Fantasy & Horror
Life Game - Kapitel 18 (überarbeitet) - Die Formation

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"Life Game - Kapitel 18 (überarbeitet) - Die Formation"
Veröffentlicht am 06. August 2018, 36 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Danke, dass Du mein Buch liest. Mein Debüt, Life Game, unterliegt leider noch immer meiner Überarbeitung. Beruflich ziemlich eingespannt, bleibt zu wenig Zeit, diesem spannenden Hobby nachzugehen. Ideen für neue Stories stehen Schlange und warten nur noch darauf, in Worte gefasst zu werden. Ich danke allen die weiterhin kritisch aber neugierig meinen Geschichten treu bleiben. C. G.
Life Game - Kapitel 18 (überarbeitet) - Die Formation

Life Game - Kapitel 18 (überarbeitet) - Die Formation

18. richtungswechsel

„Los! Rauf!“ Mehr muss ich nicht rufen, Luisa ist bereits in Alarmbereitschaft und beginnt das Wrack zu erklimmen. Kilian hat es auch bemerkt und steht bereits oben an der Reling, um uns zu helfen. Luisa hat Schwierigkeiten die Kante der Reling zu greifen, also mache ich ihr eine Räuberleiter. Wie sind wir denn gestern an Board geklettert? Da ging das doch ohne Hilfe für alle einfacher, oder war das bedingt durch das Adrenalin? Ich wische den Gedanken weg und strecke mich, um die Reling greifen zu können. Wie aus dem Nichts sehe ich plötzlich andere

Menschen vor mir. Ich erkenne die Gesichter. Es ist ein anderer Teil unserer Gruppe. Genauso blitzartig, wie sie erschienen sind, verschwinden sie wieder. Was war das gerade? Ich habe doch nur geblinzelt. Ich schüttle meinen Kopf und beginne das Wrack hoch zu klettern. Wieder, Augen zu, Augen auf und ich stehe drei anderen Personen aus der Gruppe gegenüber. Augen wieder zu und wieder auf und ich befinde mich wieder beim Klettern am Wrack. Ich halte kurz inne und überlege. Ich zwinge mich nicht zu blinzeln. Ich blinzle. Nichts passiert. Ich hieve mich über die Reling und richte mich an Deck auf. „Ich glaube der Boden sinkt ab. Irgendwie

habe ich das Gefühl, dass der Zugang auf das Wrack gestern noch nicht so hoch lag. Oder das Wrack steigt hoch, aber beides macht am Ende kei…“ „Was war das gerade mit dir?“, unterbricht mich Luisa mit angespannter Stimme. Etwas höher und kraftloser als ich sie gewohnt bin. Das weckt meine Alarmbereitschaft. Irgendetwas gerät hier gerade massiv aus dem Lot. Die Halluzinationen, das merkwürdige Verhalten von Luisa. Jetzt registriere ich auch, dass Luisa Kilian halb hinter sich versteckt hat. Sie steht schützend vor ihm, mir hat sie ihre Körperseite zugewandt. Eine pure Schutzhaltung. Aber vor was? Vor mir? „Was meinst du? Ich war pinkeln, so wie du.

Ich verstehe nicht…“ „Du hast geflackert“, presst Luisa hervor. „Ich habe was? Hast du gesagt ich habe geflackert?“ Während ich das sage, betrachte ich meine Hände. Alles in Ordnung. Ich balle meine Hände zu Fäusten und kann spüren, wie meine Fingerspitzen sich in die Handinnenseite drücken. Check, alles wie es sein soll. In ihren Gesichtern kann ich allerdings sehen, dass irgendwas nicht so ist, wie es sein sollte. „Was immer ihr gesehen habt, ich..“ … stehe vor Adrian. Luisa und Kilian sind von einem Moment auf den anderen verschwunden. Vor mir steht nur Adrian. Ein ziemlich bedrohlich blickender Adrian. Sein Oberkörper ist nach

vorne gebeugt, die Arme angespannt und der Kopf zwischen die Schultern gesenkt. Er ist nicht einfach in Bewegung. Adrian sieht aus wie ein Stier, welcher seinen aggressiven Angriff gestartet hat. Adrian explodiert förmlich auf mir. Er presst mir die Luft aus den Lungen, als mich sein volles Körpergewicht von den Füßen reißt. Er hat das Überraschungsmoment auf seiner Seite und mich eiskalt erwischt. Schwer nach Luft ringend liege ich auf dem Rücken. Adrian schwebt über mir und starrt mich mit einer wutverzerrten Fratze an. Seine Faust hält er zitternd über seinem Kopf. Die Knöchel zeigen in meine Richtung. Er presst die Faust so fest zusammen, dass kein Blut durch die dünnen Schichten Haut und Adern gelangt. Seine

Knöchel strahlen weiß aus der Faust heraus. Sein Atem geht heftig. Ich sehe gefletschte Zähne. Sie blitzen aus einer Grimasse der Wut heraus. Am Hals und auf seiner Stirn schwellen und pochen dicke Adern, während sie sein kochendes Blut in die Muskeln transportieren. Ich will gar nicht wissen, welche Mengen an Adrenalin durch seinen Kreislauf rauschen. Bei jedem gepressten Atemstoß sprüht Speichel durch seine Zähne, genau in mein Gesicht. Ich bin hochkonzentriert auf seine Faust und erwarte in jedem Moment den Schlag. Ich male mir in Bruchteilen von Sekunden aus, welche Stellen er in meinem Gesicht treffen würde. Welche Verletzungen dies nach zu ziehen würde. Statt eine

Schlages wird er Druck auf meinem Brustkorb weniger. Adrian bellt förmlich: „Verdammt! Scheiße nochmal! Was machst du hier?! Verdammte Scheiße!“ Seine Faust schnellt in den Boden neben meinem Kopf. Sein Gesicht ist nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Schweiß läuft aus seinem Haaransatz an seinen Schläfen herab, sammelt sich an seiner Nasenspitze und Kinn. Ein paar Tropfen fallen mir ins Gesicht. Ich bin gelähmt vor Überraschung und starre ihn aus weit aufgerissenen Augen an. Mit einem markerschütternden Schrei brüllt Adrian mir direkt ins Gesicht und stößt sich dann mit seiner in den Boden gerammten Faust ab und richtet sich auf. Er geht auf zwei

weitere Personen zu, ich kann sie nur schemenhaft erkennen. Mein Schock und Adrians Schweiß in meinen Augen nehmen mir die scharfe Sicht. Schwer atmend versuche ich mich von meinem Schock zu erholen. Ich bleibe noch kurz liegen, atme tief ein und aus. Vorsichtig wage ich es, mich auch aufzusetzen. Adrian hockt ein paar Meter von mir entfernt auf dem Boden und beobachtet meine steifen Bewegungen mit Argusaugen. Er sitzt zwischen den beiden anderen. Er ist immer noch außer sich und muss selbst erstmal zur Ruhe zu kommen. Umständlich und vermutlich sichtlich unsicher, stehe ich auf und stelle mich vor das Trio. Die beiden anderen Personen kann ich nun erkennen und zuordnen. Mark und Jaqueline?

Michael und Jessica? Ich komm nicht drauf. Alle drei sehen entnervt und ausgezehrt aus. So langsam beginnen ich mich zu fangen. „Okay“, versuche ich eine Eröffnung zu gestalten. „Sind wir wieder in Ordnung? Das war jetzt glaub ich für uns alle eine ziemlich interessante Erfahrung.“ Adrian starrt mich nach wie vor grimmig an. Die beiden anderen glotzen mich eher ungläubig an, reagieren aber mit einem leichten Kopfnicken. „Gut, das ist schon mal gut. Sind wir hier für den Moment sicher?“ Kopfnicken der beiden deren Namen ich nicht mehr zusammenkriege. Adrian steht langsam aus seiner Hocke auf. Er ist imposant und ich mache instinktiv einen schutzsuchenden

Schritt zurück. „Hast mir einen gehörigen Schrecken eingejagt“, sind seine ersten Worte. Die Gesichtszüge sind noch etwas verkrampft, aber der Drang sich zu prügeln ist mittlerweile aus seinen Augen verschwunden. „War nicht meine Entscheidung, hier einfach zu reinzuplatzen. Wo ist „hier“?“ „Wir haben keine Ahnung. Wir haben uns bis hierhin durchgeschlagen und wollten weiter in diese Richtung“, Adrian deutet mit seinem Arm in eine Richtung. Seiner Hand folgend versuche ich auszumachen, was es dort zu sehen gibt. „Dann bist du hier aufgetaucht. Ein kurzes Flackern, wir konnten nur eine dunklen Umriss, eine Silhouette sehen. Bämm, noch

ein heftiges Flackern und die Silhouette wurde immer greifbarer. Du hast keine Ahnung, was wir hier schon erlebt haben. Ich konnte nicht riskieren, dass dieser Umriss eine neue Gefahr für uns darstellt. Deshalb der Angriff. Tut mir leid. Hab ich dich verletzt?“ Mit dieser Erklärung reicht er mir seine Hand, welche ich gerne greife. Sein Händedruck ist beeindruckend fest. Ich will mir nicht ausmalen, was diese Hand mit meinem Gesicht angerichtet hätte. „Nein, ich glaube nicht. Mir geht es gut, Danke.“ Das stimmt zwar nur bedingt, aber Adrian beeinflusst mein Handeln massiv. Er löst etwas in mir aus, was mich extrem auf Konkurrenzdenken umschalten lässt. Ich kann ihm gegenüber einfach keine Schwäche

eingestehen. „Für mich kam das auch ziemlich überraschend, glaub mir. Ich war ebenfalls mit zwei weiteren aus der Gruppe unterwegs. Kilian und Luisa. Ich muss unbedingt zurück zu ihnen.“ „Sorry Ben, das scheint wohl erstmal warten zu müssen. Wir haben seit unserer Trennung niemanden mehr gesehen. Ich habe keine Ahnung, wie du hierhergekommen bist, also auch keine Idee, wie wir zu dem Rest deines Teams kommen.“ Teams? Ist das ein Wettkampf für Adrian? Vielleicht ist das die richtige Motivation, um hier effizient voranzukommen. „Hey Adrian, wie habt ihr drei

zusammengefunden?“ „Wie meinst du das, zusammengefunden?“, fragt einer der beiden anderen an dessen Namen ich mich noch immer nicht erinnern kann. „Seid ihr nicht alle drei an verschiedene Orte gebracht worden von der Gondel?“ „Nein, die Gondel hat uns alle drei direkt nacheinander an derselben Station abgesetzt. Euch anscheinend nicht.“ „Wo ist diese Station? Ist sie weit weg von hier?“ „Sie liegt ein ganzes Stück zurück in diese Richtung. Glaub mir, durch dieses Gebiet möchtest du nicht gehen. Wir haben es selber gerade so lebend geschafft. Hast du Wasser?“ „Nein, aber Durst. Wir wollten heute Morgen

als erstes auf die Suche nach Wasser gehen. Bevor wir losziehen konnten, bin ich hierher gebeamt worden.Wie sind noch gleich eure Namen? Meiner ist Ben, falls ihr das nicht mehr wisst.“ „Hi ich bin Jasmin.“ „Und ich bin Marcel“, eher etwas ruhiger gewesen in der Höhle und auf der Klippe. „Also, was war euer Plan? In diese Richtung dort marschieren? Ist das einfach frei Schnauze oder habt ihr ein klares Ziel?“ Marcel antwortet, nachdem er ein paar Blicke mit Adrian und Jasmin gewechselt hat. „Wir haben in der letzten Nacht etwas gesehen. Ein Licht. Ein Ring aus Licht. Er bewegte sich recht langsam und ist dann mit einer schnellen Bewegung Richtung Horizont

verschwunden. Wir dachten uns, besser als nichts. Es ist ein Ziel, eine Richtung. Dort wo es sich langsam bewegt hat, muss etwas sein. Irgendetwas.“ Ich bin überrascht, dass sie nicht die Lichtsäule gesehen haben, beschließe aber diese Information erstmal für mich zu behalten. Aus Instinkt, nicht aus Prinzip. Dann fällt ein Klötzchen an seinen Platz. Klick. „Hast du gesagt ein Ring aus Licht? Gestern Abend?“ „Ja, es sah zumindest aus wie ein Ring. Könnte alles Mögliche gewesen sein. Es war schon dunkel oder zumindest späte Dämmerung. Wieso? Hast du das auch gesehen?“ „Besser. Wir waren dort.“ Diese Information

hatte eine einprägsame Wirkung. Alle drei blickten mich neugierig an. „An meiner Station wurde auch Kilian abgesetzt. Luisa haben wir auf dem Weg aufgegabelt. Zusammen sind wir einem Feuerregen entgangen und haben in einer Steppenlandschaft ein Schiffswrack entdeckt. Dort haben wir für die Nacht Schutz gesucht. Als wir uns unter Deck verschanzt hatten, ist draußen eine riesige Lichtquelle aufgetaucht und um das Wrack herum gezogen. Von ihr ging ohrenbetäubender Lärm und ein sehr grelles Licht aus. Dann ist es von einem Moment auf den Anderen einfach verschwunden. Das klingt ziemlich genau nachdem, was ihr gesehen habt. Wir müssen da unbedingt hin.

Luisa und Kilian sind vermutlich noch dort. Als ich verschwand, waren wir gerade dabei uns wieder auf das Wrack zu retten, da der Boden voll Wasser gelaufen ist. Es wirkte so, als habe der Grundwasserpegel schlagartig begonnen zu steigen. Oder das Land sinkt.“ Alle drei starren mich ungläubig und entsetzt an. „Ben, das ist nicht möglich. Land sinkt nicht so schnell und Grundwasser drückt es bei diesen Wetterverhältnissen nicht einfach so hoch.“ „Ich gebe zu, es klingt fantastisch, aber Euren Gesichtern nach, habt ihr ebenfalls bereits unmögliches erlebt.“ Zusammengekniffene Münder und kurzzeitig abwesende Augen sprechen Bände der Erinnerung. „Hört zu, da es hier trocken ist, müssen wir

hier höher über der Wasserlinie liegen, als das Wrack. Ich weiß nicht, ob das verfluchte Ding schwimmen kann. Wir müssen unbedingt Luisa und Kilian retten. Also los, in welche Richtung geht es genau? Wie weit ist es ungefähr weg?“ Statt euphorischer Retter, die es kaum erwarten können los zu ziehen, schaue ich in drei resignierte Gesichter. Und ich begreife natürlich nicht wo die Ursache für diese Blicke liegt. „Was ist los? Worauf warten wir noch? Ich weiß nicht wieviel Zeit uns bleibt, lasst uns bitte sofort loslaufen.“ „Das wird nichts, Ben. Tut mir leid“, meldet sich Adrian zu Wort. „Es gibt da ein Problem, das du noch nicht

kennen kannst.“ „Verdammt Adrian, dann spuck es aus“, fahre ich ihn scharf an. „Ich hab keine Zeit für: Rätselraten. Raus mit der Sprache, wo ist das Problem! „Wasser, Ben. Wasser ist das Problem. Siehst du den Hügel da hinten?“ Adrian deutet auf eine bewaldete Erhebung einige Kilometer entfernt. „Dort waren wir heute Nacht. Von dort hat man einen super Ausblick und eine gute Übersicht, über das umliegende Gebiet. Das Licht, welches wir gesehen haben war weit weg. Dort wo es erschienen ist, wo wir es entdeckt haben, haben wir heute Morgen bei Tageslicht eine Insel entdeckt. Verstehst du? Das bedeutet, dass Wasser zwischen uns und der

Insel liegt. Ich wüsste nicht, wie wir das überqueren sollten, um deinen Freunden zu helfen.“ Adrian lässt diese Information einen Moment in der Luft stehen. Er gibt mir Zeit, das zu verdauen. „Wir streben trotzdem diese Richtung an, wer weiß, was das Licht gewesen ist. Wenn wir auf unserer Seite vom Ufer stehen, können wir vielleicht trotzdem Kontakt aufnehmen, wenn es wieder kommt.“ „Meinen Freunden?“, frage ich erstaunt. „Wir sind alle eine große Gruppe, die in dieser Situation steckt. Eine Gemeinschaft. Seht ihr das nicht so?“ „Schon, aber wie stellst du dir das vor? Sollen wir jetzt alle 12 aus der Gruppe suchen? Und dann? Wie geht es dann weiter?“ Zorn steigt in mir

auf. „Was und dann? Wie kannst du diese Frage stellen? Einen Ausweg suchen natürlich. Was habt ihr denn sonst vor? Einen Plan scheint ihr ja nicht wirklich zu haben. Ich verlange ja nicht, dass wir hier jeden Stein umdrehen, um alle zu finden. Aber wir kennen mit großer Sicherheit den Aufenthaltsort von zwei anderen Mitgliedern dieser Gemeinschaft. Das hat nichts mit Suchen zu tun, das ist einfach nur richtig, sie zu retten. Wir müssen es zumindest versuchen. Dann hätten wir schon sechs Personen zusammen. Die Hälfte der vollen Gruppe.“ „Hey, durchatmen“, ermahnt mich Jasmin. Tougher als ich ihr zugetraut hätte. „Keiner sagt, dass wir nicht helfen wollen.

Aber das Wasser stellt ein mit unseren bisherigen Mitteln unüberwindbares Hindernis dar.“ Adrian legt ihr behutsam eine Hand auf die Schulter. Sie dreht ihren Kopf in seine Richtung und man merkt, dass hier die Chemie stimmt. Ob die beiden das genauso offen spüren, wie ich es sehe? „Ok, was ist dann der Plan? Lasst uns dann keine Zeit verlieren und zumindest loslaufen. Reden können wir unterwegs.“ Ich atme durch und entschuldige mich, falls ich mit meiner Reaktion zu heftig gewesen sein sollte. Warum bin ich auf einmal so emotional explodiert? Genau genommen haben mir die drei keinen Anlass dazu gegeben. „Müssen wir etwa da drüber?“, frage ich ziellos

in die Gruppe. Marcel antwortet. „Ja. Über diesen Hügel müssen wir drüber. Die direkte Linie von hier dorthin führt uns an die beste Stelle zum Überqueren. Alle anderen Bereiche, die wir sehen konnten, waren steiler und damit ohne Kletterausrüstung nicht zu überwinden. Wir wollten es dort versuchen.“ Wir brauchen gute zwei Stunden bis wir am Fuß des Hügels herangekommen sind. Die Erhebung ist eine imposante Erscheinung und dessen Überquerung könnte locker einen ganzen Tag in Anspruch nehmen. Natürliche Hindernisse wie Risse im Boden, Steilwände oder dichter Bewuchs lassen wenig Hoffnung für eine einfache Route aufkommen. Da es

noch verhältnismäßig früh am Tag ist, wollen wir keine Zeit verlieren. Es motiviert, die ersten Schritte auf dem Hügel hinter sich zu wissen. Der Durst wird immer schlimmer. Auch Jasmin, Adrian und Marcel beklagen sich darüber immer mehr. In meinen Gedanken reise ich immer wieder zu Luisa und Kilian. Ich hoffe es geht den beiden gut und frage mich, ob sie beim Wrack geblieben sind oder sich davon wegbewegt haben. Was hätte ich getan? Luisa hat das Wasser auch bemerkt, ich hoffe sie hat denselben Schluss daraus gezogen, wie ich. Bleib am Wrack. Es ist der mit Abstand höchste Punkt weit und breit. Sollte tatsächlich der Wasserspiegel steigen, ist das Wrack ihre beste Option. Es ist nicht

See-, nein nicht einmal schwimmtauglich, aber es ist massiv und es braucht sehr viel Wasser, dieses Bauwerk zu bewegen. Die beste Option ist, auf dem Wrack zu bleiben und zu hoffen, dass das Wasser nicht hoch genug steigt, um Auftrieb zu erzeugen. Der Boden ist weich und gibt bei jedem Schritt unangenehm stark nach. Meine Füße versinken immer tiefer, egal wie vorsichtig ich auftrete. Ich erinnere mich an ein Experiment mit Stärke. Diese reagierte auf vorsichtige Berührungen flüssig und auf harte, schnelle Berührungen fest und massiv. Tatsächlich, je stärker ich den Fuß aufsetze, desto härter wird der Boden. Das Problem, der Boden wird nur dort fester, wo ich feste aufsetze. Der andere

Fuß versinkt dafür umso mehr in derselben Geschwindigkeit. Das ist wie Rennen und nicht von der Stelle kommen. „Hey, habt ihr auch Probleme mit dem Boden?“, rufe ich den anderen zu. „Ja, irgendwie weich. Ich versinke mit jedem Schritt etwas tiefer. Egal wo ich hintrete, der Boden ist unverändert schlecht. Naß ist es nicht und der Untergrund selber sieht auch nicht morastig oder schwammartig aus. Unheimlich.“ Ich teile meine soeben gemachte Erfahrung über härter Auftreten und die Nebenwirkung. Jeder von uns versucht fester und schneller aufzutreten. Die anderen sehen aus, wie Spinningteilnehmer ohne Räder. Wenn ich nicht selbst mittlerweile völlig außer Atem

wäre, dann würde ich jetzt vielleicht sogar lachen. Brennender Schmerz schneidet sich tief aus meiner Muskulatur an die Oberfläche. Es fühlt sich an, als ob meine Haut und jede Muskelfaser in tobenden Flammen steht. Jede einzelne Bewegung, jeder Versuch die Beine wieder hart aufzusetzen zieht die Kraft augenblicklich aus meinen Muskeln wie ein Biomagnet. Schweiß läuft mir beißend in die Augen und ich kann meine Mitstreiter nur noch durch einen Schleier erkennen. Adrian kämpft lautstark gegen das Versagen seiner Muskeln an. Die anderen höre ich nicht mehr. Haben sie bereits aufgegeben? Als unsere Beine bis zu den Knien versunken

sind, gibt es keine Rettung mehr. Wir können kein Bein weit genug herausziehen, um uns wieder zu befreien. Ich reibe mir den Schleier aus den Augen und suche Hilfe und Halt bei den anderen. Doch meine Hoffnung, mein letzter Strohhalm wird jäh zerstört. Ich blicke in starre, angsterfüllte Augen. In Adrians Augen funkelt noch etwas. Ein Rest an Kampfgeist? Was es auch ist, es bewahrt nicht ihn und auch keinen von uns anderen vor der Sogwirkung des Bodens. Der Hügel verschluckt uns ganz ohne Anstrengung oder jeglichen Reaktion. In wilder Todesangst greift jeder von uns um sich, versucht sich an Grashalmen oder Büschen, an irgendetwas fest zu halten. Nichts hält unser Gewicht aus. Alles reißt nach

kurzer Belastung ab oder aus dem Boden raus. Der Boden umschließt mittlerweile unsere Körper bis zur Brust. Der steigende Druck auf meinen Brustkorb fühlt sich erst wie eine wohltuende Umarmung an, geht aber schnell in klaustrophobische Enge über. Ich spüre echte, nackte Panik in mir aufsteigen. Direkt aus meinem Herzen schießt Angst in Millisekunden durch meine Blutgefäße. Schließe die Augen, sage ich zu mir selbst. Atme ein, 1,2,3. Atme aus, 1,2,3. Nochmal. Ein. Aus. Beruhige dich für wenigstens ein paar Augenblicke. Wir stecken in einer Art Treibsandboden fest. Keiner kann sich befreien. Keiner wird kommen, um uns zu helfen. „Hey Jasmin, Marcel, Adrian. Ich kann an

meinen Füßen spüren, dass der Druck weniger wird. Ich glaube, dass da unten ein Hohlraum ist. Wer weiß ob es da unten Licht oder Luft gibt. Das werden wir gleich wissen. Sobald wir unten sind sollten wir uns gegenseitig Zeichen geben, wo wir sind, wenn es dunkel ist können wir uns an den Stimmen orientieren. Zieht euch Stoff vor Mund und Nase. Wenn möglich auch über eure Augen und Ohren. Alles was offen ist. Aber am wichtigsten Mund und Nase, dann könnt ihr wenigsten ein wenig gefahrlos atmen solange die Köpfe zwischen Oberfläche und da unten sind.“ Marcel ist der einzige, der seinen ganzen Kopf unter seinen Pullover bekommt. Wir anderen schaffen Mund und Nase. Bevor ich ganz

unter die Erde gezogen werde, fällt mein letzter Blick auf Adrian. Ihm läuft eine Träne aus dem Auge über die Wange. Ich sehe noch wie sein Shirtkragen die Träne aufnimmt und sich dort verdunkelt. Dann schließe ich meine Augen und spüre, wie ich langsam im Boden versinke. Letzte Gedanken vor dem Tod sollen den Angehörigen gehören. Sie sollen das eigene Leben in komprimierter Form zusammenfassen. Was habe ich erlebt? Wer und was ist mir wichtig? Für wen bin ich wichtig gewesen. Nicht eine dieser Frage oder Antworten geht mir durch meine letzten Momente. Alles was in meinem erstaunlich leichten Kopf hallt ist ein einziges Wort: „Nein“ Alles ist schwarz. Die Geräusche vom Hügel

sind auf einen Schlag verstummt. Alles was ich höre, ist das leise Rascheln und Knistern von irgendwas, das in meine Ohren fällt oder daran reibt, während ich mich weiter nach unten bewege. Meine Augen kneife ich so fest zu wie es geht. Ich kann spüren, wie feine Erde oder Sand oder sogar zarte Wurzeln darüber streifen. Es fühlt sich fremd aber beruhigend an. Ich atme langsam und vorsichtig durch die Nase. Erdiger Geruch dringt durch mein schweißnasses Shirt. Der Umgebungsdruck lässt von den Füßen beginnend nach. Ich spüre, wie ich auf einer Art Rutsche aus dem Erdreich gleite. Sobald ich mich wieder komplett bewegen kann, öffne ich vorsichtig meine Augen. Noch bevor ich die anderen sehe, kann ich sie hören. Ihnen

geht es augenscheinlich ähnlich, denn keiner ruft die anderen aber alle schauen sich an. Sichtlich erleichtert stehen wir auf und umarmen uns jubelnd. Wir sind am Leben. Licht. Hier unten umgibt uns ein sanftes, blaues Licht. Es erinnert mich an das türkis-blau, welches ich hier schon öfter gesehen habe. Der Raum ist lehmig und hält angenehm die Balance zwischen Kalt und Warm. Wie tief der Raum ist, lässt sich nur schwer sagen, da wir von unserer Position nur ein paar Meter sehen können, bevor der Raum sich in Schwarz verliert. „Hallo?!“, rufe ich spontan in den Raum und löse bei meinen Mitreisenden umgehend Empörung aus. Ein Geräusch aus der

Dunkelheit lässt unsere kleine Diskussion von einem Moment auf den anderen ersterben. Dann erneut. Ein Geräusch, welches wir nicht zuordnen können. „Was ist das?“, fragt Jasmin. „Klingt wie ein Wassertropfen. Was meint ihr?“ Eng beieinander betrachten wir den vor uns liegenden, dunklen Rachen. Diesen Raum, in welchen uns der Hügel gesaugt hat. Wir rücken noch näher zusammen, als das Licht langsam immer intensiver wird. Weiter hinten ist der Raum doch eben noch stockdunkel gewesen. Jetzt leuchtet die Decke blau auf eröffnet uns falsche Hoffnung. Wir sind nicht in einem kleinen Loch tief unter der Erde gefangen. Das ist die gute Nachricht. Diese hat aber einen gewaltigen Haken:

„Verdammt. Ist das da etwa der Eingang zu einem Labyrinth?“

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Über den Autor

Gillegan
Danke, dass Du mein Buch liest.

Mein Debüt, Life Game, unterliegt leider noch immer meiner Überarbeitung. Beruflich ziemlich eingespannt, bleibt zu wenig Zeit, diesem spannenden Hobby nachzugehen. Ideen für neue Stories stehen Schlange und warten nur noch darauf, in Worte gefasst zu werden.

Ich danke allen die weiterhin kritisch aber neugierig meinen Geschichten treu bleiben.

C. G.

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