Eine wohlige Geschichte zur Schreibparty 72 mit den Vorgaben Feuerwehr, Himmlisch, kalte Finger, kapriziös, Kinderpunsch, Kuss, oder Küsse, Mikrowelle, Ofen, Pflaster, raffiniert, Stoff, Zuckerstange.
Mein schönstes Erlebnis
Der Tag, an dem ich mein schönstes Erlebnis erlebt hab, war anfangs garnicht so schön. An dem Freitagnachmittag hätt ich nämlich viel lieber draußen bei der Schneeballschlacht mitgemischt, als hier in der saukalten Küche auf der Eckbank sitzen und meine Hausaufgaben machen. Aber meine Mama hat mal wieder ihre alte Leier runtergeleiert: „Was du heute kannst besorgen …“ und ich hab mal wieder ganz schnell „ja, jaa, jaaa“ g’sagt, damit ich net wieder die ganze Litanei hab anhören müssen. Dann wollt sie wissen, was wir heut als Hausaufgabe kriegten und ich hab
ihr g’sagt, dass das Frollein Krampf-Karrenschieber (so wie wir unsere Deutsch-Lehrerin unter uns nennen) heut gottseidank nicht so wie sonst so launisch und so ...äh... so kapri...dingsbums war („kapriziös“ hat mich drauf d’Mama korrigiert), sondern recht gut drauf war und uns g’sagt hat, dass wir diesmal schreiben dürfen, was wir wollen und gab uns für unseren Aufsatz das Thema „mein schönstes Erlebnis“ mit. Dann hat d’Mama neugierig gfr’agt, was ich als mein schönstes Erlebnis ausg’sucht hab und ich hab ihr g’sagt, dass dies der mordsmäßige Sturz von meinem ärgsten Feind war, dem depperten Mauthofer-Horstl. Den hat’s damals ja sauber derbröselt, als er mir
beim Fangerles-Spielen b’sonders raffiniert von hinten ein Bein stellen wollt und sich dabei aber so deppert ang’stellt hat, dass er selber auf d’Schnauzen g’fallen ist und wie ’ne abgestochene Sau aus der Nasen blutet hat und dann auch noch wie’n kleins Madel plärrt hat - was mich natürlich himmlisch g’freut hat! „Ja spinnst denn du“, hat mich drauf d’Mama g’schimpft, „du kannst doch nicht solch boshafte Sachen schreiben, da würden wir doch hinterher wieder einen Mordskrach mit der hinterkünftigen Mauthofer-Bagasch kriegen! Warum schreibst denn nicht über unseren schönen Spaziergang vom letzten Sonntag?“ "Weil mir da d’Füß so weh taten“, hab ich drauf g’sagt. Aber
dass es mir außerdem auch noch so fürchterlich langweilig war, hab ich lieber net g’sagt.
Weil mir aber einfach nix anderes einfallen wollt, hab ich ’ne Weile meiner Mama zuguckt, wie sie mit zufriedenem G’sicht den Kuchen für’n Sonntag fertig dekoriert hat. „Warum schreibst nicht?“ hat sie gfr’agt, wie sie fertig war. „Weil ich so kalte Finger hab“, hab ich ihr dann g’sagt. „Ach so?“ hat sie g’sagt, „warum hast das net gleich g’sagt? Dann hätt ich’n Kinderpunsch zum Aufwärmen machen können, aber jetzt ist der Kuchen ohnehin fertig zum Backen, dann wird’s schnell warm in der Küche. Wirst schon sehen!“
Ich hab nix g’sagt. „Jetzt schau mich doch nicht so missmutig an“, hat sie drauf g’sagt, ging zum Schrank und holte aus der Schublade eine Zuckerstange hervor. Sie hob sie hoch und sagte verschmitzt: „Die kriegst aber erst, wenn Deine Hausaufgabe fertig ist!“ Dann holte sie auch eine Streichholzschachtel aus der Schublade, machte die Klappe vom Gasbackofen auf und wollte das Gas anzünden - was ihr aber nicht gelingen wollt. Dann zündelte mit einem Streichholz nach dem anderen und wurd immer ärgerlicher. „KruzifixHalleluja!“ hab ich sie dann vor sich hin fluchen g’hört, aber ganz leise, weil sie ja nicht will, dass man sie fluchen hört, weil sie sonst immer den
Papa wegen seiner Flucherei ausschimpft. Ich hab’s aber trotzdem g’hört und hab hinter ihrem Rücken grinsen müssen. Mit ihrem „HimmelHerrgottSaggrament“ beim nächsten missglückten Versuch hat sie schon lauter g’flucht, und als sie sich dann auch noch die Finger an einem Streichholz verbrannt hat, hat sie zwei-, dreimal hintereinander „ScheissGlumpVerreckts“ so zornig g’flucht, dass ich mein Kichern nimmer z’ruckhalten konnt. „Du Saubub!“ schrie sie mich mit’m hochroten Kopf an, „wennst jetzt nochmal lachst kriegst a solchene Watsch’n, dass du dich deiner Lebtag lang dran erinnern wirst.“ Jetzt war sie fuchsteufelswild und zündete gleich mehrere Streichhölzer auf einmal an
und plötzlich gab’s eine Stichflamme und einen ganz lauten Rumms aus dem Ofen, dann qualmte eine mordsmäßige Rauchwolke heraus und mittendrin hab ich d’Mama g’sehn, wie sie rückwärts gegen die Wand neben der Eckbank purzelt und liegenblieben ist.
Im ersten Augenblick hab ich mich - wirklich! - ganz arg erschrocken, auch wenn’s d’Mama hinterher net hat glauben wollen. Ich hab sogar solchene Angst um sie g’habt, dass ich beinah schon d’Feuerwehr rufen wollt! Doch als meine Mama sich dann zum Hinsitzen aufg’richt hat und zu mir herg’schaut hat und ich ihr verrußtes G’sicht g’sehn hab, hat sie
genauso ausg’schaut wie der schwarze Mohr im Heiligen-Drei-König-Spiel in unserer Schul, bei dem sich der Lehrer Söderlein jed’s Jahr sein G’sicht voller Ruß schmiert und uns Kinder unabsichtlich zum Lachen bringt. Wegen dem und auch weil d’Mama drauf so fremdartig zu mir herg’schaut hat, musste ich so arg lachen wie ich noch nie hab lachen müssen. Kein Wunder, dass dies jetzt mein bisher allerschönstes Erlebnis war, obwohl mir d’Mama gleich’ne Mords-Trumm-Watsch’n reinhaute, nachdem sie sich aufg’rappelt g’habt hat. Doch als sie im Spiegel ihr eig’nes G’sicht sah, hat sie selber s’lachen ang’fangen und ich hab wieder mitlachen dürfen und mich sogar schon auf's G'sicht
vom Papa g’freut, wenn er heimkommt und im Dunkeln der Mama einen Kuss gibt und dafür eine verrußte Nas kriegt. So ging "mein schönstes Erlebnis" dann doch noch mit einem Häppi-End zu Ende, und ich hab dann die ganze G’schicht in einer zwar verräucherten, aber wohlig warmen Küche fertigschreiben können.
Nachlese: Der Lesestoff dieser Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit, die mir das damalige Opfer (die Mutter eines Studienfreundes) auch Jahrzehnte später noch brühwarm und nun auch lachend schilderte.