"Wie sieht es aus?" "Wie soll es schon aussehen Dirk? Es ist derselbe Scheiß wie immer. Das Personal wurde paralysiert, der Schmuck ist weg und wir erfahren mal wieder als letzter davon." Sal wandte sich von Dirk und Eileen ab und betrat das innere des Juweliers. Foster blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, ehe sie sich etwas mehr unter das Gebäude stellte, um Schutz vor dem Regen zu suchen. Dirk verschränkte die Arme vor der Brust und runzelte die Stirn. Das war schon der sechste Überfall
in den letzten zwei Monaten. Bisher hatten sie nichts. Keine Verdächtigen und keine Hinweise, bis auf die Tatsache, dass die Überfälle allesamt seltsam waren. Entweder waren die Leute paralysiert, oder die Läden wurden von Leuten überfallen, die nichts damit zu tun hatten, und die behaupteten später, dass sie unschuldig waren. Ein Fiasko. Besonders vor der Presse. Chief Masrani versuchte natürlich die Lage zu beruhigen, doch war auch er machtlos. "Manchmal ist er wirklich ein Arschloch", erklärte Dirk schließlich. Er und Eileen arbeiteten mittlerweile drei Jahre zusammen beim FBI. Foster musste zugeben, dass sie in ihrer Laufbahn
schon einige seltsame Dinge gesehen hatte, doch dass hier war etwas, das sämtliche Normen auf die Probe stellte. "Du weißt doch wie er ist", kam es plötzlich von Nikolai, dem stämmigen Russen, der immer mit Sal zusammenarbeitete. Grinsend wischte er Peterson durch das Haar, ehe er in dessen Brusttasche griff, und sich einfach an seiner Schachtel Zigaretten bediente. Dirk war einen guten Kopf kleiner als er. Eileen noch einmal kleiner als er. "Wenn Sal nichts zu meckern hat, dann ist er nicht glücklich." Der starke Akzent schwang in der Stimme des Russen mit. Dirk konnte nichts anderes tun als zu
nicken. "Ich hoffe, dass wir dieses Mal etwas finden. Seit Wochen stochern wir im Nichts herum und diese Typen räumen einen Juwelier nach dem anderen aus." "Irgendwann machen sie einen Fehler. Das ist immer so", erklärte Eileen und zog sich die Jacke enger. Natürlich versuchte sie sich nur selbst zu beruhigen, denn sie wusste, dass sie es hier mit Profis zu tun hatten. Die machten keine Fehler. Zumindest nicht mit Absicht. "Schau mal wer auch zum Treffen kommt", erklärte Niko und deutete auf einen Mann mittleren Alters, der auf
einem Gehstock gestützt auf den Tatort zuschritt. Eileen verdrehte die Augen. Smithers. Dieser dämliche Journalist. Immer wenn es einen neuen Fall dieser Juwelendiebe gab, war er nicht weit. Wie immer war er unrasiert und roch leicht nach Alkohol. Kein angenehmer Zeitgenosse. "Was wollen Sie hier?" Smithers musterte die junge Agentin einen Moment lang, ehe er süffisant lächelte und beide Hände auf seinen Gehstock legte. "Charmant wie immer Agent Foster. Sie wissen doch: Ich bin die Stimme der besorgten Bürger von Detroit. Ich bin derjenige, der die Fakten liefert, damit
sie nachts ruhig schlafen können. Hallo Niko." Er schüttelte dem Russen die Hand. Peterson und Foster tauschten einander kurz Blicke aus. "Also. Lassen sie mich raten: Es ist wie beim letzten Mal. Der Wachmann wurde paralysiert. Die Technik hat ohne einen Grund versagt und der Safe wurde einfach geöffnet als wäre er aus Pudding? Man könnte fast meinen die Justice League steckt dahinter hm?" Er lachte kurz auf. Der Russe stimmte mit ein, ehe sich Smithers an die Wand neben ihn lehnte. Foster war nicht begeistert. "Das geht sie überhaupt nichts an.
Verschwinden Sie! Sie behindern die Ermittlungen." "Ach je. Ganz schön fuchsig heute was? Entweder brauchen sie Urlaub, oder jemanden der ihnen mal ordentlich den Frust von der Seele vögelt!" Sie schritt auf ihn zu, doch Peterson hielt sie zurück. "Komm schon Ellie. Das ist es nicht wert." Die Brünette schnaubte verächtlich. Auch Nikolai war an ihre Seite getreten. "Mach dir nichts draus. Du weißt doch: Smith ist ein Idiot. Er kann nicht anders." Der Journalist musterte den Russen kurz. „Hey. Irgendwie muss ich eben meinen
Lebensunterhalt verdienen oder? Sorry wenn ich dir zu Nahe getreten bin Ellie.“ „Nennen Sie mich nicht so!“ Der Journalist hob abwehrend die Hände und lächelte matt. „Schon gut, Schon gut.“ Damit setzte er sich langsam in Bewegung. Nach ein paar Schritten wandte er sich noch einmal um und sah zu den drei Agenten. „Niko. Sehen wir uns am Wochenende beim Poker?“ Der Russe nickte. „Aber klar doch.“ Smithers grinste zufrieden. „Fein. Peterson.
Foster.“ Der Regen ließ nach, als Smithers sich an den Polizisten und Reportern vorbei bewegte. Innerlich musste er lachen. Die Foster war wirklich leicht auf die Palme zu bringen. Doof nur, dass er nicht wirklich etwas neues herausfinden konnte. So schritt er schließlich zu dem dunkelblauen Ford, der etwas entfernt stand und stieg auf der Beifahrerseite ein. Der Fahrer war deutlich jünger als er und schlürfte an einem Kaffee. „Und? Wie ist es gelaufen Leland?“ Der angesprochene legte die Hände in den Schoß und seufzte. „Also Foster sah heute nicht schlecht
aus, aber ich glaube dass die gute ein wenig sexuell frustriert ist.“ „Das meine ich nicht. Was ist mit dem Überfall? Waren es wieder dieselben?“ Er nickte nur, während der Andere den Wagen startete. „Ich weiß nicht Eddie, aber wenn du mich fragst, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis diese Typen sich nicht mehr nur mit dem Ausrauben von Juwelieren begnügen.“ „Deshalb müssen wir uns beeilen und sie finden. Ich habe Ethan angerufen. Er hat auch nichts neues. Wir sehen uns den Tatort morgen in Ruhe an, wenn die ganzen Leute weg sind. Vielleicht haben sie dieses Mal eine Spur
hinterlassen.“ Leland griff in seine Manteltasche und holte seinen Flachmann hervor. „Eher wird mein Bein durch Geisterhand geheilt.“ „Was wollte dieser alte Säufer dieses Mal?“ Die Agenten wandten sich Sal zu, der langsam den Juwelier verließ und die Hände an die Hüfte legte. Das weiße Haar flatterte leicht im Wind. „Das übliche. Er wollte Informationen“, erklärte Dirk. „Was haben sie herausgefunden Sir? Sind es wieder dieselben wie beim letzten
Mal?“ Sal nickte Eileen zu. „Mittlerweile können wir sagen, dass es eine Gruppe von vier oder fünf Leuten ist. Man kann davon ausgehen, dass sie einen versierten Hacker bei sich haben. Ich habe noch nie gesehen, dass jemand so etwas mit Elektronik machen kann. Es ist, als wäre alles einfach durchgeschmort.“ Foster nickte nur. Sie fror. Wahrscheinlich würden sie noch eine Stunde hier sein, bis sie die ganzen Zeugenaussagen aufgenommen hatten. Inzwischen war sie gute 18 Stunden auf den Beinen. Dieser Fall raubte ihnen allen den Schlaf.
„Was ist mit dem Wachmann?“ „Dasselbe wie immer Nikolai. Paralysiert. Er geht ins Krankenhaus. Nach ein paar Tagen wird die Paralyse nachlassen, aber wahrscheinlich bekommen wir nichts aus ihm heraus.“ „Immer dasselbe hm?“, begann der Russe. „Entweder kann er sich an nichts erinnern, oder er identifiziert jemanden, der ebenfalls in dem Juwelier arbeitet. Dann statten wir dem Kerl einen Besuch ab und der behauptet wiederum, dass er nichts damit zu tun hätte.“ Sal nickte nur. „So ist es. Ihr könnt fahren. Ruht euch
aus. Masrani will morgen einen Bericht und da ist es besser, wenn die meisten von uns ausgeruht sind.“ „Ich gehe noch etwas trinken. Kommt ihr mit?“ Eileen und Dirk schüttelten den Kopf. Nikolai umarmte die beiden zum Abschied. „Mach dir nichts aus Smithie. Er ist eben so. Du bist eine gute Agentin. Vergiss das nicht. Bald schnappen wir die Typen.“ Damit warf er seine Jacke über die Schulter und ging in Richtung des Autos davon. Die beiden anderen sahen ihm einen Moment lang nach, ehe sich Eileen
an Dirk schmiegte. „Ich wünschte, ich hätte seine Zuversicht.“ „Er hat Recht Ellie. Irgendwann kriegen wir sie immer. Gerade dann, wenn solche Typen denken, niemand könnte es mit ihnen aufnehmen, dann machen sie einen Fehler.“ Sie nickte nur. Er legte einen Arm um sie. „Soll ich dich fahren?“ Sie wusste genau worauf das hinauslaufen würde, aber heute war ihr nicht danach. „Nein. Fahr nach Hause Dirk. Penelope wartet auf dich.“ Er sah aus als hätte sie ihm ins Gesicht
geschlagen. Schließlich zog sie ihn an sich und gab ihm einen kurzen Kuss. „Bis Morgen.“ „Bis Morgen.“ „Also? Was können Sie mir sagen?“ Nachdem er seine Leute nach Hause geschickt hatte, war Sal wieder in das innere des Juweliers gegangen, um noch ein paar Hinweise zu sammeln. Channing, ein junger dunkelhaariger Agent zuckte nur mit den Schultern. „Nicht viel Sir. Es ist dasselbe Muster. Sie sind rein, haben sich das wertvollste geschnappt und dann das Weite gesucht.“ Der alte Mann presste die Lippen aneinander und kratzte sich am Kinnbart.
Etwas anderes hatte er nicht erwartet. Dennoch war das Ergebnis ernüchternd. Noch immer hatten sie nichts, was sie auch nur Ansatzweise zu den Tätern führen konnte. „Das heißt also, wir haben rein gar nichts, dass wir Masrani vorweisen können.“ „Wollen Sie meine Theorie hören?“ Sal nickte und lehnte sich an eine der Vitrinen. „Wenn sie mich fragen, dann würde ich sagen, dass es einen Anführer gibt, der die Gruppe anleitet. Das ganze läuft jedes Mal so perfekt ab. Es muss jemanden geben, der die Überfälle akribisch
durchplant.“ „Und das bedeutet, dass wir davon ausgehen können, dass es jemand ist, der wahrscheinlich älter ist als der Rest.“ Das war zwar nur eine Vermutung, aber es könnte passen. Meistens war ein Anführer in solch einer Gang älter als die anderen. Wahrscheinlich eine autoritäre Person. „Wie gesagt Sir. Das ist nur eine Theorie. Eigentlich kann ich ihnen gar nichts sagen.“ Er legte seinem Kollegen eine Hand auf die Schulter und lächelte matt. „Schon in Ordnung. Machen Sie für heute auch Schluss. Ich mach das hier.“ Der Dunkelhaarige nickte und streckte
die Glieder. Sal bedachte ihn kurz. Channing war ebenso wie die anderen ein fähiger Agent. Es war einfach nur so, dass sie alle mit voller Kraft an diesem Fall arbeiteten. Nikolai, seine Tochter, Dirk, sie alle waren müde und wünschten sich eine baldige Auflösung. Allerdings gab es so viele Aspekte an diesem Fall, die einfach nur seltsam waren. Die Vorgehensweise war so skurril, dass er nicht wusste, was er davon halten sollte. Wahrscheinlich war das hier erst der Anfang von all dem und das gefiel ihm gar nicht. Am anderen Ende der Stadt saß Hazel an der Offenen Tür des Vans, während die
Jungs dabei waren die Beute aus dem Fahrzeug zu hieven. Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn und richtete den Blick auf Joseph. Der Rothaarige stand neben ihr an das Auto gelehnt begutachtete das Ergebnis ihres Feldzuges. „Das war gute Arbeit. Von euch allen. Mit der Beute von heute haben wir einen guten Fang gemacht.“ Sie nickte matt. Natürlich hatte er Recht. Zwar hatten sie schon einige Raubzüge hinter sich gebracht, aber dieser war bisher der lukrativste gewesen. „Das heißt, dass wir unser Ziel bald erreicht haben oder? Ich meine, wenn wir das ganze Zeug verkaufen, dann haben
wir genug Geld, damit jeder von uns sich seine Träume erfüllen kann.“ „Bis dahin ist es noch ein kleines Stück Haze, aber du hast Recht. Es dauert nicht mehr lange. Wir sind ein gutes Team.“ Die beiden jungen Männer, die die Beute aus dem Van geschleppt hatten, gesellten sich hinzu. Der eine war ein schwarzhaariger Puertoricaner. Der andere hatte dunkelblondes Haar und ließ sich neben Hazel nieder, ehe er sich eine Zigarette ansteckte. „Haben wir nicht genug mit dem Zeug von diesem Mal?“ „Naja du musst bedenken, dass wir die Geldwäscher bezahlen müssen Collin. Außerdem kostet der Van und die
Ausrüstung auch Geld.“ Der Angesprochene grinste. „Ich dachte wir sind die Ausrüstung.“ Der ältere legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Klar sind wir das. Hab Geduld. Nur noch ein bisschen und dann haben wir genug, so dass wir uns nie wieder irgendwelchen Regeln unterwerfen müssen.“ Damit sah Joseph in den Nachthimmel hinauf, wobei der leichte Nieselregen sich auf ihn ergoss. Episode 1 – Welcome to Willow Creek Langsam öffnete Ethan die Augen. Von
draußen drang das Grollen des Donners an sein Ohr. Er hasste es, wenn seine Arbeitswoche mit einem Unwetter wie diesem begann. Meistens war das kein gutes Zeichen. Er seufzte und murmelte etwas in sein Kopfkissen. Neben ihm hörte er Carrie ruhig atmen. Seine Frau musste erst in einer Stunde aufstehen, weshalb er sich so leise wie möglich erhob und einen Blick auf den Wecker warf. Es war kurz vor fünf. Für seinen Beruf eine normale Zeit zum Aufstehen. Der Job in der Anstalt verlangte es von ihm, dass er als einer der ersten dort ankam. Nicht etwas für jeden, aber da musste man durch. Die Bezahlung war gut und das Personal sympathisch, auch
wenn vielleicht nicht jeder die Arbeit mit psychologischen Fällen bevorzugte. Da tickte jeder anders. Langsam setzte er sich auf und rieb sich die Augen. In einer Stunde würde Carrie Sofia zur Schule fahren. Seine Tochter war noch ein wenig ängstlich. Immerhin war es ihr erstes Schuljahr. Neue Leute und der Unterricht konnten für ein kleines Mädchen sehr einschüchternd wirken, doch er war zuversichtlich, dass seine Tochter das mit Bravour meistern würde. So fingerte der Psychologe nach seiner Brille, die auf dem Nachttisch lag. Schon seit er klein war, hatte er eine Sehschwäche. Ohne dieses kleine Ding war er praktisch blind wie ein Maulwurf,
aber sein Vater hatte ihm immer gesagt, dass Brillen die Leute intelligenter wirken ließen. Besonders bei den Frauen würde das seiner Meinung nach gut ankommen. Nun gut. Sein Vater war schon immer ein komischer Kauz. Mittlerweile lebte er in einem Altenheim in der Stadt. Ethan besuchte ihn sooft wie er konnte, aber manchmal fragte er sich natürlich, ob sein Vater überhaupt wusste, wer ihn besuchen kam. Demenz war keine tolle Krankheit. Besonders dann nicht, wenn die Lieben vergaßen, wer man eigentlich war. Er atmete tief durch und suchte den Weg ins Badezimmer. Ein flüchtiger Blick in den Spiegel zeigte, dass er vielleicht nicht
für jeden ein Hingucker war. Die Hakennase und die Segelohren stachen durch die Brille nur noch mehr hervor. Ihn kümmerte es nicht. Vor allem, da seine Frau diese Ohren liebte. Ein Pluspunkt. Schon in der Schule hatte sie ihn immer ihren Dumbo genannt. Das hatte sich über die Jahre nicht geändert. Sofias erstes Wort war bestimmt nicht Papa gewesen. Einen Moment lang betrachtete er das rabenschwarze Haar, das ihm halb übers Gesicht hing, sowie die hellblauen Augen, von denen seine Frau immer behauptete, es wären diese Knopfaugen, die man bei Teddybären fand. Sie zog
öfters solche Vergleiche. Daher hatte er ihr einmal einen Elefanten mit großen Ohren und angenähten Knopfaugen geschenkt, der jetzt Sofia gehörte. Als sie noch klein war, hatte sie ihn keine fünf Minuten aus den Augen gelassen. Sie hatte ihn sogar mit in die Badewanne genommen. Einmal hatte sie ihn tagelang behalten, so dass er irgendwann zu Muffeln anfing. Besonders für Carries Schwester Leah war das kein besonders erfreulicher Duft gewesen. Schließlich hatte er den Stoff-Dumbo einfach entführt, als seine Tochter geschlafen hatte. Das ganze war so gut geplant, dass sie diese kleine Verbrechen nie bemerkt hatte, und alle waren ihm dafür dankbar.
Nachdem er seine morgendliche Pflege fertig hatte, zog er sich an. Seine Familie war schon etwas besonderes. Eigentlich genau das, was er sich immer gewünscht hatte. Das war doch immer so: Jeder wünschte sich insgeheim irgendwann seine Jugendliebe zu heiraten, und mit ihr ein Kind in die Welt zu setzen. Er konnte sich wirklich glücklich schätzen. Andere hatten fünf Kinder, waren unglücklich verheiratet und mussten irgendwie die Miete zusammenstottern. Geldprobleme hatten sie keine. Er verdiente gut und sie konnten sich dementsprechend ein wohliges Haus am
Stadtrand leisten. Sein Weg führte ihn in die Küche. Das leise Ticken der Wanduhr drang an seine Ohren, während er sich einen Kaffee aufsetzte. Heute würde der neue Mitarbeiter in der Anstalt anfangen. Natürlich fragte er sich, wie lange sich der Neuling halten würde. Immerhin war die Arbeit in Willow Creek nicht für jeden etwas. Selbst er geriet manchmal an seine Grenzen. Dennoch liebte er seinen Beruf. Es gab so viel zu lernen. Jeder Tag war eine Bereicherung. Im Augenblick ging es innerhalb der Anstalt ruhiger zu. Die Patienten waren um diese Jahreszeit ein angenehmer Umgang und da es in letzter Zeit wenig Neuzugänge
gab, hatte sich eine gewisse Routine aufgebaut. Das war wichtig, denn zu viele Veränderungen konnten einen labilen Verstand schnell beunruhigen. Unweigerlich musste sich Ethan natürlich fragen, wie sie mit dem Neuen zurechtkommen würden, und wie er mit ihnen klarkam. Er musste grinsen. Dwight Hickins. Dieser Universitätsfrischling hatte nicht die geringste Vorstellung davon, was ihn erwartete. Gerade als er sich seine Tasse Kaffee eingegossen hatte, hörte er Schritte hinter sich. Langsam wandte er sich um und erblickte Sofia, die schlaftrunken in
ihrem Nachthemd in die Küche watschelte. Sie hatte dasselbe rote Haar wie ihre Mutter. „Liebling. Kannst du nicht mehr schlafen?“ Sie schüttelte den Kopf. Langsam nahm er sie auf den Arm und drückte sie an sich. Sofia verhielt sich zwar in letzter Zeit oft so, als bräuchte sie ihre Eltern nicht mehr, aber in solchen Momenten war sie eben immer noch sein kleines Mädchen, auch wenn sie sich in dieser 'Ich bin schon groß' Phase befand. „Musst du gleich zur Arbeit Papa?“ „Ja. Leg dich wieder schlafen. Bis du in die Schule musst, dauert es noch etwas. Deine Mama schläft auch
noch.“ Sie schmiegte sich an seine Brust, während er sie langsam durch den Flur zurück in ihr Kinderzimmer trug. Langsam legte er sie ab, wobei sie sich an ihren Stoff-Dumbo schmiegte und sich von ihm zudecken ließ. „Ich hab dich lieb Papa.“ „Ich hab dich auch lieb mein Schatz.“ Er wandte sich um und sah Carrie, die im Türrahmen stand und sanft lächelte. „Jetzt weiß ich, warum sie so ein Papakind ist.“ Er nahm sie in den Arm und gab ihr einen Kuss. „Ich weiß nicht, was du meinst“, erklärte
er mit einem süffisanten Grinsen und ließ sich von ihr zurück in die Küche ziehen. Seine Frau goss ihnen beiden eine Tasse Kaffee ein, während sich Ethan eine Zigarette ansteckte und sich an dem Küchentisch niederließ. „Heute kommt der neue Mitarbeiter oder?“ „Ja. Ganz frisch von der Uni. Ich bin gespannt. Im Vorstellungsgespräch hat er ganz vernünftig gewirkt, aber ob er für den Job geeignet ist, sehen wir spätestens nach dem heutigen Tag.“ Sie stellte ihm seine Tasse hin und musterte ihn. „Sei nicht so hart zu ihm. Ein neuer Mitarbeiter kann nur bedeuten, dass du
dich auch mal ein wenig zurücknehmen darfst.“ Er lächelte matt. Es sollte kein Vorwurf sein, aber Carrie hatte Recht: In letzter Zeit war er sehr mit seiner Arbeit beschäftigt und fand kaum noch die Zeit Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. „Sobald ich Urlaub bekomme, lasse ich es dich als erste wissen. Vielleicht können wir eine Woche wegfahren. Das würde Sofia bestimmt auch gut tun.“ „Sie spricht nur von dir, wenn du nicht da bist. Die Schule ist da eher Nebensache.“ Wie immer eigentlich. Als sie noch kleiner war hatte sie immer gesagt, dass
sie ihren Vater irgendwann heiraten würde, wenn sie alt genug war. Bei dem Gedanken daran musste er schmunzeln. Sie war eben seine kleine Prinzessin. Kinder wurden heutzutage ohnehin viel zu schnell erwachsen. „Ach, dich mag sie auch sehr Liebling. Du weißt doch wie das ist: Kinder sind eben Kinder. In ein paar Jahren hasst sie uns beide und denkt, wir wollen nur das schlechteste von ihr.“ Sie lachte und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. „Hoffentlich wird sie nicht zu schnell erwachsen.“ Ethan konnte nichts anderes tun als zu nicken. Hoffentlich hatte sie
Recht. So beendete er sein Frühstück, verabschiedete sich von Carrie und machte sich auf den Weg. Der Regen hatte bisher nicht nachgelassen und würde sich wahrscheinlich den ganzen Tag über halten. Eigentlich war heute ein Spaziergang für die Patienten angesagt, aber das konnte man wohl vergessen. Eigentlich schade, denn Außenaktivitäten waren für die Patienten ein wichtiger Bestandteil ihrer Therapie. Hoffentlich gab es morgen besseres Wetter. Musste man einfach abwarten. Willow Creek lag auf einem Hügel am Rand der Stadt und war ungefähr eine
halbe Stunde mit dem Auto entfernt. Die Anstalt gab es seit 1870 und lag im Familienbesitz der Hammonds. Sein Chef Norman war ein netter alter Mann Mitte 70. Er war sehr engagiert und manchmal verbrachte er tagelang an seinem Arbeitsplatz. Manchmal glaubte Ethan, dass die Anstalt für ihn mehr ein zu Hause darstellte, als das andere. Gab es ja auch. Soweit er wusste, hatte Hammond nur noch seine Frau. Die Kinder waren überall in der Welt verteilt soweit er wusste. Für ihn waren die Patienten quasi eine Art Ersatzfamilie. Er liebte sie alle gleichermaßen. Ethan selbst hatte natürlich Patienten die ihm lieber waren als Andere, aber in seinem
Job durfte man da nicht nach Sympathie spielen. Jeder war gleichsam wichtig und natürlich sollte niemand das Gefühl bekommen, dass er vernachlässigt wurde. Unterdessen bereitete sich auch der junge Dwight auf seinen Arbeitstag vor. Der junge Afroamerikaner hatte gerade sein Studium in Psychologie beendet. Dass er in Willow Creek arbeiten konnte, war ein großer Schritt für ihn. „Du bist viel zu aufgeregt“, kam es von seinem Vater, der auf dem Sofa saß und seine Talkshows schaute. Dwight rückte seine Brille zurecht. „Es ist mein erster Tag Dad. Ich muss einen guten Eindruck machen und eben
sehen, dass ich einen guten Job mache. Die können mich schnell wieder rausschmeißen.“ Der untersetzte alte Mann schüttelte den Kopf. „Unsinn. Du bist ein Hickins. Luke ist erfolgreich und das wirst du auch sein.“ Er verzog das Gesicht. Sein Vater verglich ihn gerne mit seinem älteren Bruder. Der war an der Börse, hatte eine Freundin und würde bald heiraten. Ein erfolgreiches Leben und für Dwight die Hölle. Er wurde stets an den Erfolgen seines Bruders bemessen. Dennoch liebte er seine Familie sehr. Nach dem Tod seiner Mutter waren sein Bruder und sein Vater alles, was er noch
hatte. „Wie heißt dein Boss nochmal? Dieser reiche alte Zahn? Harold?“ „Hammond Dad. Und er ist in Ordnung.“ Er schnappte sich seine Aktentasche und warf sich seine Jacke über. Dann umarmte er seinen Vater zum Abschied. „In der Mikrowelle sind Makkaroni. Die kannst du dir warmmachen wenn du Hunger hast.“ „Jaja. Ich bin vielleicht alt aber nicht senil. Ich werde ja wohl noch mit einer Mikrowelle zurechtkommen.“ Mit dem Fahrrad war es nicht weit bis zur neuen Arbeitsstelle. Natürlich war Dwight aufgeregt. Sicher: Das Vorstellungsgespräch bei Ethan Rain war
ganz gut gelaufen, aber letztendlich würde sich erst in der Praxis zeigen, ob er wirklich für dieses Berufsfeld gemacht war. Jedenfalls würde er hart arbeiten. An der Anstalt angekommen durchfuhr er ein weiteres mal die strengen Einfahrtskontrollen. Insgesamt waren es drei und sofern man kein Mitarbeiter oder Verwandter der Patienten war, kam man gar nicht erst durch die erste. Ziemlich viel Geheimniskrämerei für eine einfache Anstalt fand Dwight, aber es war nicht an ihm darüber zu urteilen. „Wer ist das?“ Arnold schob Fred von sich weg und warf einen Blick auf den
Überwachungsmonitor. In der Zentrale ging es wie immer zu. Man beobachtete genau, wer kam und ging, was die Patienten und die Mitarbeiter machten. Der typische Sicherheitsjob eben. Für den 42 Jährigen nichts neues. „Ganz ruhig Grünschnabel. Das ist nur der neue der mit Doktor Rain zusammenarbeitet. Ganz cool.“ Fred sah ihn entgeistert an. Der Junge war wirklich noch grün hinter den Ohren. „Ich bin cool“, erklärte er und fuhr sich bestätigend durch das rote Haar. Griffs lachte und verschränkte die Arme vor der Brust. „Klar. Seht mich an ich habe ein He-Man T-Shirt. Ich bin sowas von cool. Junge,
wie lange arbeitest du jetzt hier?“ „Ein Jahr Arnie. Und immer noch machst du dich über mich lustig.“ Der korpulente Glatzkopf zuckte mit den Schultern. „Ach was. Ich mach doch nur Spaß mit dir kleiner.“ Er griff nach seinem Pappbecher Kaffee und nahm einen Schluck daraus. Fred mochte vielleicht ein wenig wunderlich sein, aber er mochte den Kleinen. „Und? Was ist mit Rita? Hast du sie jetzt endlich mal gefragt?“ Der junge Mann errötete und sah auf die Monitore. „Ich weiß nicht was du meinst.“ „Wenn du denkst mir ist nicht
aufgefallen, wie du hinter ihrem Rock herschielst dann musst du wirklich denken ich wäre bescheuert. Ich meine: Sie ist eben ein Hingucker: Blond, blauäugig, schlank. Wer würde da nicht schwach werden?“ Natürlich wusste Arnold nicht, ob Fred privat eine Freundin hatte, aber er rechnete nicht damit. Der Junge war einfach nicht der Typ dafür. Er war ein klassischer Nerd der sich eher für Science Fiction und den Kram interessierte. Wahrscheinlich hatte er bis auf seine Mutter nie eine nackte Frau gesehen. „Sehr witzig Arnie. Was ist denn mit dir? Was wäre wenn ich dich über dein
Liebesleben ausfragen würde?“ „Nun. Ich hab immerhin eins. Die Ladys stehen Schlange bei diesem Zuckerstück von Mann.“ Fred verzog nur das Gesicht und wandte sich wieder den Bildschirmen zu, wo Dwight gerade am Tisch der Empfangsdame Gladdis angekommen war. „Name?“ „Dwight Hickins Ma'am. Ich soll ab heute hier arbeiten.“ Die Sekretärin war wahrscheinlich Mitte 50. Genau konnte er das nicht sagen. Er erinnerte ihn ein wenig an Mrs. Roberts. Seine alte Mathelehrerin. Ein echter
Drachen. Wenn er nur an sie dachte, lief es ihm kalt den Rücken herunter. „Ah ja. Rains neuer Gehilfe. Sie wissen ja sicher, wo sie das Büro finden.“ Er nickte nur und verabschiedete sich von ihr, ehe er in den Korridor einbog, in dem er schon sein Bewerbungsgespräch geführt hatte. Das Büro von Dr. Rain war schnell gefunden. Vor der Tür angekommen hielt Dwight jedoch noch einmal inne und atmete tief durch. 'Ganz ruhig Dwight. Du kriegst das hin.' Er klopfte an der Tür. „Herein!“ Ethan saß hinter seinem Schreibtisch und ging gerade ein paar Unterlagen durch,
als Dwight Hickins sein Büro betrat. Dem Jungen war anzumerken, dass er ein wenig nervös war. Das entlockte dem Psychiater ein leichtes Grinsen, denn er wusste nur zu gut, wie er sich damals gefühlt hatte. „Mr. Hickins. Gut sie wiederzusehen.“ Er erhob sich und schüttelte dem junge Mann die Hand. Es war besser, wenn man direkt anfing. „Wollen wir dann? Je eher sie ihren Arbeitsplatz kennenlernen, desto eher können sie mit ihrer Arbeit anfangen.“ Der Angesprochene nickte eifrig. „Ja Sir!“ Sie verließen das Büro und schritten langsam den Flur zurück zur
Eingangshalle entlang. „Ich hoffe sie sind nicht allzu nervös Hickins. Sie werden sehen: Sie werden sich hier schnell einfinden. Die Patienten sind alle recht harmlos. Die meisten jedenfalls.“ Diese Aussage irritierte den jungen Mann ein wenig. Sicher. Er wusste ja noch gar nichts. So führte ihn Rain zu einem großen Fahrstuhl, der mit einem Schlüssel geöffnet werden musste. Hinzu kam noch ein Fingerabdruck Scanner und eine Codeeingabe, bevor die Tür schließlich zischend zur Seite fuhr. „Ein ganz schön strenges Sicherheitssystem. Wie in Fort Knox.“ „Fort Knox wäre froh, wenn es ein
solches Sicherheitssystem hätte.“ Sie betraten das innere. Es gab insgesamt 6 Etagen. Zwei im Obergeschoss und 4 Untergeschosse. Das erste Obergeschoss war mit dem Buchstaben A beschriftet. Die unteren 4 Geschosse mit B bis D. Der letzte Schalter hatte keine Bezeichnung. „Die Patienten sind im Keller?“ „Die Meisten. Nun Mr. Hickins. Wie sie wissen gibt es verschiedene Fälle von Patienten. Die einen sind einfach zu handhaben, und die anderen eben nicht. Daher haben wir dieses System aufgestellt, wobei die Patienten der Kategorie A die einfache Art
darstellen.“ Er betätigte den Knopf mit der Aufschrift A. Gerade bevor sich die Tür des Fahrstuhls schloss, schob sich ein Gehstock dazwischen. Leland. Einer seiner Kollegen betrat den Fahrstuhl und nickte den beiden zur Begrüßung zu. Die leichte Note von Alkohol war nicht zu übersehen. „Ah. Ethan. Ist das der neue?“ Rain nickte nur, woraufhin sich der Afroamerikaner selbst vorstellte. „Dwight Hickins Sir.“ „Leland Akerman, aber Leland reicht. Fang bloß nicht mit Mr. Akerman an.“ „Jawohl Mr. Äh
Leland.“ „Braver Junge.“ Mit seinem Gehstock betätigte er den obersten Schalter, der in die Etage führte, in der sich Hammonds Büro befand. Als der Fahrstuhl auf der A-Ebene zum Stehen kam, verließ Dwight ihn als erster. Ethan wollte folgen, doch Akerman hielt ihn noch einen Moment lang zurück. „Geh schon mal vor Junge. Die Erwachsenen müssen noch etwas besprechen.“ Das ließ sich der Angesprochene nicht zweimal sagen. Die Tür schloss sich wieder und Leland betätigte den Schalte zum Stillstand des Aufzugs.
„Bist du jetzt schon der Babysitter für die Frischlinge?“ „Irgendeiner muss den Jungen unter seine Fittiche nehmen Leland, aber deshalb hast du mich sicher nicht hierbehalten.“ Akerman griff in seine Manteltasche und holte seinen Flachmann hervor. „Nee. Ed und ich waren gestern am Tatort, wie er dir wahrscheinlich schon am Telefon berichtet hat. Das FBI stochert immer noch im Dunkeln. Allerdings haben sie schon einen Namen für die Kerle.“ Er nahm einen Schluck und verzog das
Gesicht. „Sie nennen sie die 'Golden Group'. Ziemlich lächerlich wenn du mich fragst.“ „Ich habe bisher noch nichts herausgefunden Leland. Zur Zeit bleibt viel auf dem Schreibtisch liegen.“ Leland nickte. „Fred hat sich in die Sicherheitskameras gehackt. Das einzige was wir haben ist ein Van ohne Nummernschilder. Genau wie beim letzten Mal. Das heißt, das kriegen wir zu sehen bevor die Kameras gegrillt werden.“ Ethan nickte. Diese Gruppe bereitete natürlich nicht nur der Justiz Schwierigkeiten. Sie waren eine Gefahr
für die Allgemeinheit aus, denn meistens endeten solche Feldzüge mit einem Toten oder vielen Verletzten. Sie mussten diese Leute erwischen, bevor es dazu kam. „Jedenfalls gehe ich zu Hammond und sag ihm, dass ich mehr Leute brauche. Ed und ich können uns nicht alleine die Nächte um die Ohren Schlagen. Vielleicht kannst du ja den Neuen freistellen. Das heißt: Wenn er nicht nach dem ersten Tag vollkommen verrückt geworden ist.“ Damit betätigte er wieder den Knopf, womit sich die Türen des Fahrstuhls öffneten. Dwight stand noch immer im Flur und wartete. „Also dann Ethan. Bis später. Viel Glück
Frischling.“ Einen Moment lang sah Dwight noch auf den Fahrstuhl, ehe er sich perplex Ethan zuwandte. „Entschuldigen sie Mr. Rain, aber ich glaube ihr Kollege war betrunken.“ „Machen sie sich nichts draus.“ Damit führte er ihn den Flur entlang. Endlich bekam er die ersten Patienten zu sehen. Neugierig musterten sie den Neuankömmling. Das erste was Dwight auffiel, waren die elektronischen Armbänder, die sie alle trugen. Ansonsten machten sie einen ruhigen Eindruck. Keiner von ihnen wirkte wirklich
verrückt. „Also. Das hier ist der A-Trakt Mr. Hickins. Wie schon erwähnt sind hier die einfachen Fälle zu Hause. Die Patienten dürfen sich auf der Station frei begeben und in Begleitung auch in den Garten, oder nach draußen.“ Dwight nickte langsam. „Und wofür sind diese Armbänder? Sind sie eine Art Fußfessel?“ „Etwas ähnliches, aber dazu komme ich später noch. Dienstags und Freitags gibt es immer eine Gesprächsrunde, in der wir mit den Patienten über alle möglichen Probleme reden. Übliche Routine. Frühstück, Mittag und Abendessen nehmen wir zusammen mit den Patienten
ein. Abgesehen davon gibt es noch Einzelgespräche. Wenn sie lange genug dabei sind, werden sie auch welche führen. Dabei kommt es natürlich darauf an, in welchem Trakt wir gerade arbeiten. Jeden Monat kann das variieren. Da sie neu sind, werde ich sie für diesen Monat durch den A-Trakt begleiten. Das gibt ihnen die Möglichkeit langsam anzufangen und die Patienten kennenzulernen.“ Dwight verschlang jedes Wort, nickte eifrig wenn es angebracht war und folgte Ethan ruhig durch den Flur, wobei sie immer wieder an Patienten vorbeikamen. Schließlich erreichten sie den Tagesraum. Er war in den Farben Gelb
und Grün gehalten. Viele Bücherregale und ein Fernseher boten den Patienten Abwechslung. Dr. Rain schritt zielstrebig auf einen Schreibtisch am Panoramafenster zu, an dem eine Blondine saß und zeichnete. Bevor Dwight näherkommen konnte, hielt Ethan ihn an und zog ihn zu sich. „Denken sie an folgendes: Was auch immer sie sehen, müssen sie für sich behalten. Sie werden noch früh genug merken, dass wir keine gewöhnliche Anstalt sind. Willow Creek liegt nicht umsonst am Stadtrand.“ „Das ist dann wohl auch der Grund für diesen gesicherten Fahrstuhl. Lassen sie mich raten? Die Fenster sind aus
Panzerglas?“ Der Arzt nickte, was Dwight ziemlich überraschte, denn eigentlich hatte er es nur scherzhaft gemeint. Mittlerweile hatte die Blondine die beiden Männer bemerkt und war von ihrem Platz aufgestanden. Wie alle Patienten trug sie einen weißen Overall, sowie das elektrische Armband. Stürmisch umarmte sie Rain. „Ethan. Du bist heute spät dran.“ Sie war schlank und sehr hübsch. Dwight konnte sich nicht vorstellen, dass jemand solches psychische Probleme hatte. Schließlich wandte sich die junge Frau ihm zu und betrachtete ihn
neugierig. „Wer ist das?“ „Das ist Dwight. Dwight. Das ist Katharina. Sie ist mittlerweile seit 3 Jahren hier in Willow Creek. Sie ist für heute der erste Fall, den ich ihnen vorstellen werde.“ Damit wandte sich der Arzt der Blondine zu. „Katharina? Kommst du mit uns? Ich will Dwight etwas zeigen.“ Sie nickte nur. Ethan führte die beiden zu einem Zimmer, das mit der Aufschrift A-05 beschriftet war. Im Innern befand sich ein Bett, ein Schreibtisch, ein Badezimmer und ein Regal, das voller Malbücher war. Auf dem Tisch lagen
viele verschiedene Zeichnungen. Dwight begutachtete sie. Eine zeigte ein Pferd. Eine andere einen Regenbogen. Sie hatte Talent. Die Zeichnungen waren wie die eines Profis. „Also gut“, erklärte Ethan und griff in seine Manteltasche, aus der er einen Schlüssel hervorholte. Katharinas Augen blitzen auf. Auch Dwight war neugierig. Rain löste die Armfessel. Die Blondine rieb sich kurz das Handgelenk und sah dann zu dem Afroamerikaner. „Soll ich es ihm zeigen?“ „Ja. Das wäre sehr nett Katharina.“ Dwight wusste zwar nicht, was Sie damit meinte, aber er wartete ab, was nun geschehen würde. Katharina schritt zum
Schreibtisch und griff nach der Zeichnung mit dem Pferd. Ethan trat einen Schritt zurück und zog Dwight mit sich. Das Mädchen legte ihre Handfläche auf das Bild. Ein leichtes Glühen ging von ihr aus und schien direkt in die Zeichnung zu wandern, ehe sich die Malerei aus dem Blatt schälte und wiehernd zum Leben erwachte. Fassungslos starrte Dwight auf das Pferd. Ethan lächelte, ebenso wie Katharina, ehe sie mit einer Handbewegung dafür sorgte, dass das Wesen wieder im Innern des Bildes verschwand. „Was...zum...Teufel...“ Mehr brachte er nicht hervor. Ethan legte ihm eine Hand auf die
Schulter. „Wie ich schon sagte: Willow Creek ist keine gewöhnliche Anstalt. Katharina hat ihnen gerade ihre Fähigkeit demonstriert.“ Das Mädchen ließ sich wieder das Armband anlegen und verließ anschließend wieder das Zimmer. Ethan schritt zum Fenster. Der Regen prasselte gegen die Scheibe. „Wahnsinn“, entkam es Dwight immer wieder. Er faltete die Hände ineinander, als würde er beten. Er zitterte. Das konnte doch nicht echt sein. „Mit der Zeit werden sie sich daran gewöhnen“, erklärte Ethan seinem
Mitarbeiter, als sie schließlich wieder sein Büro betraten.. Er hatte Dwight ein Glas Wasser geholt. Der Junge musste das was er eben gesehen hatte natürlich erst einmal verarbeiten, und das tat man am Besten, indem man ihm Zeit dafür ließ. Immerhin konnte Rain nicht von ihm verlangen, dass er direkt am ersten Tag mit einer Meisterleistung herausstach. „Willow Creek ist ein Ort für Menschen, die sich von normalen Leuten wie ihnen und mir unterscheiden. Manche von ihnen sind eine Gefahr für sich selbst und jene die in ihrer Umgebung leben. Solche spüren wir auf und bringen sie hierher, wo wir sie behandeln. Das ist
unser Job. Katharina zum Beispiel hat die Fähigkeit, alles was sie malt zum Leben zu erwecken. Machen sie sich keine Sorgen. Sie ist vollkommen harmlos. Wir haben gute Fortschritte gemacht. Sie hat sich sehr positiv entwickelt. Vor drei Jahren hätten sie das Mädchen nicht wieder erkannt. Damals war sie noch eine D-Patientin.“ Der Afroamerikaner starrte ihn an. „Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Sie macht einen netten Eindruck. Okay, ich war ziemlich baff und muss wohl erst einmal daran kauen, aber das wird schon.“ Er wirkte zuversichtlich. Das war ein guter Anfang. Vielleicht war dieser
Junge doch aus einem anderen Holz geschnitzt, als Ethan dachte.
„Ich muss sie warnen Dwight. Nicht jeder hier ist so einfach zu handhaben wie Katharina. Es gibt Fälle, denen wir auf gewöhnlichem Weg nicht helfen können. Dafür gibt es hier in der Anstalt einen Raum, den wir 'Die Kammer' nennen. Dort werden Patienten hingebracht, um ihr altes Gedächtnis zu löschen und es mit neuem zu füllen. So haben wir es auch bei Katharina getan.“
Er griff in seine Kitteltasche und holte sich eine Zigarette hervor.
„Doch nun genug davon. Bringen wir sie erstmal auf Touren.“
Nachdenklich starrte Eileen auf die riesige Pinnwand vor sich, auf dem sie in penibler Akribie den Fall der Golden Group aufgearbeitet hatte. Im Departement herrschte der übliche Trubel. Nach dem gestrigen Abend stand keines der Telefone mehr still. Die Nachricht über den neuen Raubzug der Juwelendiebe hatte sich in der Stadt wie ein Lauffeuer verbreitet. Für die Presse war das Ganze ein willkommenes Fressen. 'Ist das FBI unfähig?', lautete die neuste Schlagzeile des Detroiter Journals. Masrani hatte sich in seinem Büro eingeschlossen nachdem man ihm die Zeitung gebracht hatte, und war seitdem
nicht mehr herausgekommen. Durch die Scheibe konnte man sehen, dass er ein Telefonat nach dem anderen führte. Vermutlich um die Wogen in den höheren Etagen zu glätten. Foster blies sich eine ihrer dunklen Haarsträhnen aus dem Gesicht und nahm einen weiteren Schluck aus ihrer Kaffeetasse. „Guten Morgen.“ Dirk sah so aus, als hätte er die ganze Nacht nicht geschlafen. Hatte er wieder mit Penelope gestritten? Ihr Magen zog sich bei dem Gedanken daran zusammen. Es lief nicht gut zwischen den beiden, was teilweise ihre Schuld war. Die Affaire mit ihrem Kollegen dauerte mittlerweile 3 Monate. Zwar hatten sie
versucht es geheim zu halten, aber die Leute waren nun mal nicht dumm. Offen würde es natürlich niemand sagen, doch konnte sie die abschätzenden Blicke auf ihrer Haut spüren, jedes mal wenn sie in den Pausenraum kam. „Morgen.“ Sie ließ sich auf einem Bürostuhl nieder und stellte die Tasse ab. Kurz darauf traf auch Nikolai ein und winkte zur Begrüßung. Im Gegensatz zu ihnen wirkte der Russe seltsamerweise ziemlich ausgeruht. „Unser Dream Team ist schon fleißig hm?“ Er grinste süffisant, woraufhin Foster
ihm nur einen bösen Blick zuwarf. Worth stellte seine Tasche ab und warf einen Blick auf die Pinnwand. „Gibt es schon etwas neues?“ „Wir sind gerade dabei den Van ausfindig zu machen. Eine Kamera hat ihn in Richtung Hafen gefilmt, bevor sie gegrillt wurde“, kam es von Sal. Eileen hatte gar nicht bemerkt, dass ihr Vater angekommen war. Der alte Agent sah abwechselnd zwischen Dirk und ihr hin und her und verschränkte anschließend die Arme vor der Brust. „Sie haben die Kamera während der Fahrt ausgeschaltet?“ „Richtig Dirk. Das bedeutet, dass sie wahrscheinlich das neuste Equipment
verwenden. Das ist ein Vorteil für uns. Wir können die Fachhändler abklappern, uns schlau machen und so herausfinden, wer in den letzten Monaten Zubehör erstanden hat. Damit bekommen wir zumindest endlich eine vage Liste von möglichen Verdächtigen.“ Gute Nachrichten. Wenn sie diese Spur verfolgten, konnten sie vielleicht wirklich vorwärtskommen und diesen Fall bald aufklären. Natürlich war es bis dahin sicher noch ein gutes Stück Arbeit, aber zumindest gab es Hoffnung, dass sie diese Leute doch noch erwischten. „Und was steht noch an Boss?“ „Du und Dirk ihr begebt euch zum Hafen und seht euch dort um. Vielleicht hat
jemand etwas gesehen, dass uns hilft. Ellie und ich werden uns um die Händler kommen, sowie wir aus dem Jugendzentrum zurück sind.“ Verflucht. Das Seminar hatte sie vollkommen vergessen. Einmal im Monat fuhr ihr Vater zu den Jugendzentren der Stadt. Dort sprach er vor Jugendlichen, um ihnen mögliche Wege für die Zukunft aufzuzeigen. „Versuchst du wieder die Kids davon überzeugen, dass sie kein Feuerwehrmann werden sollen?“, scherzte Niko und warf sich seine Jacke über die Schulter, ehe er sich Dirk zuwandte. „Komm Kleiner. Gehen wir den Fall
lösen!“ Danach machten sich auch Eileen und ihr Vater auf den Weg zum Jugendzentrum. Natürlich würde sie lieber weiter an dem Fall arbeiten, aber andererseits konnte etwas Abwechslung nicht schaden. So befanden sie sich wenig später auf dem Highway in Richtung Innenstadt. Das Wetter hatte sich nicht verändert. Wolken verwandelten den Himmel in eine triste Malerei, während der Regen zwischen die Scheibe des Wagens prasselte. Eine Weile herrschte Schweigen zwischen den Beiden, ehe Sal das Wort an seine Tochter richtete. „Wann stellst du mir meinen zukünftigen
Schwiegersohn eigentlich mal richtig vor?“ Sie errötete und sah ihn an. „Was?“ „Ich mag zwar alt sein, aber nicht senil. Wenn das ganze Departement es mitbekommen hat, denkst du dann nicht, dass ich nicht weiß, was meine Tochter tut?“ Er klang nicht begeistert. Natürlich. Was das anging, war er jemand, der ihre Allüren zwar duldete, aber nicht akzeptierte. Beziehungen unter Kollegen waren nicht verboten, solange sie nicht die Ermittlungen behinderten, aber dennoch war das hier etwas vollkommen
anderes. „Dad...“ „Eigentlich geht es mich nichts an. Du bist alt genug um zu wissen was du tust. Lass mich dich trotzdem fragen: Hast du bei deinem kleinen Abenteuer an Penelope gedacht?“ Sie wusste nicht so recht was sie darauf antworten sollte. Wenn sie ehrlich war, hatte es sie nie gekümmert, ob Dirks Freunden irgendwann dahinter kam. „Das ist alles nicht so einfach Dad.“ „Natürlich. Ich will nur nicht, dass du dich in etwas verzettelst, dass dir am Ende Probleme beschert. Du bist eine gute Agentin und ich sähe es ungern, wenn du dir dadurch deine Karriere
kaputt machst.“ Er bog in die nächste Straße ein und schaltete den Scheibenwischer des Dienstwagens ein. „Du bist alles was ich noch habe.“ Sie nickte. Ihre Mutter war vor Jahren an Krebs gestorben. Seitdem hatte sich ihr Vater verändert. Er war ernster geworden. Dieser Verlust hatte sie beide tief getroffen. Man konnte danach einfach nicht so weitermachen wie bisher. Es fehlte einfach etwas, das man nicht mehr ersetzen konnte. „Ich weiß selbst nicht, wo das alles hinführt. Im Moment hilft es mir. Auch wenn es abstrus klingt, so habe ich damit zumindest ein kleines Stück Normalität
in meinem Leben.“ Sie hielten an der Ampel und ihr Vater legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Sei einfach nur vorsichtig.“ Eine viertel Stunde später hatten sie das Jugendzentrum erreicht. Draußen hatte man das Seminar ihres Vaters groß angeschlagen. In der Eingangshalle sammelten sich bereits viele Jugendliche die neugierig waren, was Sal ihnen wohl zu sagen hatte. Während Eileen damit beschäftigt war, sich die verschiedenen Listen und Bilder anzusehen, die an den Wänden hingen unterhielt sich ihr Vater gerade mit einem Rothaarigen Mann mit Bart.
„Eileen. Komm mal her.“ Sie wandte sich ab und bewegte sich zielstrebig auf die beiden Männer zu. „Das ist Joseph Rennel. Er leitet das Zentrum. Das ist meine Tochter Eileen.“ Rennel lächelte und hielt ihr eine Hand zur Begrüßung hin. „Es freut mich immer wieder, wenn das FBI schafft Zeit für die Kids zu finden. Das hilft ihnen dabei, eine Perspektive für die Zukunft zu finden.“ Eileens Blick fiel auf ein Pärchen, das auf einem Sofa an der Wand saß. Das Mädchen hatte helle kakaofarbene Haut. Der Junge war blass und blond. Die beiden dösten kuschelnd vor sich hin.
Ein Lächeln wanderte auf ihre Züge. Junge Liebe war etwas wunderbares. „Ich hoffe, dass ich alter Kauz sie nicht verschrecke“, meinte ihr Vater nur, woraufhin Rennel den Kopf schüttelte. „Finden wir es raus.“ „Schon komisch, dass das FBI hier ist.“ Hazel musterte Collin einen Moment lang und schmiegte sich an seine Brust. Die 16-Jährige hatte die Nacht im Jugendzentrum verbracht. So spät wollte sie nicht nach Hause kommen, denn das würde nur wieder Ärger mit ihren Eltern bedeuten. „Mach dir keine Sorgen.“ „Das sagt sich so leicht. Ich meine, ich
will einfach nur, dass wir das irgendwann nicht mehr machen müssen. Joseph will nur unser Bestes. Das weiß ich, aber es muss auch einen anderen Weg geben.“ Was das anging war ihr Freund immer sehr pessimistisch eingestellt. Sie alle waren Diebe, aber natürlich wünschte sich jeder von ihnen irgendwann, dass sich ihr Leben änderte. Sie wollten neu anfangen und ihr Leben in eine Richtung manövrieren, in der sie selbst entscheiden konnten, ohne dass ihnen jemand ständig Regeln auferlegte. „Irgendwann müssen wir das nicht mehr tun. Dann können wir neu anfangen.“ „Hast du dir schon Gedanken
gemacht?“ Sie lächelte. „Vielleicht ziehe ich nach New York, kaufe mir dort ein Apartment und gehe aufs College. Das wäre zumindest ein Anfang.“ „Darf ich mitkommen?“ Gespielt nachdenklich legte sie einen Finger an die Lippen. „Das weiß ich noch nicht.“ Er stieß ihr sanft in die Seite. Kurz darauf hatte sich auch Drew bei ihnen eingefunden. Grinsend betrachtete der Puertoricaner das Liebespaar und strich sich durch die dunklen Haare. „Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man fast denken, dass ihr beiden
zusammengewachsen seid.“ „Du bist doch nur neidisch“, erklärte Collin und erhob sich von der Couch. Die beiden Jungen umarmten sich. Hazel erhob sich und fügte sich in die Umarmung mit ein, so dass die drei einen Moment lang so dastanden. Sie waren schon seit sie klein waren Freunde. Das Band zwischen ihnen hatte sich durch die Jahre hinweg gezogen und war immer stärker geworden. Es gab nichts, dass sie trennen konnte. Sie waren wie ein Trio, das gemeinsam Abenteuer erlebte und ihren Weg ging. „Hat Joseph schon etwas gesagt?“, flüsterte Drew schließlich. Collin schüttelte den Kopf.
„Er hat gesagt es dauert ungefähr eine Woche bis das Geld da ist. Abzüglich von dem was wir an Schulden haben, fehlt nicht mehr viel.“ „Komisch nur, dass wir davon bisher keinen Cent gesehen haben.“ Hazel musterte Drew. „Er verwahrt es eben. Das ist doch gut. Ansonsten hättest du deinen Anteil wahrscheinlich schon längst für Haargel und Parfum auf den Kopf gehauen.“ „Sehr witzig Haze.“ Sie lösten sich wieder voneinander. Das war schon seit Wochen ein großes Thema. Seit sie mit ihren Raubzügen angefangen hatten, war Joseph derjenige,
der das Geld verwaltete. Seine Erklärung dafür war, dass er es besser wirtschaften konnte als sie. Sie vertrauten ihm. Immerhin war er derjenige, der ihnen geholfen hatte, sich mit sich selbst in dieser Welt zurecht zu finden. Sie schuldeten ihm eine Menge. „Kommt“, kam es schließlich von Collin. „Hören wir uns an was dieser Opa zu sagen hat.“ „Herein?“ Leland öffnete die Tür und betrat das Büro des Anstaltsleiters. Wie üblich trug Hammond einen Anzug. Der alte Mann stand am Fenster und sah hinaus auf die Gärten der Anstalt. Neben ihm stand
Vincent, der Anwalt der Anstalt, der dafür sorgte, dass Vorkommnisse über Leute mit Fähigkeiten unter dem Teppich blieben. Akerman ließ sich auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch nieder und legte die Hände in den Schoß. Kurz darauf betrat auch Edward das Büro und ließ sich direkt neben ihm nieder. „Entschuldigt die Verspätung. Der Verkehr ist heute Morgen die Hölle. Hab ich was verpasst?“ Hammond schüttelte den Kopf und nahm ebenfalls am Schreibtisch Platz. Der alte Mann schob sich die Brille zurecht, ehe er die Hände ineinander faltet. „Was konnten sie über den Überfall in Erfahrung
bringen?“ Edward verzog das Gesicht. Hammond machte was das anging keine Gefangenen. „Bisher nichts. Es ist allerdings keine Frage, dass Menschen mit Fähigkeiten dafür verantwortlich sind. Anders kann ich mir die Effizienz einfach nicht erklären. Von dem was wir wissen können wir zumindest die Fähigkeiten der Leute ableiten.“ Leland sah seinen Kollegen irritiert an. „Können wir?“ Edward ignorierte ihn und setzte seine Ausführungen fort. „Einer von ihnen kann Leute paralysieren. Das haben wir bereits
festgestellt. Dann muss es jemanden geben, der unfassbar stark ist, wenn er die Safes jedes Mal öffnen kann als wären sie aus Pudding. Zuletzt ist da noch die Sache mit dem Technikausfall. Wahrscheinlich kann einer von ihnen Elektronik manipulieren.“ Norman nickte. Vincent, der bisher nichts gesagt hatte wandte sich um. „Das ist zumindest ein Anfang, aber es bringt uns nicht voran. Hinzu kommt noch, dass die Öffentlichkeit langsam Fragen stellt.“ „Das ist mir klar Schlipsie“, erklärte Akerman. „Wenn mir Flügel aus dem Hintern wachsen, dann sage ich dir als erster
Bescheid.“ Der Anwalt warf ihm einen bösen Blick zu. Leland grinste nur. Er konnte diesen Kerl einfach nicht ausstehen. Leute in Anzügen machten ihn nervös. Abgesehen von Hammond natürlich. Der war handzahm. „Ich muss das Gremium über unseren Fortschritt informieren. Stellen sie weiter Nachforschungen an. Wenn es stimmt was sie sagen, dann sind diese Leute gefährlich. Irgendwann wird es ihnen nicht mehr genügen, nur Juweliere auszurauben. Noch können wir dem Einhalt gebieten.“ „Und was machen wir, wenn wir sie haben? Werfen wir dann den Schlüssel
weg?“ Der Anstaltsleiter schüttelte den Kopf. „Nein. Diese Leute sind auf dem falschen Pfad gelangt und es ist unsere Aufgabe ihnen zu helfen, ihren Weg in die Gesellschaft zurück zu finden. Wenn wir ihnen helfen können, dann werden wir das auch tun.“ Was das anging war Hammond der Meinung, dass jeder dieser Menschen eine zweite Chance verdiente. Auch diejenigen, bei denen Malz und Hopfen verloren war. Eine ungesunde Einstellung wie Akerman fand, denn irgendwann würde sich das zu ihrem Nachteil verwandeln. Seiner Ansicht nach saßen sie auf seinem Pulverfass, bei dem es nur
eine Frage der Zeit war, bis es hochgehen würde. „Also Ed und ich bleiben an der Sache dran. Das ist gar keine Frage, aber es wäre nicht schlecht, wenn wir ein zwei Leute hätten, die uns unter die Arme greifen würden. Was ist mit Rain?“ „Dr. Rain ist derzeit mit der Einweisung unseres neuen Mitarbeiters beschäftigt, aber ich werde sehen, ob ich Mr. Griffs und Mr. Miller abstellen kann.“ Leland lachte kurz auf. „Arnie und Fred? Ich bitte Sie. Griffs ist mittlerweile so fett, dass es kein Wunder wäre, wenn er mit einem Kran zur Arbeit gefahren ist und Miller ist gerade mal
aus der Pubertät raus.“ „Etwas anderes kann ich ihnen im Moment nicht anbieten. Nehmen sie die beiden mit. Sehen sie sich noch einmal in dem Juweliergeschäft um und sehen sie, ob sie etwas neues herausfinden können.“ Die beiden Männer standen auf. Akerman verzog das Gesicht. „Wie sie meinen, aber sein sie hinterher nicht enttäuscht, wenn das ganze ein Schuss in den Ofen wird.“ Kurze Zeit später waren Vincent und Norman wieder alleine. Nachdenklich musterte der Anwalt den Älteren. „Haben wir die Situation überhaupt noch unter Kontrolle
Sir?“ „Ich werde in der Gremiensitzung mit den anderen darüber beraten.“ Damit erhob er sich. Vincents Frage war berechtigt. Sie mussten endlich Ergebnisse liefern, bevor ihnen diese Sache komplett aus den Händen entglitt. „Geht es wieder?“ Mittlerweile befanden sich Ethan und Dwight wieder im A-Trakt. Der Afroamerikaner schien die Begegnung mit Katharina gut verkraftet zu haben. Zumindest wirkte er nicht mehr so blass wie vorhin. Nun waren sie auf dem Weg in den Tagesraum, um mit den Patienten das Mittagessen einzunehmen. Das war
eine gute Gelegenheit für ihn die anderen kennenzulernen. „Ja. Ich war einfach nur überrascht. Ich wusste nicht, dass es so etwas wirklich gibt.“ Rain lächelte. „Als ich damals in ihrer Situation war, dachte ich ich werde verrückt. Mit der Zeit gewöhnen sie sich daran. Vertrauen sie mir.“ Dwight hielt einen Moment lang inne. „Sir. Sie sagten, dass es Patienten gibt, die anders sind als Katharina. Sind sie gefährlich?“ Der Arzt sah ihn kurz an. „Das ist nicht so einfach Dwight. Man darf nicht in Schubladen denken. Manche
unserer Patienten besitzen Fähigkeiten, die einfach zu gefährlich sind. Sie können sie nicht kontrollieren und stellen deshalb eine Gefahr für sich und die Allgemeinheit dar. Natürlich versuchen wir so gut es geht ihnen zu helfen.“ „So wie bei Katharina?“ Ethan nickte. „Ja. Jeder der Patienten verdient die Chance auf ein normales Leben. Wenn sie stabil sind und gelernt haben, mit ihren Kräften umzugehen, bereiten wir sie darauf vor, wieder am Leben in der Außenwelt teilzunehmen.“ „Und das funktioniert?“ „Ja. Es gab hier schon einige Patienten
die nun wieder unter normalen Leuten leben. Wie ich schon sagte: Jeder von ihnen kann lernen ein Teil der Gesellschaft werden.“ Sie erreichten den Gruppenraum. Es duftete nach Kohl. Insgesamt befanden sich 20 Leute im Raum. Alle Patienten. Aufmerksam musterten sie den Neuankömmling. Dwight ließ den Blick über sie schweifen. Von jungen Jahren bis ins hohe Alter war hier alles vertreten. „Guten Tag. Bevor wir mit dem Essen anfangen, möchte ich euch jemanden vorstellen. Das ist Dwight. Er wird ab heute mit euch zusammenarbeiten. Bitte helft ihm dabei, sich
einzugewöhnen.“ Die beiden ließen sich am Tisch nieder. Ethan und Dwight nahmen neben Katharina und einer jungen Rothaarigen Platz, die den Afroamerikaner direkt interessiert musterte. „Hi! Ich bin Holly!“ „Hallo Holly. Freut mich dich kennen zu lernen.“ Sie strahlte über beide Ohren, ehe sie sich wieder ihrem Essen zuwandte. Bedächtig kaute sie auf einer Kartoffel herum. Ethan betrachtete sie einen Moment lang, ehe er sich Katharina zuwandte. „Wie läuft es mit der
Malerei?“ „Ganz gut. Ich brauche nur bald neue Kreide Ethan.“ Rain nickte. Er würde sich bald darum kümmern. Immerhin war es wichtig, dass man die Patienten und ihre Interessen förderte. So gelang es ihnen später besser, sich in die Normalität der Welt einzufügen. Wichtig war dabei nur, dass man kleine Schritte machte und nichts überstürzte. „Und was kannst du?“, platzte es aus Dwight heraus. Holly hob den Kopf und lächelte. „Ich kann Pflanzen kontrollieren. Äh also, ich kann sie Wachsen lassen und so ein
Zeug.“ „So wie Poison Ivy?“ Irritiert sah sie ihn an. „Hm. So habe ich das noch gar nicht gesehen, aber ja. Nur nicht so krass, hehehe. Ich bin im Vergleich dazu eher harmlos, und sehe wohl auch nicht so gut aus.“ „Stell dich nicht unter den Scheffel“, meinte Ethan ruhig. „Du bist toll so wie du bist.“ „Hehe. Ja. Und Sie Dwight? Haben sie eine Freundin? Kinder?“ Dwight versagte einen Moment lang die Sprache. Dieses Mädchen hatte kein Schamgefühl, sondern schien geradeheraus zu fragen, was sie
interessierte. „Äh nein. Ich war mit meinem Studium beschäftigt und jetzt bin ich hier. Für eine Freundin ist da leider keine Zeit.“ „Schade. Sie sind ziemlich süß, hehe.“ Er errötete. „Öhm. Danke.“ Nach dem Essen führte Ethan ihn über den Korridor des A-Traktes. Dwight zog jede neue Information ein wie ein Staubsauger. Für ihn war es wichtig all diese neuen Dinge zu lernen, und sich so richtig auf diesen Beruf vorzubereiten. „Wie ist das eigentlich? Ich meine, stellt die Öffentlichkeit denn keine Fragen?“ „Nun. Was das angeht haben wir Vincent.
Er ist Anwalt und hält die Anstalt aus dem Gröbsten heraus.“ Hickins legte den Kopf schief. „Und das klappt? Ich meine, was ist mit denen, die keine Patienten sind, sondern frei dort draußen herumlaufen?“ „Das ist natürlich eine andere Sache. Wissen sie Dwight: Willow Creek untersteht einem Gremium. Mr. Hammond und zwei andere leiten dieses. Sie kümmern sich dabei um alles, was mit der Außenwelt zu tun hat. Die Welt ist noch nicht bereit für das Wissen um diese Menschen und ihre Fähigkeiten. Sie würden es nicht verstehen.“ Verständlich. Die Menschen waren geübt darin die Dinge zu fürchten, die sie nicht
verstanden. Man musste sie vorsichtig heranführen, damit es keine negativen Folgen gab. „Deshalb auch diese strenge Schweigepflicht nicht wahr?“ „Exakt. Niemand darf davon erfahren. Auch ihre Verwandten nicht. Das ist nicht leicht, aber es ist das Beste für alle Beteiligten.“ „Natürlich.“ Das würde nicht schwer werden. Seinem Vater und seinem Bruder konnte er erklären, dass es ein einfacher Psychologen-Job war. Das würden sie akzeptieren und nicht weiter nachhaken. Natürlich fragte er sich, wie es wohl war, wenn man verheiratet war. Es war sicher
nicht leicht, so etwas vor seiner Familie geheimzuhalten. „Und? Was steht jetzt auf dem Plan?“ „Jetzt zeige ich ihnen die anderen Trakte. Zwar sind sie für's erste hier eingeteilt, aber natürlich sollen sie auch die anderen Bereiche kennenlernen, damit sie ein Gefühl für die Arbeit hier bekommen.“ Dwight schluckte. Das bedeutete natürlich auch, dass sie sich die schwereren Fälle ansehen würden. Wenn er ehrlich war, konnte er sich ein wenig Furcht nicht verkneifen. Sie betraten den Fahrstuhl und fuhren in den Keller. Ethan hatte den B-Trakt als
nächstes Ziel gewählt. Natürlich war es verwunderlich, dass die zweite Stufe schon so abgeschottet war. „Was ist an B-Patienten so gefährlich, dass sie schon im Keller sind?“ „Nun. Viele B-Patienten haben die Fähigkeit Materie und Gegenstände zu beeinflussen. Deshalb haben wir sie gesondert untergebracht. Abgesehen davon sind die meisten von ihnen so harmlos wie A-Patienten.“ Der Aufzug fuhr zur Seite. Abgesehen davon, dass es hier keine Fenster gab, war die Etage genau so aufgeteilt wie der A-Trakt. Anstelle des Blicks nach draußen gab es viele Bilder, die die Wände zierten. Fasziniert betrachtete
Dwight ein paar der Gemälde, von denen ein paar mit Katharinas Namenszug versehen waren. „Unglaublich. Katharina ist wirklich ein Naturtalent.“ „Ja. Wenn sie irgendwann dazu bereit ist, ihren eigenen Weg zu finden, wird sie in der Kunstbranche sicher sehr erfolgreich sein.“ Sie schritten weiter voran, ehe sich eine Tür vor ihnen öffnete. Eine junge Frau mit rotbraunem kurzen Haar trat heraus. Als sie die beiden Ärzte erblickte lächelte sie. „Ethan. Wie ich sehe hast du einen neuen süßen Arzt mitgebracht. Wurde auch Zeit. Langsam wurde es hier echt
langweilig. Ich meine, du bist auch ganz süß, aber man braucht auch was neues.“ Sie trat voran, so dass sie nur noch wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt war. Dwight trat einen Schritt zurück. „Na, wie heißt du hübscher?“ „Naiomi. Bitte. Das ist Dwight. Dwight: Naiomi Winchester.“ Das Mädchen machte einen Knicks. „Sehr erfreut Dwight. Und? Gerade auf Beklopptenvorstellung?“ „Naiomi!“ „Was denn?“ Sie verschränkte unschuldig die Hände hinter dem Rücken und sah sie an wie eines dieser braven Schulmädchen.
Wahrscheinlich hatte sie es faustdick hinter den Ohren. „Ach ist schon okay Ethan. Ich weiß ja wie Mädchen in dem Alter sind.“ „Ach wirklich? Klingt ziemlich krank wenn sie mich fragen. Naja. Auf bald Dwight. Ethan.“ Sie stolzierte davon. Dwight sah ihr verunsichert nach. Das Mädchen war wirklich seltsam. „Nehmen sie sie nicht so ernst. Sie ist eigentlich ganz in Ordnung.“ „Und was kann Sie?“ „Sie kann Metall manipulieren.“ Dwight sah Rain an. „Langsam frage ich mich ob sie nicht heimlich die Superhelden geklaut
haben.“ „Sehr witzig. Kommen Sie. Vor uns liegt noch ein langer Weg.“ „Willst du auch was?“ Nikolai hielt ihm einen Burger hin. Dirk schüttelte nur den Kopf. „Nein danke. Ich will noch ein paar Jahre leben.“ Der Russe lachte nur und lehnte sich in den Fahrersitz zurück. Mittlerweile hatten die beiden das Hafengebiet erreicht und beschlossen, eine kleine Pause zu machen. Die Arbeit mit Worth war eigentlich recht angenehm. Er mochte vielleicht ein komischer Zeitgenosse sein, war aber ansonsten
ganz in Ordnung. „Du verpasst was. In der Heimat hat meine Großmutter immer nur Borschtsch gemacht. Ich meine, ich habe nichts gegen russisches Essen, aber sie können nicht mit dem kulinarischen Talent von euch Amerikanern mithalten.“ Damit biss er ein weiteres großes Stück ab und kaute darauf herum. „Also. Was machen wir, wenn wir diesen Van finden?“ „Wir bringen in Erfahrung, ob jemand etwas gesehen hat. Vielleicht die Leute, die den Wagen gefahren haben. Alleine die Tatsache den Wagen zu finden, wäre schon ein gewaltiger Schritt nach vorne. Es bringt uns näher an die Lösung des
Falls heran und damit können wir alle ein wieder ein wenig ruhiger schlafen.“ Niko grinste. „Du meinst, du kannst wieder ruhiger mit Ellie schlafen.“ „Wirklich sehr witzig.“ Sein Partner wischte sich den Mund ab und Hob die Hände. „Hey. Es geht mich nichts an, was du in deiner Freizeit machst. Das ist mir egal. Ich sage dir nur als dein Freund, dass das vielleicht auf Dauer keine gute Idee ist. Das nimmt kein gutes Ende, wenn du zwischen Ellies und Pepes Bett hin und her hüpfst.“ „Du hast Recht Niko: Es geht dich nichts
an.“ Damit stieg Peterson aus. Worth sah ihm einen Moment lang kopfschüttelnd nach, ehe er ihm folgte. „Hey. Das war doch nur ein Scherz. Du darfst nicht immer alles so ernst nehmen hm?“ Er klopfte ihm auf die Schulter und warf sein Burgerpapier achtlos auf den Boden, ehe er sich in die Brusttasche griff und eine Schachtel Zigaretten hervorholte, von der er sich eine ansteckte. Dirk schüttelte nur den Kopf als er ihm eine anbot. „Ich meine ja nur. Irgendwann wird Sal dich auf einem Spieß grillen. Er hat dich
sowieso schon auf dem Kieker. Ich könnte nicht so arbeiten. Die Arbeit mit ins Bett zu nehmen ist meistens keine gute Idee.“ „Sehen wir uns mal an den Docks um. Meistens stellen Räuber ihre Fahrzeuge dort ab, wo sie dann abgeschleppt werden.“ Dirk war wirklich gut darin ihn zu ignorieren. Das musste der Russe ihm lassen. Schade eigentlich. Er wollte ihn nicht ärgern. Er bewegte sich auf Messers Schneide. Die eine Freundin zu Hause und die andere auf der Arbeit. Für manche Männer mochte das verlockend sein, aber für ihn wäre das viel zu anstrengend.
„Meinst du wirklich, wir finden hier was? Ich glaube kaum, dass die uns einen Beweis hinterlassen. Bisher haben Sie auch keinen Fehler gemacht.“ „Bisher. Sieh du dich mal bei den Lagerhäusern um. Ich befrage die Hafenarbeiter.“ Ihre Wege trennten sich. Rauchend schritt Niko zwischen den Lagerhallen hin und her. Bis auf Ölflecken auf dem Boden war bisher nichts zu entdecken. Reifenspuren, die sich ebenfalls dort fanden konnten zu jedem Fahrzeug gehören. Er sah sich um. Wenn diese Gang mit ihrem Fluchtwagen
hierherkamen, dann hatten sie ihn wahrscheinlich längst verschwinden lassen. Niemand war so dumm ein belastendes Beweisstück einfach herumstehen zu lassen. „Was mache ich hier eigentlich? Da kann ich genauso gut dem Gras beim wachsen zusehen“, sagte er an sich selbst gerichtet, ehe er um die nächste Ecke bog. Mehrere große Objekte waren hier mit Abdeckplanen bedeckt. Bei näherem Hinsehen erkannte er, dass es verschiedene Arten von Autos waren. Wahrscheinlich wurden sie an Kunden aus Übersee verschifft. Er zog eine Plane nach oben und entdeckte einen schwarzen Lamborghini. Ein anerkennendes Pfeifen
war die Antwort des Russen, ehe er mit der Hand über die Motorhaube stricht. „Hallo meine Schönheit.“ Einen Moment lang hielt er inne, ehe er seinen Blick auf die nächste Plane richtete. Das Fahrzeug darunter war um einiges größer als der Sportwagen. Worth hob die Plane an und entdeckte den schwarzen Van. Zufrieden grinste er. „Bingo. Ich bin der größte!“ Damit griff er zu seinem Handy. Höchste Zeit Bericht zu erstatten. „Worth? Was gibt es?“ Eileen hatte die große Halle, in der ihr Vater sein Seminar gab eilig verlassen, als der Kollege sie angerufen hatte. Nun
saß sie auf einer Bank im Eingangsbereich und hatte die Beine übereinander gelegt. „Ich glaube ich habe den Van gefunden Ellie. Sieht ganz danach aus, als wollten sie den Wagen unter ein paar Autos schmuggeln, die verschifft werden.“ „Was?!“ Das waren in der Tat gute Neuigkeiten. Sollten sie wirklich so viel Glück haben? „Ja. So wahr ich hier stehe Herzchen. Ich glaube das ist der Van, den wir auf den Überwachungsbildschirmen gesehen haben.“ „Super. Ruf Masrani an. Er soll direkt die Spurensicherung hinschicken. Ich sag Dad Bescheid und mache mich direkt auf
den Weg.“ Sie legte auf und erhob sich. Leise schritt sie wieder durch die Tür zur Halle. Sal hatte seinen Vortrag gerade beendet. Die anwesenden applaudierten und jubelten lautstark. Ihr Vater verließ langsam die Bühne. Zielstrebig marschierte sie auf ihn zu, wobei sie ihre Euphorie nicht verbergen konnte. „Was ist denn passiert? Du siehst aus, als hättest du gerade im Lotto gewonnen.“ „Niko hat gerade angerufen! Wir haben den Van gefunden!“ Fassungslos beobachtete Joseph die beiden FBI-Agentin. Hatte er sich da gerade verhört? Das konnte doch nicht
wahr sein. Er zwang sich zu einem Lächeln und trat an die beiden heran. „Danke für diesen tollen Vortrag Mr. Foster. Ich bin mir sicher die Jungs und Mädchen werden sich ein gutes Beispiel daran nehmen. Vielleicht bekommen sie ja bald ein paar Bewerbungen.“ „Das wäre schön. Wir müssen aber leider schon los. Die Arbeit ruft. Danke, dass sie uns ein wenig von ihrer kostbaren Zeit geschenkt haben.“ Er schüttelte die Hand des Agenten. „Immer wieder gern!“ Fünf Minuten später hatte er die Gruppe im Obergeschoss versammelt und die Tür seines Büros abgeschlossen. Alle drei
saßen nebeneinander auf dem braunen Ledersofa. Nervös schritt Joseph vor ihnen auf und ab. „Wir haben ein Problem. Das FBI hat den Van gefunden!“ „Unmöglich“, kam es von Drew. Hazel und Collin tauschten einander sorgenvolle Blicke aus. „Was heißt das für uns?“, wollte das Mädchen wissen. Der Rothaarige hob beschwichtigend die Hände. „Ganz ruhig. Noch haben sie nichts in der Hand. Wenn wir schnell sind, können wir verhindern, dass sie etwas herausfinden. Abgesehen davon, haben wir keine Fingerabdrücke hinterlassen. Das verschafft uns Zeit genug, um unsere
nächsten Schritte zu planen.“ Die Jugendlichen musterten ihn sorgenvoll. „Sollten wir nicht lieber aus der Stadt verschwinden?“, kam es von Drew. Der Junge war sichtlich verängstigt. Kein Wunder. Doch mussten sie einen kühlen Kopf bewahren. „Ganz ruhig. Ich kümmere mich darum. Seid unbesorgt. Das bedeutet nur, dass wir uns beeilen müssen, und unsere nächsten Schritte beschleunigen müssen. Das bedeutet, dass der nächste Raubzug in den nächsten Tagen stattfinden muss.“ „Im Ernst? Jetzt wo uns das FBI im Nacken sitzt?“ Drew war aufgestanden und stand vor
ihm. Joseph hatte blitzschnell reagiert und die Hand nach ihm ausgestreckt. Der Junge erstarrte erst, ehe er vollkommen verkrampfte. „Ich sagte: Ich kümmere mich darum. Wenn wir jetzt die Nerven verlieren können wir uns gleich ergeben. Habt ihr das kapiert?“ Er löste die Fähigkeit und der Junge konnte sich wieder bewegen. Langsam und zögernd tauschten die drei Blicke aus, ehe sie nickten. Zufrieden nickte Rennel. „Gut. Ich muss ein paar Anrufe machen. Haltet euch bereit. Hazel? Ich werde dich später brauchen.“ Damit ließ er sie alleine zurück. Hazel
schmiegte sich an Collin, während Drew dem Rothaarigen nachblickte. Langsam aber sicher geriet diese Situation außer Kontrolle. „Was machen wir jetzt? Ich will nicht ins Gefängnis.“ Seine Angst war berechtigt. Bisher hatten sie sich unantastbar gefühlt. Unbesiegbar, und mit einem Mal hatte sich diese Illusion vor ihnen in Wohlgefallen aufgelöst. Was sollten sie jetzt tun? „Wir müssen ruhig bleiben“, erklärte das Mädchen schließlich und erhob sich. Sie zog Collin zu sich hoch und umarmte die beiden Jungs. „Solange wir uns haben, kann uns nichts
passieren.“ „Konnten ihre Leute die Situation mit den Juwelenräubern mittlerweile auflösen Hammond?“ Der Anstaltsleiter hatte sich nach seinem Gespräch mit Leland und Edward zusammen mit Vincent im Büro des Gremiums eingefunden. Meistens waren die Mitglieder unterwegs und kamen nur für spezielle Sitzungen in die Anstalt. Russel Studwick, ein Mitglied des Gremiums sah den alten Mann fragend an. Neben ihm waren noch Nathan Rivers und Roberta Heidenreich anwesend. Sie wirkten wie Raubtiere, die nur darauf warteten, dass sie einen Fehler
machten. „Mr. Hammond arbeitet energisch an einer Lösung für das Problem. Wir sind Mittlerweile ein gutes Stück vorangekommen.“ „Ich glaube nicht, dass sie angesprochen wurden Long. Mr. Hammond kann für sich selbst sprechen.“ Der Anwalt nickte. „Natürlich. Verzeihen sie.“ Damit erhob sich Norman langsam und richtete seine Krawatte. „Mr. Akerman und Mr. Styles arbeiten fieberhaft an einer Lösung.“ „So wie das FBI“, erklärte Heidenreich. „Wenn sie so weitermachen, dann dauert es nicht lange, bis sie die Parawesen vor
uns in die Hände kriegen. Was das bedeutet können sie sich wohl ausmalen.“ „Roberta hat Recht. Wenn das FBI diese Gruppe vor uns findet, dann wird das eine Lawine lostreten. Die Öffentlichkeit kann dann nicht mehr ruhig gehalten werden. Alles wofür wir gearbeitet haben wäre gefährdet. Sind sie sich darüber im klaren?“ Rivers sah ihn scharf an. Der Anstaltsleiter nickte. „Ich bin mir der möglichen Konsequenzen bewusst. Wie ich schon sagte: Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um zu verhindern, dass es soweit kommt. Wir haben
möglicherweise eine Liste der Fähigkeiten der Gruppe aufgestellt.“ Heidenreich verzog das Gesicht zu einer Fratze. „Das ist natürlich vortrefflich, aber es nützt uns überhaupt nichts. Sie haben nichts Hammond. Keine Beweise, keine Verdächtigen.“ „Ich habe ein Team darauf angesetzt. Mr. Akerman, Mr. Styles, Mr. Griffs und Mr. Miller werden sich darum kümmern. Vertrauen sie mir. Ich werde ihnen bald etwas liefern können.“ Die alte Frau sah ihn herablassend an. „Wie sie meinen, aber lassen sie sich eines sagen: Sollte das ganze nach hinten losgehen, wird es ihr Kopf sein der rollt,
und nicht unserer.“ Damit löste sich die Versammlung auf. Studwick und Heidenreich waren die ersten, die den Raum verließen. Nur Rivers blieb einen Moment lang zurück und wandte sich Hammond zu. „Ich werde beim FBI nachforsten, wie weit die mit ihren Nachforschungen sind. Masrani ist zwar gut, aber mit den richtigen Zügen kann ich ihn zumindest eine Weile ausbremsen. Das sollte ihren Leuten genügend Zeit verschaffen.“ „Danke Nathan.“ Rivers starrte auf den Fußboden vor sich. „Ich will ehrlich zu ihnen sein: Das Gremium hat das Vertrauen in sie
verloren. Diese Geschichte mit den Dieben hat uns gezeigt, dass sie vielleicht zu alt sind, um Herr der Lage zu sein. Das ist nicht verwerflich, aber vielleicht sollten sie in Betracht ziehen, ihren Rücktritt einzureichen.“ Das rief Vincent auf den Plan. Wütend stellte er sich zwischen die beiden Männer. „Was glauben Sie eigentlich, mit wem sie da reden? Mr. Hammond hat immer sein best möglichstes getan, und als dank wollen sie ihn den Hunden zum Fraß vorwerfen?“ „Ich kann ihren Ärger verstehen, und wünschte es gäbe eine Lösung für unser Problem. Für den Moment bleibt uns
allerdings nichts anderes übrig, als uns in Geduld zu üben.“ Damit verließ auch er den Raum. Vincent ließ sich auf einem Stuhl nieder und schnaubte verächtlich. „Das kann nicht ihr Ernst sein. Ich hasse diese schmierigen Kerle.“ Hammond lächelte müde. „Machen sie sich nichts daraus Vincent. So funktioniert die Politik des Gremiums nun mal. Wenn sie jemanden als schwach feststellen, dann werden sie alles in ihrer Macht stehende tun, um diese Schwäche zu tilgen. Ohne Rücksicht auf Verluste.“ Vincent ballte die Hand zur Faust. „Das ist nicht fair. Sie haben so viel für
diese Leute und die Anstalt getan. Dass das jetzt alles nichts mehr wert sein soll, will ich einfach nicht akzeptieren.“ Väterlich legte der alte Mann ihm eine Hand auf die Schulter. „Sie wissen doch wie das ist mein Junge: Erfolge werden einem genommen – Fehler bleiben ewig!“
„Gehen wir nicht in die übrigen Trakte?“ Ethan schüttelte den Kopf. Anstelle des C-Trakts, der eigentlich ihre nächste Haltestelle auf der Tour sein sollte, waren die beiden wieder zurück in den A-Trakt gegangen, wo sie sich im Aufenthaltsraum auf einem der vielen Sofas niederließen.
„Immer langsam mit den jungen Pferden Dwight. Ich habe meine Meinung geändert. Ich denke für heute hatten sie genug Aufregung. Die anderen Trakte laufen ihnen nicht weg.“ Sein Gegenüber schien ein wenig enttäuscht, doch war das die beste Entscheidung. Man musste ihn langsam an all das heranführen, und durfte ihn nicht überfordern, in dem man ihm zu viel Input gab. Nachdenklich blickte der Psychologe aus dem Fenster und betrachtete den bewölkten Himmel. „Und? Wie ist ihr erster Eindruck? Können sie sich vorstellen hier zu
arbeiten?“ Dwight nickte eifrig. „Natürlich? Wieso denn nicht? Sicher. Hier ist es ein wenig anders, als in anderen Einrichtungen, aber das heißt nichts. Ich möchte gerne hier arbeiten. Vorausgesetzt natürlich, dass sie mit mir zufrieden sind.“ Ethan lächelte. Es würde sich erst in Zukunft zeigen, aus welchem Holz Dwight wirklich geschnitzt war, aber für den Moment hatte er sich gut geschlagen. Mit ein wenig Übung würde er diesen Job mit Bravour meistern. „Warum sollte ich das nicht sein? Sie haben sich bisher gut angestellt. In den ersten Wochen werden sie mir natürlich
viel bei der Arbeit zusehen, und von mir lernen. Mit der Zeit werde ich ihnen dann ihre Bezugspatienten zuweisen.“ „Und was heißt das genau?“ „Nun. In Willow Creek sind etwas über 60 Insassen zu Hause. Wir können uns nicht um alle gleichzeitig kümmern. Deshalb gibt es für jeden Arzt eine festgelegte Anzahl von Bezugspatienten, um die er sich kümmert.“ Dwight würde noch etwas brauchen, bis er soweit war, aber Ethan war zuversichtlich. „Und wie viele Bezugspatienten haben Sie?“ „Ich habe insgesamt 5. Katharina, Holly und Naiomi hast du ja schon
kennengelernt. Ich betreue sie, seitdem sie damals in die Anstalt gekommen sind. Es ist wichtig, dass die Patienten eine solide Bindung aufbauen können. Ein Arzt betreut seine Bezugspatienten bis sie so weit sind, dass sie wieder in die Außenwelt entlassen werden können.“ Der Afroamerikaner pfiff anerkennend. Sicher. So viele verschiedene Individuen zu betreuen war schon eine schwere Aufgabe, aber mit der Zeit spielte man sich ein und das ganze wurde zur Routine. „Natürlich werden sie am Anfang nur mit A-Patienten betraut werden. Das hilft ihnen, sich in der Anstalt einzufinden, bevor wir sie an die anderen Fälle
heranlassen.“ „Das verstehe ich. Ist ja normal, dass man sich erst einmal beweisen muss.“ Ethan schüttele den Kopf. „Dabei geht es gar nicht so sehr darum, irgendjemandem etwas zu beweisen, sondern eher darum, dass man sich selbst erlaubt zu lernen und sich langsam in all das hier einzufinden. Wir sind immerhin nur Menschen, und keine Maschinen.“ „Das stimmt auch wieder. Sorry. So hatte ich das nicht gemeint.“ Er kannte diesen Typ Mensch gut. Wahrscheinlich hatte Dwight sich bisher immer beweisen müssen. Daher war er auch so engagiert bei der Sache. Mit der Zeit würde er es ruhiger angehen. Am
Anfang waren sie alle nervös und wollten sich von ihrer besten Seite zeigen. Sie waren wie Kinder, die erst lernen mussten, wie es war auf eigenen Beinen zu stehen. „Wenn Sie mir die Frage erlauben Dwight. Was erwarten sie von sich selbst? Also was ihren Job und ihre Zukunftsvisionen angeht.“ Sein Gegenüber war im ersten Moment irritiert von dieser Frage, doch dann setzte er ein nachdenkliches Gesicht auf. „Nun. Wenn ich ehrlich bin, dann war es für mich am Anfang wohl so, dass ich meinem Vater immer beweisen wollte, was in mir steckt. Mein Bruder ist sehr
erfolgreich an der Börse, verheiratet und steht kurz davor eine Familie zu gründen. Dad hat mich immer an Lukas gemessen.“ Er machte eine kurze Pause. Unweigerlich musste Ethan an seinen eigenen Vater denken. Schnell schob er diesen Gedanken wieder beiseite. Das war viele Jahre her. „Jedenfalls habe ich mit der Zeit gemerkt, dass es mir eher wichtig ist, dass ich selbst mit meinen eigenen Leistungen zufrieden sein will, ohne dass ich darauf achte, was andere darüber denken.“ „Das ist eine gute Antwort Dwight. Sie dürfen eines nie vergessen: Demjenigen
dem sie Rechenschaft schuldig sind, sind sie selbst.“ Der Angesprochene grinste und rieb sich den Hinterkopf. „Sollten sie nicht eher die Patienten therapieren?“ Ethan lachte. „Nun. Ab und zu kann ein gut gemeinter Rat nicht schaden. Außerdem geht es doch auch darum, dass man in dieser Welt seinen eigenen Weg findet. Manche von uns verbringen ewig damit herauszufinden wer sie sind, und was sie eigentlich von ihrem Leben wollen.“ „Und was wollen Sie von ihrem Leben?“ Hickins konnte den Spieß gut umdrehen, wenn er wollte. Das musste man ihm
lassen. Ethan lehnte sich ein wenig zurück und legte die Hände in den Schoß. „Nun. Ich will mit meiner Arbeit Menschen helfen. Leuten neue Hoffnung geben. Das ist mir wichtig. Natürlich möchte ich auch meine Familie wohl und behütet wissen.“ „Haben Sie Kinder?“ Er nickte. „Ein Mädchen. Sofia. Sie ist sechs und gerade in die Schule gekommen. In so Momenten merkt man erst wirklich, wie schnell die Zeit vergeht. Manchmal verstreicht sie so schnell, dass wir laufen müssen, um Schritt zu halten. Daher ist jeder Moment wichtig, egal wie
rudimentär er einem auch erscheint.“ Beim Gedanken daran, konnte er nicht anders, als sentimental zu werden. Wenn er so daran dachte, kam es ihm vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass er hier seine Arbeit begonnen hatte. „Hat ihnen ihr Mentor diese Weisheiten beigebracht? Ich meine, sie hatten doch bestimmt auch mal jemanden, der sie hier herumgeführt hat.“ Rain nickte. Mit einem Mal änderte sich seine Miene. „Den gab es.“ „Und wo ist er? Ich würde ihn gerne mal kennen lernen.“ Er hielt einen Moment lang inne. Fred. Er hätte nicht gedacht, dass ihm sein
alter Freund so schnell wieder ins Gewissen zurückgerufen würde. „Ich fürchte das geht leider nicht. Er ist schon lange tot.“ „Maggie! Verdammt noch mal! Wenn sie ihren blöden Köter nicht endlich zur Raison bringen, dann knall ich das Viech höchstpersönlich ab!“ „Versuch es doch du alter Zausel!“ Hazel trat langsam durch den heruntergekommenen Flur des Hauses. Das ältere Paar, dass sich stritt betrachtete das Mädchen in ihren zerrissenen Jeans und der Lederjacke einen Moment lang, ehe sie sich wieder ihrem Streit zuwandten. Die Kleine
bekam davon nicht viel mit, denn sie hatte wie üblich die Musik ihres Walkmans auf den Ohren. Klar. In der modernen Zeit mochte das vielleicht überholt wirken, doch ihr genügte es. So stieg sie langsam die Stufen hinauf. Ihr Blick glitt über die abgeblätterte Tapete und den ranzigen Fußboden. Für Außenstehende eine Bruchbude. Für sie zu Hause. Am Ende des Korridors stellte sie die Einkaufstüte die sie trug ab und fingerte in ihrer Jacke nach dem Schlüssel. „Ich bin wieder da!“ Keine Antwort. Als sie die Wohnung betrat kam sie direkt in die Wohnküche. Über und über standen Essensreste
herum. Diese Woche hatte sie noch keine Zeit gehabt um zu putzen. Das würde sie wahrscheinlich in der Nacht nachholen. Sie stellte die Einkäufe ab und sah ins Wohnzimmer. „Bist du das Haze? Wo hast du dich wieder umhergetrieben?“ Ihre Eltern saßen auf dem Sofa. Auf dem Tisch lagen Spritze und Löffel. Sie musste gar nicht lange überlegen um zu wissen, dass sich ihre Eltern wahrscheinlich den ganzen Tag über mit Heroin vollgepumpt hatten. So wie immer. „Ich war noch etwas einkaufen Mom. Ich hab Fisch besorgt. Den werde ich nachher braten. So wie du und Daddy ihn
gerne mögen.“ Ihre Mutter war hübsch. Abgesehen von den Einstichen und den unterlaufenen Augen. Langsam taumelte sie auf ihre Tochter zu und nahm sie in den Arm. „Du bist mein Engel. Weißt du das?“ „Ja Mommy. Das weiß ich.“ Ihre Mutter gab ihr einen Kuss und ließ sich wieder auf dem Sofa nieder. Ihr Vater hatte gar nicht erst mitbekommen, dass seine Tochter nach Hause gekommen war. Hazel kümmerte sich nicht weiter darum, sondern machte sich daran, die Einkäufe in den Kühlschrank zu räumen, ehe sie sich ins Badezimmer begab um zu duschen. Langsam schloss die 16-Jährige die Tür
hinter sich und verharrte einen Moment lang. Nicht mehr lange. Bald würde sie genügend Geld zusammen haben. Sie musste nur noch ein bisschen mit Joseph und den Anderen zusammenarbeiten. Dann konnte sie sich die Therapie für ihre Eltern leisten. Wenn sie einen Entzug machen würden, dann würde alles wieder wie früher sein. Sie hätte ihre Familie wieder zurück und könnte endlich wieder das Leben genießen. Drew brauchte gar nicht erst zu raten, als er vor der Wohnung ankam. Das stöhnen seiner Mutter war unverkennbar. Das 'Bitte nicht Stören' Schild war nicht zu übersehen. Sein Ziel war die Wohnung
nebenan, in der Janine lebte. Als die junge Frau die Tür öffnete lächelte sie sofort und nahm ihn in den Arm. „Drew! Da bist du ja endlich. Paulina hat schon gedacht, du wolltest sie hierlassen.“ Der Puertoricaner lächelte matt und schüttelte den Kopf. Seine Schwester kam langsam hinter Janine zum Vorschein. Hinter sich her zog sie eine Sauerstofflasche. Als sie ihren Bruder erblickte, strahlte sie über beide Ohren. „Drew!“ Umsichtig nahm er seine Schwester in den Arm und kuschelte sich an sie. „Hey Sweet P. Ich hoffe Janine hat dich nicht all zu sehr
geärgert?“ Das Mädchen schüttelte den Kopf. „Sie war ganz umgänglich.“ „Gut. Pack schon mal deine Spielzeuge zusammen Ja? Ich hole dich gleich.“ Damit begab sich das Mädchen langsam wieder ins Wohnzimmer. Drew wandte sich Janine zu und setzte dabei ein ernstes Gesicht auf. „Wie geht es ihr?“ „Heute hatte sie einen guten Tag. Nach dem Essen hat sie ein wenig geschlafen, aber ansonsten ging es ihr gut.“ Paulina kämpfte seit Jahren mit ihrem Krebs. Dafür dass sie so ein kleines Geschöpf war, besaß sie einen eisernen Willen.
„Passt du noch einen Augenblick auf sie auf? Ich muss die Wohnung räumen.“ Seine Nachbarin nickte, woraufhin der junge Mann wieder hinaus in den Flur trat und die Tür schloss. Langsam schritt er nach nebenan. Noch immer war es nicht ruhiger geworden. Einen Moment lang hielt er Inne, ehe er mit vollem Elan gegen die Tür klopfte. „Scheiße!“ „Wer ist das?“ Drew versuchte die aufkeimende Wut zu unterdrücken. Von drinnen waren Geräusche zu hören. Jemand kam zur Tür. Max. Der Lieblingsfreier seiner Mutter. Ein kahlköpfiger muskulöser
Hüne der den Verstand einer Amöbe besaß. Abschätzend betrachtete er Drew. Natürlich hatte er sich nicht die Mühe gemacht sich etwas anzuziehen. „Es ist der Junge. Was soll das? Hast du kein Benehmen?“ „Es ist nach 4. Paulina muss gebadet werden und ihre Medizin in Ruhe nehmen, ohne dass du die Bude mit deiner Luft verpestest.“ Wütend schnippte der andere ihm gegen die Stirn. „Pass auf was du sagst Junge! Denkst wohl du wärst n ganz harter Kerl was? Na komm. Zeig mir doch was du drauf hast!“ „Das reicht jetzt Max!
Verschwinde!“ Seine Mutter war im Nachthemd neben dem Hünen im Türrahmen aufgetaucht und stellte sich nun schützend zwischen ihn und ihrem Sohn auf. Max war verunsichert, doch dann verzog er sich murrend nach drinnen. Drew warf seiner Mutter einen vernichtenden Blick zu, woraufhin sie nur den Kopf senkte. Wenig später war Max verschwunden. „Tut mir leid Schatz. Ich wusste nicht, dass er heute kommt. Er hat mich überrascht.“ „Du weißt genau, dass Janine nicht dafür da ist, um deine Arbeit zu machen Mom.“ „Ja. Herrgott Drew. Du weißt genau dass ich das alles nur mache, damit es dir und
Paulina an nichts mangelt. Damit ihr eines Tages ein besseres Leben habt als das hier.“ Der Junge presste die Lippen aneinander. Sie meinte es nicht böse. Seitdem sein Vater sie damals verlassen hatte, tat ihre Mutter alles um sie über Wasser zu halten. Dann war Paulina krank geworden. Die Arztrechnungen waren erdrückend und wenn sich nicht bald etwas änderte, würde er seiner kleinen Schwester nicht mehr helfen können. „Mommy?“ Drew wandte sich um und sah zu Paulina die nun langsam auf die beiden zukam. Janine zuckte hilflos mit den Schultern.
Wahrscheinlich hatte sich seine Schwester wieder heimlich aus der Wohnung geschlichen und es war ihr einfach zu spät aufgefallen. „Liebling. Solltest du denn nicht auf deinen Bruder warten?“ „Ich wollte aber wieder nach Hause. Den ganzen Tag bei Janine zu sein ist blöd.“ Was das anging nahm sie kein Blatt vor den Mund. Gottseidank war sie noch zu jung um wirklich zu verstehen, was hier vor sich ging. Besser für sie. Sie sollte unbefangen aufwachsen und nicht sehen, wie ihre Mutter jeden Tag mehr von ihrer Ehre verkaufte. „Schon gut Liebes. Na komm. Wir sehen etwas
Fern.“ Drew schaltete sich ein. „Sie muss erst ein Bad nehmen.“ „Das kann sie doch später auch noch. Lass sie doch erst einmal ein wenig Fernsehen.“ „Mom.“ „Ja gut. Okay. Komm Schätzchen. Mama geht mit dir in die Wanne okay?“ Drew blieb alleine mit Janine zurück. Die junge Frau legte ihm eine Hand auf die Schulter. Der Puertoricaner ergriff diese und blinzelte eine Träne fort. „Hör mal. Wenn du und Paulina etwas brauchen, dann brauchst du nur zu fragen. Ich helfe euch wenn ihr mich
braucht.“ „Schon okay. Danke Janine.“ Sie waren schon seit 5 Jahren Nachbarn. Seitdem sie hergezogen waren. Janine war eine positive Konstante in ihrem Leben. So bekam Paulina zumindest ein bisschen das Gefühl, was es hieß eine Mutter zu haben. Drew verurteilte das was seine Mutter tat nicht. Nur die Menschen, die ihre Notlage ausnutzten. Dennoch hatte er sich geschworen, diesen Umstand zu ändern. Bald. Ebenso wie seine Freunde würde er bald aus diesem Gefängnis ausbrechen und für seine Familie ein besseres Leben ermöglichen können. Da war er sich sicher. Er brauchte nur noch ein wenig
Zeit. „Hier Junge.“ Der alte Mann reichte Collin die Tüte mit den Resten, die vom Tagesgeschäft seines kleinen Diners übriggeblieben waren. Lächelnd nahm der Blondschopf die Tüte entgegen. „Danke Mr. Patoolie. Sie sind wirklich ein Heiliger.“ Sein gegenüber erwiderte mit einem zahnlosen Grinsen. Dann fasste er den Jungen bei der Schulter. „Für dich tue ich das gerne Collin. Grüß die Anderen von mir ja?“ „Das mache ich.“ Wie jeden Tag holte er die reste der
übrig gebliebenen Speisen des Tagesgeschäfts bei dem alten Mann ab. Was das anging konnte sich Collin immer auf ihn verlassen und war gleichzeitig sehr dankbar dafür, dass der alte Mann so nett war und ihn in diesen Belangen unterstützte. Dabei verlangte er nie auch nur eine Gegenleistung. So steuerte der Junge die große Brücke an, die sein zu Hause darstellte, oder auch eher gesagt: Was sich darunter befand. Auß Pappe und anderen Materialien waren mehrere Bungalows gebaut worden, in denen die Leute meistens vor einem brennenden Fass hausten. Als Collin die Stufen zum Platz hinaufschritt
traf er zuerst auf eine Frau mittleren alters, die einen Wagen vor sich herschob, in der eine Babypuppe gelegt war. „Hallo Ethel.“ Er holte eine Pappdose aus seiner Tüte hervor. „Das ist Hackbraten. Frisch von Patoolie.“ Einen Moment lang sah die Frau auf seine Hand, ehe sie den Kopf hob und ihm direkt in die Augen blickte. Eine einsame Träne lief ihr über die Wange. Vorsichtig strich sie ihm mit der Hand durch das Haar. „Du bist so ein guter Junge Collin. So ein guter
Junge.“ Einen Moment lang bedachte er sie wehmütig. Das wenige was ihr von ihrem Verstand noch geblieben war, löste sich nach und nach in Luft auf. Langsam ging er weiter zu dem großen Lagerfeuer, um das sich mehrere Leute versammelt hatten. Insgesamt waren sie 5, wenn man Ethel und Collin dazuzählte. Ein Mädchen mit braunen Haaren entdeckte den Jungen und umarmte ihn zur Begrüßung. „Schön dass du wieder da bist.“ „Danke Mia. Kommt alle her. Ich habe euch etwas mitgebracht.“ Sie versammelten sich um ihn herum. Er griff wieder in die Tüte und holte einen
alten Flachmann hervor, dem er einem älteren Afroamerikaner reichte. „Hier Harry.“ Dankend nahm der Angesprochene den Flachmann entgegen und nahm direkt einen Schluck daraus, ehe er sich wieder in seine Ecke zurückzog, die aus einer Matratze bestand, die von Kartonwänden umgeben war. Auch Ethel folgte ihm, aber wohl eher aus eigenem Zwang, als dass es irgendeinen Grund gehabt hätte. Nun waren nur noch das Mädchen und ein älterer Mann übrig, dem er eine Zeitung reichte. „Hier Oli. Das ist die neuste Aufgabe von heute. Jemand hat sie einfach nur
weggeworfen.“ „Du bist ein guter Junge.“ Damit stellte er die Tüte ab und ließ sich auf einem alten Hocker in der Nähe des Feuers wieder. Sie alle hatten ihre Geschichte. Die Geisteskranke Ethel, Mia die von ihren Eltern weggelaufen war, Harold, der die Musik aufgegeben und mit dem Trinken angefangen hatte und Oliver, der einmal Professor an einer Universität gewesen war. Und Er. Nach dem Tod seiner Eltern war Collin von einer Pflegefamilie in die nächste geschickt, doch hatte er sich nie heimisch gefühlt. Eines Tages war er auf Oliver getroffen und seitdem bei ihm geblieben. Über die Zeit waren
verschiedene Leute gekommen und gegangen, doch sah er sie alle als seine Familie an. Sein Wunsch war es irgendwann genug Geld zu haben, damit er jeden von ihnen helfen konnte, einen Weg für sich zu finden. „Ist alles in Ordnung bei dir Junge? Du wirkst ein wenig müde.“ Oliver bedachte ihn mit einem väterlichen Gesichtsausdruck, und auch Mia wirkte ein wenig besorgt um ihn. Er konnte ihnen natürlich nicht die Wahrheit erzählen. Sie wussten nur, dass er in Joseph Rennels Jugendzentrum arbeitete. Mehr brauchten sie auch nicht zu wissen, denn es war besser wenn sie nicht in die
ganze Geschichte mit hineingezogen wurden. „Ach. Es ist nichts. Heute war einfach nur ein langer Tag. Morgen geht es mir wieder besser.“ Er blickte gedankenverloren in die Flammen. Hazel, Drew und Er. Sie alle drei hatten die Chance denen zu helfen, die ihnen nahestanden. Für ihn heiligte der Zweck die Mittel. Niemand sonst scherte sich um diese Menschen. Einer musste es also tun. „Warst du mit deinen Freunden unterwegs?“, wollte Mia wissen. Dabei krempelte sie ein wenig ihre Ärmel nach oben. Am Hals und im Gesicht waren noch immer die blauen Flecken zu sehen.
So nickte Collin einfach nur. „Das muss schön sein, wenn man so enge Freunde hat.“ „Aber wir sind auch Freunde“, erklärte Oliver und nahm sie in den Arm. „Mehr als das. Wir sind eine Familie. Dabei ist es keine Frage des Blutes, sondern der Verbundenheit miteinander.“ Die beiden Jugendlichen nickten zustimmend, woraufhin Mia sich die Tüte schnappte, die er mitgebracht hatte und nach essbarem stöberte. Schließlich hatte sie einen Plastikbehälter gefunden, in dem etwas war, dass aussah wie ein Auflauf. Sie riss ein Stück davon ab und kaute bedächtig darauf, ehe sie zufrieden lächelte.
„Das ist lecker. Du bist wirklich der Beste Collin.“ „Danke. Ihr auch.“ Der Regen hatte endlich nachgelassen, als Joseph mit seinem Pickup im Trailerpark vorfuhr. Das Mistwetter war ihm schon den ganzen Tag auf die Nerven gegangen. Hinzu kam natürlich auch noch dass das FBI den Van gefunden hatte, mit dem sie den Überfall durchgeführt hatten. Kein gutes Zeichen, doch noch gab es keinen Grund zur Sorge. Er konnte die Situation lösen, ohne dass er oder die Kids ins Kreuzfeuer
gerrieten. Langsam verließ er den Wagen und schritt durch den Park. Allerhand Leute lebten hier. Obdachlose, Junkies und Raphael. Der Mann, den er heute besuchen wollte. Er war so etwas wie der Leiter dieses Trailerparks. Ein Typ der überall seine Finger im Spiel hatte, wenn man es so beschreiben wollte. Sein Trailer lag ganz am Ende des Schotterweges und war vom äußeren deutlich von den anderen zu unterscheiden. Er glänzte, vom wöchentlichen Waschen und auch das Modell war etwas erlesener als die anderen Wagen. Joseph schritt die Stufen zur Tür hinauf
und klopfte. „Ja?“ „Ich bin's. Mach auf! Wir müssen reden.“ Es dauerte nich lange, da stand Raphael auch schon vor ihm. Ursprünglich kam er damals aus Marokko. In Detroit hatte er sich durch zwielichtige Geschäfte einen kleinen Ruf erarbeitet. Nur im Morgenmantel betrachtete er Rennel abschätzend. Von drinnen dröhnte laute Musik. Außerdem roch es nach Gras. „Joe! Mein Kumpel. Was kann ich für dich tun?“ Er wollte den Rothaarigen umarmen, aber der wich nur zurück. „Das FBI hat den Van gefunden.“ Raphael sah ihn fragend an.
„Und?“ „Wenn sie rauskriegen woher er ist, dann kriegen wir beide Probleme. Das ist dir doch klar oder?“ Sofern Er unsicher war, zeigte der Marrokaner nichts davon, sondern bewahrte sich eine gewisse Souveränität. „Hast du nicht gesagt, du hättest die Sache unter Kontrolle?“ „Das habe ich auch. Ich wollte dich nur warnen, falls jemand vor deiner Tür auftaucht.“ Wenn das FBI Raphael zu fassen bekam würde es bestimmt nicht lange dauern, bis er ihnen alles erzählte. Der Rothaarige griff in seine Jackentasche
und holte einen Umschlag hervor. „Hier. Für den Van und deine Mühen. Wie lange brauchst du um die Ladung zu waschen?“ „Etwa einen Monat. Ich muss erst Käufer für den Kram finden. Ich hoffe du kannst dich noch solange gedulgen.“ „Klar.“ Fragte sich nur, ob Hazel, Collin und Drew auch solange warten konnten. Ihnen blieb im Moment sowieso nichts anderes übrig. Sie mussten sich in Geduld üben und abwarten. Im Moment konnte ihnen niemand etwas nachweisen. So verabschiedete er sich wieder von seinem Kollegen und bewegte sich auf seinen Wagen zu. Der einzige um den er
sich Sorgen machen, war dieser Sal Foster. Der alte Mann konnte ein Problem werden. „Wir haben den Van inzwischen ins Labor gebracht. Unsere Techniker sind gerade dabei ihn Stück für Stück auseinander zu nehmen. Wenn wir etwas finden, dann lasse ich es euch sofort wissen.“ Leicht schläfrig lauschte Eileen den Worten ihres Vaters. Das gesamte Team war anwesend: Dirk, Nikolai, Channing, Andrea und Charlene. Sie waren Sals persönliche Taskforce, die sich um den Fall kümmerte. Schon seit Jahren arbeiteten sie so zusammen und konnten
einander blind vertrauen. „Wir haben Glück, dass Agent Worth den Van gefunden hat. Ich will das sie bei den hiesigen Autoschiebern nachfragen, ob jemand den Wagen verkauft hat und an wen. Finden wir den Käufer bringt uns das vielleicht näher an diese Gruppe heran.“ Der Russe nickte nur und verschränkte die Arme vor der Brust. „Überlasst das nur mir. Am Ende löse ich den Fall ganz alleine.“ „Sehr witzig“, warf Peterson ein. „Also. Wenn wir alle zusammenarbeiten, dann können wir diesen Fall schnell
lösen.“ Währenddessen befand sich der Chief Masrani im Versammlungsraum, wo die Haie der Presse nur warteten, ihn zu verschlingen. Das Blitzlicht der Fotografen brannte mittlerweile in seinen Augen. Er hasste diese Konferenzen, aber sie waren die einzige Möglichkeit die Allgemeinheit zu beruhigen. „Wir haben mittlerweile Hinweise gesammelt, die uns mit Sicherheit zu den Tätern führen werden.“ Er machte eine dramatische Pause. „Drei Wochen. In Drei Wochen werden wir diese Gruppe dingfest gemacht haben, damit die Bewohner von Detroit
wieder ruhig schlafen können.“ Applaus war die Antwort. Er verließ das Podium. Sofort drangen sie auf ihn ein und bombardierten ihn mit Fragen, doch er schob sich einfach zwischen ihnen hindurch, bis er die Tür erreichte, wo er den Direktor selbst erblickte. Zur Begrüßung schüttelten sich die beiden die Hände. „Direktor Rivers. Schön sie zu sehen.“ „Dad ich bin wieder da!“ Dwight schloss die Tür hinter sich und trat ins Wohnzimmer, wo sein Vater wie üblich auf dem Sofa saß. Fragend sah er seinen Sohn an. „Und? Wie war
es?“ „Super. Sag mal, hast du das Sofa heute überhaupt verlassen?“ „Sicher. Ein Mann muss ja auch mal Pinkeln.“ Dwight schüttelte nur den Kopf und ließ sich neben ihm nieder. „Papa!“ Sofia rannte Ethan in die Arme. Er hatte nicht einmal Zeit die Tür hinter sich zu schließen. Lächelnd hob er die Kleine hoch. Sie lachte zufrieden. Carrie stand am Treppengeländer. „Lass Papa doch erstmal zu Atem kommen.“ „Schon gut Carrie. Wie war euer
Tag?“ Er setzte Sofia wieder auf den Boden ab. „Die Schule war Doof. Corline hat mich wieder geschlagen.“ „Hat sie das Ja?“ Er streichelte seiner Tochter über den Kopf. „Davon kann sie dir später noch erzählen“, erklärte Carrie und gab Ethan einen Kuss. „Lass uns Essen. Ich habe dir Schweinebraten gemacht. Den magst du doch so gerne.“ „Gute Nacht Sweet P.“ Drew deckte seine Schwester zu und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, ehe er sie
zudeckte. Der heutige Tag lag ihm ganz schön in den Knochen, doch morgen würde es sicher wieder ganz anders werden. „Liest du mir noch eine Geschichte vor, bis ich einschlafe?“ Er lächelte. „Aber sicher.“ „And if we stand together, noone can hold us down.“ Collin hatte sich die Gitarre von Harold geliehen und sie alle um das Feuer versammelt. Dies war der kleinste Luxus den sie sich gönnten. Wichtiger war allerdings, dass sie alle zufrieden wirkten. Ethel lauschte abwesend der
Musik. Oliver sprach mit Harold. Mia schlief in ihrem Stuhl. Diese kleine Idylle war etwas, dass ihm niemand nehmen konnte. Komme was wolle.
Hazel warf einen Blick auf ihre Eltern, die nebeneinander auf dem Sofa eingeschlafen waren. Sie holte eine Decke aus dem Schlafzimmer und legte sich zwischen die beiden.
„Gute Nacht Mom. Gute Nacht Dad.“
Wenige Sekunden später war sie bereits eingeschlafen...