Am nächsten Morgen wachte Bobby erst um zehn Uhr auf. Er sah auf seinen Wecker und gähnte. Seine Eltern ließen ihn am Wochenende und in den Ferien ausschlafen. Und manchmal war es eben schon fast Mittag, wenn Bobby aufwachte. Er genoss es, dass er in den Ferien aufstehen konnte, wann er wollte. Mit Oliver zum Beispiel würde er nicht tauschen wollen. Olivers Mutter jagte ihn auch in den Ferien spätestens um acht Uhr aus dem Bett, das hatte er Bobby erzählt. Und Oliver war neidisch und erstaunt gewesen, dass Bobbys Eltern ihn ausschliefen ließen. Heute sollte ein guter Tag werden. Jedenfalls dachte Bobby das. Es war zwar noch immer heiß, doch er hatte gut geschlafen und irgendwie hatte er Lust darauf, heute ins Kino zu gehen. Er war schon mit dem Gedanken aufgewacht. Warum, das wusste er nicht. Gestern noch hatte ihn das Kino angeödet. Vielleicht würde Mum ihm das Geld dafür
geben, wenn er Glück hatte. Bobby stand auf und streckte sich. Die Sonne schien durch das geöffnete Fenster. Er zog sich schnell an - Shorts und T-Shirt - und ging die Treppe runter. Er musste dringend aufs Klo. Das war kein Wunder, hatte er doch ganze elf Stunden geschlafen. Länger als üblich. Auf dem Weg zum Badezimmer begegnete er seinem Vater, der ihn mit gerunzelter Stirn anschaute. "Lang geschlafen, was?", sagte der Vater. "Ja." "Naja, sind ja Ferien", sagte sein Vater und verschwand im Wohnzimmer. Sein Vater war kein Mann der langen Reden. Er sprach nur das Nötigste, ganz im Gegensatz zu seiner Mutter. Beim Pinkeln versuchte Bobby sich daran zu erinnern, welche Filme heute im Kino liefen. 'Der Schrecken vom Amazonas' könnte laufen, dachte er. Den hatte er zwar schon mal gesehen, doch er hatte nichts dagegen einzuwenden, ihn sich noch einmal anzusehen. Der Film war zwar
gruselig, aber er mochte ihn. Und Julie Adams war dort im Badeanzug zu sehen. Bobby lächelte. Hoffentlich läuft 'Der Schrecken vom Amazonas', dachte er. Und hoffentlich, gab ihm seine Mutter das Geld für den Kino-Besuch. Aber das würde schon klar gehen, sie waren ja nicht arm. Vielleicht würde sie ihm sogar genug Geld geben, dass er Oliver einladen konnte. Oliver hatte fast nie Geld um sich Etwas zu kaufen, das hatte Bobby bemerkt. Bobby zog sie Spülung, wusch sich die Hände (wie es ihm seine Eltern beigebracht hatten) und verließ das Bad. Bobbys Mutter inspizierte den Inhalt des Kühlschranks, als er die Küche betrat. Sie schaute wohl nach, was sie würde einkaufen müssen. "Morgen", sagte Bobby. Seine Mutter drehte sich um. "Lang geschlafen,
was?" "Das sagte Dad auch schon." Sie schloss den Kühlschrank und wandte sich ihm zu. "Für Frühstück ist es wohl etwas zu spät. Bist du denn hungrig?" "Nein, Mum." Bobby hatte morgens oft wenig oder gar keinen Hunger. Er wusste nicht, ob das ungewöhnlich war. Aber er hatte bemerkt, dass einer seiner Freunde, Bill, morgens einen regelrechten Heißhunger entwickelte und es kaum erwarten konnte, Pfannenkuchen oder Eier mit Speck zu essen. Bill und er waren einmal zusammen auf einer Klassenfahrt gewesen und jeden morgen war Bill hungrig aufgewacht. Bill hatte morgens mehr gegessen, als alle anderen Kinder zusammen. Naja, das war vielleicht übertrieben - aber Bobby war es so vorgekommen. "Ich habe Brot von Daniels gekauft", sagte Bobbys Mutter plötzlich.Bobby wusste mit dieser Information wenig anzufangen. Er wusste
zwar, dass Daniels ein neuer, örtlicher Bio-Bäcker war, aber warum ihn das interessieren sollte, dass seine Mutter Brot von ihm gekauft hatte ... das war ihm schleierhaft. Daniels hatte sein Geschäft erst vor ein paar Wochen eröffnet. Er warb damit, dass sein Brot auf traditionelle Weise gebacken wurde. "Okay, mum", sagte Bobby und öffnete den Kühlschrank. Er nahm eine Packung Eistee heraus. "Das Brot dort soll gut sein, alle schwärmen davon", sagte seine Mutter. "Sue hat gesagt, 'das Brot von Daniels, das musst du mal probieren!'" Bobby nahm sich ein Glas aus dem Schrank und schenkte sich den Eistee ein. Er setzte sich an den Küchentisch und trank. "Das Brot wird noch traditionell gebacken", sagte seine Mutter. Bobby wusste dazu nichts zu sagen. Seine Mutter redete oft Zeug, das ihn nicht
interessierte. Aber er liebte sie. Sie war nur auf einer anderen Wellenlänge oder so, jedenfalls was Gesprächsthemen anging. Ständig redete sie von neuen Kochrezepten, exotischen Früchten oder was im oder am Haus zu erledigen sei. Bobby verstand nicht, wie jemanden solche Dinge interessieren konnten. Er hatte andere Interessen. Aber erwar ja auch noch ein Kind. Wobei Olivers Vater nicht so war, dachte er. Olivers Vater redete - wenn Bobby dabei war zumindest - nie von solchen Dingen; er war ein Fan von Sci-Fi Filmen und Romane. 'Der Schrecken vom Amazonas' kannte Olivers Vater auch - Bobby hatte sich mit ihm einmal darüber unterhalten. "Mh, mh", sagte Bobby. "Das ist was ganz anderes als Weißbrot", sagte seine Mutter. "Ich mag Weißbrot." Seine Mutter erwiderte darauf nichts. "Kann ich Geld für das Kino habem?", sagte
er. Seine Mutter runzelte die Stirn. Dann ging sie zum Tisch, auf dem ihre Handtasche lag. Sie kramte in der Tasche und holte eine Geldbörse heraus. Sie gab ihm einen Geldschein. "Hol dir davon aber auch Etwas zu Essen." "Klar, danke", sagte Bobby. Das war mehr als genug, um auch Oliver einzuladen. Das wird wirklich ein guter Tag, dachte er. Bobby trank seinen Eistee leer und stand auf. "Willst du raus, spielen gehen?", sagte seine Mutter. Bobby hasste es mittlerweile, wenn ihn jemand fragte, ob er 'spielen gehen' wollte. Spielen, das klang kindisch, fand er. Aber er wusste auch nicht, wie man es hätte sonst nennen sollen. "Ja", sagte er. "Pass auf dich auf." "Klar, Mum." Olivers Mutter öffnete die Tür, nachdem Bobby
geklingelt hatte. Sie war eine große Frau, etwas größer noch als Bobbys Vater, der immerhin ein-meter-fünfundsiebzig maß. "Tag, Bobby", sagte sie. "Tag, Misses Walters. Ist Oliver da?" Sie drehte sich von ihm weg. "Oliver?", rief sie und verschwand von der Tür. Oliver kam angetrabt. Er schwitzte schon wieder. Ihm schien die Hitze offensichtlich nicht gut zu bekommen. "Ist heiß wie Sau, was?", sagte Bobby, der das bemerkt hatte. "Darauf kannst du einen lassen." Bobby grinste. "Wir könnten heute ins Kino gehen, ich lad' dich ein." "Ich dachte, dich langweilt das Kino. Weil sie immer dieselben Filme zeigen." "Hab eben Lust auf Kino. Also?" Oliver gab nach. "Okay." Er drehte sich um. "Mum? Ich gehe raus, okay?" Eine Stimme aus dem Haus ertönte: "Natürlich.
Denk daran, nicht zu spät zum Abendessen zu kommen." "Ja, Mum." Oliver trat aus dem Haus und schloss die Tür hinter sich. "Welche Filme laufen heute?" "Weiß nicht. Ich hoffe, 'der Schrecken vom Amazonas läuft." Oliver grinste. "Willst wohl Julie Adams sehen." Bobby errötete. "Klar, wer nicht?" "Ich jedenfalls schon." Sie gingen zur Straße. Das Kino machte um ein Uhr auf und es war erst gegen elf Uhr. Ein Auto hupte und raste an ihnen vorbei. "Bill hat nun eine Stereoanlage", sagte Oliver. "Echt?" "Ja, mit Plattenspieler und allem Firlefanz." "Klingt stark." Oliver wischte sich den Schweiß von der Stirn. "Ja." "Wir können ja mal bei ihm vorbei schauen.
Vielleicht geht er ja auch mit ins Kino." "Bestimmt. Der steht ja auf Filme." Bill wohnte nur ein paar Straßen weiter. Dort, wo die Häuser nobler aussahen. Bills Vater war ein Arzt und er verdiente gut; jedenfalls weitaus mehr, als die meisten anderen Leute in dieser Stadt. Doch er hatte keine Allüren. Er war ein netter Typ und Bobby mochte ihn. Bill mochte er auch, auch wenn dieser morgens einen wahrhaft beängstigenden Appetit hatte. Es gab schlimmere Eigenheiten, fand Bobby. Dennis zum Beispiel quälte manchmal Tiere - Katzen, Hunde und Hasen. Das verurteilte Bobby, das war nicht okay. Mit Dennis wollte er nichts zu tun haben. Bill war jedoch in Ordnung. Und er hat eine Stereoanlage, dachte Bobby. Die Jungen passierten eine Frau, die die Melodie von Cotton Eyed Joe pfiff. Bobby kannte das Lied und hasste es, da er es albern fand. Sie erreichten Bills Haus und klingelten. Als die Tür geöffnet wurde, erschien Bill im
Türrahmen und schien überrascht. "Hey", sagte er. "Hey", sagte Oliver. "Lust auf Kino heute?" "Klar. Auf Kino hab' ich immer Lust. Welcher Film läuft?" Oliver blickte zu Bobby. "Keine Ahnung. Bobby hofft, dass 'Der Schrecken von Amazonas' läuft." Bill lachte. "Das glaube ich nicht. Der lief erst letzten Monat." Bobby ließ sich seine Enttäuschung nich anmerken. "Naja, ein anderer Film wäre auch in Ordnung." "Schauen wir später dann, was laufen wird", sagte Bill. "Kommt doch rein." Das Haus von Bills Eltern wirkte luxuriös. Bobby war schon mehrmals hier gewesen, doch es beeindruckte ihn immer wieder aufs Neue. Das war nicht dieselbe Art Haus, in dem er lebte. Hier sah alles neu und teuer aus. Sie hatten sogar eine Mikrowelle - das hatte Bobby
gesehen, als er einmal in der Küche gewesen war, um sich eine Limo zu holen. Er kannte sonst niemanden, der eine Mikrowelle hatte. Bills Zimmer war nicht minder luxuriös eingerichtet. Dazu trug auch die neue Stereoanlage bei, von der Oliver erzählt hatte. Sie bestand aus einzelnen Komponenten; einem Plattenspieler, einem Radioempfänger, einem Kassettendeck und etwas, das wohl der Verstärker sein musste. Die Boxen waren große Standboxen, die in den Ecken des Raumes standen. Ein paar Schallplatten waren an eine Wand gelehnt. Bobby konnte auf einer der Platten lesen: The Doors. Warum auch immer jemand seine Platte oder seine Band so nannte. "Krasse Anlage", sagte Bobby. Bill grinste. "Ist neu. Habe ich zum Geburtstag bekommen." "Echt stark." "Wollt ihr mal hören, wie sie klingt? wartet!" Bill schaltete die einzelnen Komponenten ein,
nahm die Schallplatte, die Bobby gesehen hatte und legte sie auf. Knistern ertönte. Dann ploppte es. Ein Schlagzeugrhythmus drang aus den Boxen in ohrenbetäubender Lautstärke. Bill drehte hastig an einem der Regler der Anlage und die Lautstärke wurde ein wenig gemindert. Ein Basslauf ertönte, der Bobby sofort faszinierte. Es waren nur ein paar wenige Töne, die sich ständig wiederholten - aber Bobby war sofort gebannt. Eine Gitarre gesellte sich dem Basslauf hinzu. Und dann fing eine Stimme an, zu singen: You know the day destroys the night. Night divides the day. "Das sind 'The Doors'? Komischer Name", sagte Bobby "Ja, man. Stark, oder? Hat mir mein Bruder geliehen." Break on through to the other side, sang die Stimme. "Schon", sagte Bobby. "Hab' sowas noch nie gehört." "Kann dir die Scheibe ja mal
überspielen." "Das wäre stark." "Kein Problem, ist ja kein Ding." Oliver schien weniger beeindruckt. "Ich weiß nicht, ich find die Monkees besser." Bill lachte. "Die Monkees? Babykram." "Selber Babykram. Jedenfalls besser als dieses komische Zeug." Bill schüttelte den Kopf. "Wenn du meinst." Vor dem Kino standen nur wenige Menschen. Anscheinend hatten die meisten Leute mittags besseres zu tun, als ins Kino zu gehen. Eigentlich standen nur ein paar Kinder vor dem Eingang. Bill studierte das heutige Programm. Er wirkte nicht sehr erfreut. "Zwei Nasen tanken Super? Was ist das denn für ein Film?" "Keine Ahnung", sagte Bobby. "Nie von
gehört." "Was kommt denn danach?", sagte Oliver. Bill runzelte die Stirn. "Garfield - The Movie, steht hier." "Was'n Scheiß", sagte Bobby. "Gehen wir trotzdem rein?", sagte Bill. Zögernd nickte Oliver. "Vielleicht ist es gar nicht so schlecht." "Okay", stimmte Bobby schließlich zu. Die drei Jungen betraten das Kino, lösten ihre Tickets und suchten sich ihre Plätze. Doch die Filme waren tatsächlich so schlecht, wie sie vermuttet hatten. Nein, sie waren sogar noch schlechter, fand Bobby. So einen Blödsinn hatte er noch nie gesehen. Was hatten sich die Kino-Betreiber bloß dabei gedacht? Das war kein Vergleich zu den Filmen, die sonst hier gelaufen waren. Normalerweise liefen im Mittagsprogramm Monsterfilme, Alien-Invasions-Filme und solche Dinge. Aber das hier ... das war einfach nur dumm, fand
Bobby. Enttäuscht verließen die Jungen das Kino. "So ein Blödsinn", sagte Bill. Oliver nickte. "Das kannst du laut sagen." Bobby schwieg. Ihm kam es wirklich komisch vor, dass im Kino plötzlich solche Filme liefen. Und langsam bekam er Hunger. Er hatte ja den ganzen Tag noch nichts gegessen. "Holen wir uns Hot-Dogs", sagte er.
baesta Also schreiben kannst Du, alle Achtung. Auch mit der Rechtschreibung hast Du keine Probleme, außer vielleicht ein paar Flüchtigkeitsfehler (die mir aber auch passieren) z.B. S.3 untere Mitte "Bobby zog SIE Spülung...". Sollte bestimmt heißen "...zog DIE Spülung..." Würde Dir ja gerne noch ein paar Talerchen spendieren, aber da ist der Zeitraum noch nicht um. LG Bärbel |
Drollibaer Danke! Das mit "sie" statt "die" habe ich in der Tat übersehen. Wird sofort korrigiert. Gruß |