Fantasy & Horror
Life Game - Kapitel 15 (überarbeitet) - Die Formation

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"Life Game - Kapitel 15 (überarbeitet) - Die Formation"
Veröffentlicht am 04. Juni 2018, 32 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Danke, dass Du mein Buch liest. Mein Debüt, Life Game, unterliegt leider noch immer meiner Überarbeitung. Beruflich ziemlich eingespannt, bleibt zu wenig Zeit, diesem spannenden Hobby nachzugehen. Ideen für neue Stories stehen Schlange und warten nur noch darauf, in Worte gefasst zu werden. Ich danke allen die weiterhin kritisch aber neugierig meinen Geschichten treu bleiben. C. G.
Life Game - Kapitel 15 (überarbeitet) - Die Formation

Life Game - Kapitel 15 (überarbeitet) - Die Formation

15. andersrum



Luisa und Kilian drücken sich ganz eng an mich. Ihre Atmung ist schwer und bebt vor Angst. Ich kann spüren, wie Kilian am ganzen Körper zittert und sehe, wie eine Träne über Luisas Wange rennt. Sie glänzt im dumpfen Schein, der von draußen zu uns hinein drängt. Ich drücke die beiden fest an mich und versuche so ruhig wie möglich zu bleiben. Meine Atmung ist angespannt und flach. Ich traue mich nicht, mich zu bewegen. Ganz leise mache ich ‚Shhhhh‘ und hoffe es hat eine beruhigende und tröstende Wirkung. Als der Schatten am Rumpf entlang rollt, erkenne ich

ein flackerndes orangefarbenes Licht, welches durch die verwitterten Rumpfplanken dringt. Von Innen betrachtet sieht es aus, als ob eine leuchtende Kugel am Rumpf entlang schwebt. Ihre Strahlen schießen flackernd und Blitzartig in alle Richtungen und werfen bizarre Schatten an die Innenwände des Schiffskörpers. Als ob es etwas sucht, bewegt es sich gleichmäßig und langsam auf uns zu. Ich schließe meine Augen und schicke ein Stoßgebet in den Himmel während auch ich anfange am ganzen Körper zu zittern. Zwei Stunden zuvor: „Ich habe es auch gehört. Schnell, über die Brücke. Nehmt mit, was ihr tragen könnt.“ Wir greifen uns das Brennholz und hasten über

die Brücke raus in die Grasebene. Jetzt sehen auch Luisa und Kilian das Schiffswrack. „Ist es das?“, fragt Luisa, wartet jedoch keine Antwort ab. „Ist besser als nichts. Passt auf, wo ihr hintretet.“ „Ich habe es aber noch nicht geprüft“, werfe ich kurz ein. „Ich musste zuerst nach Euch schauen. Seid also leise, wer weiß, welche Überraschungen da drin auf uns warten.“ „Das ist mir völlig egal! Schlimmer als dieser komische Schnee kann es nicht sein. Das macht mir hier draußen wirklich Angst“, presst Luisa im Laufschritt raus. Sie hat Recht, der Schnee ist merkwürdig. Kilian ist absolut still. Er wirkt wie im Standby-Modus. Ich denke er ist müde und hat Hunger. In dem Alter verbrennt man ja Unmengen Kalorien und

kann alles in sich reinstopfen. Es wird immer dunkler und wir müssen jederzeit damit rechnen, dass hier unvorhersehbare Dinge geschehen können. Wir müssen irgendwo einen halbwegs sicheren Platz finden, um unser Lager aufzuschlagen. Das Schiffswrack erscheint mir im ersten Moment die beste Lösung. Ein fester Bau, Wände, Dach und eine leicht erhöhte Position. Das Gras steht hoch auf der Ebene, es verschlingt uns bis zur Hüfte. Ich möchte überhaupt nicht darüber nachdenken, was hier alles drin schlummern oder lauern kann. Noch ein paar hundert Meter. Mit jedem Schritt nimmt das Wrack mehr Gestalt an, seine Linien zeichnen sich über eine Silhouette hinaus ab und verleihen dem Wrack etwas Wirkliches. Etwas

Greifbares. Genau das, was wir nach den letzten Stunden dringend nötig haben. Das Licht schwindet jedoch schnell und die Dunkelheit legt sich er weiter über uns. Der Wald liegt ein paar hundert Meter hinter uns. Mit jeder Schneeflocke, die herabrieselt schwindet auch Stück für Stück das Tageslicht. Kilian stürzt und Luisa kreischt dadurch erschrocken kurz auf. Zum Glück ist nichts passiert, ich helfe Kilian auf und schaue zu Luisa hinüber. Ich hoffe mit meinem Blick Verständnis für ihre Reaktion auszudrücken und ihr Mut zu machen. „Nichts passiert, er ist nur gestolpert“, ergänze ich meinen Blick. „Es ist nicht mehr weit. Wartet hier. Ich gehe vor und schaue mich

schnell um.“ Wer bin ich denn? Superman? Was will ich denn mit diesem falschen Heldenmut beweisen? Ich verfluche mich selber über diesen idiotischen und völlig unlogischen Vorschlag. In jedem verdammten Horrorfilm mache ich mich über diejenigen lustig, die sich immer von der Gruppe trennen. Jetzt bin einer von jenen. Ich schüttle den Kopf über das Unverständnis mir selber gegenüber. Hilft ja nicht, jetzt muss ich liefern. Ich lege mein Feuerholz vorsichtig ab, um laute Geräusche zu vermeiden. Dazu gehe ich in die Knie und tauche dadurch vollständig im Gras unter. Ich hoffe inständig, dass ich auf meinem Weg zum Wrack nichts und

niemandem begegne, der sich ebenfalls das hohe Gras zu Nutze macht. Vielleicht sollte ich nicht ganz schutzlos den Helden spielen. Ich schnappe mir einen dicken Ast als provisorische Waffe und laufe in gebückter Haltung los. Immer wieder bleibe ich stehen und lausche in die immer dunkler werdende Umgebung. Nichts. Kein Laut. Luisa und Kilian haben sich ebenfalls ins Gras geduckt und sind kaum noch zu sehen. Luisa schaut sich allerdings immer wieder nervös um. Ich pirsche mich immer näher an das Wrack heran. Der Rumpf und die Aufbauten sind aus Holz. Das ganze Ding ist ziemlich verwittert und macht einen maroden Eindruck. Weit und breit ist kein Wasser zu sehen. Kein

ausgetrocknetes oder Wasser führendes Flussbett. Das Schiff liegt einfach so in der Steppe. Kurz blitzt in mir der Vergleich der Arche Noah auf. Nach der epischen Flut muss die Arche auch irgendwo auf Land ihre letzte Ruhe gefunden haben. Ich streife den Gedanken ab und konzentriere mich stattdessen wieder auf meine Aufgabe. Am Rumpf angekommen muss ich zugeben, dass die Schiffsüberreste aus der Nähe ein ganzes Stück mehr Eindruck machen. Meiner Schätzung nach ist es für eine maximal zehnköpfige Besatzung ausgelegt. Es fuhr also auch längere Zeiten zur See und war nicht nur für Tagesausflüge gebaut worden. Ich knie mich in den trockenen Boden. Meine Fingerspitzen spüren das trockene Gras und

den knochenharten Boden. Der Moment verleiht eine komische Mischung aus Ruhe und Anspannung. Ich senke meinen Kopf und schließe die Augen. Volle Konzentration. Ich lausche in das Schiff hinein und visualisiere das Boot mit all seinen Elementen. Die Außenwand, an welcher Trittleisten rauf an Deck führen. Die Aufbauten an Deck, wie das Steuerhaus, den Niedergang und weitere kleine Konstruktionen. Ich durchdringe in Gedanken den Decksboden und schwebe durch die Innereien des alten Schiffes auf der Suche nach verdächtigen Geräuschen. Die Grashalme um mich herum wiegen sich in einer leichten Brise und erzeugen ein

vertrautes raschelndes Rauschen. Sonst nichts. Sonst sind für mich keine weiteren Geräusche zu vernehmen. Vorsichtig, Schritt für Schritt bewege ich mich von meiner zentralen Position nach links in Richtung Bugs. Ich muss unbedingt auf die andere Seite des Wrack blicken. Jeder Schritt knistert ein wenig, wenn die Grashalme umgeknickt werden. Der Bug schwingt sich in einer steilen Kurve aus dem Gras zwei Stockwerke in die Höhe. Die Vorderkante des Bugs besteht aus einer verrosteten Metalleiste. Sie schnitt zu Lebzeiten durch die schwere Dünung auf See. Mit meiner rechten Hand streiche ich behutsam die alte Leiste entlang, während ich den Rest meines Körpers vorsichtig unter der Buglinie hindurchschiebe. Ich atme erleichtert

aus und merke, dass ich wohl die Luft ziemlich lange angehalten haben muss. Hinter dem Wrack ist nichts zu erkennen, außer weiterer Steppe. Soweit das Auge reicht. Ich richte mich im hohen Gras auf und winke den anderen beiden. Hastig und mit im Gesicht gezeichneter Anspannung rennen sie zu mir rüber. „Wir müssen auf die andere Seite des Wrackes“, erkläre ich. „Dort werden wir vermutlich besser an Board klettern können.“ Die Decksdielen knarren leicht unter unseren Schritten. Der schwarze Schnee bringt die Nacht immer näher. Bald werden wir kein Tageslicht mehr haben. „Bleibt direkt hinter mir. Ich gehe

voran.“ Wie ein Schwert halte ich den großen Ast mit beiden Händen fest umklammert vor mich. In jeder anderen Situation hätte das echt lächerlich ausgesehen, hier aber lacht keiner. Nicht einmal ein Anflug von Lächeln. Langsam nähern wir uns dem Steuerhaus und mit einer ruckartigen Bewegung springe ich in den Türrahmen, die Tür gibt es nicht mehr. Einzig ein Paar Scharniere zeugen von ihrer früheren Existenz. Der kleine Verschlag mit dem Steuerrad bietet zwar genug Platz für uns drei und einen tollen Ausblick, aber ohne Türen sitzen wir hier im Steuerhaus wie auf dem Präsentierteller. Unsere Geräusche würden mit dem Wind über das Gras getragen und wer große genug ist, kann uns vermutlich

sogar sehen. „Wir sollten unten im Rumpf die Nacht verbringen. Dort ist es wärmer als draußen, wind- und witterungsgeschützt und wenn man nicht direkt nach uns sucht, sind wir dort unten schwerer auszumachen als oben. Seid ihr einverstanden?“ Luisa und Kilian nicken. Eine kleine Leitertreppe führt den Niedergang hinab. Ich lege mich auf den Bauch und hänge meinen Oberkörper ganz langsam in den Niedergang. Mit dem letzten Rest Licht überzeuge ich mich davon, dass der Rumpf erstmal keine Gefahr birgt. „Es ist wieder da, das Geräusch ist wieder da. Ich habe gerade gehört“, reißt mich Kilian aus

der Konzentration „Schnell Ben, steh` auf und geh endlich die verdammte Treppe runter. Wir sollten nicht so offen und ungeschützt hier oben an Deck stehen.“ Luisa drängt Kilian bereits die Treppenstufen hinunter, während ich langsam auf die Beine komme. Jetzt höre ich es auch wieder, dieses dumpfe Dröhnen. Es dringt bis auf meine Knochen ein. Die Steppe lässt sich von hier oben perfekt überblicken. Ich sehe weite Flächen mit Hüfthohem Gras die scheinbar bis an den Horizont reichen. Die Ebene wirkt, wie mit dem Lineal gezogen. Eine schnurrgerade Linie ohne nennenswerte Erhebungen oder sonstigen landschaftlichen Abweichungen. Die perfekte Sicht also. Und trotzdem ist weit und

breit nichts zu sehen, was dieses markdurchdringende Dröhnen erzeugen könnte. Mein Kopf arbeitet auf Hochtouren. Was übersehe ich? Ist es die richtige Entscheidung hier im Inneren Schutz zu suchen? Als ich mich aus meinen Gedanken lösen kann befinde ich mich bereits auf dem halben Weg in den Schlund des Schiffes. Der Abstieg ist gar nicht so einfach, da das Boot etwas schräg liegt. Es ist eher ein Herunterhangeln. Das Innere ist schummrig düster aber man kann den Raum und seinen Inhalt weitestgehend erkennen. „Wir sollten uns direkt hinter den Treppenstufen einen Sitzplatz an der Wand suchen. Wir sehen durch die Treppenstufen,

wenn jemand kommt und haben dann das Überraschungsmoment mit viel Glück auf unserer Seite.“ Als Antwort sehe ich nur Luisas helle Zähne durch ein sympathisches und wissendes Lächeln blitzen. Diese Frau gefällt mir immer besser. Ich spüre, wie ich Vertrauen zu ihr aufbaue und frage mich unweigerlich, wie die beiden sich wohl fühlen. „Wie geht es Euch? Ich meine, ich weiss, in welcher Situation wir uns befinden und dass keiner gerade in Feierlaune ist. Aber trotzdem, wie geht es Euch?“ Luisa findet als erstes Worte und fasst unsere Situation präzise zusammen. „Was glaubst du wie es uns geht? Wir sind am Arsch und genauso fühle ich mich auch.

Netter Versuch uns aufzumuntern, aber bitte erspar uns und dir das.“ Ok, das war klar und deutlich. Ich fühle mich hilflos. Ich will diese beiden beschützen und uns hier möglichst heil rausbekommen. Allerdings scheine ich bereits an der einfühlsamen Gesprächsführung zu scheitern. Kilian ignoriert meine Frage einfach und stellt eine Gegenfrage. „Hat eigentlich keiner von Euch Hunger? Ich sterbe vor Hunger und trinken könnte ich auch.“ Weder Luisa noch ich haben darauf eine zufriedenstellende Antwort, also lassen wir Kilians Frage unbeantwortet im Raum stehen. Sie war sowieso mehr rhetorischer Natur und ich glaube nicht, dass Kilian ernsthaft eine Antwort erwartet.

Kilian setzt sich, leise Flüche vor sich hin murmelnd, hinter der Treppe auf den Boden, zieht seine Knie dicht an seinen Körper und umschließt diese mit seinen Armen. Das Licht scheint draußen nun vollständig von den Schneeflocken verdrängt worden zu sein. Die Sicht unter Deck wird immer schlechter. Luisa setzt sich neben Kilian und legt ihren Arm um ihn. „Komm mal her Großer. Uns geht es allen nicht besonders gut mit dieser Situation, aber ich bin mir sicher, dass wir, wenn wir zusammenhalten, hier bald rauskommen. Wir haben bereits ein paar Hürden genommen. Schlimmer kann es ja kaum noch

kommen.“ Kilian scheint die körperliche Nähe zu Luisa allerdings unangenehm zu sein, sodass ihn Luisas Worte scheinbar nicht wirklich erreichen. Ich würde sofort mit ihm tauschen. Ich höre die Unterhaltung der beiden nur noch wie durch Watte und schweife in meine eigene kleine Gedankenwelt ab. „Wo um alles in der Welt sind wir hier? Wo kommst du wohl her und was machst du hier?“, flüstere ich dem alten Holzwrack in den Raum. Unbeeindruckt schlägt mir nur Stille entgegen. Was haben wir hier? Vereinzelt finden sich ein paar lose Gegenstände. Ich sehe einen Stuhl, einen kleinen Tisch und irgendein Haufen

irgendwas. „He ihr zwei, ich schau mich hier unten mal etwas um. Vielleicht können wir etwas von dem Kram hier gebrauchen.“ „Bring mir ‚n Hamburger mit“, kann Kilian dann doch noch etwas Humor aufbringen. Das Dröhnen wirkt nun lauter, aber immer noch ziemlich weit entfernt. Ich taste den Stuhl ab, fahre mit meinen Händen über die Tischplatte. Es tut gut vertraute Gegenstände zu berühren. Der Haufen irgendetwas hat sich als ein lose hingeworfenes Seil herausgestellt. Das könnte sich für uns als praktisch erweisen, wir sollten es morgen mitnehmen. Ansonsten liegt nur Schrott herum. Holzteile, alte Nägel,

kaputte Eimer. Ich kann nichts anderes finden, was für uns von Nutzen sein könnte. An der Bugspitze angekommen drehe ich mich um und habe einen guten Blick bis zur Treppe. Dahinter breitet sich die reine Dunkelheit aus. Das bisschen Licht, welches draußen noch scheint, dringt durch den Niedergang nur in den vorderen Bereich des Raumes vor. Als ich den Niedergang wieder passiere, verbessert sich die Sicht in den Heckteil des Schiffes etwas und ich sehe Luisa und Kilian unverändert aneinander gekuschelt dasitzen. Kilian hat sich wohl doch auf Luisa einlassen können. Irgendwas ist aber komisch. Ich bleibe in meiner Bewegung stehen und denke nach, was mich an der Situation stört. Mein Blick

schweift durch das Heck. Nichts. Ich drehe mich um, schaue zum Bug. Nichts, nur dasselbe Durcheinander an Müll und Krempel wie vor ein paar Minuten. Mein Blick bleibt an den Treppenstufen hängen, wandert hoch zur Decke und sucht diese ab. Nichts. Wieder nach vorne zum Bug und nach hinten zum Heck. Ich spüre, dass da was ist aber ich kann es nicht benennen. Das macht mich verrückt. Unterschwellig nehme wahr, dass das Dröhnen deutlich lauter geworden ist. Ich bilde mir ein, leichte Vibrationen zu spüren, aber ich ignoriere das für den Moment. Dann zuckt es wie ein Blitz durch meinen Kopf und lähmt mich für einen schrecklichen Augenblick. Das Grollen und Dröhnen ist nicht nur lauter geworden. Das was es erzeugt, ist bereits bei

uns und die Vibrationen habe ich mir nicht eingebildet. Durch meinen gesamten Körper wuchert unvermittelt panische Beklemmung. „BEN!“ Luisa starrt mich verstört an. Erst jetzt wird mir bewusst, dass sie mich bereits mehrfach gerufen hat. Ich war so tief in meinen eigenen Gedanken verloren, dass ich sie nicht gehört habe. Mit zwei schnellen Schritten bin ich bei ihnen und kauere mich zu den beiden auf den Boden. Weil mir nichts Besseres einfällt, drücke beide ganz fest an meinen Körper ran, während wir durch die Spalten und Risse im Rumpf eine gleißende Lichtquelle erkennen. Ganz vorn am Bug beginnt sie sich lähmend langsam an der Schiffwand entlang in unsere Richtung zu arbeiten, während ihr flackerndes Licht

zitternde und zappelnde Schatten durch den Raum wirft. Drei Stunden vorher: „KILI…“, mir bleibt der Rest seines Namens im Hals stecken, als mich etwas am Knöchel berührt. Der verbrannte Waldboden unter mir bewegt sich ungleichmäßig. Ich erstarre vor Schreck und bin für einen Moment wie gelähmt. Was kommt jetzt auf mich zu? Treibsand? Ein schreckliches Husten reißt mich aus meiner immer noch dramatisch aufsteigenden Panik. „Hilfe“, krächzt es von unter der Erde. „Ben, hilf mir, bitte“ Ist das Luisa? Ich reiße mich aus meiner Starre und knie mich hin. Tatsächlich, das ist

ihre zarte Hand, die unter der Schicht von Laub und Erde durchblitzt. Langsam wie ein Zombie drücken sich ein Arm und eine Schulter aus dem Boden hoch. Erde und verbranntes Waldgut blättern von ihrem Körper, der sich langsam von dem verbrannten Grund trennt. „Ich hätte wetten können, dass diese Idee nicht funktioniert“, sagt Luisa mit rauer Stimme. Ein weiteres Husten und Räuspern. „Ich könnte schwören, dass mein Herz für einen Moment aufgehört hat zu schlagen! Du hast mir einen Heidenschrecken eingejagt. Mach das nie wieder! Wo ist Kilian?“ frage ich Luisa. „Hier. Hier bin ich“, klingt es hinter mir, ebenfalls aus Bodenhöhe. Auch Kilian schält

sich aus der Erde und schüttelt Laub, Asche und Erde aus den Haaren und seiner Kleidung. „Was ist hier passiert, was macht ihr unter der Erde?“ Ich bin ganz offen überfordert von dem, was ich hier gerade sehe. „Geht es Euch gut?“ „Als wir erkannt haben, dass wir kriechend nicht schnell genug sind, um dem Feuerregen zu entkommen, mussten wir umdenken. Ich habe gesehen, dass das Feuer der einzelnen Tropfen nicht lang brennt und habe gehofft, dass wir mit einer dünnen Schicht Erde soweit sicher sind, bis die Flammen erloschen sind. Atmen war der schwierigste Teil. Ich bin fast ohnmächtig geworden. Mir geht es soweit gut. Wie geht es dir Kilian?“

„Ganz gut, denke ich. Ich bin fast erstickt, aber sonst ging es eigentlich.“ Meine Anspannung weicht der Erleichterung, dass es beiden gut geht. Ich erspare den beiden eine ausführliche Zusammenfassung meiner Horrror-Kletterpartie und signalisiere mit nach oben gestrecktem Daumen, dass ich auch ok bin. „Ok, ich habe dort drüben ein paar hundert Meter von hier etwas entdeckt, das wie ein altes Schiffswrack aussieht. Das sollten wir uns mal anschauen. Da das Feuer hier nicht lange gebrannt hat, sollten wir genug Holz finden, um später ein kleines Lagerfeuer damit machen zu können.“ „Wieso bewegen sich die Bäume hier nicht?“, fragt

Kilian. „Ich weiß es nicht, aber erinnere dich an den Beginn unserer Reise. Da sind wir auch weit in den Wald gelaufen ohne, dass sich was geregt hat. Es hängen auch keine Stofffetzen in den Kronen. Vielleicht sind die Bäume hier nicht lebendig.“ „Hey Ben“, ruft Kilian. „Siehst du? Wieder so eine komische, schwarze Schneeflocke.“ Luisa fragt „Schon wieder?“ „Ja, Kilian und ich habe bereits im Graben so eine Flocke gesehen. Ich denke es ist Asche, und nach dem Erlebnis gerade scheint mir das auch wahrscheinlicher als Schnee.“ Jeder von uns sucht Überreste von Holz. Unsere Beute ist zwar kein Schatz, aber für ein anständiges Feuer müsste es

reichen. „Da rieselt schon wieder so ein Ding herab“, sagt Luisa und starrt in den Himmel. „Merkwürdig“, nuschelt Luisa. „Sehe nur ich das? Hab ich Halluzinationen oder könnt ihr das auch sehen? Diesen dunklen Strich, den diese kleine Flocke hinter sich herzieht.“ Ich blicke auf und tatsächlich, es scheint, dass sie auf Ihrem Weg in exakt ihrem eigenen Umriss die Farbe des Tages nimmt und gegen ein Blaugrau ersetzt. Von weit oben erscheinen weitere dieser merkwürdigen Erscheinungen. Alle ziehen diese markanten Streifen hinter sich her. Als sie meine Hand berühren, nehmen sie auch der Hand die Farbe. Ich kann es nicht spüren, es passiert einfach. Die Flocken fallen in großen Abständen

zueinander. Mir ist das nicht geheuer. Flocken, die wie ein Tintenkiller die Farbe löschen, oder muss ich sagen, den Tag löschen? „Los, lasst uns keine Zeit verlieren. Wir sollten zum Wrack.“ Die beiden anderen zögern keinen Moment. Auch ihnen steht ins Gesicht geschrieben, dass ihnen mulmig ist. Aus dem Himmel führen immer mehr Streifen hinab zu uns. Zwischen ihnen spielt sich ein faszinierender Wechsel zwischen dunkelblau und dunkelgrau gibt. Es sieht so aus, ob diese grauen Streifen zur Nacht zusammenschmelzen. Still, heimlich und leise aber konsequent löschen sie den Tag aus und alles was sie hinterlassen, ist tiefgraue Nacht. Was bringt dann den Tag?

Eine Feuerwalze? Ich will es lieber gar nicht wissen und hoffe das Schiffswrack bietet uns Schutz für ein paar Stunden Ruhe. Wir alle haben sie so dringend nötig. Da ertönt es zum ersten Mal. Ein dumpfes, tiefes Dröhnen. Es fährt einem direkt in die Magengrube. Mit weit aufgerissenen Augen blickt mir Luisa direkt in die meinen.  

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Gillegan
Danke, dass Du mein Buch liest.

Mein Debüt, Life Game, unterliegt leider noch immer meiner Überarbeitung. Beruflich ziemlich eingespannt, bleibt zu wenig Zeit, diesem spannenden Hobby nachzugehen. Ideen für neue Stories stehen Schlange und warten nur noch darauf, in Worte gefasst zu werden.

Ich danke allen die weiterhin kritisch aber neugierig meinen Geschichten treu bleiben.

C. G.

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Himbeere Klasse, es geht weiter :) LG Himbeere
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