Fantasy & Horror
Der Schatten in mir - Kapitel 02 Nachtwache

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"Der Schatten in mir - Kapitel 02 Nachtwache"
Veröffentlicht am 17. März 2018, 40 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Der Schatten in mir - Kapitel 02 Nachtwache

Der Schatten in mir - Kapitel 02 Nachtwache

02 Nachtwache

Hyrass im Sommer war selbst in der Nacht unglaublich warm. Dennoch hüllte sich Adela in ihren Umhang, als sie leise aus dem Haus huschen wollte. „Mylady, Ihr dürft so spät nicht mehr das Haus verlassen! Euer guter Ruf …“ Adela blieb im Türrahmen stehen. Ihr guter Ruf würde gerade mal noch drei Wochen halten! „Leg dich wieder schlafen, Gertis. Ich bin vorsichtig.“ „Aber Mylady!“ Nervös knetete das junge Mädchen mit dem runden, freundlichen Gesicht ihr Nachthemd. „Nehmt wenigstens Georg als Begleiter

mit!“ „Georg schläft bereits und das solltest du ebenfalls tun.“ Ein schmales, freches Gesicht poppte um die Ecke. Dem Gesicht folgte eine dünne, schlaksige Gestalt in einfachen Hosen und einem Hemd, das um den dünnen Oberkörper schlackerte. Schnell streifte sich der junge Bursche sein Wams über das weite Hemd. „Ich bin bereit, Mylady. Gertis hat recht. Ihr dürft nicht alleine das Haus verlassen. Euer Vater würde uns umbringen, wenn er davon wüsste.“ „Mein Vater würde so etwas bestimmt nicht tun. Das wisst ihr“, sagte Adela unwirsch. „Naja, er würde uns mit Schimpf und

Schande davonjagen. Das kommt auf dasselbe hinaus“, meinte Georg und drückte sich an Adela vorbei. „Wohin gehen wir eigentlich, Mylady?“ Adela verdrehte die Augen. „Zum Dom.“ „Oh!“ Georgs Augen wurden rund. „Jetzt mitten in der Nacht? Der wird aber gut bewacht.“ „Es ist nicht verboten auch in der Nacht in den Dom zu gehen. Jedenfalls bis jetzt noch nicht. Selbst die Mönche singen immer noch.“ „Tatsächlich.“ Georg kratzte sich im Nacken. Der Junge war bereits seit einem Jahr bei ihnen im Dienst. Er wurde von ihrem Majordomus streng in alle Arbeiten ihres Hauses eingeführt. Und

die Mägde nutzten das weidlich aus. Doch Georg war gefällig und vor allem neugierig. Und angeblich – wenn Adela den Gerüchten Glauben schenken konnte – auch in sie verliebt. Nicht in die kleine dreizehnjährige Carola, die seinem Alter entsprechen würde und auch nicht in Gertraud, sondern in sie. Aber wahrscheinlich auch darum, weil Adela, anstelle ihrer Mutter, die Arbeiten im Haushalt überwachte. Seit ihrem Tod, der jetzt acht Jahre zurücklag, war Adela das Herz und das Zentrum des Hauses Brennhagen. Sie kümmerte sich um die Bediensteten, um die Ausbildung ihrer Schwestern, um die Garderobe ihres Vaters und um die Finanzen ihres

Haushalts. Dabei hatte sie auch noch Zeit gefunden, alte Bücher zu studieren. Eine Leidenschaft, die sie mit ihrer Mutter geteilt hatte. Doch jetzt wollte sie unbedingt zum Dom, koste es was es wolle. Das Schicksal durfte ihr nicht so einen Streich spielen! Das war alles zu unwirklich. Valis sah noch so lebendig aus. So wie sie ihn unzählige Male schlafen gesehen hatte. Nein, sie musste Valis sehen und ihn berühren. Sie musste seinen kalten Körper spüren. Erst dann würde sie es glauben können. Erst dann … Adela richtete sich auf. Sie brauchte jetzt ihre ganze Disziplin, die sie sich all

die Jahre über selbst anerzogen hatte. Der Mond stand voll am Himmel und die Straßen wurden von Öllichtern erleuchtet, als sie zur großen Kathedrale eilte. Adelas Hände zitterten und ihr Magen drohte sich wieder umzudrehen. Doch unbeirrt ging sie weiter. Vor dem Dom standen riesige Feuerschalen, die von den Soldaten am Brennen gehalten wurden. Dennoch waren keine Menschen unterwegs. Die meisten würden am nächsten Tag wiederkommen, um sich zu verabschieden. Doch Adela ging es genau um die Ruhe und um die Möglichkeit, Valis alleine zu sehen. Ihre Kehle war trocken und sie schaffte es nicht zu

schlucken. Alles war wie zugeschnürt. Erst als sie sie räusperte, konnte sie ein paar Worte krächzen. „Warte hier!“, sagte Adela zu Georg und ließ ihn an den Stufen zum Dom stehen. Die Soldaten am Eingang starrten sie an, doch niemand machte Anstalten, sie am Eintritt zu hindern. Aus den offenen Toren drangen die Gesänge der Mönche. Adela glaubte nicht, dass es immer noch dieselben Mönche waren, die auch heute Mittag gesungen hatten, als sie das erste Mal durch den Dom geschritten war. Dennoch klangen die Gesänge genauso unwirklich wie schon vor Stunden. Drinnen war es angenehm kühl und ein ganzes Meer an Kerzen flackerte um den

Altar des Einen. Aus einem Becken am Rande der aufgebahrten Männer stieg Weihrauch auf. Die Stühle der Trauernden waren dagegen weggeräumt worden und aus den Seitenschiffen klangen die Choräle der Mönche an Adelas Ohr. Ansonsten war es still im Dom. Adela dankte und legte ihre Hand kurz auf ihr Herz und ihre Stirn, während sie sich vor dem Einen verneigte. Dann eilte sie, bevor sie der Mut verlassen konnte weiter, bis sie zu den aufgebahrten Leibern der Toten kam. In der Mitte lag der König und rechts von ihm Friedrichs Bruder. Valis lag links davon. Seine hellen Haare leuchteten selbst in der

Dunkelheit des Doms. Adelas Unterlippe begann zu zittern. Die Reinheit seines Antlitzes war ungetrübt. Auch die anderen beiden waren schön und still in ihrer ewigen Ruhe. Valis Hände lagen über seinem Schwert, das sie ihm auf die Brust gelegt hatten. Er war groß, größer als Heinfried von Stroltz und größer als Bernd von Kraneberg. Und dennoch wirkte er so unglaublich jung in seiner blanken Rüstung. Er sah immer noch so aus, als würde er nur schlafen und jeden Moment zum Lächeln anfangen. Sein strahlendes Lächeln, das er immer für sie übrig hatte. Vorsichtig ging Adela noch näher. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. „Valis

…?“, fragte sie erstickt und legte ihre Hand auf die seine. Sie war kalt. Eisig kalt. Kälter als sie hätte sein sollen. Oder hatte man die Körper doch einbalsamiert, damit sie die drei Tage in der Sommerhitze überstehen konnten? Was auch immer, Adela war es egal. Valis Eiseskälte drang direkt in ihr Herz, das sich zusammenkrümmte und ein paar Schläge lang aussetzte. Die Tränen strömten ihr jetzt ungehindert über die Wangen. „Valis“, sagte sie noch einmal und berührte seine Wange. Doch auch hier wächserne Kälte. Kein Leben, kein Hauch, kein Leuchten seiner Augen. Nur Stille. „Warum warst du nicht bei der Armee, Valis? Du hast mir doch

gesagt, dass du bei der Armee sein wirst! Begun sollte beim König sein, nicht du! Oder hast du bereits gewusst, dass du nur als Toter zurückkommen wirst?“ Natürlich gab ihr Valis keine Antwort. Still lag er vor ihr, das schöne Gesicht ungerührt und unbeweglich. Mit einem leisen Schrei sank Adele neben der Bahre zusammen. Sie konnte nicht gehen. Sie wollte bei ihm sein. Eng hockte sie sich an seine Bahre gepresst hin und zog den Umhang noch enger. „Wie soll es jetzt mit mir weitergehen, Valis?“, flüsterte sie vor sich hin. „Du warst erst achtzehn als wir heirateten. Deine Familie wird die Hochzeit annullieren. Egal wie viele Zeugen unterschrieben haben. Aber ich

habe auch noch das Pergament, indem du unser Kind anerkennst und ihm deinen Namen gibst. Das Einzige, das niemand anfechten kann. Wahrscheinlich hast du doch alles gewusst …“ Adelas Tränen strömten über ihre Wangen. „… oder zumindest geahnt.“ Adela hatte Valis kalte Hand gespürt und konnte es dennoch nicht glauben. Begun sollte hier liegen, nicht Valis! Valis war verheiratet und würde Vater werden! Sie trug sein Kind bereits seit fünf Monaten in sich. Noch konnte sie es verbergen. Aber länger als ein weiterer Monat würde es nicht mehr gehen. „Warum wolltest du eigentlich mich? Ausgerechnet mich? Du hättest mit

deinem Aussehen und deinem Stand jede haben können, Valis. Warum mich? Und warum glaubte ich dir? Du warst so unglaublich jung!“ Adela ließ ihren Kopf in ihre Hände sinken. Am liebsten wäre sie die ganze Nacht an Valis Seite geblieben, doch leise Schritte schreckten sie auf. Sie war wohl nicht mehr alleine. Als sie aufstand, trat ihr der oberste Priester entgegen. Erstaunt hob er seine Augenbrauen als er sie sah. „Die Trauerfeierlichkeiten fangen erst morgen wieder an“, sagte er bestimmt. „Ist es verboten in der Nacht herzukommen?“, fragte Adela und wischte sich über ihre Wangen. „Der

Dom steht uns doch zu jeder Tages- und Nachtzeit offen.“ „Nein, es ist nicht verboten. Aber sehr ungewöhnlich. Wir haben nicht damit gerechnet, dass sogar nachts Abschied Suchende herkommen würden. Noch dazu, wo wir nicht sicher sind was … was geschehen war.“ „Was seid Ihr Euch nicht sicher?“, fragte Adela. „Über ihren Tod?“ Blöde, irrsinnige Hoffnung! Der Hohepriester lächelte milde. „Nein. Ihr Tod ist gewiss. Doch niemand sah, wie es geschah. Wir fürchten, dass der Unaussprechliche sie geholt hat. Schattenfürst Chrun. Und was das bedeutet, kann niemand von uns auch nur

erahnen. Es war noch dazu am helllichten Tag, vorbei an den Wachen. Kein Kampflärm war zu hören und während die Armee siegreich war, starben König Heinfried von Stroltz und seine beiden Offiziere, die bei ihm im Zelt waren, ohne dass jemand auch nur irgendetwas bemerkt hatte. Als sie gefunden wurden, lagen sie völlig friedlich da, als würden sie schlafen. Man sprach vom ‚Schattentod‘. Ihr wisst was das bedeutet?“ Adela nickte. „Davon berichten die Bücher bereits seit über hundert Jahren. Nur hat niemand so recht daran geglaubt. Bis auf einige Abenteurer, die ihn anriefen und ihr Schicksal

herausforderten und ihre Begleiter, die dann darüber berichteten. Der Schattenfürst blieb für sich. Warum zeigt er sich jetzt so offen?“, fragte Adela. Sie wusste auch, dass derjenige, den der Schattenfürst berührte, innerhalb von Sekunden starb. Bis jetzt hatte es nur wenige getroffen. Abenteurer und ja … Valis hatte ihr erzählt, dass es ausgerechnet auch immer seine Familie traf. Immer den ältesten Sohn. Manchmal wurde eine Generation übersprungen, doch immer wieder holte der Schattenfürst einen von ihnen. Das war ein wohlgehütetes Geheimnis der Apelhoes. Und darum konnte es nicht stimmen. Valis war nicht der älteste

Sohn, sondern Begun! Begun hätte geholt werden sollen, nicht Valis! Begun sollte verdammt noch mal auf der Bahre liegen und auf ein ewiges Leben im Schatten warten, nicht Valis! Adela ballte ihre Hand zur Faust. „Aber wie?“, fragte sie schließlich, als sie sich wieder halbwegs im Griff hatte. Dabei strich sie nochmals über Valis kalte Hand. „Der Schattenfürst darf sein Reich doch nicht verlassen. Wie kann er die Männer zu sich geholt haben? Er musste sie selbst berühren.“ „Das haben wir alle uns gefragt. Doch wenn die letzten zwanzig Jahre bereits begonnen haben, dann gibt es keine Schranken mehr für den Schatten. Und

noch etwas gab es, das im Zeit gefunden wurde – ein Brief.“ Adela fühlte, wie ihr Atem versiegte. Ganz so, als würde sich eine kalte Hand auf ihre Brust legen und zudrücken. „Niemand wusste, wie der Brief zum König gelangen konnte, bis sich einer der Männer an einen kleinen, schmutzigen Jungen erinnerte“, sagte der Hohepriester. „Ein kleiner, schmutziger Junge, der angeblich einen Brief für Bernd von Kraneberg brachte.“ „Wie schrecklich!“, entfuhr es Adela. „Ja“, der Hohepriester nickte. „Niemand dachte sich etwas, als der Junge sich an ihnen vorbei drängte ...“ Doch es war kein Brief für Bernd von Kraneberg …

Es war ein Schreiben des Schattenfürsten selbst …“ Stumm deutete der Hohepriester auf den Altar. Dort lag das aufgefaltete Pergament und Adela trat näher. Es standen nur ein wenige Worte darauf: ‚Eure Zeit läuft ab‘. Schauer rannen Adela über den Rücken. „Der Schattenfürst kann die Gestalt eines Kindes einnehmen?“, fragte sie geschockt. „Wie es scheint …“, meinte der Hohepriester. „Und hört auf den Toten zu berühren. Die letzten Jahre der Prophezeiung sind vermutlich schon angebrochen. Chruns Präsenz wird stärker werden. Mit jedem Jahr. Wer

weiß ob er sogar vor dem Dom haltmacht. Ich war ja dagegen, dass man die Leiber hier aufbahrt, aber die Ratsherren haben mich überstimmt.“ „Das war eine Falle …“, sagte Adela, die dem Hohepriester gar nicht zugehört hatte. Alles in ihren Bauch verkrampfte sich. Sie spürte die leisen, hektischen Bewegungen ihres Kindes, und versuchte tief einzuatmen, um die Krämpfe zu lösen. Sie musste jetzt stark sein. So wie nach dem Tod ihrer Mutter. „Ja“, sagte der Hohepriester. „Der Schattenfürst Chrun wollte wohl gar nicht Krieg führen. Er wollte den König.“ „Und darum musste auch Valis sterben

…“ „Seine Seele ist jetzt im Schattenreich. Wir können nur mehr für sie beten“, meinte der Hohepriester. „Der Eine nimmt sich doch aller seiner Kinder an“, fragte Adela unsicher. Gütig tätschelte ihr der Hohepriester den Arm. „Ja, ja. Doch die Seelen dieser Männer sind dem Einen nun verborgen. Eingebettet in den Schatten. Wer weiß schon, wie oder wann sie wieder in sein Licht finden werden.“ „Sind sie verflucht?“ Ernst sah der Hohepriester sie an. „Ja, meine Liebe. Wir haben schon lange davon gewusst, wie der Schattenfürst seine Armee einberuft. Doch die

Ratsherren wollten das Volk schützen. Ich glaube, sie wollten sich auch selbst schützen. Die Augen verschließen vor dem Unaussprechlichen, dem Unvermeidbaren. Das wird nun nicht mehr gehen. Auch Kapaun wird nicht sicher vor den Schatten sein ...“ Adela sog scharf die Luft ein und drückte ihre Hand auf ihren schmerzenden Bauch. Die Krämpfe wurden immer ärger. „Kann man denn gar nichts tun?“, fragte sie mit zusammengebissenen Zähnen. „Doch.“ Ernst nickte der Hohepriester. „Betet mein Kind …“ Adela öffnete den Mund zu einem stummen Schrei. Voller Schmerz

krümmte sie sich zusammen. „Was habt Ihr?“, fragte der Hohepriester alarmiert, doch Adela konnte nicht antworten. Alles in ihr zog sich zusammen. Es war, als würde das Kind selbst sich zusammenziehen. Sie spürte die Furcht, noch bevor sie etwas anderes spüren konnte. Und dann hörte sie es … Es klang, als würde etwas über den Boden schleifen, als würden gefallene Blätter über dem Marmor des Domes zusammenlaufen. Trotz ihrer Krämpfe, versuchte Adela auf die Beine zu kommen. Zitternd hielt sie sich an Valis Bahre an. „Hört Ihr das auch?“, fragte sie, doch sie sah die Antwort auf dem Antlitz des

Hohepriesters. Verkrampft hielt er sich die Hand auf die Brust und begann heilige Formeln zu murmeln. Und die Gesänge der Mönche verstummten … Einer nach dem anderen. Adela spürte, wie ihr die Kälte den Rücken hochkroch. Und den Arm, mit dem sie sich an Valis Bahre anhielt. Die Stille aus den Seitenschiffen, aus denen zuvor noch die Choräle geklungen hatten, war erdrückend. Schließlich ertönte ein Seufzen, wie das Einatmen, das Sich-Ergeben einer Seele vor dem Tod und dann quoll die Schwärze von den Seitenschiffen herab und das Schleifen auf dem Marmorboden wurde

deutlicher. Jedes Wort, jeder Ton erstickte in Adelas Kehle. Mit einem Ruck zwang sie ihre Hand von der Bahre. Der Schmerz raubte ihr beinahe die Besinnung. Ihre Haut, dort wo die Hand aufgelegen hatte, war zurückgeblieben. Ihre rechte Hand war eine einzige Wunde. Und sie konnte immer noch nicht schreien. Wenigstens konnte sie an die Wand zurückweichen. Schützend legte sie die verletzte Hand über ihren Bauch indem sich ihr Kind noch immer zusammen zog. Stöhnend krümmte sie sich und wäre am liebsten zusammengesunken. Doch Adela wusste, dass sie dann nicht mehr hochkommen

würde. Das Schleifen steigerte sich zu einem infernalen Lärm. Jedenfalls kam es Adela so vor. Der Hohepriester stand da und faselte seine heiligen Gebete, doch die Schwärze verdichtete sich immer mehr und glitt unter diesem grauenhaften Schleifen, das so leise war und doch so laut in ihren Ohren dröhnte, immer weiter auf sie zu. Adela glaubte schon zu ersticken, als sich endlich der Krampf um ihre Kehle löste. Langsam sog sie die Luft ein, die ihre Lungen einzufrieren drohte. Wie kalt konnte es noch werden? Nicht einmal in den Wintermonaten war es jemals so kalt in Hyrass gewesen. Und

Adela war nie in Korass gewesen, dem Land der Meermenschen. Dort sollte es angeblich Winter geben, die alles mit Eis bedeckten. Etwas, das in Hyrass nicht vorkam. Sie kannten hier keinen Schnee und auch kein Eis. Aber jetzt, jetzt wusste Adela was Kälte bedeutete. Kam der Schatten vielleicht aus dem Reich der Meermenschen? Panisch hetzten Adelas Gedanken hin und her. Sie musste sich auf etwas konzentrieren, sonst würde sie den Verstand verlieren, wie der Hohepriester vor ihr, dessen heilige Formeln bereits in hysterisches Flüstern übergegangen waren. Er stand direkt vor den Bahren und die Schwärze kam auf ihn zu, sie

erfasste ihn, schwappte über ihn. Sein Kreischen war das Letzte, was Adela hörte, bevor sich der Hohepriester vor ihren Augen auflöste. Als wäre sein Körper nichts weiter als schwarzer Sand gewesen. Und dann kroch die Schwärze über die toten Leiber. Das Schleifen über den Marmor hörte auf und die dunklen Schatten fuhren in die Verstorbenen. Adela hörte einen Sog, ein Seufzen. Dann war alles still. Nur die Leiber der Toten leuchteten. Besser gesagt sie verschluckten jedes Licht, sie sogen es an sich und vereinnahmten es. Jede Kerze schien auf sie zuzudriften und sich in der Lichtlosigkeit der Körper

aufzulösen. Adela zog den Umhang enger um ihren zitternden Leib. Die Kälte fror sogar ihren Atem ein. Wie eine weiße Wolke stand er vor ihrem Gesicht. Und dann begann das Knarren. Zuerst ganz leise, dann immer lauter. Adela versuchte wieder an die Meermenschen zu denken. Sie begann sie vor ihrem geistigen Auge zu zählen. Sie musste an etwas denken, sie musste ihren Verstand bei sich behalten, denn das was sie sah, konnte nicht die Wahrheit sein. Und doch erhob sich Heinfried von Stroltz von seiner Bahre. Genauso wie Bernd von Kraneberg. Sie standen da, bleich und gleichzeitig wabernd mit der Schwärze,

die durch ihre Körper drang und sie umhüllte. Alles an ihnen war bleich, doch in ihren Augen glomm ein rotes Licht. Ganz schwach nur, aber Adela konnte es sehen, als sie sich zu ihr umdrehten. Heinfried streckte seinen Arm nach ihr aus. Eine wabernde Schwärze drang aus seinem Mund. „Hier ist noch ein lebendes Wesen?“, hörte Adela seine fragenden Worte. Dann machte er einen Schritt auf sie zu. „Es soll in diesem Dom kein lebendes Wesen mehr geben! Der Dom gehört den Schatten! Der Fürst hat es so bestimmt …“ Adela zählte immer noch kalte Meermenschen. Sie war in Korass und

wusste es wohl nicht mehr. Erst ein Schmerz, der ihren Leib wieder zusammenkrampfte, erinnerte sie daran, dass sie doch im Dom des Einen war und dass vor ihr die Schatten zu leben begannen. Die Furcht ihres Kindes in ihrem Leib brachte Adela zur Besinnung. Schützend legte sie ihre verwundete Hand vor ihren Bauch und wich noch weiter zurück. Heinfrieds Gesicht verzog sich zu einer grinsenden Fratze. „Ich habe Hunger …“, sagte sein schmallippiger Mund und seine Hand mit den suchenden Fingern, streckte sich ihr entgegen. Adela spürte, wie Heinfrieds eisige Finger sich bis zu ihr tasteten, auch

wenn er keinen Schritt weiter auf sie zugemacht hatte. Die Schatten, die ihn umgaben dehnten sich dafür aus und tasteten über den Boden auf sie zu. Ihr Atem stockte und die weiße Wolke gefror vor Adelas Mund. Das schleifende Blättergeräusch war wieder da, als sich die Schatten langsam über den Marmorboden auf sie zubewegten. Adela glaubte schon die eiskalten Finger um ihre Kehle zu spüren. Sie würde genau wie der Hohepriester zu schwarzem Sand werden und mit ihr ihr ungeborenes Kind. Doch sie konnte keinen Finger rühren. Es war, als wären auch alle ihre Bewegungen eingefroren. Sie konnte nicht einmal die Augen

schließen. Ohne den Blick abwenden zu können, sah sie unentwegt in Heinfrieds rotglühende Augen, die plötzlich zu flackern begannen. Dann schoss ein schwarzer Arm von der Seite her vor und fuhr vor ihrem Gesicht in die Wand. Heinfrieds Schattenfinger zogen sich raschelnd zurück. Adela konnte sich wieder bewegen und sank an der Wand langsam zu Boden. Sie konnte sich nicht mehr aufrecht halten. Würgend versuchte sie Atem zu holen und seufzte auf, als sie die eiskalte Luft wieder einatmen konnte. Erst jetzt sah sie langsam auf und erschrak zutiefst. Vor ihr stand Valis. Sein Gesicht leuchtete bleich in der Schwärze, die ihn

umgab. Seine Augen waren schwarz. Nicht das wasserhelle Blau, das sie immer so freudig angefunkelt hatte. Sie waren vollkommen schwarz und in ihrer Tiefe leuchteten rote Punkte. Valis starrte sie an und sie wollte schon ihre Hand nach ihm ausstrecken, doch er wich zurück. Erst als er die blutigen Wunden an ihren Händen sah, leckte er sich kurz über die Lippen. „Valis!“, krächzte Adela und fand sogar die Kraft, sich wieder an der Wand hochzuziehen. Doch der Mann vor ihr schüttelte den Kopf. „Nein. Chrun. Ich bin Schattenfürst Chrun und ich bin gekommen, um mein Erbe vorzubereiten. Die Prophezeiung

erfüllt sich und ich werde endlich meinen Frieden finden.“ Die Stimme war wie ein Hauch. Nichts an ihr erinnerte an Valis fröhlichen, hellen Tenor. Doch Adela schüttelte stur ihren Kopf. „Nein, das stimmt nicht. Das kann nicht stimmen. Begun sollte hier liegen. Begun ist der Älteste der Apelhoes. Valis ist mein Mann. Verlasst Valis. Er gehört Euch nicht.“ Wellen der Schwärze fuhren Valis Körper auf und ab und er krümmte sich. Schließlich verschwand die Schwärze aus seinen Augen und er blickte Adela zutiefst verzweifelt an. „Adela! Wir wurden betrogen! Ich habe nicht die Kraft ihn aufzuhalten. Kämpfe

Geliebte, kämpfe …“ Ein weiterer Krampf fuhr durch ihn, dann zog wieder die Schwärze in Valis Augen und der tote Körper richtete sich erneut auf. „Genug!“, hauchte die grauenhafte Stimme durch Valis vollen Lippen, die sich zu einem grauenhaften Lächeln verzogen. „Wie auch immer. Der Körper gehörte einem männlichen Nachkommen der Apelhoe und damit jetzt mir. Wenn ich ihn verlasse, zerfällt er zu Staub. Seine Seele wird mir dienen und ich werde in zwanzig Jahren darin meine Braut nehmen. So steht es geschrieben und so wird es sein.“ Seine rotglühenden Augen maßen Adela kalt. Dann schlossen sie sich kurz und

ein Eiseshauch fuhr über sie. „Das ist mein einziges Zugeständnis und ich weiß nicht, wieso ich es gewähre.“ Ein schwarzer Hauch glitt über Adelas Hand, dann zog er sich zurück und ihre Schmerzen hörten auf. Verwundert zog sie die Hand an sich, doch sie war geheilt. Der Schattenfürst musterte sie nochmals kalt, dann schritt er zum Mittelgang und wendete sich zum Ausgang des Domes. Ungerührt folgten ihm Heinfried und Bernd. Niemand sah sich mehr nach Adela um. Sie hörte noch das seltsame schleifende Geräusch, als die Schatten über den Marmor krochen, dann spürte sie, wie die Beine unter ihr nachgaben und alles um sie schwarz

wurde. Ihr letzter Gedanke galt Valis und ihrem Kind, das sich langsam wieder ausdehnte. Als hätte es sich verkrochen. Vor den Schatten, oder vor dem Schattenfürsten. Als hätte es instinktiv die Gefahr gespürt, die ihm als Apelhoe drohten …

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Terazuma
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Ich selbst komme aus Österreich und Schreiben ist eine Leidenschaft, der ich schon seit einigen Jahren fröne. ^^ Am liebsten schreibe ich lange Fantasy-Geschichten. Dabei lasse ich meine Protagonisten durch alle Höhen und Tiefen gehen, die in einen so langen Plot nur hineinpassen. An Abenteuern, Dramatik und Romantik wird es ihnen nicht mangeln. Nur an Ruhe und Beschaulichkeit. ^^
Ich hoffe, hier auf dieser Seite auch viele andere schreibwütige Hobby-Autoren kennen lernen zu können. Auf einen regen Austausch von Kommentaren, Kritik und sämtlichen anderen Anmerkungen freue ich mich schon!

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EagleWriter Ich hoffe ich kann bald mit Lesen aufholen^^
lg
E:W
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Terazuma Hi Eagle!
Ja, ja, lass dir nur Zeit, bis du wirklich welche hast!^^
LG Tera
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