Fantasy & Horror
Der Raumring

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"Versorgung im All"
Veröffentlicht am 26. Oktober 2018, 42 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Ich versuche mit guten Geschichten zu unterhalten. Hoffentlich glückt es. Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren. Seit meiner Kindheit schreibe ich, habe aber nie eine Profession daraus gemacht. Meine zarten Versuche mal eine meiner Geschichten bei einem Verlag zu veröffentlichen sind gescheitert. Hier gibt es eine Auswahl von Kurzgeschichten aller Art. Sie sind in ihrer Kürze dem Internet und e-pub Medium angepasst.
Versorgung im All

Der Raumring

Vorbemerkung

Horror

Dies war einmal verkürzt ein Beitrag zur Storybattle 21: "Deine Monstergeschichte".(08.02.2016)

Alex soll beweisen, dass das Überleben im All machbar ist.

Die Story ist ausführlich überarbeitet und kommt ohne den Wettbewerbs-Restriktionen besser zum Tragen, so denke ich.


Copyright: G.v.Tetzeli Cover: G.v.Tetzeli (Dank auch an pixabay) www.welpenweste.de

Der Raumring

Es klingelte. Gazelle Susi brach ihren Ritt ab und ich langte stöhnend zum Handy. „Ja“, japste ich. „Sie werden gebraucht, es ist soweit.“ Ich sprang aus den Federn. Major Dinkelmann war am Apparat. Ich lauschte, nickte, fast wollte ich stramm stehen. „Gewiss, ich bin schon auf dem Weg.“ Die Decke fetzte ich zur Seite. „Hurra, sie haben mich ausgewählt!“ „Was is’n los?“ Sie wühlte am Kopfkissen. „Ich werde Kapitän Kirk“, sagte ich stolz. Sie zeigte mir den Stinkefinger. „Du bist einfach durchgeknallt, Alex“, lächelte sie und sank ins Kissen zurück.

Nach einer halben Stunde war ich bei dem geheimen Raumfahrtzentrum angekommen. Susi durfte es sich derweil in meiner Wohnung gemütlich machen. So schnell kam ich eh' nicht wieder. Und wenn ich zurückkam, dann würden mich sicher Alle feiern. Ich würde weltweites Aufsehen erregen, wie die Typen bei der Mondlandung. Da würde ich immer noch entscheiden können, ob Susi noch gut genug für mich war. Ich würde wahrscheinlich sowieso in den Jet-Set aufsteigen. Major Dinkelmann klärte mich auf. „Alex, sie haben das Los gezogen, gratuliere!“ „Große Ehre!“ „Wie sie wissen ist diese Versuchsreihe geheim.“ „Natürlich!“ „Weiß jemand davon? Irgendwem

irgendwelche Andeutungen gemacht?“ „Nein!“ Susi würde mir die Story von dem Kapitän Kirk sowieso nicht abgenommen haben.

Nach allem hin und her landete ich mit meinem Raumanzug in dem Raumfahrzeug. Das stimmt nicht ganz so, wie sie es sich vorstellen. Zum Abschuss befand ich mich in der Mitte eines Rades, quasi in der Nabe. Der Countdown lief wie am Schnürchen ab. Es wurde gezündet. Der Druck presste mich in den Sessel. Nach 18,5 Minuten war ich auf stationärer Höhe. „Gehen sie in den äußeren Ring.“ Ich gehorchte. Das Raumfahrzeug, das Rad hatte dicke, hohle Speichen. Durch eines dieser Speichen-Gänge hangelte ich mich in

den Außenbereich. Bleiben wir bei dem Vergleich mit einem Rad, dann befand ich mich nun im Hohlraumring über der Felge im Reifen, dem Schlauch. In diesem Ring gab es verschiedene Abteilungen, die Instrumente lagen an der Innenwand der runden Verkleidung. Ich schnallte mich an den Pilotensitz an. Ich hatte es tausendfach geübt. „Schub 0, 173, Roger.“

Das Raumfahrzeug begann sich um die eigene Achse zu drehen, wie wenn ein Fahrradreifen in Drehung kommt. Gleichzeitig glitt der Boden samt der Wände und Einrichtung nach außen. Der ganze Innenraum war durch Kugellager schwenkbar. Die Fliehkraft machte nun die Außenwand des Rades zum Boden und sämtliche Wände,

Instrumente schwenkten mit.

„Der Innendruck stimmt“, stellte die Bodenstation fest. Letzte Überprüfungen wurden noch durchgeführt, vor allem die Gas- Zusammensetzung, sowie der Luftdruck. Ich durfte den Raumanzug ausziehen. Im Außenlauf des Reifens bestand nun eine Schwerkraft von einem G. Alle Instrumente meldeten das Ok. Die Lämpchen standen auf grün. Nachdem ich nun in einem fetzigen Jogginganzug einen Rundlauf durch den Außenwulst der Raumstation absolviert hatte, nahm ich wieder Verbindung mit der Bodenstation auf. „Alles wunderbar. Keine Vorkommnisse. Durch das Schwenken des Bodens schließen die Eingänge zu den Speichen nicht exakt. Wenn wir die Rotation

der Raumstation erhöhen würden, dann würden sie vielleicht einrasten.“ Die Bodenstation gab Rückmeldung. „Lassen Sie es so. Es ist nicht wirklich beunruhigend. Wir haben es schon durchgecheckt. Es ist alles dicht. Uns gefällt es auch nicht besonders, aber im Moment besteht keine Gefahr. Wir sind aber auf alle Fälle dran.“ „Verstehe.“ "Das mit Erhöhen der Rotationsgeschwindigkeit ist so eine Sache. Durch höhere Anziehungskraft könntest du medizinische Probleme kriegen, denn das wieder Abbremsen kostet nicht nur Energie bei den Steuerdüsen, es dauert auch. Das geht nicht so wie bei einem Auto auf der Erde" „Ok Jungs, war blöd von mir, aber es ist eben nicht opti." "Passt uns auch nicht,

kann‘ste mir glauben, aber die Filter und die Schlauchverbindungen sind in Ordnung. Wir kriegen die atmosphärischen Umweltbedingungen hin. Kostet etwas mehr Energie, aber da können wir das neue Sonnensegel einsetzen. Ist doch positiv, wenn es sich bewährt. Wir teilen es dir sofort mit, wenn die Sache nicht hundertprozentig klappt. Zur Not müssen wir dich eben abholen. Circa vier Tage dauert es den Raumgleiter vorbei zu schicken. Unsere Techniker basteln daran zu überprüfen, ob die Docking-Einheit absolut in Ordnung ist. Ich denke aber schon, denn sie sind schräg an der Hauptachse, also eigentlich nicht betroffen." "Ich verlass' mich auf Euch!"

„In Speiche eins dürftest Du genügend pflücken können, um dich zu ernähren. Wir haben schon vorgegärtnert“, grinste Major Dinkelmann. „Sieh mal nach dem Grünzeug.“ „Klar doch, ich überprüfe es gleich.“ Ich glitt durch die Tür in Speiche eins. Die Bodenstation hatte recht. Die Speiche und der Übergang zum Ring waren vollständig in Ordnung. Dass da noch irgendetwas nicht hundertprozentig war, das merkte man erst daran, dass die Türe zum Gewächshaus Speiche nicht richtig pneumatisch schloss. Es wucherte nur so. Durch das Glasdach, einem Keramik Konvolut, bekamen die Pflanzen mehr als genügend Licht, das durch Kunstlicht ergänzt wurde. Da gab es Pilze, Früchte. Von Äpfeln bis zur Himbeere. Prima,

alles wunderbar. Das Kontrollpaneel und ich waren zufrieden. Alle Werte waren optimal. Ich quatschte wieder mit der Erde. Es sei alles Bestens. „In Speiche zwei findest du die Proteine.“ Auch das sah ich mir an. Doch nun gab es ein Problem. „Bei allen Simulationen auf der Erde hatte ich Tiere zur Auswahl gehabt. Vom Hasen bis zur Grille. Alles hatten wir ausprobiert. Und nun? Nur ein paar alte Holzstämme, etwas Grün dazu, das war's? Soll ich hier oben ein Lagerfeuerchen anwerfen? Spinnt ihr?“ „Nur die Ruhe, Alex. Wir haben alles durchgerechnet. Es ist eine Neuerung, von der Du noch nichts weißt.“

„Bin nicht begeistert!“

„Die normalen Wildtiere verbrauchen einfach zu viel. Vor allem Sauerstoff, von Kohlendioxid, das sie ausscheiden ganz zu schweigen. Da können wir die Autarkie der Ernährung nicht gewährleisten. Sie benötigen außerdem zu viel Wasser.“ „Soll ich hier vielleicht als Ziege enden. Ein paar grüne Blättchen und ein paar Beeren, das war’s dann? Wie war doch das Experiment: Menschen völlig unabhängig von der Erde ein Überleben zu ermöglichen. War es nicht so?“ „Nein, Alex, es sind Maden, weiße, fette Maden. Deren DNS und DNA sid verändert. Sammle sie alle ein und hau sie in die Pfanne. Die Kochnische kennst du ja. Durch die Drehung, durch die künstliche Schwerkraft,

durch die Rotationsgeschwindigkeit ist alles so, wie auf der Erde.“ „Maden! Maden“, brüllte ich. „Ich darf dir versichern, Alex, für gewisse Indianerstämme im brasilianischen Urwald sind sie eine Köstlichkeit. Die verzehren sie sogar roh.“ Was soll ein Astronaut tun? Er hat sich den Gegebenheiten zu stellen! Ich brach die Verbindung voller Zorn ab. Nach einer Weile ging ich doch noch einmal in Speiche zwei. Auch dort schloss die Zwischenschleuse nicht ganz ab. Zwei Maden rupfte ich von der Rinde. Sie waren etwas dicker als der Daumen und auch doppelt so lang. Ab in die Mikrowelle! Sie platzten auf, wurden braun. Sie sahen echt lecker aus, wie Nürnberger Bratwürstchen. Ich kostete. Welch

eine Überraschung: Wwie Hühnchen Fleisch gingen sie den Gaumen herunter, aber doch etwas anders. Man kann nicht meckern. Wieder mit der Erde verbunden, erzählte ich von der Verkostung. „Schmeckt echt gut“, behauptete ich. „Siehst du, Alex, wir haben an alles gedacht. Natürlich befindet sich diese Ernährung noch im Versuchsstadium. Aber deswegen bist Du ja da oben, oder nicht?“

Sauer war ich trotzdem. „Wir bitten Dich nur um Eines, esse die Maden immer alle auf. Wenn Speiche zwei leer ist, kannst du die Neulinge wieder aussetzen. Du weißt, die aus dem dunklen Zuchtschrank. Es sind nämlich genetisch veränderte Maden. Sie wachsen erst, wenn du sie in Speiche zwei frei gesetzt

hast. Im Zuchtschrank können sie praktisch ewig vor sich hin dümpeln. Sie befinden sich in einer Art Eis-Starre. Das ist doch das Spektakuläre! Und du weißt, dass dies das wichtigste Experiment ist.“ „Von wegen! Von diesen Viechern habe ich nichts gewusst! Das ist wieder so eine typische, militärische Geheimniskrämerei.“ „Ging nicht anders, Alex, wir durften nicht.“ „Wie bitte? Ich soll auf Maden Suche gehen?“ „Es sind immer zehn Stück. Du klaubst die Zehn auf und machst sie Dir bei Bedarf in der Pfanne, oder in der Mikrowelle. Ist doch ganz einfach!“ „Aha!“ „Immer wenn Du die Zehn gefuttert hast, setzt du zehn neue aus dem Eisschlaf wieder ein.“ „Wieso denn dieser Blödsinn? Warum nicht einfach je Bedarf?“

„Sie wachsen!“ „Na und?“ „Sie wachsen schneller, fressen mehr, als Grünzeug in der Raumstation produziert werden kann, zumindest auf Dauer. Der vierzehn Tage Rhythmus wäre optimal. Also tue, was man Dir sagt.“ Punktum, was sollte ich machen?


Ich bin nun schon drei Monate hier oben. Man beschäftigte mich ordentlich. Endlose Versuchsreihen hatte ich zu bewältigen und Fitnesstraining, trotz künstlicher Schwerkraft, ergänzten das berstend gefüllte Tagesprogramm. Das ultramoderne Sonnensegel war der Hit. Es lieferte mehr Energie, als gedacht. Es reagierte auf den Sonnenwind. Es wich ihm so aus, dass die

Raumstation nicht ihre Umlaufbahn veränderte. Perfekt. Auch für spätere Missionen im weiten All war das äußerst wichtig. Die ganze Sache versprach ein voller Erfolg zu werden. Die Ernährung klappte. Im Zuchtschrank holte ich immer die neuen, winzigen Maden aus dem Eisschlaf, setze sie in Speiche zwei aus, und nach zwei Wochen waren sie reif für die Ernte. Wenn ich also jedes Mal so viele Maden ersetze, wie ich gegessen habe, dann flutscht die Sache. Davon habe ich dem Raumfahrtzentrum nichts erzählt. Ihren blöden 10er Rhytmus bevolgen, das passte mir nicht. Die wollten ja, dass ich immer alle abernte, aber dann müsste ich ja 14 Tage warten, bis sie wieder erntereif waren und dazu hatte ich keine Lust.

Irgendwie mag ich diese Biester frisch. Also verfiel ich auf das Prinzip: Eine entnehmen, eine Neue ins Baumstammparadies setzen. So hatte ich nicht eine „Dürreperiode“ von Wachstum meiner Würstchen hinzunehmen. Eintrag Logbuch „Heute musste ich durch Speiche drei in den Innenbereich, also in die Radnabe. Ich mag das nicht sonderlich, denn in der Mitte der Station wirken keine Fliehkräfte, da herrscht Schwerelosigkeit, wie sie bei der Raumfahrt früher üblich war. Eine Steuerdüse musste kurz gezündet werden, damit die Raumstation auf ihrer Umlaufbahn blieb. Technisch lief alles einwandfrei ab.“ Eintrag Ende. Zur Belohnung holte ich mir aus Speiche zwei,

drei Maden Würstchen. Nummer 86 und87, 88 waren im richtigen Zustand. Ich nummerierte die Maden nämlich mit schwarzer Farbe, damit ich den Überblick behielt. Sie sollten ja nicht zu groß werden. Die weißen Winzlinge wurden zwar etwas dunkler, wenn sie wuchsen, aber die schwarze Nummerierung blieb sichtbar. Ausgerechnet heute beschlich mich ein ungutes Gefühl. Irgendetwas stimmte in Speiche zwei nicht. „Sagt mal, Jungs“, funkte ich zur Erde. „Wie lange reicht eigentlich die Rinde für die Maden.“ „Da mach Dir mal keine Sorgen. Die Rinde reicht locker solange, wie das Experiment dauert. Soviel können deine kleinen Freunde gar nicht abfressen. Alles genau berechnet. Das ist ein einfacher

Algorhythmus. Fressen, Größe, Proteine.“ Ich meldete verstanden, dann brach ich die Übertragung ab. Ich begab mich wieder in Speicher zwei. Viele Baumstämme waren blank, wie ein Kinderpopo. Ich machte mir Sorgen. Und was für welche! Die verbleibende Rinde reichte niemals! Ich überlegte. Könnte es vielleicht daran liegen, dass ich Nummer 33 seit fast zwei Monaten vermisste. Auch Made Nummer 44 war wie vom Erdboden verschluckt und unauffindbar. Ich kletterte an den Haltegriffen in der Speichenwand weiter nach vorne in die Mitte, auf die Nabe der Raumstation zu. Wie gesagt, ich tat das nur ungern, weil die Fliehkraft abnahm. In diesen Bereich drang ich selten vor. Mir wurde bei Schwerelosigkeit meist

schlecht. Ich wollte gerade einen kleinen halb schwebenden Stamm beiseiteschieben, als ich auf ihm die Zahl 44 erblickte. Es war gar kein kleiner Stamm, es war Made 44. Wie hatte sie sich verändert! Der ursprünglich weiche, weiße Körper hatte nun eine braune Färbung angenommen. Die Haut war hart, schrumpelig, wie eine Baumrinde. Die Made hatte jetzt auch Füßchen, wie ich bei genauerem Hinsehen entdeckte, praktisch wie ein Tausendfüßler. Ich wollte mir das Ding schnappen, aber das Biest krallte sich an einem großen Baumstamm fest. Nichts zu machen! Na warte, nicht mit Alex! Ich trat den Rückzug an und lief durch den Ring zur Küche. Da holte ich mir ein Messer. Werden doch sehen, wer hier das Sagen hat.

Ausgerechnet jetzt meldete sich die Bodenstation. „Ja doch“, nahm ich ungehalten die Kommunikation auf. „Is im Moment echt schlecht, Leute.“ „Alex, es ist dringend!“ Der Ton war alarmierend. „Vernichte auf der Stelle die Maden! Auch die Schlafenden in dem Zuchtschrank! Du weißt ja, dass sie wachsen, wenn sie Rinde fressen. Wir haben auch hier auf der Erde weiter getestet. Wenn Du nur eine übersiehst, dann wachsen die immer weiter. Sie bilden erst eine braune Außenhaut, dann bekommen sie Füßchen. Aber am Schluss bilden sie einen festen, schwarzen Chitin Panzer. Der verändert seine Struktur. Der Panzer wird so fest, da prallen selbst Pistolenkugeln ab. Wie konnten erst mit

panzerbrechender Munition die Biester erledigen. Und sie haben dann auch ihre Ernährung umgestellt. Sie fressen Aas, Fleisch, Tiere! An sich musst Du Dir keine Sorgen machen, da Du sie ja immer alle auf einmal erntest. Aber wir finden dennoch das Risiko zu hoch. Sie können für Dich durchaus, meinetwegen durch einen dummen Zufall, zu einer Gefahr werden. Deshalb vernichte alle. Du musst halt bis zum Ende des Experiments mit dem Grünzeug auskommen. Tut mir leid, Alex." Ich stand erstarrt vor dem Mikrophon. "Alex, hast du gehört? Vernichte sie! Jetzt!" Ich riss mich zusammen. "Ja, in Ordnung, verstanden. Melde mich danach wieder." Ich stieg wieder in Speiche zwei ein, doch Nummer 44 war gar

nicht mehr am selben Platz. Sie hatte den Baumstamm verlassen, an den sie sich geklammert hatte. Der Baumstamm war nun blitzeblank, völlig ohne Rinde.. „Ich werde dich schon kriegen, du Scheißvieh.“ Also kletterte ich an den Haltegriffen noch weiter Richtung Mitte. Die Baumstämme fingen schon fast an zu schweben, da pappten zwei kleinere Baumstämme aneinander. Der eine blank, der andere braun. Da war sie, die Nummer 44. Hier, fast in der Schwerelosigkeit, konnte ich mit dem Messer nicht so recht arbeiten, deshalb nahm ich also beide mit. Endlich war ich wieder im Ring, stand in der Küche. Auf dem Küchenbord lag der Stamm und die Made 44, die sich an ihm festkrallte. Sie war fast

armlang und dick, wie ein Oberschenkel. Ich fuhr mit dem Messer an ihre Beinchen, um sie zu lösen. Es klappte nicht so recht. Mit zwei Messern müsste es klappen, dachte ich. Als ich einen Teil loslösen konnte, da wechselte Nummer 44 plötzlich die Richtung und sprang auf den rechten Unterarm. Blitzschnell schlängelte sie sich um das Handgelenk und dann kam auch schon der wahnsinnige Schmerz, als die Mundwerkzeuge durch die Haut drangen. Sie fraß sich tief in das Fleisch. Ich schrie, weinte und säbelte den Laib der Made durch. Es ging schwer, aber ich schaffte es. Das hintere Ende fiel ab, aber das Kopfstück war mit dem Handgelenk fest verbunden. Wenigstens hatte sie aufgehört weiter zu

fressen. Der irrsinnige Schmerz blieb. Ich biss die Zähne zusammen und begab mich zum medizinischen Abschnitt im Ring. Die Raumstation war hervorragend ausgerüstet. Ich spritzte mir was gegen die Schmerzen und operierte mit einer Hand und mit Hilfe eines High-Tech-Roboterarms. Nach zwei Stunden war die Operation vorbei. Die Hand würde steif bleiben. Die Mundwerkzeuge hatten Sehnen durchgebissen. Den restlichen Vorderteil von 44 hatte ich durch die Luftschleuse ins All gejagt. Der Brutschrank war ebenfalls schon leer. Die Biester wirbelten nun im All. „Alex! Alex, so melde dich doch“, bettelte die Bodenstation. Ich meldete mich. „Habe vernichtet“, stöhnte ich.“ „Was ist los?

Probleme?“ Es half nichts, ich gestand alles. Nur die Spezialisten auf der Erde konnten mir helfen. Mit einer zweiten Operation würde vielleicht die Hand vielleicht zu retten sein. Dazu müsste aber der OP-Roboter völlig neu programmiert werden. „Meine eine Hand ist zu nichts mehr zu gebrauchen“, endete ich. Am anderen Ende war erst einmal Stille. Dann wurde nachgefragt. „Wie alt ist denn die andere Made, die Nummer 33 jetzt? 57 Tage?“ „Right.“ „Und noch nicht wieder aufgetaucht? Nicht gefunden? Die purzelt noch frei herum?“ „Ich befürchte, so ist es.“ Ich wusste, wie mich das Kontrollzentrum wahrscheinlich verfluchte. „Mein Gott“, entfuhr es meinem Betreuer. "Sieh in Speiche zwei nach, aber komme dem Ding ja nicht zu

nahe!" Ich kletterte in Speiche zwei hinein. Ganz hinten sah ich etwas. Etwas Schwarzes, etwas Großes. Ich zog mich vorsichtig, schleichend zurück.

"Sie ist riesig und schwarz", gab ich durch. "Um Himmels willen." "Was soll ich tun?" "Beten." "Wie bitte? Ihr holt mich doch ab!" "Frühestens in 4 Tagen wären wir mit einem Raumgleiter bei Dir, aber ich sage Dir gleich, wir kommen nicht." "Waas!" "Wir kommen nicht. In vier Tagen hat sie Dich sowieso erwischt und sie wird weiter wachsen und schließlich die Raumstation zerstören, weil alles buchstäblich aus den Nähten platzen wird. Du hast Dich nicht an unsere Vorgaben gehalten und nun ist es zu spät. Mein Bedauern ist bei Dir, Alex."

"Das könnt ihr Schweine doch nicht machen", schrie ich. Die Funkverbindung war tot. Ich war wie zerschlagen. Dann knackste es wieder in der Leitung. „Alex, du wusstest, dass dies eine militärische Operation war. Ähm, wir müssen die Raumstation abschreiben.“ Die Stimme machte eine tragende Pause. Was dann kam, raubte mir den Atem. Sie baten mich doch tatsächlich in die Nabe zu steigen und die Steuerdüsen volle Kraft laufen zu lassen. Dann würde ich aus der Umlaufbahn herauskatapultiert werden und für immer ins All trudeln. Es sei ein Dienst an der Menschheit. Die Hand tat weh und ich nahm noch eine weitere starke Schmerztablette ein. Eine

Beruhigungspille gab es noch obendrauf. Eine Spritze gab es außerdem. Ewig würden die Morphine auch nicht reichen, aber jetzt musste ich einsatzbereit sein. Die hatten mich also abgeschrieben.

Sie hatten es von Anfang an geplant. Solche genetisch programmierte Maden sollten eine biologische Waffe werden, das war es, was die Schweine gewollt hatten. Und ich sollte hier oben praktisch die angebundene Ziege für den Tiger sein, das Opfer. Warum mich erst jetzt warnen? Die wollten mir doch nicht erzählen, dass sie das nicht schon längst gewusst hätten. Sie wollten bestimmt irgendwie herausfinden, wie man über eine Sonde, oder Trägerrakete die Biester verteilen kann. Wie sich die

Schnuckelchen unter realen Weltraumbedingungen machten. Während ich mich also in Verschwörungstheorien erging, überlegte ich, wie ich doch noch entkommen könnte. Diesem Chitin-Biest war so einfach nicht beizukommen. Hier, im All mit einer Kanone herumzuballern, kam nicht infrage, ganz abgesehen davon, dass ich gar keine Pistole an Bord hatte. Aber was sagte mein Betreuer doch gleich? Sie wird weiter wachsen? Ein ausgehärteter Chitin Panzer wächst nicht! Schon gar nicht, wenn er so dermaßen hart ist. Wenn das Drecksvieh wachsen will, dann bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als sich zu häuten. Der Chitinpanzer bricht an einer Stelle auf, das Vieh krabbelt hinaus und dann

dauert es, bis der neue Panzer ausgehärtet ist. Das war meine einzige Chance. Immer vorausgesetzt, dass ich bis dahin noch am Leben war. Ich nahm an, dass black Tiger, Blacky, so nannte ich die Riesenmade mit Galgenhumor, sich erst einmal über die gesamte Rinde hermachte, bevor sie sich auf weitere Futtersuche begab. Wenn die Rinde und das Grün ausreichte, um Blacky zum Häuten zu veranlassen, dann hätte ich Glück. Dann würde Blacky bis dahin ganz brav in Speiche zwei bleiben, bevor er Jagd auf Fleisch, auf mich machte. Ich warf noch eine weitere Schmerztablette ein, dann ging ich zu Speiche zwei, um nachzusehen. Vorsichtig lugte ich um die Ecke. Da war Blacky. Blauschwarz, mit Stahlglanz lag sie wie ein

großer Baumstamm da. Schnell riss ich den Kopf zurück. Haben Maden eigentlich Augen? Ich lugte wieder um die Ecke. Blacky lag verdächtig still da. Es dauerte eine ganze Weile, bevor mir aufging, dass es nicht Blacky war. Es war nur noch die leere, schwarze Hülle. Blacky musste sich vor kurzem gehäutet haben. Die Baumstämme waren alle kahl gefressen. Blacky trieb sich also schon irgendwo in der Raumstation herum. Die Scheiß-Türen schlossen ja nicht richtig. Wie schnell waren die kurzen, ekelhaften Beinchen? Vielleicht war Blacky in Speiche eins abgebogen. Jetzt sah ich auch, dass die schwarze Hülle in Schuppenringe unterteilt war. Das machte Blacky außerordentlich beweglich. Verdammt! Ich tastete mich im

Ring vorsichtig vorwärts. Ich blickte in Speiche eins. Da war Sie. Sie war noch gelb. Die neue Haut begann sich erst langsam abzudunkeln. Mit dem größten Messer, das ich in der Küche gefunden hatte, stürzte ich mich auf sie. Ich lag auf ihr, wie auf einem großen Baumstamm und schnitt und schnitt. Es war eine rechte Sauerei. Sie war tot. Ihre Beißwerkzeuge hatten mich nicht erwischt. Das Schlimmste war, die zerhackten Teile aufzusammeln, bevor ich sie durch die Schleuse in den Weltraum beförderte. Mit Glückseligkeit im Herzen wischte ich die Reste weg, Flüssigkeiten und so. Alles, was mit diesem Biest in Berührung gekommen war, wurde ins All entsorgt, einschließlich Wischlappen. Wie gerne säuberte ich. Susi daheim hätte mich

nicht wieder erkannt.


Ich war gerettet und weinte vor Freude. Ich schluchzte und weinte und weinte und schluchzte. Das Alleinsein erdrückte mich. Niemand da, der mir auf die Schulter klopfen konnte. Der Arm pochte. Schließlich raffte ich mich auf. Ich war Astronaut, ein Held, ich hatte es geschafft! Nun musste ich nur noch den Erfolg der Erde mitteilen. Mann, würden die Bauklötze staunen, freuen, wie ein Schnitzel. Ihre Milliarden teure Raumstation war gerettet. Das Experiment hatte Fehler aufgezeigt und das Sonnensegel und andere Dinge waren dermaßen positiv abgegangen, wie ein Zäpfchen. Zwei Stunden später war ich immer noch

verzweifelt bemüht mit der Bodenstation Funkverbindung aufzunehmen. Die Kerle wollten offensichtlich nicht antworten. Verflucht noch eins! Haben Die Scheiße in den Ohren? "Hallo, hört ihr mich denn nicht? Das Biest ist tot! Es besteht keine Gefahr mehr!" Nach langer Zeit knackte es doch im Lautsprecher. „Hallo Alex“, meldete sich Major Dinkelmann. „Endlich“, seufzte ich. „Das Biest ist erledigt. Alles ist gut. Mein Gott, wie bin ich froh, dass ihr euch endlich meldet. War wohl eine Funkstörung“ "Hör mal, Alex, ich habe vollstes Verständnis für Deine Situation. Ich würde an Deiner Stelle auch lügen, in meiner Verzweiflung.“ „Aber neiin“, kreischte ich. „Ich habe das Ding erledigt. Ich, ich habe sogar Videobeweise! Der Kampf ist aufgezeichnet.

Ich übermittle euch den Stream.“ Die Übertragung funktionierte. „Und? Gesehen?“ „Haben wir“, flüsterte Major Dinkelmann. „Haben wir längst. Du weißt doch, dass wir überall Videokameras haben. Alles wurde in Echtzeit übertragen“ „Na also! Wann kommt ihr? Holt mich gefälligst ab! Der Gleiter dürfte doch bald startbereit sein, oder? Vier Tage, nicht wahr? Die vier Tage stehe ich schon noch durch.“ „Dich hat eine Made gebissen?“ „Ja, sicher, habe ich doch erzählt. Ich habe mich selbst operiert. Die Hand ist natürlich noch Scheiße, schmerzt grässlich, aber mit einer ordentlichen OP auf der Erde, da wird das schon. Ich habe auch noch genügend Schmerzmittel. Jedenfalls für die 4 Tage. Kann ich vielleicht sogar auf eine Woche

strecken.“ "Tut mir unendlich leid, Alex, aber wir kommen nicht. Es ist zu gefährlich." "Aber ich sage ihnen doch, die sind alle erledigt. Und die Riesen-Made habe ich direkt nach dem Häutungsvorgang filetieren können! Das habe ich doch schon mehrfach erzählt. Und alles habe ich in das All entsorgt. Alles paletti!" „Nicht die Maden sind das Problem. Du bist es!“ „Verstehe nur Bahnhof.“ „Wenn die Viecher einen beißen, dann legen sie durch den Mundschleim Eier ab. Wenn sie in einem Wirtstier schlüpfen, mögen sie keine Rinde, sondern gleich...“ Mich traf der Schlag! „Alex, bist Du noch dran?“ „Ich möchte mit meinem Betreuer sprechen! Auf der Stelle!“ „Der ist im Krankenhaus. Er hat einen Nervenzusammenbruch. Er hat erkannt, was

los ist.“ Ich konnte nicht mehr und legte das Mikrofon zur Seite. Dann ging ich zur Krankenstation und tastete mich mit dem handlichen Computertopografen ab. Ich wollte Gewissheit. Ich fing bei der eingebundenen Hand an. Sie schien schwer entzündet. Ich sah eine quicklebendige Mini-Made. Sie raspelte an dem Gelenk. Eine weitere Kämpfte sich durch das Fleisch. Sie hatte schon die Höhe des Oberarms erreicht. Eine andere entdeckte ich schließlich in der Bauchhöhle. Wehe, wenn die Schmerzmittel nachlassen würden. Wie viele Eier hatte denn das Maden-Schwein wirklich abgelegt? Wie viele turnten noch in meinem Körper herum?

Ich war verloren.


Ich sah hinaus in das All und sah zurück auf die Erde. Hallo ihr da auf der Erde. Ich hoffe, dass ihr nicht weitere, entscheidende Fehler begeht.


Diese Aufzeichnung habe ich noch angefertigt, ganz altmodisch geschrieben und sende sie hiermit. Im Anhang meine medizinischen Werte, während sich die Biester bereits in mir entwickeln. Vielleicht könnt ihr ja damit noch etwas anfangen. Ich gehe jetzt ohne Raumanzug durch die Vakuum-Schleuse nach draußen. Das geht schnell und wird nicht so grauenvoll sein, wie die Alternative.

Gott mich euch! Alex.

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Hoffentlich glückt es.
Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren.
Seit meiner Kindheit schreibe ich, habe aber nie eine Profession daraus gemacht. Meine zarten Versuche mal eine meiner Geschichten bei einem Verlag zu veröffentlichen sind gescheitert.

Hier gibt es eine Auswahl von Kurzgeschichten aller Art. Sie sind in ihrer Kürze dem Internet und e-pub Medium angepasst.

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