Vorbemerkung
Ich entdeckte hier im Forum die Schreibparty 69. Da diese wohl abgeschlossen ist, habe ich deren Vorgabe einfach als Anlass für diese Kurzgeschichte genommen, die dem Motto "Zungenbrecher" Folge leistet.
Laut gelesen verstehen sie den Titel.
Gute Unterhaltung!
(wieder eingestellt: 06.08.2019)
Copyright: G.v.Tetzeli
Cover: Monika Heisig
Internet:
www.welpenweste.de
Zungenbrecher
Es klingelte. Ein nobel gekleideter, distinguierter Herr begehrte Einlass. Er sei Notar und habe gute Nachrichten. Onkel Heribert sei verstorben und wir hätten ihn beerbt. Es handle sich nicht um die Güter des Geizhalses, denn die wären bereits wohltätigen Zwecken zugeführt, sondern es handle sich nur um 10.000 € in bar.
Nur! Der hat Nerven!
Unsere Augen glänzten.
“Wie sie wissen“, dozierte der Notar, "sind die Zugänge von Internetseiten, Abos und dergleichen ein Problem.
Damit sie nicht mit Kosten belastet werden können, haben sie diese zu löschen, falls sie
die Erbschaft annehmen."
Wir blickten ratlos. Das wäre uns nie eingefallen. Aber klar doch, wenn ein Abo kostenpflichtig ist, dann läuft es weiter, obwohl Heribert längst verstorben ist und die Erben haben zu blechen.
„Zum Glück für sie, war ihr Onkel sehr fortschrittlich und hat alles notiert.Ich habe hier die Aufstellung der Passwörter und die der entsprechenden Webseiten. Sie haben die Aufgabe bis morgen früh um 8:00 Uhr zu erledigen, dann bin ich wieder da.“
„Und dann?“
„Dann müssen sie noch das Master-
Passwort erraten. Sollte dies der Fall sein, darf ich Ihnen mit Freude einen Barscheck von 10.000 € überreichen.“
Der Notar empfahl sich und ließ uns verdattert zurück.
„Wir können wenigstens einmal anfangen“, machten wir uns Mut.
„Um das Master Passwort kümmern wir uns später“, beschlossen wir, obwohl wir nicht die geringste Ahnung hatten, wie wir das herausbekommen sollten.
Wir nahmen uns die Liste vor und begannen irgendwo.
Nixenfichtiglich ermöglichte den Internetzugang für Badezubehör, vor allem für Bikinis, die meistens nur aus zwei Gürteln bestanden. Die Gürtel wurden abgeschnallt.
Albergumsfidl bot den Zugang einer Seite mit
Witzen. Deshalb hatte Onkel Heribert immer mit Witzchen aus der Pharaonenzeit gelangweilt, die damals schon Wüstenstaub angesetzt hatten. „Du hättest damals nicht so ausrasten dürfen. Das hat ihn getroffen. Er war echt beleidigt.“ Meine Holde blickte mich vorwurfsvoll an.
“Himmelzefix sagt man halt in Bayern so", verteidigte ich mich. Onkelchen hatte auch auf dieser humorigen Seite ausgelacht.
Wir ackerten uns weiter durch.
Kroaxautorumpeldetsch war der Schlüssel für einen Anbieter, der Autozubehör vertickte. Auto Fetischist war der Onkel schon immer gewesen, wenn er selbst auch nur mit einer Schmuddelkiste herum rutschte. Jetzt
brauchte er keine Ersatzteile mehr, außer vielleicht Engelsflügel.
Bewduerftschlotl führte zu Bürobedarf. Man bedurfte nicht mehr.
Das Passwort Chakradeva erlaubte den Zugang zu einer esoterischen Seite, die mich so begrüßte: „Lieber Gläubiger“, wir freuen uns, wenn sie der Verlängerung des Abos zustimmen würden. Diesen Monat befassen wir uns mit Wasseradern.
Ich kappte die Adern endgültig.
Alle Passworte erspare ich Ihnen. Ein paar davon gingen ja noch. Da war Tolpatschi für einen Rollatoren Anbieter dabei,
Geizkreisweise brachte ich auch noch hin, um Sonderangebote herausfiltern lassen zu können, aber ich kam mir schon komisch vor, als ich mit "Hallo lieber Lustfuchsschwief" begrüßt wurde und dann erst den Account der Sex-Seite löschen konnte. Das tat ich aber nur, weil mir meine Holde über die Schulter blickte.
Blieben noch diverse Online Bankverbindungen.
Verbrechschneckschlingel kanzelte das Konto der Commerzbank, das Konto der Schweizer Bank wurde danach mit Rettungsankerabtauchglucks99 erledigt.
Endlich war der erste Teil der Aufgabe
vollbracht.
Es war Mitternacht geworden und wir saßen verschwitzt und erschöpft auf der Couch. Wir sahen uns an. Wie sollten wir denn sein Master Passwort erraten? Ein Ding der Unmöglichkeit! Da hatte meine bessere Hälfte eine Idee. „Wenn wir die Anfangsbuchstaben aller Passwörter aneinander setzen, dann… vielleicht“
Wir versuchten es, hielten uns dabei an die Reihenfolge der Internetseiten, wie sie uns der Notar aufgelistet hatte. Heraus kam:
NACKTBITCHGERNEREIV.
Reif mit V! Wir sahen uns an. Ich grinste. Meine Holde gab mir einen Klaps auf den Hinterkopf. “Ich kann doch nichts dafür“ „Schadet trotzdem nichts.“
„Sollen wir es versuchen?“
„Ist mir Wurst“, fuhr ich ärgerlich hoch. „Himmelzefix, das hat doch sowieso keinen Sinn!“
Am nächsten Morgen kam der Notar überpünktlich. Ich gab ihm die Bestätigungsmails als Beweis, dass alle Internetzugänge gelöscht waren und damit Heribert auch im Internet das zeitliche gesegnet hatte. Wir hatten quasi seine online-Beerdigung durchgeführt.
Der Notar grinste.
„Fein, sie haben es fast geschafft. Sie müssen nur noch das Master Passwort erraten.“
Meine Holde errötete, holte gerade Luft, um verächtlich NACKTBITCHGERNEREIV heraus
zu pressen, als ich dazwischen stiebte.
“Jetzt reicht es mir! Unmöglich! Himmelzefix, das ist doch reine Verarsche! Ihr könnt mich alle mal!“
Der Notar lächelte gütig.
„Himmelzefix ist richtig. Ich darf ihnen nun den Barscheck überreichen."