»Royal Flush!« Zufrieden legte Naiomi ihre Karten auf dem Tisch aus. Ethan gähnte und streckte sich. Dwight war schon mehrmals eingedöst. Der Junge hatte seine erste Nachtschicht. Rain konnte sich noch gut daran erinnern, wie es bei seinem ersten Mal war: Die Stunden hatten nicht umgehen wollen, und man fühlte sich von Sekunde zu Sekunde müder. Bei ihm ging es. Er fühlte sich schlapp. In der Woche gab es viel zu tun. Hazel musste eingeführt werden, Dwight noch mehr eingearbeitet und Katharina ging es nicht gut. Sie machte sich viele Gedanken um
die Erinnerungen, die hochgekommen waren. Früher war es ab und an vorgekommen, dass sie sich an einen belanglosen Fetzen erinnerte, doch dieses Mal war es anders. Es blieb abzuwarten, wie sie damit umgehen konnte. Natürlich würde er sie unterstützen so gut er konnte. Seine Patienten waren ihm wichtig. Deshalb saß er nun zum Beispiel mit Naiomi im Tagesraum des B-Traktes. Das Mädchen konnte nicht schlafen. Eigentlich hatte er gedacht, dass sie nach zwei Stunden aufgeben und ins Bett gehen würde, doch die junge Winchester war putzmunter. »Ihr müsst euch mehr anstrengen. Das
macht gar keinen Spaß. Ethan! Lässt du mich mit Absicht gewinnen?« Er schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. Im Poker macht dir eben niemand etwas vor.« Sie lächelte zufrieden und lehnte sich in ihren Stuhl zurück. Er hatte ihr das Karten spielen beigebracht, nachdem sie in die Anstalt gekommen war. Durch die Situation zu Hause und dem neuen Umfeld war das Mädchen ziemlich fertig. Es hatte einige Zeit gedauert, um sie wieder aus ihrem Schneckenhaus hervorzulocken. »Dwight sabbert!« Der Angesprochene schreckte aus dem Schlaf hoch und wischte sich den Mund
ab. »Tu ich gar nicht. Ich bin voll dabei. Wer hat gewonnen?« »Ich. Schon wieder!« Der Afroamerikaner setzte seine Brille ab und rieb sich die Augen. Ethan warf einen Blick auf die Uhr. »Sie können ruhig gehen. Ich komme hier zu Recht.« »Nein Ethan. Ich muss mich schließlich daran gewöhnen. Da kann ich nicht einfach beim ersten Mal einknicken die weiße Fahne schwenken.« Naiomi musterte den Psychologen grinsend. »Wenn er will kann er ja ein bisschen bei mir
schlafen.« »Naiomi!« »Ohne mich natürlich. Was denkst du denn schon wieder du altes Ferkel?« Sie sah ihn gespielt schockiert an, doch wusste er, dass sie ihn wieder aufzog. Er wollte gerade etwas erwidern, als die Lautsprecher aufheulten. Die drei hielten sich die Ohren zu. Was gab es so spät noch, das nicht bis morgen warten konnte? »Hier spricht Arnold Griffs aus der Sicherheitszentrale. Einige von euch haben es vielleicht noch nicht mitbekommen, aber soeben wurde unser Anstaltsleiter von Rivers Leuten in
seinem Büro eingesperrt. Ich selbst habe mich mit Fred Miller in der Sicherheitszentrale verbarrikadiert. Was auch immer Rivers und seine Leute planen, ich bin mir sicher, dass es noch Leute gibt, die ihm nicht unterstehen, sondern Mr. Hammond treu ergeben sind. Nicht nur die Leute der Sicherheit, sondern auch das Personal ist dazu angehalten, sich Rivers und seinen Leuten zu widersetzen, und dafür zu sorgen, dass er umgehend in Gewahrsam genommen wird. Noch wissen wir nicht genau, was hier gespielt wird, aber Rivers handelt eigenmächtig und ohne die Zustimmung des
Gremiums.« Im ersten Moment dachte Ethan, er hätte sich verhört. Dwight war mit einem Mal wieder hellwach und stand von seinem Platz auf. »Das ist kein Scherz oder?« Ethan wünschte, es wäre so. In letzter Zeit hatten sich genug seltsame Dinge abgespielt, in die der Direktor involviert war. Allerdings stellte sich die Frage nach dem ‚Warum‘. Wollte er nun die Kontrolle über die Anstalt? Das machte keinen Sinn. Dennoch konnte er nicht tatenlos herumsitzen und nichts tun. »Naiomi. Du gehst in dein Zimmer und schließt die Tür
ab!« Sie sah ihn kopfschüttelnd an. »Was? Aber warum das denn?!« »Hör auf das, was ich dir sage!« Er hatte die Stimme erhoben. Er war ein wenig von sich selbst überrascht, doch im Moment blieb ihm nichts Anderes übrig. Resignierend nickte die Rothaarige und war wenige Momente später aus dem Aufenthaltsraum verschwunden. Es war besser, wenn sie nicht in diese Sache mit hineingezogen wurde. Vor allem wollte Ethan in Erfahrung bringen, wie der Stand der Dinge tatsächlich war. »Was machen wir jetzt?!« »Wenn es stimmt was Arnold gesagt hat,
dann müssen wir Hammond helfen. Wenn er in seinem Büro eingesperrt ist, kann er uns nicht helfen.« Sie mussten das Büro des Anstaltsleiters erreichen. Langsam schritten die beiden Ärzte durch den schwach erleuchteten Korridor. Es war totenstill. Schließlich kamen ihnen zwei Männer vom Wachdienst entgegen. »Was ist hier los?« Die beiden warfen sich einen kurzen Blick zu. Ethan konnte sich nicht an ihre Namen erinnern. Geschweige denn, dass er die beiden schon mal hier gesehen hatte. Nicht nur das war merkwürdig, sondern auch die Tatsache, dass sie Waffen bei sich trugen. Das
Sicherheitspersonal war nur in Notfällen dazu autorisiert. »Ganz ruhig Doktor. Es gibt keinen Grund zur Besorgnis. Verhalten sie sich einfach ruhig.« Skepsis wanderte in Ethans Gesichtszüge. Keinen Grund zur Besorgnis? Das war doch ein schlechter Witz. »Wie wäre es, wenn Sie mir einfach sagen, was hier los ist? Sie sind doch nicht vom Sicherheitspersonal!« Nun wurde der eine Wachmann wütend und hob seine Waffe. »Hören Sie. Halten sie den Mund sonst-« ‚TONG!‘ Mit einem Mal ging er zu Boden. Bevor
der andere überhaupt reagieren konnte, wurde er ebenfalls auf die Matte geschickt. Ethan und Dwight starrten überrascht auf Naiomi, die mit erhobener Bratpfanne vor ihnen stand. »Äh…ich hatte Hunger und bin noch mal in die Küche…Ethan? Was zum Geier ist hier los?!« _____ »Ich kann es immer noch nicht fassen. Tate soll der Maulwurf gewesen sein?« »Meist können wir den Leuten nur vor den Kopf schauen Liebes.« Leland betrachtete Charlene wehmütig. Inzwischen waren zusätzliche Hilfskräfte
eingetroffen. Die Leiche des Agents wurde gerade in den Krankenwagen gehievt. Eileen und ihre Kollegen sprachen mit ihrem Chief, während Rennel und Collin zu einem Wagen gebracht wurden. Was jetzt zählte war, dass man die Situation unter Kontrolle bekam. Dazu gehörte, dass man die beiden so weit wie möglich aus Rivers Einflussbereich brachte. Zwar hatte das FBI den Direktor zur Fahndung ausgeschrieben, doch man konnte nie wissen, was seine nächsten Schritte waren. Die Situation war zu einfach. Bisher war Nathaniel ihnen immer einen Schritt voraus. Dass er sich solche Blöße gab, passte nicht zu
ihm. »Hat jemand ein Handy? Ich muss mal telefonieren.« Es war an der Zeit, dass er Hammond darüber in Kenntnis setzte, was hier vorgefallen war. Vielleicht konnte der Anstaltsleiter die richtigen Hebel in Bewegung setzen. Schließlich gab ihm einer von Eileens Leuten sein Mobiltelefon. Allerdings ging bei Hammond niemand dran. Wahrscheinlich hatte er um diese Zeit das Telefon auf lautlos gestellt. Blieb nur, es bei ihm zu Hause zu versuchen. Leland war kein Freund davon, die Menschen mitten in der Nacht aus dem Bett zu zerren, doch gerade blieb ihm nichts Anderes übrig.
»Hammond?« Es war Normans Frau, die ans Telefon ging. Er hatte Enid ein oder zweimal getroffen. Eine nette Frau. Sie klang nicht so, als hätte sie schon geschlafen. »Entschuldigen Sie die späte Störung Mrs. Hammond. Hier ist Leland. Ist Norman zu Hause?« »Nein. Er ist noch auf der Arbeit. Ich habe es auf seinem Handy versucht, aber er hat sich bisher nicht gemeldet.« Das war nicht Normans Art. Enid klang besorgt. Vermutlich hatte Sie die ganze Zeit wachgelegen und darauf gewartet, dass ihr Mann nach Hause kam.
»Ich versuche es noch mal. Wahrscheinlich ist er wieder auf seinem Schreibtisch eingeschlafen. Sie wissen ja wie er ist: Manchmal ist er so in seine Arbeit vertieft, dass er alles andere vergisst.« »Das ist nur zu wahr. Danke Leland.« Er legte auf. Wie konnte er Hammond am besten erreichen? Moment. Hatte Ethan nicht heute Nachtschicht? Es war zumindest einen Versuch wert. Vielleicht konnte der Norman aus seinem Schönheitsschlaf wecken. Innerlich hoffte der 44-Jährige natürlich, dass der Anstaltsleiter wirklich nur über einem Stapel Papier eingedöst
war. »Rain?« »Hier ist Leland. Was treibt ihr da drüben? Hammond geht nicht an sein Telefon.« Einen Moment lang herrschte eine unangenehme Stille. Akerman befürchtete, dass ihm das was sein Kollege zu sagen hatte nicht gefallen würde. »Die Situation hier ist ein wenig kompliziert Leland. Rivers und seine Leute versuchen gerade anscheinend die Kontrolle über die Anstalt zu erlangen. Sie haben Norman in seinem Büro eingesperrt. Dwight und ich sind gerade
auf dem Weg zu ihm. Rivers hat seine eigenen bewaffneten Männer in die Anstalt gebracht.« Leland hasste es, wenn er Recht hatte. Rivers musste endgültig den Verstand verloren haben. Was sonst sollte er von dieser Situation haben? Dachte er etwa, dass er damit durchkommen würde? Trotzdem musste er Handeln. Wer wusste schon, zu was Nathaniel noch fähig war? »Seid vorsichtig. Ich versuche das Gremium zu erreichen. Das FBI hat Rivers bereits zur Fahndung ausgeschrieben.« »Und du meinst, du kannst etwas beim Gremium erreichen?« Leland zuckte unwillkürlich mit den
Schultern. »Irgendetwas muss ich tun. Wir wissen nicht, was Rivers genau vorhat. Er ist in die Ecke gedrängt und gibt sich trotzdem nicht geschlagen. Wenn du mich fragst, hat er wahrscheinlich noch ein Ass im Ärmel von dem wir nichts wissen. Ihr versucht Hammond zu befreien. Geht aber kein Risiko ein. Ich melde mich wieder, wenn ich etwas Neues weiß.« Nun musste er vor allem schnell reagieren. Es war das Beste, wenn er Studwick einen Besuch abstattete. Wahrscheinlich war das Gremiumsmitglied der einzige, der im Moment noch etwas gegen Rivers ausrichten
konnte. _____ »Hazel! Bitte wach auf.« Sie drehte sich auf die Seite. Jemand piekte sie mit den Fingern in die Seite. »Hazel! Da draußen stimmt etwas nicht!« Langsam öffnete die Jugendliche die Augen. Holly stand in ihrem Nachthemd am Bett und musterte sie sorgenvoll. Hazel gähnte und rieb sich die Augen. »Holly. Was ist denn los? Wie spät haben wir überhaupt?« Sie sah aus dem Fenster. Tiefschwarze Nacht. Hazel brauchte einen Moment, um ihre Sinne zu sammeln. Vom Flur waren
Geräusche zu hören. Es klang dumpf. Ähnlich einer Rangelei. »Gerade war da eine Durchsage. Jemand versucht die Anstalt zu übernehmen. Draußen auf dem Flur kämpfen Männer!« Mit einem Mal war sie hellwach und stand auf. Es kämpfte jemand? Sie horchte auf. Tatsächlich. Geräusche eines Handgemenges. Dann fielen Schüsse. Holly schrie vor Angst auf, doch Hazel hielt ihr die Hand vor den Mund. Ihr eigenes Herz hämmerte in der Brust. »Was auch immer da draußen los ist, wir müssen ruhig bleiben.« Die Mädchen hatten keine Ahnung, was sich gerade in der Anstalt abspielte. Allerdings war sich Hazel nicht sicher,
ob es eine gute Idee war, im Zimmer zu bleiben. Sollten Sie versuchen einen Arzt zu finden? Holly hielt sie bei der Hand uns sah sie hilfesuchend an. »Was machen wir jetzt? Was ist, wenn sie hier reinkommen?« »Dann wären sie schon längst hier. Ich glaube nicht, dass sie es auf uns abgesehen haben.« Langsam trat sie zur Tür und drückte ihr Ohr gegen das Holz. Draußen war es ruhig geworden. Vorsichtig führte Hazel die Hand zur Klinke. »Was hast du denn vor?« Sie hob die Hand um Holly zum Schweigen zu bringen. Langsam trat sie hinaus auf dem Flur. Das Licht war
ausgeschaltet, so dass der Korridor nur noch vom fahlen Mondlicht erhellt wurde. Holly kam langsam hinter ihr aus der Tür. Hazel streckte den Arm aus und hielt sie zurück. Am Ende des Flurs lag jemand auf dem Boden. Sofort zog sie das Mädchen in die andere Richtung. Sollten sie vielleicht versuchen zum Fahrstuhl zu kommen? Den Versuch war es wert. Wichtig war, dass sie Hilfe brauchten. Just in diesem Augenblick konnte sie hören, wie sich der Fahrstuhl öffnete, und mehrere Leute auf den Korridor schritten. Langsam schritt Hazel an der Wand entlang, um sich ein Bild von der
Situation zu machen. Stimmen drangen an ihr Ohr. »Bringt den Jungen auf ein leeres Zimmer. Rivers will, dass wir ihn für den Moment im Auge behalten.« Sie spähte um die Ecke und erblickte Drew. Was machte er hier? Er wirkte ziemlich fertig. Warum war er nun doch hergekommen? Am Anfang hatte er sich dagegen gesträubt? So wie er aussah, glaubte sie nicht daran, dass es freiwillig war. Was spielten diese Leute hier eigentlich für ein Spiel? Als die Männer mit dem Jungen den Flur entlangkamen zogen sich die beiden Mädchen wieder in ihr Zimmer zurück und verriegelten die Tür. Hazel ließ sich auf ihr Bett sinken
und starrte an die Wand. Holly lief nervös vor ihr auf und ab. »Und was machen wir jetzt?« Darauf wusste Sie keine Antwort. Sollten Sie hierbleiben und darauf warten, dass sich die Lage wieder beruhigte? Immerhin waren sie nur Kinder. Was sollten sie gegen Männer mit Waffen ausrichten können? Wegen der Armbänder konnten sie ihre Fähigkeiten nicht benutzen. »Ich weiß es nicht.« In diesem Moment vermisste sie ihre Freunde. Zusammen hatten sie immer eine Lösung für ein Problem gefunden. Jetzt war sie zum ersten Mal auf sich gestellt.
»Wir müssen nach Katharina sehen! Sie hat keine Ahnung!« Die hatte sie im Moment ganz vergessen. Generell hoffte Hazel, dass die anderen Mitpatienten schliefen, damit sie nichts von all dem mitbekamen. Bisher war sie auch niemandem begegnet. Wahrscheinlich hatten sich die Anderen ebenfalls verbarrikadiert und wollten die Sache aussitzen. Hazel vergewisserte sich, dass die Luft rein war, bevor sie erneut mit Holly nach draußen schritt. Von den Männern die Drew hergebracht hatten, war im Moment nichts zu sehen. Wahrscheinlich waren
sie gerade damit beschäftigt ihn zur Ruhe zu bringen. Generell war es auf der Etage ruhiger geworden. Sie vermutete, dass die Männer sich auf die anderen Trakte verteilten, um dort für Ordnung zu sorgen. »Was macht ihr beiden hier draußen? Es ist viel zu gefährlich!« Erschrocken wandten die Mädchen sich um und erblickten einen Sicherheitsmann. Er trug eine Waffe, schien aber nicht zu diesen anderen Männern zu gehören. »Wir wollten nach unserer Freundin sehen. Was ist hier los?!« Er zuckte mit den Schultern und sah prüfend durch die
Korridore. »Das kann ich selbst nicht genau sagen, aber es herrscht das reinste Chaos. Ihr solltet wirklich auf eure Zimmer zurückgehen. Es ist gefährlich hier draußen.« Hazel schüttelte den Kopf. Das kam nicht in Frage. Sie mussten Katharina und Drew helfen. Wer wusste schon, ob die beiden nicht in Schwierigkeiten waren. »Bitte, können sie uns helfen? Es geht um unsere Freunde. Da war ein Junge. Er wurde von den Männern fortgebracht.« »Ja. Ich habe die Situation beobachtet. Sie sind in eines der Zimmer gegangen. Sie sind noch dort drinnen.« Gegen zwei bewaffnete Männer
vorzugehen war keine gute Idee. Zumindest nicht in ihrer derzeitigen Situation. Schließlich kam Hazel eine Idee. »Sagen Sie, sie haben nicht zufällig einen Schlüssel für die Armbänder?« Er sah sie einen Moment lang verdutzt an. »Was hast du vor Mädchen?« »Es mag ihnen vielleicht nicht gefallen, aber ich habe einen Plan!« _____ »Sir? Wir haben bereits alles versucht, aber die Tür ist verriegelt. Sie haben den Code für das Türschloss geändert. Durch
den Stahl kommen wir nicht ohne weiteres durch.« »Dann versuchen Sie es weiter. Ich will, dass sie einen Weg in diesen Raum finden. Koste es, was es wolle!« Der Mann nickte nur und machte sich wieder an die Arbeit. Mittlerweile versuchten vier Männer die Tür zu öffnen. Die Anderen waren in den Trakten beschäftigt und gingen gegen Hammonds Sicherheitskräfte vor. Bisher lief alles nach Plan. Sicher: Eigentlich sollte es noch etwas dauern, bis er zu diesem Schritt griff, aber manchmal musste man seine Vorhaben beschleunigen. Es war an der Zeit, dass er die Kontrolle an sich nahm, um die
Dinge wieder ins Reine zu bringen. Hammond und seine Leute hatten sich als unfähig erwiesen. Außerdem hatte sein Kontakt ihm berichtet, dass das FBI dabei war Rennel und den anderen Jungen in Gewahrsam zu nehmen. Ein Umstand, der dringend verhindert werden musste. Bisher hatte sich Tate noch nicht wieder bei ihm gemeldet. Er sollte alle unwichtigen Zeugen beseitigen und die Männer in die Anstalt bringen. Kein großes Ding. Plötzlich klingelte sein Telefon. Hoffentlich gute Nachrichten. »Rivers! Wie sieht es aus? Haben Sie Rennel und den Jungen in
Gewahrsam?« »Nein Sir. Die Situation hat sich verkompliziert.« Er verzog das Gesicht. »Was meinen Sie damit?« »Tate hat seine Tarnung aufgegeben und wurde getötet. Rennel und Mears befinden sich in Schutzhaft. Außerdem gibt es da noch etwas: Masrani hat sie zur Fahndung ausschreiben lassen. Tate hat ein wenig zu sehr aus dem Nähkästchen geplaudert. Offenbar dachte er, ich würde ihn bei seinem wahnsinnigen Plan unterstützen.« Der Direktor ballte die Hand zur Faust. Dieser Idiot! Er war wirklich nur gut genug um die Drecksarbeit zu erledigen.
Durch seine Eigenmächtigkeit hatte sich alles zum Nachteil entwickelt. Wenn das FBI nach ihm suchte, musste er weitere Vorkehrungen treffen. »Halten Sie sich im Hintergrund. Das FBI weiß nur von einem Maulwurf, und dabei soll es im Moment bleiben. Es ist zwar ärgerlich, dass wir Rennel und den Anderen nicht haben, aber das soll uns im Moment nicht weiter kümmern. Wichtig ist, dass wir jetzt den Schaden so gering wie möglich halten.« Er legte auf. Zeit die Dinge zu beschleunigen. »Vergessen Sie die Tür! Verständigen Sie Team B! Sie sollen den Jungen wieder
hier heraufbringen!« »Jawohl Sir!« Fassungslos starrte Arnold auf die Monitore. Auf sämtlichen Etagen hatten sich Rivers Männer verteilt und waren gegen Willow Creeks Sicherheitspersonal vorgegangen. Die wenigen, die überlebten versteckten sich, oder wurden gefangen genommen. Ein Desaster. Wie hatte es nur so weit kommen können? Würden Sie die Anstalt nun an Rivers abtreten müssen? Das konnte er sich nicht vorstellen. Das Gremium würde das niemals zulassen. Dennoch war der Schaden bereits angerichtet. Die Sicherheitstüren der Zentralen würden
nicht ewig halten. Von hier aus hatte man Zugriff auf die gesamte Anstalt. Da war es kein Wunder, dass Rivers unbedingt hier hineinwollte. Nein. Das durften sie auf keinen Fall zulassen. Allerdings gab es von hier aus auch nicht viel was sie tun konnten. Er hatte gehofft, dass seine Ansage für genug Kampfgeist sorgen würde, doch am Ende waren sie einfach zahlenmäßig unterlegen. »Wie ist der Stand im D-Trakt? Ist da unten noch alles klar Fred?« Der Rothaarige warf einen Blick auf die Monitore und nickte. Er versuchte sich die Anspannung nicht allzu sehr anmerken zu lassen.
»Bisher ist alles normal. Sie sind bisher nur in den anderen drei Trakten.« Griffs nickte. Für den D-Trakt brauchte man eine spezielle Berechtigung, die nicht jeder hatte. Nur ausgewählte Ärzte, Psychologen und Hammond selbst hatten überhaupt die Befugnis. Griffs selbst zum Beispiel war der Trakt verboten. »Sie versuchen systematisch Hammonds Leute auszuschalten. Am Ende ersetzt Rivers die Sicherheit durch seine eigenen Männer.« »Und wir können von hier aus nichts tun?« Er überlegte und warf einen Blick auf die Kontrollen.
»Ich kann das System auf Notfall schalten. Dann werden die Aufzüge stillgelegt und die Trakte abgeriegelt. Das würde sie zumindest ein wenig ausbremsen.« Warum war er nicht früher darauf gekommen? Eigentlich war es ziemlich simpel. So konnte er ihnen ein paar Steine in den Weg legen, bis Hilfe von außen kam. _____ »Habe ich dir nicht gesagt, du sollst in deinem Zimmer bleiben?« Inzwischen hatten Ethan und Dwight die beiden Männer gefesselt und in den
nächsten Wandschrank gesperrt. Das würde sie zumindest für den Moment aufhalten. Natürlich war er froh, dass Naiomi sie gerettet hatte, aber sie durfte sich nicht noch weiter unnötig in Gefahr bringen. »Gern geschehen! Manchmal kannst du wirklich blöd sein Ethan. Außerdem: Was ist, wenn noch mehr von denen kommen? Wie willst du dich gegen die wehren? Mit einem Kugelschreiber? Ich glaube nicht, dass du weißt wie man mit solchen Waffen umgeht.« Das wusste er wirklich nicht und wenn er ehrlich war, würde er sich auch nicht auf eine Stufe mit diesen Leuten begeben. Sicher, sie mussten sich verteidigen, aber
einen Menschen töten? Niemals. Es war heute Nacht schon genug Blut vergossen worden. »Sie hat leider Recht Ethan. Wenn wir wirklich bis in Hammonds Büro wollen, dann müssen wir uns etwas einfallen lassen.« Das Licht ging aus. Kurz darauf wurde der Trakt in ein schwaches rotes Licht getaucht. »Was ist das denn? Haben sie die Sicherheitszentrale übernommen?«, wollte Dwight wissen. Ethan schüttelte den Kopf. »Nein. Das ist das Notfallprotokoll. Für den Fall, dass ein Patient zur Gefahr für
sich oder das Personal wird, werden die Aufzüge außer Kraft gesetzt und die Trakte hermetisch abgeriegelt. Ich denke Arnold wollte ein wenig Zeit gewinnen.« Es war die einfachste Lösung. Dwight konnte das natürlich nicht wissen, denn seit er hier war, hatten sie noch keine Übung durchgeführt. Allerdings verkomplizierte das die Angelegenheit. »Und wie Geier sollen wir jetzt in Hammonds Büro kommen?« Eine berechtigte Frage. Da sich der B-Trakt unterirdisch befand, war es nicht so einfach von dort aus in einen anderen Bereich des Sanatoriums zu kommen. Arnold wollte zwar helfen, aber er hatte ihnen die Situation gerade um einiges
erschwert. »Also ich hätte da eine Idee, aber ich glaube nicht, dass sie euch gefällt!« Naiomi druckste vor den Beiden Männern herum und winkte mit ihrem Armband. Ethan begriff schnell, worauf sie hinauswollte. »Auf keinen Fall!« Nicht, dass er ihr nicht vertraute, aber das war keine Option. Naiomi sah ihn an und verschränkte wütend die Arme vor der Brust. »Das ist doch nicht dein Ernst. Ich kann helfen!« Dwight nickte zustimmend. »Sie könnte den Fahrstuhl nach oben
befördern.« »Nicht so hastig Süßer! Ich kann zwar Metall verbiegen, aber ich bin nicht Houdini. Das wird schon komplizierter.« Sie suchte Ethans Blick. Es war nicht die Frage danach, ob sie gefährlich war. Schon die ganze Zeit ging es um ihre Sicherheit. Wenn sie ihre Kräfte benutzen konnte, wurde sie zur Zielscheibe von Rivers Leuten. Das konnte er nicht riskieren. Gerade wollte er wieder etwas entgegnen, als sie ihn bei der Hand nahm. »Ich weiß, dass du dir Sorgen machst Ethan, aber ich kann euch helfen.« Sie musterte ihn eindringlich. Ethan seufzte. Es gab wohl wirklich keine
andere Lösung. Umsichtig griff er nach ihrem Armband und zog eine kleine Klappe nach oben, unter der sich ein kleines Ziffernfeld und ein Fingerabdruck Scanner befanden. So konnte verhindert werden, dass die Patienten die Armbänder von selbst öffneten. Nach ein paar Sekunden öffnete sich das Band mit einem Klicken. Naiomi rieb sich das Handgelenk. Ethan ließ das Armband in seine Kitteltasche gleiten.
»Gehen wir. Je eher wir bei Norman sind, desto besser.«