Post, denke ich erstaunt als mir beim herausnehmen der Tageszeitung ein Brief entgegenrutscht.
Ich setze mich in der Küche auf den Stuhl, öffne ihn. Er enthält 8 Weihnachtskarten mit passenden Briefumschlägen, 10 Aufkleber mit meinem Namen, einen fünffarbigen Kugelschreiber und folgenden Brief,
Sehr geehrte Frau Wiemers,
jemand hat uns verraten ,dass ihnen das Schicksal von Kindern am Herzen liegt... deshalb kommt dieser Brief aus dem Albert Schweizer Kinderdorf direkt und ganz persönlich zu Ihnen...
Ich erfahre, dass dort bis zu 50 Jungen und
Mädchen ein neues zu Hause gefunden haben, deren Schicksal nicht selten dramatisch und meist unerträglich ist.
wie das z.B. von Rosa und Kevin zwei völlig verwahrlosten Kindern, die von der Polizei auf der Straße aufgegriffen wurden und deren drogensüchtige Mutter als verschollen gilt
oder von Stefan, den das Jugendamt nur mit einem winzigen Koffer, vielen Wunden und blauen Flecken ins Kinderdorf gebracht hat.
„Furchtbar“, denke ich, greife zum Taschentuch und lese weiter.
Wenn ich auf beiliegendem Zahlschein 9 Euro spende, dann kann ein Kind an einer
Theateraufführung zu Weihnachten teilnehmen, 15 Euro reichen aus, um eine sechsköpfige Kinderdorffamilie mit Scheren, Klebstoff , Bastelmaterial zu versorgen und mit 30 Euro erfülle ich einem oder sogar zwei Schützlingen am heiligen Abend einen bescheidenen Weihnachtswunsch.
Ich überlege und rechne:
"10 Euro spare ich mindestens, wenn ich beiliegende Weihnachtskarten mit Engeln, den heiligen "Drei Königen", dem Jesuskind, glitzernden Sternen, bunten Kugeln, bärtigem Weihnachtsmann für meine persönliche Weihnachtspost verwende. 5 Euro habe ich schon gespart , kann den Kugelschreiber gut gebrauchen. Muss mir
keinen neuen kaufen.
Wenn ich also heute 30 Euro spende, dann spare ich nicht nur 15 Euro, sondern werde 2018 beim Finanzamt für gemeinnützige Zwecke um 30 Euro weniger veranlagt und habe außerdem noch zwei Kindern Weihnachtswünsche erfüllt."
Ein Deal, den eigentlich jeder hier in Deutschland, machen könnte. Der gute Zweck heiligt schließlich die Mittel.
Vorsichtshalber rufe ich noch unter der angegeben Telefonnummer an (man weiß ja nie). Die nette junge Frau am anderen Ende der Telefonleitung beantwortet alle meine Fragen, spricht von Kinderpatenschaft, von den unterschiedlichen Unterbringungsmöglichkeiten in den Häusern und lädt mich in das Kinderdorf
ganz in der Nähe meines Heimatortes, zum persönlichen Kennenlernen ein.
Ich überweise die 30 Euro, zünde gutgelaunt die Kerzen am Adventskranz an und mache es mir auf dem Sofa mit heißem Tee und dicken Socken gemütlich.
Das Kinderdorf, mein guter Vorsatz zum neuen Jahr, werde ich auf jeden Fall besuchen, das verspreche ich nicht nur dem Weihnachtsmann sondern vor allem mir selbst.
Text: Martina Wiemers
Buchcover: frei verwendbares Bild
SOS Kinderdörfer