Kurzgeschichte
Die Steinigung

Die Steinigung

Sie zogen sie bei den Haaren. Warfen sie in den Dreck und spuckten sie an. Spucke lief ihr den Nacken herab, klebte in ihren schwarzen Locken. Selbst die, die sie nachts besuchten spuckten sie an.
Sie durfte schon lange nicht mehr zum Gebet erscheinen, die Frauen wollten nichts von ihr wissen, weil sie vermuteten, dass ihre Männer in der Nacht zu ihr gingen. Wenn sie wüssten, wie Recht sie hatten. Doch warum wurde nur sie bestraft und nicht die unzähligen Männer?
Die Gesetzte Gottes waren eindeutig. Unzucht war verboten. Nicht nur für Frauen! Sonder für alle. Sie musste leben, was sollte sie tun? Auf der Straße betteln? Da musste sie auch ihren Körper preisgeben, so bekam sie noch einen besseren Sold.
„Sie hat sich den Besatzern hingegeben!“ brüllte einer der Gelehrten. Der Gottesfürchtigen.
Für Gott war sie eine Sünderin, für Gott? Oder doch ehr für die Menschen, die hier mit ihren Gewändern, Turbanen und Kopftüchern im staubigen Sand des Marktplatzes standen?
Sie war die Frevlerin? Weil sie sich bezahlen ließ? Weil sie nicht den Neffen ihres Vaters geheiratet hatte, weil sie nicht von ihrer Mutter verkauft wurde? Sie war die Hure?
Jemand schlug sie mit einem Holzstab, mit dem er sonst die Wölfe vertrieb. Wieder krachte sie zu Boden und schluckte Dreck. Dann der stechende Schmerz an ihrer Stirn. Jemand hatte den Stein geworfen. Ihre Stirn platzte auf, Blut besudelte ihr Gesicht und es brannte in ihren Augen. Sie schmeckte das kupferartige Aroma ihres Lebenssaftes und der Staub legte sich sofort darauf. BAAM!
Der nächste Brocken schnitt ihr die Wange auf.
„Du Hure! Mit den Feinden! Mit den Soldaten! Gott wird dich strafen! Du Gottlose!“
Sie kannte die Stimme. Er war gestern Abend noch bei ihr gewesen. Hatte mit der fremden Wehrung, der Wehrung der Soldaten bezahlt.
Ein Regen von Steinen prasselte auf sie hernieder.
Gott bitte hilf mir! Lass es schnell zu Ende gehen!
Sie krabbelte über den Dreck der staubigen Straße. Schmeckte Sand und Blut. Schmerz drang durch ihren Körper und sie spürte die Feuchte in ihren Sachen. Sie würde sterben. Sterben, weil ein paar selbsternannte Heilige, die des Nachts nicht so heilig waren, es wollten. Sie sprachen Gottes Recht, doch wann hatte ihnen Gott gesagt, dass es Sünde sei?
Die Tafeln waren zerstört, Mosche war schon lange tot. Wer gab ihnen das Recht?
Waren es die Worte des Propheten?
Die Worte Gottes?
Sie versuchte aufzustehen, da traf sie der härteste. Ihr Kopf flog zur Seite.
„Soldatenhure!“
Sie umfasste ein Bein, das plötzlich vor ihr Stand. Sie blickte nach oben und sah den bärtigen Mann, mit den langen Haaren und den wilden Blick. Bring es zu Ende. Wirf den schwersten und bring es zu Ende. Tischlersohn.
„Seid ihr von Sinnen?“
Seine Stimme klang lieblich, aber auch hart. Er war auf Streit aus und sie vermutete, er würde auch jemanden töten wollen. Wenn nicht sie, dann einen der Steineschmeißer.
„Sohn des Joshef ! Geh kümmere dich um deine Fischer und Zöllner. Lass uns die Hure!“
„Warum wollt ihr sie töten?“
„Sie hat das Gesetz gebrochen! So steht es in den Schriften! Sie war mit einem Feind unkeusch!“
„Und?“
„Und? Jeschuah, du bist ein Aufwühler. Geh bitte! Sie ist eine Frau, eine Hure!“
„Und Ihr wart nicht bei ihr?“ Er breite die Arme aus. „Ihr habt ihre Dienste nicht in Anspruch genommen? Ihr wollt sie töten?“
Er sprang auf sie, vergrub seine Hand in ihren Locken und bog ihr Genick hart nach hinten. „Hier, der, der noch nie etwas Schlechtes getan hat soll sie erschlagen!“
Ihr Blut troff auf den Staub, es war aus. Der Philosoph, von dem sie schon soviel gehört hatte, verhöhnte sie.
Die Männer murrten, dann trat einer vor?
„Du Simon? Ich selbst habe dich im Stall bei deiner Ziege gesehen! Gott erschlägt Lügner!“
Er ließ den Stein fallen. Der Philosoph, den viele auch schon Rabbi nannten, nahm seine Hand aus ihrem Haar und stellte sie auf. Sie schwankte. Er hielt sie.
Die Menge löste sich auf.
Er ging von ihr weg.
Es gab viele Männer die sich für Gerecht hielten, aber nur wenige waren es. Jeschuah war einer. Er stellte sich dem Mob. Er trat für sie ein. Sie würde ihm folgen bis zu seinem Ende. Er war jetzt ihr Meister. Er würde sie besitzen können. Mit ihm würde sie eine neue Zukunft haben. Ihm würde sie Kinder schenken, wenn er es von ihr verlangte.
Er war ihr Beschützer! Ihr Engel.