Ein ganz besonderes Geburtstagsgeschenk - oder Ein traum wird wahr
Im Dezember 2005 verbrachten wir, das ist Dieter, mein Lebenspartner und ich, eine Woche Urlaub auf der Kanareninsel Teneriffa. Jedes Jahr im Dezember urlauben wir irgendwo eine Woche, da wir beide an zwei aufeinander folgenden Tagen im Dezember Geburtstag haben. Dieses Jahr also Teneriffa, ein wenig warme Sonne tanken im Winter, blühende Blumen und Bäume erleben – und das Meer genießen. Wir beide lieben das Meer, diese unendliche Weite, das Rauschen der Wellen, am Strand laufen
und dabei träumen, was kann es schöneres geben.
Natürlich hatten wir ein Hotel direkt am Meer, schon morgens nach dem Aufwachen auf den Balkon gehen und den Blick über das Meer schweifen lassen, bis zum Horizont. Der Balkon ging nach Osten, sodass wir jeden Morgen den Sonnenaufgang verfolgen konnten, ein Naturschauspiel, an dem ich mich nie satt sehen kann. Tagsüber liefen wir am Meer entlang, genossen die Sonne und die kanarische Dezemberwärme, wir besuchten kleine Fischerhäfen und nahmen den typischen Geruch in uns auf, speicherten ihn ein weiteres Mal in
unseren Köpfen, fotografierten die Fischer, wenn sie ihre Fracht ausluden, die sie draußen auf den Weiten des Meeres gefangen hatten. Irgendwie habe ich immer ein leicht trauriges Gefühl, wenn ich zusehe, wie die Fischfracht von den Schiffen gelöscht wird, denn hinter jedem dieser kleinen und großen Fische steht ein beendetes Leben.
An einem dieser Häfen auf Teneriffa habe ich etwas übersehen, was ich bis heute noch nicht verstehen kann, aber mein Lebenspartner hatte ein liebendes Auge darauf. Es war an seinem Geburtstag und damit einen Tag vor meinem Geburtstag. Wir waren in einem kleinen Ort unterwegs, kamen dort
natürlich auch am Hafen vorbei, sahen dem bunten Treiben zu und setzten uns schließlich auf die Terrasse eines dieser Hafencafés, um uns einen Kaffee und ein Stück Geburtstagskuchen zu genehmigen und das Flair zu genießen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass Dieter mir dann sagte, er würde mal eben das gewisse Örtchen aufsuchen und dass dieser Besuch dann relativ lange gedauert hat. Etwas unruhig wurde ich schon, sah ihn aber nirgends. Nach knappen 10 Min. war er dann wieder da und meinte nur, nachdem ich ihn gefragt hatte, wo er denn so lange war, dass er mal schnell noch in einem Touristenladen um die Ecke war, um nach einem
Leuchtturm zu schauen, den ich schon in etlichen anderen Geschäften gesucht hatte. Für mich war damit das Thema erledigt und schnell auch wieder vergessen. Was es mit dieser kleinen Begebenheit auf sich hatte, sollte ich an meinem Geburtstag erfahren, in den wir auf unserem Hotelzimmer mit Sekt hineinfeierten.
Um Mitternacht gab mir Dieter ein kleines Kuvert mit einer wunderschönen Geburtstagskarte, in der ein Ticket lag, auf dem „Whale Watching“ stand. Zunächst verstand ich nicht recht, weil ich nicht wusste, dass man in den Gewässern um die Kanaren Wale beobachten kann, hätte ich das gewusst,
wäre das für mich der Hauptgrund gewesen, nach Teneriffa zu fliegen, denn Wale in Freiheit zu sehen war schon immer ein großer Traum von mir. Schon vor vielen Jahren hatte ich mir vorgenommen, dass ich diese sanften Giganten der Meere einmal in ihrer natürlichen Umgebung sehen wollte, diesen Traum wollte ich mir unbedingt verwirklichen. Nun hielt ich ein Ticket in der Hand, auf dem mein Traum geschrieben stand „Whale Watching“ stand da. Ich sah Dieter mit großen, feuchten, aber noch fragenden Augen an, denn so recht konnte ich es noch nicht glauben, er aber nahm mich in den Arm und sagte: „Jetzt geht dein lange
gehegter Wunsch endlich in Erfüllung – und das ist mein Geburtstagsgeschenk für dich, du wirst an deinem Geburtstag die ersten Wale deines Lebens sehen.“
Jetzt konnte ich die Tränen nicht mehr aufhalten, sie liefen in dicken Tropfen über meine Wangen, ein Klos saß mir im Hals, ich konnte nichts sagen, konnte das alles noch nicht glauben. Ich war überglücklich und meinem Dieter so dankbar.
Die Nacht war zwar nicht mehr lange, aber für mich viel zu lange, denn jetzt fieberte ich diesem Ereignis entgegen.
Ein paar Stunden habe ich dann doch noch geschlafen und als ich aufwachte, kam mir sofort diese
Walbeobachtungstour in den Kopf und ich wurde aufgeregt, weil ich viele Jahre auf so ein Ereignis gewartet hatte, weil ich nicht gewusst hatte, dass man das in einer so relativ geringen Entfernung von zu Hause erleben kann. Ich war nicht zum ersten Mal auf den Kanaren, hatte aber vorher nichts davon gehört, oder gelesen.
Um 10 Uhr sollte die Tour losgehen, mit einem Katamaran von dem kleinen Hafen in unserer Nähe, wir konnten sogar dorthin laufen. Also machten wir uns gleich nach dem Frühstück auf den Weg, unterwegs machte ich mich immer mehr mit dem Gedanken vertraut, dass ich bald
Wale im Meer beobachten durfte und meine Vorfreude wuchs schier ins Unendliche.
Am Hafen angekommen sahen wir auch gleich den Katamaran, groß und weiß lag er da, dazu der knallblaue Himmel und das tiefblaue Meer, die Sonne strahlte mit ihrem schönsten Lachen über uns, kurzum, es würde allem Anschein nach ein perfekter Tag werden. Das Bordpersonal begrüßte uns freundlich, wir suchten uns einen Platz auf dem Schiff, welches sich so nach und nach füllte. Viele froh gestimmte Menschen gesellten sich zu uns, verteilten sich auf dem Schiff. Es war ein Sprachengewirr aus spanisch, englisch, französisch,
deutsch und so mancher für mich undefinierbaren Sprache, alle waren guter Dinge, kein Wunder bei dem Vorhaben und diesem Bilderbuchwetter.
Dann endlich ging die Fahrt los. Das Personal erklärte uns, dass hier im Süden Teneriffas und um die Kanaren eine Walpopulation von ca. 400 – 500 Pilotwalen beheimatet wäre. Zeitweise ziehen auch größere Wale durch, außerdem sind dort auch viele Delphine beheimatet.
Es ging vorbei an Fischzuchtbecken, was mir persönlich nicht gefallen hat, da ich grundsätzlich etwas gegen jegliche Massentierhaltung habe. Ich vertrete meine nicht zu ändernde Meinung, dass
alle Tiere in Freiheit leben sollten, denn keiner hat das Recht ein anderes Lebewesen einzusperren, auch nicht, um seine Art zu erhalten. Es zählt jedes einzelne Leben und diesem Leben ist es sicher relativ egal, ob seine Art erhalten wird, ich möchte mich auch nicht ein Leben lang einsperren lassen, nur damit die Nachwelt etwas davon hätte. Aber das nur nebenbei.
Also, vorbei an den ungeliebten Fischzuchtbecken, weiter Richtung offenes Meer – und da sahen wir bereits die ersten drei Delphine. Sie kamen sehr schnell von hinten, waren auch schon längsseits und zogen pfeilschnell an uns vorbei. Ich dachte, es müsste mir das
Herz zerreißen, denn noch nie hatte ich frei lebende Delphine gesehen. Jetzt hielten wir natürlich alle Ausschau, denn jeder wollte zuerst einen Wal sehen. Noch etliche Delphine zogen an uns vorüber, wir sahen sogar welche springen – es war eine Pracht, diesen Tieren zuzusehen.
Dann machte der Kapitän des Katamarans den Motor aus, es wurde uns erklärt, dass wir jetzt in das Gewässer kämen, in welchem die Wale wären. Wir sollten leise sein, da diese großen wunderbaren Tiere sehr hellhörig sind und wir sie nicht erschrecken dürften, das wollte ganz sicher auch keiner auf dem Schiff.
Das Meer hier ist sehr ruhig, relativ tief
und auch sehr nährstoffreich, also gibt es viele Fische und andere Nahrung, die idealen Voraussetzungen für diese Walpopulation.
Langsam wurde es ganz ruhig auf dem Schiff und wir trieben einfach nur dahin, es herrschte eine ganz besondere Stimmung, jeder war nur noch gespannt auf den ersten Wal und alle hielten Ausschau.
Endlich – „dort ist ein Wal“ sagte jemand auf deutsch, „dort, seht doch“ – und alle sahen in die angezeigte Richtung – tatsächlich, ich sah ihn, den ersten frei lebenden Wal in meinem Leben. Ich sah seine Rückenflosse, die über die Wasseroberfläche glitt und sah, dass er
ganz ruhig auf uns zu schwamm, das Meer war spiegelglatt und tiefblau. Man sah die kleinen Wellen, die er mit seinem Körper in diesen glatten Spiegel schnitt, ein Bild, welches ich nie in meinem Leben mehr vergessen werde. Dann drehte er nach links und schwamm seelenruhig an unserem Schiff vorbei, natürlich nicht, ohne hundertfach fotografiert zu werden. Ich konnte kein Foto machen, denn ich war wie gebannt, ich wollte diesen Augenblick in mein Herz einbrennen, wollte ihn so tief wie möglich in mich aufnehmen, um ihn bei Bedarf wieder hervor zu holen. Mein Dieter hatte die Kamera übernommen, denn er wollte mir diese Minuten des
Genusses schenken, er kennt mich und wusste, was es für mich bedeutete. Ich schäme mich auch nicht, zu schreiben, dass mir Tränen über das Gesicht liefen, Tränen aus dem Innersten meiner Seele, so gerührt und zutiefst beeindruckt war ich. Es war einfach faszinierend wie dieses wunderschöne Tier mit seinem glatten Körper durch dieses spiegelglatte und tiefblaue Wasser dahin glitt, wie es lautlos und majestätisch an uns vorbeizog. Alles wirkte so rein, das Meer ist dort sehr sauber und glasklar. Es gibt Augenblicke im Leben, die sind überirdisch, dies war so ein Augenblick für mich.
Der Katamaran glitt ruhig durch die See
und wir sahen mehrere Wale auf uns zu kommen, ein wenig später welche, die auf der anderen Seite an uns vorbei zogen, alles verlief so leise, Wale sind wahrlich sehr sanfte Tiere. Es war einfach unbeschreiblich schön, wenn man sie auf sich zu schwimmen sah, von Weitem schon sah man die Flosse über dem ruhigen Meeresspiegel, die dann immer näher kam, um schließlich an dir vorbei zu ziehen. Die Touristen auf dem Schiff waren alle sehr leise, es wurde lediglich geflüstert. Die Besatzung hatte uns dazu aufgefordert, aber ich denke, wir alle wären auch ohne Aufforderung leise gewesen, denn diese Situation, dieses Erlebnis, das leise Dahingleiten
der schönen großen Tiere, verlangte einfach nach Stille und Ruhe.
Dann kam ein Wal auf meiner Seite von vorne angeschwommen, ganz langsam, mit kaum merklichen Bewegungen – und als er, genauso langsam, an uns vorbeizog, sahen wir, dass ein Waljunges an seiner Seite schwamm, es waren also Mutter und Kind, die uns da entgegen gekommen waren. Ich traute meinen Augen nicht, denn das war der Gipfel des Glückes, mehr als die Erfüllung meines Traumes, das schönste Geburtstagsgeschenk meines Lebens, ein unbezahlbares Geschenk!
Auf dem Rückweg haben wir dann
nochmals mehrere Delphine gesehen, teilweise haben sie den Katamaran begleitet, es schien, als wollten sie mit uns spielen, zur Freude der ganzen Passagiere, die nun nicht mehr so ruhig waren, jetzt, da wir aus dem Walgebiet herausgefahren waren. Ich hielt immer noch angestrengt Ausschau, denn ich wollte keinen Wal verpassen, aber anscheinend hatten wir die Zone nun doch verlassen, denn es tauchte keiner mehr auf.
Es war einer der schönsten Tage in meinem Leben, nun allerdings habe ich noch einen Traum: ich möchte und werde eines Tages die riesengroßen Kollegen
dieser doch relativ kleinen Pilotwale in freier Wildbahn erleben – und darauf freue ich mich schon heute.
© Eleonore Görges
2008