Lauf ich doch mal
"Bist du sicher, dass du genug trainiert hast? Einmal die Woche für 14 km finde ich zu wenig Schätzchen."
"Ach, was. Ich bin doch in Form. Wenn ich laufe, puste ich ja nicht einmal."
"Das nicht, aber einmal die Woche hört sich so wenig an."
Der Tag war da. Nachtlauf durch die Stadt. Ich konnte wählen. 7 km oder 14. Na, ich trete doch für 7 km nicht an. 14 km hört sich schon ganz anders an. Ich fühlte mich der Aufgabe gewachsen.
Ich nahm die Jogginghose aus dem Schrank und machte mir Mut. Vor drei Tagen erst war ich übungsweise 10 km gelaufen. 4 km mehr sind doch ein Klacks.
Meine Laufschuhe hatte ich mit Beratung gekauft. Zwei Nummern zu groß. Sehr gut, meinte der Verkäufer, die Füße schwellen an, wenn man viel und lange läuft. Gekauft.
Dicke Socken, T-Shirt mit den Bildern meiner Familie. Ein Geschenk zum letzten Halbmarathon. War tatsächlich schon einige Jahre her. Egal. T-Shirt
passt, fertig ist das Outfit. Trainingsjacke über und ab zum Startpunkt.
Mein Schatz ist für alle Sportarten zu haben, aber nicht für Joggen. Er schlenderte über das Stadtfest. "Eineinhalb Stunden werde ich brauchen. Amüsier dich", rief ich als der Startschuss ertönte. Die Stadt sah super schön aus. Alles war in der Dämmerung beleuchtet. Die Passanten ließen sich vor den bunten Bäumen fotografieren. Ein bunter, faszinierender Anblick. Ich lief und sah mich dabei um. In der Stadt war alles schön. Hell, aber es wurde dunkler und auf den Feldwegen angekommen,
noch dunkler. Ob es hier Wölfe gibt?, kam mir der Gedanke. Nein, sicher nicht. Das war bestimmt kontrolliert worden. Die Läufer vor mir hatten offensichtlich schon öfter an einem Lichtlauf teilgenommen. Sie hatten Taschenlampen. Teilnehmerbedingungen sollte mal lesen. Hatte ich nicht gemacht. Konzentriert sah ich auf den Boden. Keine Bodenvertiefungen bitte. Die Läufer vor mir hatte ich aus den Augen verloren. Ach egal. Ich war am "Weg zurück lohnt nicht - ist weiter als ans Ziel" angekommen. Weiterlaufen also.
Die Feuerwehr und Polizei sowie die anderen Streckenposten feuerten mich
an. Als ich sah, dass sie hinter mir die Begrenzung abbauten, war der Grund klar. Ich war das Schlusslicht. Irgendjemand ist doch immer der letzte. Jetzt war ich es mal. "Wir bauen auf Sie", rief ein Polizist mir zu und band erleichtert das Absperrband vom Baum. "Glaub ich gern". rief ich lachend.
Fast am Ziel rief mir eine Gruppe Jugendlicher zu, was ich mache. "Laufen", rief ich, fast das Ziel sehend, erleichtert zu ihnen rüber. "Super, wir glauben an Sie. Wir laufen mit". Meine Fans liefen mit mir bis zum Ziel. Immerhin waren es ca. 200 m. Ich lief über die Ziellinie und spürte glücklich
die Erleichterung, es geschafft zu haben - nach einer langen Zeit von 1 Stunde und 35 Minuten. Zählte aber nicht mehr, als mir eine junge Frau die Medaille umhängte.
Erleichtert umarmte mich mein Herzallerliebster. "Du siehst gut aus - so im Dunklen." Ich knuffte in seine Rippen. "Ein Radler wäre jetzt etwas, was mich echt glücklich machen würde."Schatzi hakte mich unter. "Eine tolle Idee. Das wäre mir jetzt auch lieb."Zufrieden nahm ich den ersten Schluck. Herrlich erfrischend. Ein toller Tag.