Mein Schniddsel
Meine Holde behauptete, dass ich von der Küchenarbeit keine Ahnung hätte und sie hatte mir sogar verboten überhaupt die Küche zu betreten, weil ich nur ein Desaster hinterlassen würde.
Ich beschloss, diese Diskriminierung nicht mehr auf mir sitzen zu lassen.
„Lass mich nur einmal kochen, ein Gericht zubereiten, dann wirst du schon sehen!“
Ihr Laserblick spießte mich auf.
„Kommt nicht infrage!“
Es kochte in mir. Das bisschen Haushalt, einen Topf, eine Pfanne, ein Herd und gut ist’s, lächerlich!
Als die bessere Hälfte einen unheimlich wichtigen Termin hatte, nämlich Kaffeeklatsch bei Tante Thea, wo sie genüsslich die hinterbrachten Neuigkeiten der Gerüchteküche durch walkte, da sah ich meine Chance gekommen. Ich hatte mich natürlich im Internet erkundigt, welches Gericht etwas hermacht und trotzdem super einfach zuzubereiten ist.
Das Wiener Schnitzel ging als Sieger der sagenhaft einfachen Zubereitung hervor, ein Klacks.
Zuerst begab ich mich also zum Metzger.
„Ich hätte gerne ein Schnitzel“, äußerte ich fachgerecht.
„Schwein oder Kalb?“
In meinem Kopf würfelte ich.
„Schwein“, sagte ich aus Überzeugung.
„Ober- oder Unterschale?“
„Die Verpackung ist mir wurst“, dozierte ich, „Hauptsache nicht aus Plastik, wegen der Umwelt.“
„Bei der Schale versteht man, aus welchem Teilstück vom Schwein das Fleisch stammt.“ „Ach so?“ „Das eine, die Oberschale ist oben am Hinterteil, die Unterschale nennt man das Stück am Oberschenkel."
Ich griff an mir herum. Der Hintern war eindeutig weicher.
Overbowl“, bestimmte ich, „oben ist immer besser, oder?“
„Sie haben noch nie eingekauft, gekocht“, vermutete der Hellseher.
"Not really.“
Der Metzger grinste.
Er hielt das Schnitzel in der Hand, das wie der Wischlappen aussah, den ich mit einem dunkelroten T-Shirt gewaschen hatte. Es wirkte in hellroter Farbe, die irgendwie auch einen rosigen Eindruck machte. Er drehte den Fladen, der wie eine abgesäbelte Zunge eines Warans aussah, der im Wind hechelte. „Ist’s recht?“
Ich nickte. Rosig würde meiner Holden gefallen.
„Und erst klopfen“, meinte der Metzger noch wohlwollend als Tipp.
„Yes, no, is clear“, antwortete ich weltgewandt.
Mit der Beute begab ich mich flugs zum heimischen Herd.
Da stand ich nun in der verbotenen Zone,
hatte das Rezept ausgedruckt und beschloss die Sache organisiert anzugehen.
Was brauchte ich? Mehl, Eier, Semmelbrösel, Salz, Pfeffer, Zitrone.
War sonst noch was?
Jetzt noch die Geräte, das Werkzeug bereitlegen. Ein paar Schalen fummelte ich aus den Tiefen der Schränke, dazu ein Messer.
Einen besonders schönen Platz auf einem großen Schneidbrett erhielt die Waran Zunge. Ich war stolz.
Ich las. Zuerst die Eier kleppern. Können die sich nicht normal ausdrücken? Ich rief Susi an, die gut kochen konnte. "Kleppern heißt verquirlen." "Wie?" "Eier aufschlagen und Eigelb mit Eiweiß durcheinander mixen, bis
eine helle, gelbe Sauce entstanden ist." "Aha! Danke dir."
Eier aufschlagen konnte ich. Ich habe das schon oft im Fernsehen beobachtet, weil meine Holde keine Einzige der vielen Kochsendungen verpasste. Der Handmixer kam zum Einsatz. Mann, wie das spritzte! Nun hatte ich meinen Eier Glitsch. Bruumm! Der Handmixer ist das Motorrad der Hausfrau. Wegen ein paar kleinen Bruchstücken der Eierschale knirschte es manchmal. Die Schüssel stellte ich beiseite und las weiter. Das Schnitzel mit Mehl bestäuben, überflüssiges Mehl abklopfen. Der Handmixer mit tropfenden Korkenzieher-Saft kippte zur Seite. Macht jetzt auch nichts, dachte ich.
Ach, halt, vorher noch klopfen, hatte doch der
Metzgermeister gesagt. Ich wurde ganz leicht nervös, eigentlich nur etwas unausgeglichen. Klopfen. Da ich nichts fand, kramte ich aus dem Werkzeugkasten einen Hammer heraus, der eine größere Schlagfläche hatte. Der war genau richtig, weil ich dabei auch gleich eine vorwitzige Fliege erwischte, die sich an dem Fleischlappen gütlich tun wollte. Den Fleck massierte ich ein. Wegen der neuen Zutat erinnerte ich mich an Salz und Pfeffer. Ich wendete den nun recht großen, aber dünnen Fleisch-Seidenschal in reichlich Mehl, damit man nicht mehr durchgucken konnte und ließ den Lappen in meiner Hand zwischen den Fingern hängen. Ich klopfte erneut mit dem Hammer, wie ich es aus alten Zeiten kannte, als Teppiche noch ausgeklopft wurden.
Es staubte ordentlich.
Ich las weiter. Durch den Eier-Glitsch ziehen, dann in Semmelbrösel wälzen.
Wussten sie eigentlich, dass die Kochkunst hier ein einziges Schlammfest war? Im Moorbad hätte ich mich wohler gefühlt. Also zog ich das Mehl-Handtuch durch die gequirlten Eier und wickelte den Pizza Boden aus Fleisch und Glitsch in den Semmelbröseln. Das Gefäß rutschte auf der Eierseife, die durch das Aufschlagen mit dem Quirl überall hin gespritzt war. Ich rollte deshalb das Kleinod, wie wenn man eine Zeitung zusammen rollt, weil das Ding sonst gar nicht in den Semmel Trog herein gepasst hätte. Dort ließ ich die Rolle erst einmal ruhen. Ich habe schon oft mitbekommen, dass man
beim Kochen und braten, backen irgendetwas immer ruhen lassen sollte.
Wie nun weiter? In der Pfanne in Butterschmalz goldgelb braten. Vier Minuten auf jeder Seite.
Ich zog aus einem Sonderfach eine übergroße Pfanne heraus.
Also erst einmal das Butterschmalz. Rein damit! Ich nahm die doppelte Menge, damit es besonders toll werden würde. Der Herd tat seine Schuldigkeit und heizte. Die Platte war rot glühend, die Pfanne auch, das Butterschmalz war durchsichtig, wie Wasser. Ich beschloss nun zum Höhepunkt der Show zu kommen. Meine Bröselfleischrolle, rein damit! Ich ließ sie im Öl-Ozean ausrollen. Das ging wie von selbst, aber es löste einen
Tsunami aus. Es schwappte ordentlich. Ich brachte mich in Sicherheit, vergaß nicht den Kurzzeitwecker zu stellen. Das Öl spritzte wie verrückt. Konnte nur super sein! Der Fladen schwamm.
Mein Schniddsel!
Der Wecker klingelte, wie programmiert. Ich musste mich vorsichtig der Pfanne nähern und mit einer überlangen Grillgabel gelang mir das herum Drehen meiner Schöpfung. Wieder vier Minuten. Ich schaltete schon vorher den Herd wieder aus, damit ich wenigstens das Ergebnis meiner Bemühungen aus dem Lava Ozean fischen konnte.
Und gerade, als das Schnitzel fertig war, da kam meine Holde zurück. Ich schlug die Türe zur Küche zu, raste ins Bad und duschte, zog
mich um. Aus einem mit Mehl bestäubten, verschmierten Clochard war wieder ein Mensch geworden..
Meine Holde hatte sich nun auch gemütlich gemacht.
"Ich habe eine Überraschung für dich", strahlte ich.
Auf einem riesigen Pizza Teller servierte ich mein kulinarisches Werk und sie war echt begeistert.
"Das hätte ich dir nie zugetraut", mundete es ihr.
"Ein echt sehr gelungenes Schniddsel", kaute sie begeistert mit vollem Mund.
Ich grinste gequält, weil sich inzwischen ein paar Brandblasen bemerkbar gemacht hatten.
Erst später, nach dem Essen, betrat sie Küche.
That was the springing point, das hüpfende Komma, wenn sie verstehen, was ich meine.
Von da an betrat ich die Küche nicht mehr freiwillig. Oder anders ausgedrückt: ich bekam absolutes Zimmerverbot. In der Küche hätte ich nie wieder etwas zu suchen.
An das Donnerwetter wegen des hinterlassenen Schlachtfeldes erinnere ich mich nur sehr ungern. Ich fühlte mich mehr geprügelt als mein Schniddsel.