Die Sommerferien hatten gerade begonnen und Fallmount erlebte den heißesten Juni seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Der Rasen war zum Teil schon jetzt verbrannt und es sah so aus, als ob bis zum Ende des Sommers kaum noch ein Fleckchen grün übrig bleiben würde. Viele Leute hatten sich Rasensprenger gekauft, um wenigstens ihren eigenen Garten vor diesem Schicksal zu bewahren. Überall im ganzen Ort bewässerten Rasensprenger die Vorgärten, Kinder und Hunde rannten durch das kühle Nass, tobten und kühlten sich ab. Fallmount war ein kleiner Ort, nicht mehr als zweitausend Einwohner, und es gab hier wenig zu tun. Es gab eine örtliche Gesamtschule, ein paar Läden, in denen man Lebensmittel kaufen konnte, und - das war die größte Attraktion, die Fallmount zu bieten hatte - ein Kino. In diesem Sommer hatten allerdings wenige Menschen Lust auf einen Kino-Besuch. Die Meisten hätten das Kino sofort eingetauscht für ein Freibad. Das
war jedenfalls, was Bobby Smith momentan am liebsten getan hätte. Ein Schwimmbad wäre genau das Richtige. Mit einer Bude, an der man Eis kaufen konnte oder Pommes. Bobby fand nämlich, er war zu alt, um in einem Planschbecken vor dem Haus zu hocken. Immerhin war er vor Kurzem zwölf geworden. Er saß gerade mit seinem besten Freund Oliver, der in die gleiche Klasse ging wie er, auf einer Wiese im Park im Schatten eines Baumes. "Ein Schwimmbad - Das wär's", sagte Oliver. Er warf einen kleinen Stein in Richtung eines Zaunes. Der Stein verfehlte und landete ein gutes Stück davor geräuschlos im Gras. "Wär viel besser als Kino", sagte Bobby. "Die zeigen eh immer dieselben Filme." "Ist auch zu heiß da. Die haben nichtmal 'ne Klimaanlage." Bobby stand auf. "Stimmt." Er streckte sich. "Komm, lass uns was machen." Oliver schaute träge zu ihm hoch. "Was
denn?" "Weiß nicht, irgendwas halt. Holen wir uns 'ne Limo!" "Hab' kein Geld", sagte Oliver. "Dann teilen wir uns halt eine." Langsam stand Oliver auf. Er bewegt sich wie ein alter Mann, dachte Bobby. "Okay", sagte Oliver. In Fallmount gab es nur wenige Geschäfte. Eigentlich gab es nur einen richtigen Lebensmittelladen - dort kaufte Bobbys Eltern ein -, und ein paar kleinere Läden, die Süßigkeiten, Cola und solche Dinge verkauften. "Zu Harry?", frage Oliver. "Wohin denn sonst?" Die beiden Freunde verließen den Park und traten auf die vor Hitze dampfende Straße. Hier gab es keinen Schatten. Autos glühten am Straßenrand; sie waren so aufgeheitzt, dass man sie kaum berühren konnte, ohne sich eine Brandblase einzuhandeln. Bobby und Oliver
schwitzten, kaum dass sie losgegangen waren. Zum Glück war es nicht weit bis zu Harry. Ein Fußweg von vielleicht fünf Minuten, selbst wenn man langsam ging. Und bei diesem Wetter musste man langsam gehen, wenn man keinen Sonnenstich bekommen wollte. Immerhin würden sie bei Harry eine kühle Limonade bekommen, das war die Mühe wert. Harry war ein Ladenbesitzer, ein alter, freundlicher Mann, der sich immer freute, wenn Bobby oder seine Freunde bei ihm erschienen. Eigentlich hieß er Harald Goldmann, aber alle nannten ihn einfach nur Harry. "Echt verdammt heiß", sagte Oliver und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Das brachte allerdings wenig, da immer neuer Schweiß nachströmte. Bobby drehte sich beim Gehen zu ihm hin, sah ihn an und musste grinsen. "Du schwitzt auch wie ein Schwein." "Ist ja auch heiß wie
Sau." Bobby kicherte. "Freu mich schon auf ne kalte Cola oder so", sagte Oliver. "Dachte eher an Root Beer." Oliver schaute Bobby an. "Ach nein", sagte er in einem künstlich empörten Tonfall "Na gut, dann eben Cola." Ein Werbe-Slogan fiel Oliver ein."Always Coca-Cola", sagte er nickend. Und sofort hörte er einen Coca-Cola-Werbesong in seinem Kopf, er konnte es nicht verhindern. Oliver hatte nahezu jeden Werbespot, der im TV lief gesehen. Die meisten Menschen, die er kannte, schalteten sofort um, wenn Werbung kam - doch er nicht; er hatte einen Faible für Werbespots. Manchmal fand er die Spots unterhaltsamer, als die Sendungen, die sie unterbrachen. Es war wohl ein ungwöhnlicher Faible. Seine Freunde zogen ihn manchmal damit auf und er ärgerte sich jedes Mal darüber. Werbespots zu mögen, das
war ganz normal, meinte er. Die waren schließlich oft ziemlich unterhaltsam. Sie erreichten den Laden von Harry. Der Laden lag ziemlich genau in der Mitte der Stadt, an der Hauptverkehrsstraße, und dementsprechend herrschte hier meistens reger Betrieb. So auch heute. Es schien, als sei die halbe Stadt auf den Beinen. Leute lungerten vor Geschäften rum, unterhielten sich, und manche kamen mit vollen Einkaufstüten aus dem Lebensmittelladen. Vor einem kleinen Café saß eine alte, dicke Frau und blickte mürrisch auf die Straße. Sie schaute, als hätte die Straße sie beleidigt. Die beiden Jungen betraten den Laden, Oliver ging voraus, und als die Tür geöffnet wurde, bimmelte ein Glöckchen. Harry's Laden war klein und irgendwie rustikal. Er wirkte, wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Es gab hier ein paar Regale, in denen sich Süßigkeiten und andere Snacks stapelten, eine Eistruhe und einen großen Kühlschrank mit Glastür, in dem
Getränkedosen standen. Harry hatte hinter dem Tresen gesessen und ein Magazin gelesen, als er das Bimmeln gehört hatte. Er stand auf und wandte sich den Jungen zu. Als er Bobby und Oliver erkannte, lächelte er. "Ah, ihr seid's", sagte er. "Wie geht's?" "Gut", sagte Bobby. Dann zeigte er auf seinen Freund, der noch immer triefte vor Schweiß, stumm da stand und sich die nasse Stirn rieb. "Aber Oliver schwitzt wie ein Schwein." Bobby kicherte. "Ist ja auch heiß -", begann Oliver. "- wie Sau", beendete Bobby seinen Satz. "Genau." Harry grinste. Der alte Mann schien nicht zu schwitzen, obwohl es auch im Laden ziemlich heiß war. "Ist ein ungewöhnlicher Sommer, Jungs. Kann mich nicht daran erinnern, dass es hier mal so heiß gewesen ist. Und ich hab schon 'ne Menge Sommer erlebt, das könnt ihr mir glauben." Er stützte sich auf den Tresen. "Also,
was darf's sein? Ein schönes, kaltes Eis?" "Cola", sagte Oliver sofort. Bobby nickte. "Also zwei Dosen Cola", sagte Harry. "Eine", sagte Bobby. "Wir haben nur Geld für eine Dose." Harry zwinkerte, ging zum Kühlschrank und nahm zwei Dosen heraus. "Eine geht aufs Haus." Er stellte die Dosen auf den Tresen. "Danke", sagte Bobby. Er kramte ein paar Geldmünzen aus seiner Hosentasche, zählte nach und gab sie Harry. "Nicht dafür", sagte Harry Oliver nahm die Dosen vom Tresen. Harry zählte das Geld nicht nach, öffnete die Registrierkasse und ließ die Münzen darin verschwinden. Die beiden Jungen machten sich auf den Weg zur Tür. "Auf wiedersehen, Mister Goldman", sagte Oliver. "Wir oft soll ich euch noch sagen, dass ihr mich
ruhig Harry nennen könnt?" Er lächelte. "Macht mir keinen Unsinn, Jungs." Sie verließen den Laden. Auf der Straße stand ein Jugendlicher mit Elvis-Tolle und Lederjacke. Er hatte einen Ghettoblaster bei sich, aus dem 'Barbie Girl' von Aqua dröhnte.
Drollibaer Danke! Hoffe, ich schaffe es, die Geschichte fertig zu bekommen, wäre sonst irgendwie unfair gegenüber jedem, der es zu lesen angefangen hat. Gruß |
Drollibaer Danke! |