jedes Kind, vielleicht weil er ihnen noch so nah ist in all’ seiner Naivität. Seine Hautauffälligkeit hat in der Spannungszone gewiss ein gut Stück Ursache. Er wollte gar nicht heim – weil er hier heimisch war. Das gibt es nur im Klinikum. 03.02.2001 Ein neuer Tag, ein neues SpielWas so passiert, wenn scheinbar gar nichts passiert. Gewöhnung an die Routine. Man registriert die feinen Unterschiede. Ein neuer Mann an Bord, die Zimmer wurden umgeschichtet. Ich bin gespannt, wann sich D. mal meldet. Heutet ist keine Visite. Trotzdem ist der Rhythmus wichtig und die Reihenfolge der Tage verwischt. Innerhalb dieser Abfolge muss man bewusst seine Freiräume gestalten, sonst wird man vereinnahmt. Am PC lerne ich schrittweise dazu – learning by doing ist das Motto.Aufregend ist, wenn ich eine Scheibe Wurst bekomme und ich schmecke hier anders – vielleicht bewusster. Sogar hier kann man Abwechslung gestalten. Wir sind am Nachmittag mal nach oben gefahren und haben über die Stadt geschaut. Draußen gab es Neuschnee und die freien Bürger verwickelten sich sofort in ungezählte Auffahr- und andere Unfälle.Heute erschien es mir, als ob ein kleiner Unterschied in dem Morgenschwung der Schwestern war – die Besatzung ist aber eine andere. 04.02.2001 Schneechaos in BerlinEs hat ein wenig Neuschnee gegeben. Prompt ist Chaos angesagt. Berlin ist eben Berlin. Der Sonntagmorgen sieht mich gegen 7 Uhr am PC. Ich wollte noch notieren, dass ich gestern Abend zum zweiten Mal mit dem Begriff „Spätstück“ konfrontiert wurde. Das ist ein Apfel, den die Schwester mir brachte und den man zur Nacht isst. Außerdem brachte die Nacht einen Traum vom Rathgeber. Der wurde 50 und was schenke ich war mein Problem. Ich werde 50. Ich habe ein Geschenkproblem... Im Traum hab ich ihm ein Bild 60 x 80 versprochen. Gestern kamen die Nachbarn zu Besuch. Ich hatte Dampf davor. Was mach ich mit dem Besuch, es ist eben nicht meine Umwelt. Doch dann lief es ganz gut. Hautkrankheiten hat Jeder im persönlichen Umkreis, der Schwager von Frau R. hat kaputte Hände. An einen solchen Umfang kann ich mich aus Kindertagen nicht erinnern. Es war eher die Ausnahme. Wir hatten ein Thema und die Neugier der Menschen ist auch ein Teil. Meine Hofrunden steigere ich täglich, gestern waren es 12. Eigentlich müsste ich mal dringend in’s Internet schauen, denn eine Menge Leute wissen nicht, dass ich mich hier rumdrücke. 05.02.2001 Was kommt dann?Draußen hat das weiße Chaos gesiegt. Nach dem Schnee scheint es Frost gegeben zu haben und nun...Nach der Gewöhnungsphase – der, in der ich erkundet habe, setzt nun die Integrationsphase ein, schließlich bin ich schon die zweite Woche da und die Abläufe erscheinen alltäglich vertraut. So leicht ist der Mensch manipulierbar.Gestern war eine Menge Besuch da, W. und M. nebst F. und A. . Wir sind gegen 15 Uhr einen Kaffee trinken gewesen. Ich weiß, es soll nicht sein, ich bin auch noch etwas unsicher. Der Besuch hat mich genervt. Fragen nach dem Woher und „Wie – lange – noch“ gehen mir auf den Senkel. Es ist die typische Art und Weise der Delegierung von Aktivitäten, die mir nicht gefällt. Ich denke, dass man den Akteuren einen gewissen Vertrauensvorschuss geben muss. Krankenhausrefllektionen sind gut geeignet als Bericht, weil man sowohl passiv, als auch aktiv spiegeln kann.Der Traum war sehr seltsam. Ich war mit einer vertauten Person beim Einkauf und wir redeten, dass der „Hirsch“ nicht so gut dran sei. Er wohnte in Zella und brauchte dringend irgendein elektrisches Gerät. Wir haben es ihm gekauft, es musste nur noch was umgeklemmt werden. Zu Hause wohnte ich in einer merkwürdigen Wohnung. Sie ging über mehrere Ebenen, wie eine Treppe. S. war da und plötzlich begann ein Feuer unter dem Tisch um sich zu greifen. Ich löschte es, obwohl es schon sehr stark um sich gegriffen hatte. Immer fragte ich, ob ich die Feuerwehr noch holen sollte. Niemand unterstützte mein Wollen. Plötzlich schlug die Aktion um, denn man hatte das Gerät gebracht, welches irgendwie mistig aussah. Ich nahm mir den Mann vor und wollte eine Preisminderung. Es artete in einen echten Streit aus. Ich habe meine ganze „ERFI“- Aversion auf ihn bezogen. Später kam ich noch zu G.K. von der Zeitung und sie überreichte mir einen Sonderdruck mit historischen Inhalt aus den Zwanziger Jahren. Da kann man nun dran rumdeuten. Die Hände jucken und an den Brustwarzen erscheint auch ein Ausschlag. Die Krankenhausmaschinerie erwacht mit Stimmen und Geräuschen und allem, was dazu gehört. 06.02.2001 Ein Fisch auf StationGegen 5.30 ist ein Silberfisch das erste Lebendige, was ich auf der Station erblicke. Schon eine Stunde später rollt der Koloss an. Die Raben sind auch wieder da, irgendwie habe ich sie vermisst. Mein 13. Tag auf D2 und langsam könnte eine Wende zur Besserung eintreten. Frau A. machte gestern allein Visite und hat sich sehr gründlich und persönlich um uns/mich gekümmert. Die Bläschen an den Händen sind eine allergische Reaktion. Der Vergleich mit einem Marienkäfer ist zwar nicht gerade professionell, aber nett. Sie verweist auf die Chefvisite am heutigen Tag, um die weitere Behandlung zu fixieren. Die Hofrunden waren sehr schwierig zu laufen, weil über dem Schnee eine starke Eisschicht lag. Heute ist es warm draußen, innerhalb von einem Tag gehen die Temperaturen um 10 Grad hoch. Die Kuriosität des Tages ist die Nachricht, dass es in Deutschland keine Klinik gibt, die betriebswirtschaftlich fallbezogene Kosten ermitteln kann. Wieder einmal deutet sich eine Reform an. Ich frage mich, woher dann die Basispflegesätze kommen. Über das Verhältnis zu den Zimmerkollegen werde ich an anderer Stelle nachdenken, auf jeden Fall wäre ein psychologisches Hinterfragen wichtig. Die Mutter von A.B. ist an Krebs gestorben, als er 14 war. W.W. kennt den Backround, denn er war Stammgast in der Kneipe seines Vaters. So verknüpft sich alles miteinander. Frau A. hat mich gefragt, ob ich mich zwanghaft kratze, es entspannt wenn man aufkratzt und mich mit Zufriedenheit erfüllt, wenn das Blut läuft. War aber nur so ein Randtalk. Mit seiner Haut leben und zu seiner Haut stehen ist sicher ein Thema der Dermatologie. Wie aber der übergreifende Faktor klappen soll – unklar. Wenn ich eine Metallallergie habe, könnte ich ab sofort nicht mal eine Türklinke anfassen – Handschuhe wären angesagt. 07.02.2001 Second week on stageHeute habe ich die zweite Woche geschafft. Ich glaube mein PC hat Schluckbeschwerden. Oder es macht der Wechsel zwischen Englisch und Deutsch. Ach ja, die Wolke war ja da. Il Professore in Person, der blasse Herr mit der antiseptischen Ausstrahlung. Da wurde meine Tupfsubstanz von violett in pink gewechselt und ich soll auf den nicht befallenen Rückenflächen getestet werden. Die Hände jucken, wie in Brennnesseln gelegt.„Warum gibt es so viele Wasserrohrbrüche?“ eine wichtige Frage, die der Berliner Rundfunk stellt.Der Schnee war am gestrigen Tag verschwunden und ich konnte meine Runden drehen. Das Problem ist, den inneren Schweinehund zu überwinden. Meine Kollegen haben mir einige Sachen geschickt und selbst mein GF bedenkt mich mit Arbeit. Ich halte mich mit dem Studium der Zeitung auf dem Laufenden. Wir haben über die Herkunft von Frau A. diskutiert, weil sie offenbar einen türkischen Vornamen hat. Unsere Zimmerdoktorin ist zur Zeit im Urlaub in Mittelamerika, deshalb hat sich auch an den Tage vorher echt vorgebräunt. Wir waren schon verwundert; alles erklärt sich. 08.02.2001 Morning has broken Wie schön, wenn es wieder los geht. Der gestrige Tag war etwas unruhig. Nach dem Hinweis auf ein Pickel am Hals, erkannte die Fachcrew ein Forunkel. Ich musste warten, bis der OA vom OP so weit war. Dann kam er und sah, dass das Teil offen war. Also sprach der OA wird das nichts. Ein Pflaster ziert nun meinen Hals. Am Vormittag kamen noch zwei Testflächen auf dem Rücken dazu, die nun einwirken müssen. Am Abend wurden mir noch Folientüten verordnet, die über die eingekremten Hände gezogen wurden. Dann noch weiße Baumwollüberzieher darüber und nun konnte ich nichts mehr anpacken. Der gestörte Ablauf brachte mich zu spät in den Hof, ein Regen machte meine Rundgänge wenig lustig und ich suchte die Bibo im Haus. Das Geheimnis eines Krankenhausaufenthalt ist, dass man immer etwas vorhat. Die Hände jucken teuflisch. Wenn man im Krankenhaus dann noch die Bindung nach draußen nicht verliert, ist es schon fast zu ertragen. Meine Zimmerspezis sind ohne Arbeit – im Moment. Entsprechend ohne Antrieb erscheinen sie am Morgen, sie haben nichts vor. Ihre Gedanken kreisen nur um Fernsehen und Essen, von den Verordnungen unterbrochen. Wenn es das ist... Meine ausgeliehenen Bücher hab ich gleich verschlungen. Die Zeit geht schneller rum. Am Abend gegen 21 Uhr meldete sich noch RS über Handy, es gibt Neues und Moskau entwickelt sich. Heute sehen wir weiter. 09.02.2001 Friday on my mindSo fangen nur Freitage an. Der PC zeigt manchmal Unverständnis, wenn ich zwischen den Sprachen springe. Soll er nur. Was hatte wohl der Donnerstag. Ach ja – keine Hofrunde, weil der Anus plötzlich schmerzte. Zu allem Überfluss musste ich das Teil dann noch der Ärztin vorstellen. Mein Büro ist nach Zell am See und ich bin hier. Das Leben ist grausam, aber ungerecht. Zu allem gibt es nun noch Rindenbäder für Hände und Füße. Eichenrinde zum Gerben!? Der Tag ging rum mit dem Studium des Buches von W. Momper. Vorbereitung auf den Kontaktfall. Ganz nebenbei; schade um das Papier. Ein Bürokrat schreibt ein Buch – ohne Ups and Downs eben. Woher soll so ein Mensch die auch wirklich kennen? Die Onkologie hatte Hochbetrieb, wahrscheinlich kommen da Tagespatienten. Wenn man da die Patienten auf dem Flur hört, kann einem etwas komisch werden. Alles ist endlich. Dann gab es am Abend noch einen Neuzugang im Nachbarzimmer und der bekam dann 5 Mann Besuch. Die Burschen verwechselten dann die Station mit einem Event, ich etwas lauter einen Hinweis geben musste. Dann war Ruhe. Wollen sehen, was der Freitag bringt. Am Abend will ich nachtragen, dass ich von einer weiteren Ärztin enttäuscht wurde. Trotz einer Absprache am Morgen zur Visite und einer Erinnerung von meiner Seite am Nachmittag wurden meine Testpflaster erst von der Diensthabenden entfernt. Ich stelle fest, dass dieser Berufsstand auch nur noch einen Job macht und der Arzt, der seinen Beruf als Berufung lebt ausschließlich in meiner Erinnerung und im Kino lebt. Dies soll keine Abrechnung sein, sondern eine Feststellung. 10.02.2001 Ich will weg – ganz weit weg.Es beginnt ein neues Weekend. Ich muss analytisch feststellen, dass der Lapsus der Ärztin auch auf mein Konto geht. Gründe: - als Fall bin ich trivial und – persönlich gelang es mir nicht, mich so interessant zu machen, dass sie mich nicht vergisst. Soviel zum Thema Eitelkeit oder so. Der gestrige Tag brachte den Abschied von einem weiteren Zimmernachbarn. Nun bin ich der letzte der Stammbesatzung. Die Luft hat gebrannt, denn der Stress auf der Station war rundherum zu merken. Sollte eigentlich nicht sein. Das Verhältnis zwischen den Ärzten und den Schwestern wurde gestört durch nicht geregelte Kompetenzfragen. In wessen Zuständigkeit fällt die Stationsbelegung – das sollte geregelt sein. Im Rahmen der Neubelegung/Umlegung kam eine Omi ins Nachbarzimmer und eine „Schuppe“ zu uns. Er kennt das Leben auf der Station schon und ist öfter 5 Wochen zu Gast. Gleich nach der Belegung des Nachbarzimmers, während ich mir noch humanitäre Gedanken machte (...sollte man die Omi besuchen und ihr beistehen in den letzten Stunden?...), wurde ein Schild wegen Infektion an die Tür geklebt. Schon war die Station unruhig geworden!!! Ich haben noch nie so „nah am Tod geschlafen“ und in der Nacht horchte ich auf alle Geräusche. Als ob der Sensenmann hörbar wäre... Mein Besuch hat mir einen Marienkäfer aus Plüsch mitgebracht und die ständige Nachfragerei geht mir auf den Keks. Es wird Zeit, dass ich hier rauskomme. 11.02.2001 SonntagIrgendwie gehen die Sonntage los, wie auf D2 eben. Beim Bettenmachen gegen 6.30 fällt mir wieder auf, dass sich die Schwestern rein mit sich selbst beschäftigen. Wie schön wäre die Frage, nach dem Wohlbefinden am Morgen. Man wird nur als Besatz im Zimmer wahrgenommen. Welcher Mensch will nicht als Individuum gesehen werden? Der Samstag hatte wenig Abwechslung. Ich habe die Wochenendversorgung gesichert und mittags gab’s den obligaten Eintopf. Diesmal war es Kohlrabi mit Wasser und Gewürz, nebst kleinen Fleischkrümeln. Das Wetter war sonnig, aber kalt. Mit der Außenwelt halte ich über’s Handy Kontakt. Mutter meldet sich öfter. Wolfgang, Marion, Fabian und Anne und sogar Ilja waren am Abend noch da. Kollege Frank rief aus Zell am See an. Ein wenig Neid und Traurigkeit schwingt mit, wenn ich sage, dass ich gern dabei gewesen wäre. Ja, mein Traum hatte Thorsten verarbeitet. Wir waren auf einem Bahnhof, stiegen eine Treppe hoch und plötzlich war ein U-förmiges Teil betoniert. Sofort rief er im Büro an, um bei Axel zu klären, wer das verbockt hat. Später waren wir in L. zwecks Eröffnung einer neuen Bäckerei. Irgendwie kam noch der Klemm an, er prahlte mit einem neuen Hut. Die Hände jucken und die Hautaufbrüche auch, es geht zu langsam... Das Problem des dritten Mannes ist die Krankheit seiner Mutter – sie hat Alzheimer. Dr. I. war mir am Morgen aufgefallen, da er meinen Gruß nicht erwiderte. Am Abend gegen 18.35 macht der gleiche Typ Stimmung im Schwesternzimmer. „...Der Chef ist nicht der Durchgreifertyp...“, was auch immer er meint, er macht gegenüber Schwester D., die mit Sicherheit eine Tratsche ist, eine Aussage, die diese weitergibt. Intrigen auf Station, wer hätte das gedacht? 12.02.2001 Immer wieder MontagEine Erkenntnis dämmert mir, man müsste nicht symptomatisch an die Dermatose herangehen, sondern bei den permanenten Fällen, die „Schicksalsbasis“ sucht. Wenn man dann den Kranken parallel mit medizinischen Gaben und zielgerichteten Gesprächen behandelt, außerdem auf eine entsprechende Umwelt achtet und auch das Personal mit einem Basiskurs sensibilisiert wären die Erfolge merklich schneller zu erzielen. Was haben wir dagegen eine Klassenmedizin, wo sich Edelkranke mit indischem Öl – und Massagekuren verwöhnen (für viel Geld) und das Kassenvolk liegt in Spitälern, die nur an den Symptomen heilen. Ein wenig Erfolgslehre wäre ebenfalls angezeigt, was ja Bestandteil der Psychotherapie ist. Der Sonntag war einer von den üblichen. Ich nahm meine Hofrunden wieder auf. Das Essen war ausreichend. Die Bücher verkürzen den Alltag und am Abend kam der Besuch. Ilja hat sich um mein Auto gekümmert und Fabian hat verkündet, dass er es kaufen möchte. Nach dem Krankenhaus muss ich dringend den Shakespearschen Hintergrund untersuchen. Könlechner schreibt in „Erfolgsmethoden gegen die Krankheiten unserer Zeit“: „... Jeder aufmerksame Naturheilarzt hat bestimmt schon die Feststellung gemacht, dass ein ausschließlich äußerlich behandeltes und damit „unterdrücktes“ Ekzem eine „innere“ Erkrankung wie z.B. ein Asthma entstehen ließ. 13.02.2001 Ruby TuesdayWieder beginnt ein Dienstag. Ich habe Hoffnung, dass es der letzte auf D2 ist. Aus unerfindlichen Grund zieht es in der linken Brustseite, vielleicht habe ich mich verlegen. Wie Patienten sind, darüber haben ich nachgedacht. Es sind Egozentriker. Man kann sie mit Insassen von JVA’en vergleichen. Sie haben einen eingeschränkten Rechts- und Bewegungsstatus. Sie sind argwöhnisch untereinander und gegenüber den anderen Zimmern. Es existieren mehrere Personenkreise in eigenen, eng abgegrenzten Kreisen, die sich umeinander bewegen. Von außen und von innen gesteuert treffen sie aufeinander und mach mal zufällig. Die Kreise sind: die Patienten, das medizinische Assistenzpersonal und das medizinische Fachpersonal. Untereinander gibt es Beziehungen und Abhängigkeiten. Am Morgen wurde ich Zeuge eines Gesprächs zwischen den Schwestern. Die eine hat ab Freitag. „...Ich hatte gehofft, dass sich die Sache bis dahin erledigt hat...,...ich denke aber, sie bleibt uns noch etwas erhalten...“. Der Bezug war voll und ganz unsere Nachbaroma K, mit ihren 87 Jahren. Man wartet offenbar auf ihr Sterben, so ganz ohne Nebensätze. Wie der Mensch zum Fall wird. Der gestrige Nachmittag war OP Time. Mein Hals hatte an der linken Seite ein Forunkel und Frau A. durfte unter der Assistenz des OA F. den Schnitt vornehmen. Schwester D. kommentierte: „...Da waren sie aber tapfer, dass sie die drangelassen haben, das hätte nicht jeder...“. Ein Urteil, was ein Schlaglicht auf die o.g. Beziehungen wirft.Es gilt, wie immer neue Begriffe festzuhalten und zu erläutern. Im fremden Land der Mediziner sind Schichten gleich Diensten und soeben erfuhr ich das Wort „Nachmittagsroutine“, worin der Ablauf des Nachmittags zu verstehen ist. Summierend kann man sagen, dass die Schwester nicht immer das weiß, was der Arzt weiß und manchmal der Patient der Mittler über allen. Ich habe eine Menge gelernt. Die Ärzte haben offenbar verlernt, dass besonders in der Gegenwart, wo Zuwendungsverlust und Kommunikationsverarmung an der Tagesordnung sind, ein wenig individuelle Zuwendung den Heilungserfolg anstacheln würden, denn noch immer denke ich ist der Patient mit seinem Willen zu fünfzig Prozent an der Selbstheilung beteiligt. Die Realität ist eine zurückgezogene Institutionalisierung, die das Hauptelement Patient hilflos an den Rand drückt oder das andere Extrem ist der unwissend fordernde Patient im Bewusstsein seiner Zahlungskraft. 14.02.2001 Letzter MittwochGenau 3 Wochen hat es gedauert. Was gestern war, war trivial und aufregend zugleich. Visite mit dem OA Flegel und anschließend die übliche Schmier-Kur. Dies Wort kennt nicht mal der PC. Gleich früh habe ich Marion gratuliert – sie hatte Geburtstag. Später galt es mit der gebührenden Sensibilität den Absprung vorzubereiten. Mit großen Schritten dem Ende entgegen. Frau A. nahm die Kortisoneinspritzungen mit einem kleinen Schießgerät vor. Der Erfolg am nächsten Tag gibt ihr Recht. OA Dr. Flegel kam danach noch mal zu mir, um sich nach dem PC zu erkundigen. Er hatte sich schon zur Visite als Thüringer geoutet. Wir schwatzten ein wenig und seine Worte/Bemerkungen taten dem Patienten gut. Seine Sprechweise ist etwas hastig, so als wollte er eine Menge Dinge in kurzer Zeit besprechen. Ein Schlusswort sollte erst nach der Entlassung stehen. 15.02.2001 Run awayEndlich wieder heim. Der Mittwoch brachte etwas Spannung, wann es nun genau wird? Gegen 8.30 meldete sich mein Autohändler, offenbar ist der Neue da. Bett raus, Rest packen, vorher noch eine Visite, die Bücher wegbringen und dann Nerven bewahren. Ich soll noch mal kommen. Am Montag nächste Woche. Die Schwester demonstriert noch einmal ihre Macht und nörgelt wegen des Handys. Fr. A. fand noch kritische Werte in Leber, Galle und Bauchspeicheldrüse – wenn man dann noch die anderen „Leiden“ dazuzählt, bin ich reif für die Notschlachtung. Zu Hause stelle ich fest, dass ich 4 Kilo abgenommen habe. 8 Pfund in 3 Wochen, sind fast 3 pro Woche. Bei 5 Wochen wären das ... 15 kg gewesen.Was war also gewesen? Ich habe neue Eindrücke und Zusammenhänge erfahren, Schicksale gehört, mit Menschen gewohnt, die ich im Normalfall kaum angesprochen hätte und die Lehren aus freiwilliger Einvernahme (so sagten die „Bullen“ 1980 in Cottbus) gezogen. Man fühlt sich danach doppelt frei und denkt doch an den Ort und die Menschen zurück, für die heute früh der Alttag wieder begann. Werden sie mich vermissen? Wann bin ich vergessen? Die Zeilen haben Vieles festgehalten und halten mich an, die Lehren zu ziehen. Die Ärztin hat mit den Kollegen gehadert, weil sie mich so entlassen haben. Sie zeigte es ihrem jungen Nachfolger und überwies mich zum Internisten. Mein Motto ist nun Abnehmen an Gewicht auch wenn es schwer fällt. Meine Gattin sagt immer, dass wir ja noch ein paar Jahre miteinander leben wollen und da denke ich dran... Ein Dankeschön denen, die sich mit meiner Besserung beschäftigten und schon allein um sie nicht zu enttäuschen muss ich mich weiter „bessern“.