In der erfolgreichen Hollywood Blockbuster „Der Fluch der Karibik“ Filmreihe kommt sie vor, nämlich als Mistress Ching. Wenn auch reichlich verfälscht, ist sie eine Anspielung auf eine Frau, die es wirklich gab. Es handelt sich um die erfolgreichste Piratin aller Zeiten. Ihre Lebensgeschichte ist mehr als abenteuerlich Gute Unterhaltung! Copyright: G.v.Tetzeli Cover: G.v.Tetzeli
Die Dame, um die es hier geht, hieß bei ihrer Geburt Xisng Gu.
Das war im Jahre 1775 in Guangzhou (Kanton).
Entscheidend war das Jahr 1801. Da war unsere Heldin knackige 26 Jahre alt. Sie „arbeitete „ auf einem Schiffsbordell, das nicht nur steuerlich gesehen viel Gewinn abwarf. Nun war damals, im China dieser Zeit, keine Gleichberechtigung von Mann und Frau gegeben, allerdings war die Frau auch nicht untergeordnet. Sie führte nicht nur den Haushalt, sondern trieb Handel, Fischerfrauen waren im Beruf ebenso eingebunden, wie sie zum Teil das Geld der Familie verwalteten. Sie durften erben und Grundbesitz haben.
Wie auch immer, wenn man eine Karriere anstrebte, so war der hoch angesehene Beruf der Geisha die erste Wahl. Es ging nicht nur um Sex, sondern man hatte eben einflussreiche Herrschaften als „Kunden“. Wir wollen uns nichts vormachen, Xisng Gu war Prostituierte, allerdings mit Benehmen und Bildung. Es ist nicht ganz klar, ob ihr das Bordell auf See nicht selbst gehörte. Sie soll bei „Kissengesprächen“ fallen gelassen haben, dass sie sehr wohlhabend sei. Ihr Einfluss auf Politiker der offiziellen Regierung war ebenfalls erheblich.
Jedenfalls, in diesem Jahr 1801, wurde ihr Bordellschiff von Piraten gekapert und sie wurde verschleppt. Die Arme!
Ich glaube eher an eine andere Version. Xisng Gu hatte einen einflussreichen Piraten als Liebhaber, den sie überredete sie zu entführen, um eben richtig bei ihm zu sein.
Sie brächte auch Einiges mit. Kurz und gut, sie war nun bei den Piraten. Ein klein wenig sei die Piraterie zu dieser Zeit im Südchinesischen Meer erklärt. Schon 1600 war Piraterie ein Job, wie jeder andere. Die Ärmlichkeit zwang praktisch dazu.
Im Jahr 1800 waren die Piraten nicht nur eine Plage, sie waren praktisch Alleinherrscher über ihre Einflussgebiete. Kein Schiff verließ den Hafen und konnte unbeschadet ankommen, wenn es nicht einen erkauften Piratenfreibrief an Bord hatte. Die Landbevölkerung musste Tribute zahlen. Nichts ging ohne Einvernehmen der Gesetzlosen. Sie waren einfach War Lords,
und das absolut. Zimperlich waren sie auch nicht. Keine Frage, Gu musste eine äußerst attraktive Erscheinung gewesen sein. Unter den Piraten fand sie sich zurecht.
Das bedeutete, dass sie wie eine Amazone kämpfen und sich den rauen Sitten anpassen konnte. Erste erfolgreiche Kommandos befehligte sie. Frauen als Piratenkapitäne waren keine Seltenheit und offensichtlich dienten die Mannschaften gerne unter ihnen. Sie hatten eben ein Händchen für die Besatzung.
Wenn man dann noch außerordentlich mutig war, so wie Gu, blieb dies nicht unbemerkt. Es dauerte auch nicht lange, da hatte sie sich dem Boss angewanzt. Manche sprechen
sogar davon, dass es wahre Liebe gewesen sei. Der Boss hieß Zheng Yi.
(Chinesische Piratinnen)
Der Typ hatte eine gewisse Berühmtheit dadurch erlangt, weil er den portugiesischen Hafen Macao überfallen hatte und sich sogar die britische Navy zurückziehen musste. Er
befehligte die sogenannte rote Flotte. Um es in Zahlen auszudrücken, bedeutete dies, dass er Herr über eine Flotte von 200 bis 300 Schiffen war, oder anders ausgedrückt, Chef über 20-40.000 Mann.
Noch im selben Jahr 1801 wurde geheiratet. Man nimmt an, dass dabei sogar ein Ehevertrag geschlossen wurde, der Gu 50% aller Einnahmen garantierte, sie andererseits dazu verpflichtete ihren gesamten Einfluss und Vermögen zu investieren.
Von da an hieß sie Zheng Yi Sao, Ehefrau von Zheng Yi. Das bedeutete Gleichberechtigung in allen Lagen. Ihr Wort galt dasselbe, wie seines. Zheng, damals 36 Jahre, tat nicht nur einen guten Griff für
Liebe und Bett, sondern er hatte auch eine äußerst geschäftstüchtige Frau an seiner Seite. Natürlich akzeptierte sie Cheung Po Tsai (1786-1822) als ihren Stiefsohn. Ihr Mann hatte 1798 den zu dieser Zeit 15 jährigen, hübschen Raufbold, Sohn eines takanischen Fischers, bei einem Raubzug entführt.
Dieser Knabe erwies sich dann als Haudegen, prächtiger Kämpfer und Taktiker, schlicht als Juwel.
Man munkelte, dass da etwas mehr gewesen wäre, als nur die Rolle Zhengs als Mentor.
Diese Drei, die zusammen hielten, waren schon eine Bank! Es dauerte auch nicht lange, da hatten sie die fünf anderen Piratenflotten unter sich vereint.
(Dschunken im Kampf) Das gelang vor allem durch lockende Gelder, dem Nutzen von Madame, welche die lästigen Politiker in Schach hielt.
Na gut, ein paar Morde waren auch dabei, aber schließlich stand China einer Flottille gegenüber, welche die Welt noch nicht gesehen hatte.
Es sollen ca. 1000 bis 1200 Piratenschiffe gewesen sein und man munkelt von weit über 100.000 treu ergebenen Freibeutern.
1804/1805 versuchte das Militär der Regierung gegen die Freibeuter vorzugehen und erlitten eine fürchterliche Niederlage. Es war also alles in Butter. Nicht nur das, Frau Zheng Sao gebar ihrem lieben Piratenfürst 2 Kinder.
Die Operationsgebiete umfassten nun nicht nur sämtliche Küstenlinien von Kanton, sie erstreckten sich auch auf Korea und Vietnam.
Im Jahr 1807, Madame war 32, passierte das Unglück. Der große Zheng Yi war tot. Er starb am 17.Nov. Entweder kam er in einem
schweren Sturm um, oder aber er fiel im Kampf an der vietnamesischen Küste bei Nguyen während der sogenannten Tay Son-Rebellion. Die Todesursache variiert, wie bei vielen Mächtigen. Er ging über Bord, weil … Sogar seine Frau könnte durch
Handlanger … Zheng Yisao, nun Madame Cheng (Witwe Cheng, Cheng Shi), übernahm die alleinige Führung. Das ging auch nicht ganz reibungslos, denn der adoptierte Cheung Po Tsai war inzwischen eine Säule der Piratenallianz. Ein gefürchteter Anführer. Witwe Cheng zog ihn also in ihr Bett und bildete mit ihm die neue Führung. Dem jüngeren Piratenfürst (11 Jahre jünger, also 21) verdrehte sie ordentlich den Kopf,
natürlich zu beidseitiger Zufriedenheit.
Ein paar Jahre später heiratete sie ihn sogar.
Es war eine wunderbare Allianz. Pao war für das Kampfgeschehen zuständig, war Oberbefehlshaber der riesigen Flotte und Cheng kümmerte sich um die Finanzen, die wirtschaftliche und militärische Taktik und natürlich um die Versorgung der Piratenarmee.
Piratenkapitäne aus der Familie Zheng, die sich nicht mehr gebunden fühlten, weil Zheng ja tot war und auch andere Anführer hatten gegen diese Zwei keine Chance. Wie schön wäre es gewesen, wenn die sich um die Macht gestritten hätten. Man hätte selber zum Piratenfürst aufsteigen können. Diese
eigenmächtigen Ambitionen wurden im Keim erstickt. Immer noch Unverbesserliche hatten ein kurzes Leben. Es blieb dabei, das südchinesische Meer, die Küsten, waren Herrschaftsgebiet von Madame. Sogar bis Malaysia erstreckte sich die Gewalt. Vor allem die kleinen Dschunken mit flachem Boden konnten weit ins Land vorstoßen und Gebiete annektieren. Daneben gab es natürlich unter Chengs (bisweilen in anderen Beschreibungen auch Xianggu genannt) Oberhoheit die üblichen Nebeneinnahmen, wie das Glücksspiel und der Drogenhandel.
1808 versuchte es die kaiserliche Macht erneut gegen die Piraten vorzugehen.
Kaiser Kia-Qing hatte nämlich ein Edikt erlassen, das die Piraterie aufs Schärfste verurteilte.
Der Führer war auch gefunden. Es war Li, Oberbefehlshaber der Provinz Chekiang. Die Schlacht tobte und Li geriet in eine gefährliche Lage. Als ihm ein Geschoss die Gurgel heraus riss, war die Schlacht entschieden. Li’s Armada kapitulierte. Es war ein Gemetzel. Den wenigen Überlebenden wurde die Wahl gelassen: Tod, oder Piratenleben. Die verbliebenen, noch brauchbaren Kampfschiffe fielen in die Hand der Piraten.
Eine weitere Flotte wurde so fürchterlich in den Gewässern von Kwangtung auf den Meeresgrund geschickt, dass der kaiserliche
Admiral Kuo-Lin Selbstmord beging.
Für die Gefolgsleute der Piratenallianz wurde ein eigenes Recht geschaffen. Es war nicht zimperlich, gewährte aber den Anspruch an Anteilen an der Beute. Der Verhaltenskodex betraf auch die Behandlung der Zivilbevölkerung. Diebstahl, Vergewaltigung waren tödliche Vergehen. Diese Gängelung galt natürlich nicht für Korea und Vietnam. Irgendwo musste man sich ja austoben dürfen. Ungehorsam hatte natürlich immer den Tod zur Folge.
Die Diktatur der Piraten hatte vor allem deshalb ein Fundament, weil die Beute nicht verprasst, sondern in Lager untergebracht
wurde. Damit wurde dann auch die Bevölkerung in Notzeiten versorgt. Im Endeffekt war das viel besser, als durch Kaiserliche Steuer- und Abgabeneintreiber gegängelt zu werden. Das Cheng System war eine Art Robin Hood Geste, eine echte Win Win Situation.
1809 gab es mehrere Versuche diesem Teufelsweib Herr zu werden. Kopfgeldjäger wurden gedungen, Seeleute bestochen, aber es schien unmöglich an diese Schlange heran zu kommen. Nachdem auch Garnisonen geplündert wurden, suchte man erneut mit Hilfe von portugiesischen Kampfschiffen 1809 durch eine Seeschlacht den Gesetzlosen Herr zu
werden. Ein Erfolg blieb aus, trotz mehrtätigem Getümmel.
Der neue Gouverneur Pai Ling griff 1810 zu einer Notlösung, bevor ihn dasselbe Schicksal ereilen würde, wie seinen beiden Vorgängern. Sie waren abgesetzt worden und erlitten ein unrühmliches Ende.
Er ersuchte die westlichen Mächte insgesamt um Hilfe. Das war auch im Sinne der kaiserlichen Qing-Regierung. Da nun die Briten, Holländer und Portugiesen sehr an einem störungsfreien Handel interessiert waren, bekamen die Seeräuber es mit neuester, westlicher Militärtechnik zu tun. Die nun zusammengezogenen, neuen Kampfschiffe der westlichen Welt waren von
anderem Kaliber. Sie waren wesentlich stabiler und vor allem von geradezu unheimlicher Feuerkraft.
Und tatsächlich erlitt der Flottenverband der Piraten im Jahr 1809 eine Reihe von Niederlagen, unter anderem in der Seeschlacht Tigermund, vor allem gegen die portugiesischen Schlachtschiffe.
Am 18. Mai 1810, da geschah etwas Besonderes. Madame, nun 35 Jahre alt, zog unbewaffnet, lediglich mit Frauen und Kindern im Gefolge, nach Guangzhou und erschien bei dem völlig überraschten Gouverneur Pai Li. Sie kam mit einem Friedensangebot. Die Aussprache soll
heftig gewesen sein, weil Li wohl dachte die schwarze Witwe einfach einzukerkern. Es kam dennoch zu einer Friedens-Übereinkunft. Witwe Cheng wird wohl erwähnt haben, dass sie ihren Halsabschneidern über den ganzen Kanton freien Lauf lassen würde. Natürlich wären dann Li’s Tage auch gezählt, wenn sein Gebiet völlig verwüstet wäre. Der Zorn des chinesischen Kaisers sei ihm gewiss. So kam es zu einer unglaublichen Übereinkunft.
Den Piraten wurde eine allgemeine Amnestie gewährt, wenn sie die Waffen abgeben würden. Die Beute dürften sie behalten. Zudem könnten die Piraten, wenn sie wollten, der Armee beitreten. Gesagt, getan. Das klingt zu schön, um wahr zu sein.
Witwe Cheng hatte die Zeichen der Zeit erkannt. Die westlichen Schlachtschiffe waren überlegen, die Allianz begann auseinander zu brechen. Vor allem O-Po-Tae, ehemaliger Gefolgsmann, war zu den Kaiserlichen Quing übergelaufen und schadete den Geschäften empfindlich. Noch hatte sie eine gute Verhandlungsposition und sie nutzte die Gelegenheit. Anders wäre es sicher nur noch zu Rückzugsgefechten gekommen mit samt dem üblichen, schändlichen Ende. So hatte sie sich fein los gekauft. Die Amnesie galt aber doch nicht für alle.
Ich nehme an, diejenigen, welche ihrer Piraten-Herrschaft Schwierigkeiten bereitet hatten, wurden von ihr vorsätzlich „geopfert“.
Am 20. April 1810 ergeben sich daraufhin
17.318 Seeräuber, 226 Dschunken gingen in den Besitz der Behörden über.
Am Ende werden jedoch ca. 350 besonders berüchtigte Piraten von der Amnestie ausgeschlossen, 126 davon erhängt oder enthauptet und von 14 weiteren vor den Stadttoren Macaus die Köpfe zur Abschreckung aufgespießt.
Witwe Cheng ging es gut, eigentlich sehr gut. Sie hatte ein immenses Vermögen angesammelt und ließ sich ganz zivil in Guangzhou mit ihrem Pao nieder, später bei Fukein. Madame Cheng Shih und Cheung Po (Pao) fragten ganz offiziell bei dem Gouverneur Zhang Bailing von Guangdong an,ihre Mutter-Adoptiv-Sohn-Beziehung
aufzulösen und heiraten zu dürfen, was der Gouverneur gewährte. Ching Shih und Cheung Po waren bald verheiratet und der Gouverneur war höchstpersönlich Trauzeuge.
Im Jahr 1813 gebar Cheng einen Sohn, Cheung Yu Lin. Pao war nun offiziell Oberst der kaiserlichen Armee. 1822 starb er mit nur 43 Jahren auf See, wahrscheinlich bei einem Scharmützel.
Cheng erkannte wiederum die Realität und verlegte ihre Familie und ihre Aktivität nach Macao, dem bedeutendsten Umschlagplatz des Handels und eröffnete ein Spielhaus, also ein riesiges Casino und ein Bordell, wahrscheinlich mehrere, die entsprechend exklusiv waren. In Macao war sie auch am
einträglichen Salzhandel beteiligt. Sie stieg auch groß in den Opiumhandel ein. Ein glänzendes Geschäft (mit den Briten!).
Als 1839 der erste Opiumkrieg mit den Briten ausbrach, diente sie sogar als Militärberaterin von Admiral Lin Zexu.
Hochgeachtet, überhäuft mit Reichtum, starb sie mit 69 Jahren im Jahr 1844 in Macao. In die Geschichte ging sie als „Dragon Lady oft he South China Sea“ ein.
Ironie der Geschichte.
Ohne die zerschlagene Piratenarmada gelang es den Briten die veraltete Flotille Chinas innerhalb von nur drei Jahren (1839-1842)
zu vernichten.
Damit hatten die Briten den äußerst lukrativen Handel mit Opium, Tee und Seide vollständig an sich gerissen.
(Der mächigste Pirat aller Zeiten!)
welpenweste Die erfolgreiche, geradezu wahnsinnige Story einer Frau interessierte mich. Daher diese Geschichte. Ich bin froh, dass es dir gefallen hat Günter |
tooshytowrite Nun kenne ich also auch die pikanten Details dieser legendären Lady. Neidlos bewundere ich ihre vielfältigen Talente. Dankeschön! |
welpenweste Bei all dem Reichtum wäre ich ganz gerne ihr Seepferdchen gewesen. Vielen lieben Dank für die Lesezeit! Günter |