Vormorgen und Übergestern
Gestern werd´ ich reiten lernen; gestern habe ich ein Pferd.
Gestern kaufe ich ein Häuschen mit ´ner großen Koppel, werd´
täglich in den Schwimmteich steigen, Fische knabbern mir am Bein.
Gestern werde ich bei alledem mit ihm zusammen sein.
Morgen hatte ich ein Fahrrad für den Weg zum Arbeitsplatz.
Morgen hatte ich ´ne Bleibe, fand ich mich im Hamsterrad;
täglich zahlte ich ´ne Rechnung, monatlich die Miete und
morgen war ich ohne ihn und lange schon nicht mehr gesund.
Heute sitze ich im Garten,
grab die Zeh´n ins Gras, ganz tief,
spüre kühle Wassertropfen,
die die Nacht dort liegen ließ.
Heute streicht um meine Beine
ein geschecktes Katertier,
schnurrt und köpfelt, steigt geschmeidig
auf den Schoß und wir sind hier.
Gestern werd´ ich Logopädin, werd´ Tierärztin mit Praxis sein,
gestern werde ich viel reisen, Wüsten und das Eismeer seh´n.
Täglich werd´ ich was erleben, werde andren Gutes tun.
Gestern leb´ ich meine Träume, werde froh und glücklich sein.
Morgen war ich nicht mehr fähig
irgendeinen Job zu tun.
Morgen fehlte mir die Kraft, mich noch draußen umzusehen.
Täglich beinah war es schwierig, nur den Tag zu übersteh´n.
Morgen schien die Hoffnung fern, ich kämpfte gegen´s Untergeht´n.
Heute in der Hängematte
spüre ich das sanfte Schwingen,
lasse meine Beine baumeln,
höre im Baum die Vögel singen.
Heute fühle ich die Sonne
und den Wind auf meiner Haut.
Vormorgen und übergestern
hab´ ich fürs Heute eingetauscht.