Das Zitronenkomplott
"Warum die Zitronen sauer wurden"
Mit diesem Gedicht, von Heinz Erhardt, verhält es sich wie mit der Relativitätstheorie Albert Einsteins. Beide Aussagen waren kurz nach ihrer Entstehung gar nicht empirisch belegbar. Man musste sie glauben, oder eben nicht. Die Relativitätstheorie ist mittlerweile als Wahrheit bestätigt. Das Gespräch zwischen bockigen Zitronen und Gott bis dato noch nicht. Zitronen sind ja auch selten eitel und beleidigt. Nun muss ich aber gestehen, dass es sich mit der Lebendigkeit dieser kleinen gelben Vitamingranaten anders zu verhalten
scheint, als die Wissenschaft uns erzählt.
In der Handtasche von Brunhilde Sauerbrei lebte ein Exemplar, das sich gegen das Wort Gottes stemmte und alle Farben und Formen annehmen konnte. Zu Recht fragen sie sich woher ich den Inhalt von Brunhildes Tasche kenne. Es war mehr oder weniger ein zufälliger Blick eines Kollegen aus der Küche der die Zitrone entdeckte. Auf die Frage hin warum sie denn eine Zitrone mit sich rumschleppte ernüchterte ihn Frau Sauerbrei mit der Klarstellung diese wäre beim Einkaufen vergessen worden. Nun würde ich diese kleine Anekdote ja nicht schreiben, wenn es denn dabei geblieben
wäre.
Aus reiner Neugier entdeckten wir die Zitrone fast täglich und immer noch bekamen wir dieselbe Antwort.Diese Zitrone verblieb mindestens zwei Wochen in dieser Tasche ohne den geringsten Makel. Sie veränderte aber die Form. Mal wurde sie etwas größer, mal etwas kleiner und dann war sie auf einmal leicht grünlich.
Wir fanden dieses Phänomen interessanter als unsere Arbeit und beschlossen der Sache auf die Spur zu kommen.
Es wurden Streichhölzer gezogen, um zu
entscheiden, wer sich der Sache annimmt, damit die anderen sich wieder einmal ihrem eigentlichen Job widmen konnten. Die Wahl fiel unglücklicherweise auf mich.
Nun gut, ich tat meine Pflicht, denn schließlich hatte ich ja mitgezogen.
Während die anderen sie mit Komplimenten ablenkten, mopste ich mir das gute Stück. Vorbei an unzähligem Frauenkram, durch einen Haufen matschiger Erdbeeren und einem Glasschuh gelangte ich zu der Zitrone. Das Stück Baklava, welches daran klebte, schmierte ich an den Schuh.
Zu Hause legte ich die Zitrone unter einen Glasbehälter und wartete ab. Es
geschah in der ersten Nacht überhaupt nichts. Ich besorgte mir an einem freien Tag eine Damenhandtasche wie sie Frau Sauerbrei ihr eigen nannte und befüllte diese fast identisch. Ich bettete Zitronella wie ein Baby darin und wartete eine Woche auf Veränderung.
Endlich passierte die Verwandlung und ich traute meinen Augen nicht. Die Zitrone war einfach verschimmelt. Zwei Wochen tat sich nicht der geringste Makel auf in der Tasche Sauerbrei und nun dies.
Wir berieten uns untereinander und kamen zu dem Schluss, dass diese Zitrone sich offenbar Heimatlos in fremden Taschen fühlte. In der Hoffnung
sie würde sich noch einmal erholen, waren wir uns einig sie wieder zurück zu legen. Mit der Komplimenten Taktik sind wir einmal gut gefahren und fuhren sie noch einmal erfolgreich. Ich kam unbehelligt an die Tasche und legte das gammelige Ding wieder hinein. Dabei entdeckte mein Auge etwas Neues, überraschendes. Zitronella hatte gejungt und das, obwohl sie gar nicht zu Hause war. Ich nahm Mutter und ihr junges wieder aus der Tasche und steckte sie ein. Für alle anderen war diese Story damit erledigt. Für mich begann das Forschen gerade erst. Nun war ich auf mich allein gestellt mit der nicht sehr attraktiven Brunhilde
Sauerbrei zu flirten und ihr jeden Tag in die Tasche zu schauen. Meine These, dass Zitronella trotz ihres betagten Alters und einer großen Entfernung immer noch kleine Zitronen in diese Tasche legte, wurden jeden Tag bestätigt. Ich hatte irgendwann einen Lipgloss, einen weiteren Glasschuh und an die vierhundert Zitronen aus dieser Tasche entnommen. Die Baklavareste hatte ich immer direkt abgeleckt. Zitronella, also die Mutter aller Zitronen hatte ich mittlerweile entsorgen müssen. Auch einige Sprösslinge überlebten die Zeit nicht, sodass mich aber immerhin noch um die zweihundert Stück umgaben. Ich hatte das Gefühl, diese Zitronen waren
eine Groß angelegte Verschwörung gegen mich. Sie würden irgendwann alle vergammeln und ich musste sie Loswerden. Einen Limonadenstand aufmachen mitten im Winter war nicht so clever. Es war eine Sache jeden Tag eine von vierhundert Zitronen unbemerkt zu entnehmen, aber es war unmöglich zweihundert von ihnen an einem Tag wieder in die Tasche zu bekommen. Ich musste sie also schnellstmöglich Tag für Tag wieder zurückstecken. Dazu legte ich einen Vorrat in meinem Spind an. Ich konnte schließlich nicht ahnen, dass man in diesen Tagen das Fehlen von 400 Zitronen in der Inventur bemerkte und alle Schränke wegen fehlender
Geschirrtücher inspizierte. Ich betreibe jetzt übrigens einen Limonaden verkauf in der Innenstadt, denn irgendwie muss ich seit neuestem ja Geld verdienen. Da nutzte mir mein empirischer Beweis lebendiger Zitronen überhaupt nichts. Diese Zitronen hatten ein Komplott gegen mich geschmiedet, aber ich werde beweisen, dass es sie gibt und wenn sie vor den Augen anderer noch so unschuldig daliegen. Wenn die Leute morgens an meinem Küchenfenster vorbeilaufen blicken sie sich manchmal um als hätte eine Zitrone im Wind um ihr Leben gejammert bevor die elektrische Saftpresse sie zum Schweigen brachte.