Drew atmete schwer. Der Schweiß lief ihm von der Stirn herab. Angestrengt musterte er Joseph, der vor ihm im Ring stand. Seit etwa einer halben Stunde trainierten sie im Boxring des Jugendzentrums. Rennel trainierte ihn, wann immer er Zeit dazu hatte. Nach allem, was passiert war, tat es gut, mal wieder etwas Dampf abzulassen. Es lief gut. Wirklich gut. Paulina war wieder zu Hause und es ging ihr mittlerweile so gut, dass sie die Sauerstofflasche nur noch nachts brauchte. Ohne Joseph hätte Drew die Dinge niemals in diese Bahn lenken können. Er hatte dem Leiter des
Jugendzentrums viel zu verdanken. „Komm Junge. Machen wir Schluss für heute.“ Nachdem er eine heiße Dusche genommen hatte, begab er sich schnurstracks in Josephs Büro. Das Verhältnis zwischen den beiden hatte sich während der letzten Tage ebenfalls verbessert. Nachdem klar war, dass Joseph nicht hinter den Trailer Brand steckte, war das Vertrauen des Jungen wieder gestiegen. Besonders, nachdem er erklärt hatte, dass mit dem Stehlen auch Schluss war. Das Geld, was sie dadurch verdient hatten würde in ein paar Wochen verfügbar sein. Nach Raphaels Tod musste ein neuer Geldwäscher gefunden
werden. Joseph hatte ihm allerdings versichert, dass er einen guten Mann dafür gefunden hatte. So musterte Drew seinen Freund lächelnd, als er die Tür des Büros hinter sich schloss und sich am Schreibtisch niederließ. „Du wirst immer besser. Du machst große Fortschritte Drew.“ „Danke Joe.“ Das Boxen tat ihm gut. Wenn er gut genug würde, könnte er vielleicht ein paar Amateurkämpfen teilnehmen. Zumindest war es eine Überlegung wert. „Hast du etwas von Hazel gehört?“ Der Junge schüttelte den Kopf. Er hatte erst spät von dieser Anstalt erfahren, die sich Willow Creek nannte. Hazel hatte
ihnen von Leland erzählt, der gekommen war um ihnen zu helfen. Sie hatten sich um Hazels Eltern gekümmert und ihr einen Platz in dieser Anstalt besorgt. Natürlich war man auch auf ihn, Joseph und Collin zugekommen, aber er hatte es sich einfach nicht vorstellen können. „Bisher nicht. Ich glaube, sie muss sich erstmal in Ruhe dort einleben.“ „Und was ist mit dir? Warum gehst du nicht dorthin? Bei Collin kann ich es verstehen. Er ist nicht der Typ dafür, aber dir hätte es nicht schaden können.“ Drew schüttelte den Kopf. „Nein. Es läuft gerade so gut zu Hause. Paulina ist wieder daheim. Max hat sich endlich verpisst, und wenn ich endlich
das Geld habe, dann muss Mom nicht mehr anschaffen gehen. Wir können endlich eine normale Familie sein. Das will ich nicht verpassen.“ Gerade jetzt war es ihm wichtig, bei seiner Familie zu sein. „Und was ist mit dir?“ Joseph sah aus dem Fenster. „Du kennst mich Junge. Mein Platz ist hier. Du, die anderen Kids. Ihr braucht mich und ich brauche euch. Ich kann mich nicht einfach aus der Affäre ziehen, und euch im Stich lassen.“ Das war nicht seine Art. Verständlich. Er mochte zwar wie ein ruppiger rothaariger Bär wirken, aber er besaß ein sanftes Wesen. Das hatte Drew mittlerweile
verstanden. „Und was machst du mit deinem Anteil?“ „Ich weiß noch nicht. Vielleicht lasse ich das Jugendzentrum vergrößern, oder ich richte eine Schlafstelle ein. Da draußen sind viele Kids, die auf der Straße leben. Wenn ich ihnen helfen könnte, wäre das ein Schritt in die richtige Richtung.“ Ein guter Ansatz. „Wenn du Hilfe brauchst, dann stehe ich dir bei.“ „Danke Junge. Du bist wirklich der Beste.“ „Hier steckst du. Du Schlafmütze!“ Langsam öffnete Collin die Augen. Mia stand kopfschüttelnd über ihm und hatte
die Arme vor der Brust verschränkt. Nach dem Morgen hatte sich der Junge eine kleine Auszeit gegönnt. Gähnend schälte er sich aus dem alten Schlafsack und streckte die Glieder. Das Wetter war gleichgeblieben. Hier unter der Brücke waren sie zum Glück sicher vor dem Regen. Was das betraf hatten sie eine gute Lage für ihr zu Hause gewählt. „Gib mir ein paar Sekunden Mia.“ Er schüttelte sich, um wacher zu werden. Sein Nacken schmerzte ein wenig, aber das war nichts Neues. Selbst nach der langen Zeit konnte es hin und wieder vorkommen, dass das Schlafen auf dem Boden Folgen nach sich zog. Für ihn ein erträgliches Übel. Einen Moment lang
musste er an das Angebot denken, dass ihnen dieser Akerman gemacht hatte. Für ihn war es nicht in Frage gekommen. Allein schon deswegen, weil er hier Leute hatte, die ihn brauchten und von ihm abhängig waren. Am Anfang hatte es ihm nicht gefallen, dass Hazel mit diesen Leuten gegangen war, aber im Nachhinein war es für sie die richtige Entscheidung. „Ich habe deine Freundin schon länger nicht gesehen. Hattet ihr Streit?“ Für einen Moment dachte er, er hätte eine Spur von Hoffnung in der Stimme des Mädchens gehört, aber er tat es als Irrtum ab. „Nein. Es läuft gut. Sie hat nur eine
Menge zu tun.“ Er folgte dem Mädchen über den kleinen Platz und ließ seinen Blick schweifen. Ethel saß zusammen mit dem alten Harold in einer Ecke, wo der ehemalige Musiker ihr gerade etwas aus einem abgegriffenen Buch vorlas. Langsam nährten sich die beiden Jugendlichen ihm. „Ah Kinder. Setzt euch ruhig. Etwas Gesellschaft kann uns nicht schaden. Oder Ethel?“ „Nein. Nein kann es nicht.“ Wie immer sah die Frau geistesabwesend durch die Gegend. Im Arm hielt sie die Puppe, die sie sonst immer im Kinderwagen vor sich herschob. Sie
genoss die Gesellschaft, auch wenn sie es vielleicht nicht so ausdrücken konnte, wie sie. Collin ließ sich neben ihnen nieder und legte die Hände auf die Knie. Mia reichte ihm eine Flasche Wasser. „Wo ist Oliver?“ „Der wollte noch ein wenig Geld sammeln, und einkaufen gehen. Er hatte gemeint, wir sollten dich schlafen lassen.“ Collin verdrehte die Augen und stand auf. Der Supermarkt war nicht weit von hier. Er könnte in ein paar Minuten dort sein. Das war kein Problem. Bevor er sich allerdings in Bewegung setzen konnte, parkte ein Wagen vor dem
Aufgang des Platzes. Erst dachte Collin, es könnten vielleicht die Leute von der Anstalt sein, doch Mia schüttelte den Kopf und wich ein paar Schritte zurück. Kurze Zeit folgte auch ein Streifenwagen. „Das sind meine Eltern!“ Der Junge sah zu dem Ehepaar, das langsam aus dem Wagen ausstieg. Ihr Vater hatte dieselben blauen Augen. Das Haar war ziemlich kurz geschnitten. Ein harter Kerl. Das konnte man sofort sehen. Ihre Mutter war zierlicher. Als sie ihre Tochter erblickte, lief sie auf das Mädchen zu. „Mia!“ Das Mädchen wich hinter Collin zurück.
Nun waren auch die beiden Police Officers ausgestiegen und nährten sich langsam der Situation. Was zum Geier war hier eigentlich los? Warum waren ihre Eltern hier? „Komm weg von ihm Mia!“ Die Stimme ihres Vaters besaß eine Strenge, die ihn erschaudern ließ. Er konnte sich noch gut daran erinnern, was Mia ihm über ihren Vater erzählt hatte. Nein. Sie durfte auf keinen Fall mit ihnen gehen. „Nein! Was wollt ihr hier? Lasst mich in Ruhe!“ „Wir wollen dich nach Hause holen Liebling. Wir haben dich endlich
gefunden!“ Nun zog einer der Polizisten seine Waffe. „Junge. Lass das Mädchen gehen.“ „Was? Denken sie etwa, sie wäre meine Geisel? Sie ist freiwillig hier.“ Er konnte hinter sich spüren wie Mia zitterte. Sie hatte Angst. Die Polizei ließ sich nicht überzeugen. „Wir haben einen anonymen Tipp bekommen. Das Mädchen wird schon seit einiger Zeit vermisst.“ Einen Tipp? Von wem denn? Wer würde sie verraten? Es wusste niemand, dass Mia hier war, außer Er, Oliver und die anderen. Von ihnen würde niemand so etwas tun. Was sollte Er jetzt tun? Wenn er sich wehren würde, dann würden sie
ihn wahrscheinlich erschießen. Mia würde zu Schaden kommen. Das konnte er nicht riskieren. Langsam machte er einen Schritt zur Seite. „Collin?!“ Er schüttelte den Kopf. Ihm blieb keine andere Wahl. Mias Vater trat nach vorne und stieß den Jungen zu Boden. Abscheu lag in seinen Augen. Schließlich fasste er seine Tochter am Handgelenk. „Komm Mia. Wir gehen nach Hause.“ Das Mädchen wehrte sich nach Leibeskräften. Sie versuchte sich ihrem Vater zu entziehen, doch behielt er sie fest in seinem stählernen Griff. „Nein! Collin bitte! Lass nicht zu, dass sie mich mitnehmen! Collin
bitte!“ Er ließ sie gehen. Mia und ihre Familie und die Polizisten waren wenig später verschwunden. Von ihm hatten sie nichts gewollt. Aber woher wussten Sie, dass sie hier war? Er sah hinauf zur Brücke. Jemand hatte die Situation beobachtet. Als der Junge ihn entdeckte, lief er los. Collin verlor keine Zeit, sondern nahm die Verfolgung auf. Als er allerdings oben auf der Brücke angekommen war, war von seinem Beobachter nichts mehr zu sehen. Wütend schlug er auf die Mauer der Begrenzung, ehe er sich daran sinken ließ. Tränen des Zorns rannen ihm über die Wangen. Noch immer klangen Mias Schreie in seinem Innern nach. Er
hatte Sie gehen lassen. Jetzt war er sich nicht mehr so sicher darüber, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Der Tag von Sals Beerdigung hatte sich unheimlich gezogen. Nikolai war einerseits froh, dass er das hinter sich gebracht hatte, als er am nächsten Tag ins Büro fuhr. Allerdings gab es nun viele Dinge, um die sich gekümmert werden musste. Angefangen dabei, Eileen wiederaufzubauen. Der Russe war nach der Beerdigung noch zu ihr gefahren, doch wie zu erwarten war, hatte sich niemand gezeigt. Kollegen hatten sich beschwert, dass sie ihrem Vater nicht den nötigen Respekt erwiesen
hatte, doch vermutete Worth das dahinter mehr steckte. Wahrscheinlich fühlte sie sich schuldig. So wie die meisten von ihnen. Wer konnte es ihr verdenken? In seinen Gedanken hatte er selbst fieberhaft darüber nachgedacht, ob eine andere Entscheidung seinerseits den Tod des alten Mannes vielleicht verhindert hätte. Letztendlich hatte er es aufgegeben. Sal hätte das nicht gewollt. Er hätte darauf bestanden, dass sie ihre Arbeit fortführten und den Fall abschlossen. Daher war Worths erste Anlaufstelle Masranis Büro. Er wollte den Fall wiederaufnehmen und nicht nur die Juwelendiebe, sondern auch Salweens
Mörder endlich zur Strecke bringen. „Ah. Agent Worth. Gut dass sie da sind. Ich wollte ohnehin mit ihnen sprechen.“ Der Chief bot ihm einen freien Stuhl an. Auch seinem Vorgesetzten stand Sals Verlust ins Gesicht geschrieben. Durand war allerdings jemand, der nicht offen darüber sprach. In seinen Augen konnte er es sich nicht leisten emotionale Schwäche zu zeigen. Besonders jetzt nicht, wo die Situation sowieso so angespannt war. „Was gibt es Boss? Haben wir schon neue Erkenntnisse in Sals Mordfall?“ Sein Gegenüber schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck aus seiner Tasse Kaffee. Eigentlich hätte sich Nikolai die
Frage auch selbst beantworten können. Er durfte sich nicht darauf verlassen, dass seine Vorgesetzten irgendwelche Schritte einleiteten. Er musste die Sache selbst regeln, wenn er wollte, dass diese Geschichte zu einem guten Abschluss kam. „Ich habe mit Direktor Rivers gesprochen. Es ist vielleicht etwas verfrüht, aber gerade jetzt ist es wichtig, dass wir der Öffentlichkeit zeigen, dass wir durch die Ereignisse nicht gelähmt worden sind. Da stimmen sie mir doch sicher zu.“ Der Russe nickte. „Natürlich. Das bedeutet für mich, dass wir endlich vorwärtskommen und
vielleicht eine Chance darauf haben, denjenigen zu fassen der hinter allem steckt.“ Er war entschlossen diese Sache zu Ende zu bringen. Komme was wolle. „Darum geht es nicht Agent Worth. Ich habe sie wegen etwas Anderem herbestellt. Sie wissen selbst, dass Agent Foster in ein paar Jahren den Ruhestand angetreten hätte. Im Vorfeld habe ich mir schon Gedanken gemacht und mit ihm über eine potenzielle Nachfolge gesprochen. Der Direktor und ich sind einer Meinung was das angeht. Wenn Sie damit einverstanden sind, würde ich sie gerne zum neuen Senior Special Agent
ernennen.“ Das war eine Überraschung. Nikolai wusste gar nicht, was er darauf sagen sollte. Er sollte Sals Posten übernehmen und das Team leiten? Das war das letzte, womit er gerechnet hatte. „Ich?! Sind sie sicher?“ „Niemand wäre besser geeignet. Ihre Fähigkeiten als Agent sind beachtlich und es ist ihnen zu verdanken, dass wir in diesem abstrusen Fall überhaupt vorwärtsgekommen sind. Sie müssen sich natürlich nicht sofort entscheiden. Sie können in aller Ruhe darüber nachdenken.“ Niko legte den Kopf schief. Darüber musste er allerdings nachdenken. Es ging
nicht darum, ob er den Job wollte oder nicht, sondern ob er wirklich der richtige Mann war, um Sals Stelle auszufüllen. „Und was ist mit Sals Tochter? Wäre es nicht besser, wenn Sie den Posten übernehmen würde?“ „Nein. Ich habe darüber nachgedacht. Eileen Foster ist noch viel zu jung. Ihr fehlt die nötige Erfahrung. Außerdem ist sie im Augenblick viel zu befangen. Ich brauche einen fokussierten Agenten in diesem Posten. Sie wissen selbst, dass Sie viel zu emotional handelt. Im Moment ist sie dafür die am wenigsten geeignete Person dafür.“ Das sorgte für einen bitteren Beigeschmack auf seiner Zunge, aber er
musste Masrani Recht geben. Eileen wäre wahrscheinlich zu befangen. Ethnisch gesehen wäre es die richtige Entscheidung, aber am Ende musste man logisch und objektiv bleiben. Er seufzte. Solche Dinge waren absolut nichts für ihn. Dennoch musste er sich Gedanken darübermachen. Vor allem da Masrani jemand anderen bestimmen würde, wenn er nicht zustimmte. „Ich denke darüber nach Sir.“ „Gut. Sie sind der richtige dafür Worth, auch wenn sie das im Augenblick nicht so sehen wollen.“ Er presste die Lippen aufeinander. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um sich darüber Gedanken zu machen. Es gab
andere Dinge, die wichtiger waren. „Was unternehmen wir wegen des Maulwurfs Sir?“ Er musste diese Frage einfach stellen. Er hatte die Bombe auf Sals Beerdigung platzen lassen und dem Team davon erzählt. Alle hatten unschuldig reagiert. Er hatte an Hand ihrer Reaktion einen Verdächtigen ermitteln wollen, doch jetzt war er sich nicht mehr sicher, ob es vielleicht eine falsche Entscheidung war. „Der Direktor ist der Meinung, dass wir uns erst einmal auf die Juwelendiebe konzentrieren sollen. Ich denke aber, dass es wichtig ist zuerst diesen Maulwurf zu finden. Wir können es uns nicht leisten, ihn weiter sein Unwesen
treiben zu lassen.“ „Das heißt, ich habe die Erlaubnis weiter zu ermitteln.“ Masrani nickte. Es war gut, dass er sich nicht der Meinung des Direktors anschloss. Wort brauchte einen Förderer, der ihm bei seinen Ermittlungen Rückhalt gab. Daher war er froh, dass Durand auf seiner Seite stand. „Allerdings muss ich von ihnen verlangen, dass sie absolut diskret bleiben. Sie ermitteln nicht im Büro. Das muss ein Geheimnis bleiben. Wir dürfen keine unnötige Aufmerksamkeit erregen und müssen professionell an die Sache herangehen.“ „Natürlich. Keine Sorge Boss. Sie
können sich auf mich verlassen!“ Nach dem Gespräch mit Masrani fuhr er direkt zu Eileens Wohnung, um ihr die Nachrichten mitzuteilen. Ihre Wohnung lag im Stadtzentrum. Er war schon ein paar Mal hier gewesen. Sie besaß ein kleines Apartment, in dem sie allein lebte. Er hatte sich immer gewundert, wie sie es geschafft hatte neben all der Arbeit dafür zu sorgen, dass die Wohnung ordentlich war. Nun stand er wieder vor ihrer Tür und klopfte. Keine Antwort. Drinnen war nichts zu hören. „Ellie? Bist du zu Hause? Ich bin es: Niko. Wir müssen reden.“ Er klopfte noch einmal, doch wieder
bekam er keine Reaktion. Er runzelte die Stirn. Dieses Mal konnte er nicht einfach wieder gehen. Vor allem ging es darum zu sehen, ob es seiner Kollegin gut ging. Also griff er in seine Jackentasche und holte dort eine Büroklammer hervor. Langsam kniete er sich vor dem Schloss nieder. Nachdem er sich langsam nach links und rechts umgewandt hatte, begann er vorsichtig das Schloss zu knacken. Nach einigen Sekunden klickte das Schloss. Vorsichtig schob der Russe die Tür nach innen und betrat das Apartment. Die Küche lag direkt im Eingangsbereich und war mit dem Wohnzimmer zusammengelegt worden. Es war unordentlich. Pizzaschachteln und
Boxen von chinesischem Fraß lagen überall im Raum verteilt. Was für ein durcheinander. „Ellie?“ Nichts. Langsam bahnte er sich seinen Weg durch die Wohnung. Sie hatte sich in ihrer Wohnung ein kleines Büro eingerichtet. Vor der Tür entdeckte er, dass der Schreibtisch und andere sperrige Möbel auf den Flur geschoben worden waren. Es sah beinahe so aus, als würde hier jemand entrümpeln. Vorsichtig öffnete Worth die Tür zum Büro. Er erstarrte. Die gesamte Wand war voll mit Zeitungsausschnitten, Fotos und Notizen. Eine riesige Ermittlungswand. Worth ließ seinen Blick schweifen. Im Zentrum
waren Fotos von Direktor Rivers, Tate und den anderen. Jemand hatte das Wort 'Verdächtige' in großen Lettern daruntergeschrieben. Etwas weiter weg hingen Fotos von Sal und Raphael, unter denen das Wort 'Opfer' geschrieben worden war. Der Russe fuhr mit den Fingern darüber. Er merkte nicht, dass sich ihm jemand von hinten nährte. Plötzlich spürte er etwas Hartes an seinem Hinterkopf. Nach Jahren des Dienstes konnte er sofort sagen, dass es eine Pistole war. Langsam hob er die Hände. „Ganz ruhig.“ „Was machst du hier Nikolai?“ Das war Ellies Stimme. Sie klang
brüchig. Noch immer hatte sie ihre Waffe auf ihn gerichtet. „Ich habe mir Sorgen gemacht. Nimmst du bitte das Ding runter?“ Sie senkte die Waffe. Langsam wandte er sich zu ihr um. Sie trug nur ein Top und ihre Unterhose. Die Haare waren zerzaust. Die Augen unterlaufen vom Schlafmangel und sie roch, als hätte sie dringend ein Bad nötig. Eileen war ein Schatten ihrer selbst. Die entschlossene Frau war verschwunden und einem Häufchen Elend gewichen. „Mein Gott Ellie.“ „Geh. Ich brauche deine Fürsorge nicht.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich bin hier um dir zu helfen. Wie ich
sehe hast du bereits gute Arbeit geleistet. Lass mich dir helfen. Gemeinsam sind wir effektiver.“ Sie dachte kurz darüber nach legte schließlich ihre Waffe zur Seite. „Fass hier nichts an.“ Er sah sie einen Moment lang an, ehe er seine Kollegin umarmte. Erst wollte sie sich ihm entziehen, doch dann ließ sie seine Umarmung zu. „Ganz ruhig Kleines. Alles wird gut. Wir schaffen das. Zuerst solltest du allerdings ein Bad nehmen. Du stinkst wie ein Iltis.“ „Das ist ein Desaster Rivers. Haben sie auch nur eine Ahnung, wie viel
Aufmerksamkeit sie in der Öffentlichkeit auf die Situation ziehen?“ Nathaniel war alleine von Studwick und Heidenreich zur Rede gestellt worden. Natürlich. Er hätte es sich denken können, dass sie irgendwann auf ihn zukamen. Die Situation war in ihren Augen nicht mehr tragbar. „Ich weiß nicht was sie meinen. Die Ergebnisse sind zufriedenstellend: Ein Mitglied dieser Gruppe von Juwelendieben befindet sich bereits in der Anstalt. Außerdem wurde das FBI als Widersacher ausgeschaltet.“ Sie sah ihn kopfschüttelnd an. Man hatte Long und Norman mit Absicht nicht zu dieser Sitzung eingeladen. Bei Hammond
wusste man, dass er nicht auf ihrer Seite stehen würde. Bei Long war es zu unsicher. Er war ein junger Idealist, der viel zu emotional handelte. Nein. Er musste das selbst in die Hand nehmen. „Sie können ihre Taten nicht damit rechtfertigen. Zwei Männer sind Tod. Ein Krankenhaus wurde zum Ziel ihres Attentäters, den sie von der Leine gelassen haben. Die Öffentlichkeit hat Angst. Und das wollen sie als zufriedenstellend bezeichnen?“ „Sein wir doch ehrlich Roberta: Ich bin der einzige, der sich hierbei die Hände schmutzig macht und dazu bereit ist. Ginge es nach ihnen, hätte man die Anstalt inzwischen gefunden und ihren
wahren Zweck aufgedeckt. Manchmal verlangen extreme Situationen auch nach extremen Maßnahmen.“ Sie hätten vor den Entscheidungen gescheut, die er getroffen hatte. Diese Feiglinge, die es nicht wagten über ihren Tellerrand zu schauen. „Wie ist die Stimmung beim FBI?“ Studwick hatte sich bisher in Schweigen gehüllt. Er sagte nicht viel, aber anhand seiner Blicke und seiner Haltung konnte Nathaniel ihm ansehen, dass er ebenfalls nicht sehr angetan davon war. „Nach dem Tod von Salween Foster sind die Gemüter natürlich erhitzt, aber wir müssen uns keine Sorgen machen. Ich habe den Chief unter Kontrolle und die
Ermittlungen bezüglich des Maulwurfes einstellen lassen. Das FBI ist gelähmt und nicht mehr in der Lage effektiv in dieser Situation zu arbeiten. Der Fall wird bald niedergelegt werden. Dennoch musste ich es in der Öffentlichkeit so aussehen lassen, als stecke jemand anderes dahinter. Eine dritte Partei, die die Aufmerksamkeit von uns ablenkt.“ „Sollte sich ihre Eigenmächtigkeit zu einem Problem entwickeln, dann stehen sie alleine da Rivers.“ Russel sah ihn ernst an, doch Nathaniel lächelte nur. „Sie müssen sich keine Sorgen machen. Ich habe bereits Vorkehrungen getroffen. Die übrigen Mitglieder der Juwelendiebe
werden sich bald in meiner Hand befinden. Dann wird sich diese Sache geklärt haben.“
Roberta biss sich auf die Lippen.
„Das will ich hoffen. Um ihretwillen.“