Fantasy & Horror
Der Schatten im mir - 01 Kriegsopfer

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"Der Schatten im mir - 01 Kriegsopfer"
Veröffentlicht am 10. März 2018, 62 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
© Umschlag Bildmaterial: alphaspirit - Fotolia.com
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Über den Autor:

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Der Schatten im mir - 01 Kriegsopfer

Der Schatten im mir - 01 Kriegsopfer

Einführung


20 Jahre ... Mehr bleibt dem Königreich Hyrass nicht mehr, denn das Schattenreich wartet bereits an seinen Grenzen. Mitten im Zenrum des Geschehens steckt Adela, die älteste Tochter des Ratsherrn Viktor von Brennhagen. Doch wie tief sie in allem bereits drinsteckt, davon hat sie keine Ahnung. Zum Glück. Oder - würde man etwas daran ändern, wenn man es wüsste?

01 Kriegsopfer

Leise tropfte die Zeit im Dom dahin ... Es erschien alles so unwirklich. Die sanften Choräle, die von den Mönchen gesungen wurden, der Duft des Weihrauchs, der durch den hohen Dom zog, das Sonnenlicht, das sich in den bunten Scheiben brach und die aufgebahrten Leichname der gefallenen Offiziere … Adela fühlte, wie die Übelkeit in ihr hochkroch. Verzweifelt krallte sie sich in das Kleid ihrer Schwester, bis die ärgste Welle vorüber ging. Verdutzt blickte

Gertrude sie an. „Was hast du nur?“, fragte sie und nahm Adelas klamme Hand kurz in die ihre, bevor sie sie wieder losließ. „Wir müssen den Verstorbenen die letzte Ehre erweisen, das weißt du, also reiß dich zusammen! So schlimm sehen sie auch nicht aus.“ Adela nickte und blickte zu den hohen Fenstern, während sie versuchte die Tränen wegzublinzeln. „Also, Mädchen!“, rügte ihr Vater, während sie langsam auf die Toten zuschritten. „Nehmt Haltung an. Friedrich von Kraneberg erwartet von seiner Verlobten und deren Familie schließlich ein Mindestmaß an Respekt

seinem gefallenen Bruder gegenüber.“ „Adela hat etwas Falsches gegessen!“, wisperte Adelas kleine, dreizehnjährige Schwester wichtigtuerisch und schmiegte sich näher an ihren Vater. „Jetzt ist ihr übel.“ „Ihr werdet euch dennoch zusammenreißen.“ Viktor von Brennhagen richtete sich kerzengerade auf und schleuderte böse Blicke auf seine älteste Tochter. Die Unwirklichkeit wurde schier erdrückend. Adela zog ihren Umhang noch fester um sich. Sie war die Einzige, die bei dieser Sommerhitze einen Umhang trug. Doch im Dom des Einen war es immer kühl. Gertraud zog

ungeduldig an ihrem Umhang und Adela folgte ihr zum Altar. Davor waren drei Holzgestelle aufgebaut worden auf denen die Körper der Männer in ihren Rüstungen lagen. Sie sahen aus, als würden sie schlafen. Selbst König Heinfried von Stroltz, der älteste von ihnen, wirkte mit seinen achtunddreißig Jahren und seinem dunklen Bart jung und verletzlich. Genauso jung wie die beiden Männer neben ihm. Valis von Apelhoe und Bernd von Kraneberg, Friedrichs älterer Bruder. Wie versteinert saßen die Frauen und Mütter der Verstorbenen auf ihren Plätzen. Nicht einmal die Königin wankte. Bleich und gefasst saß sie auf

ihrem Stuhl. Das war unwirklich. Niemand saß so gefasst vor dem Leichnam des eigenen Gatten! Adela biss sich so fest in ihre Wange, bis sie Blut schmeckte. Das half ihr vor die Gestelle treten zu können und sich, genau wie ihre Schwester, ehrerbietig davor zu verneigen und dem gefallenen König, wie auch dem Schwager Gertrauds die letzte Ehre zu erweisen. Und auch Valis von Apelhoe, dem vielversprechenden Spross aus Hyrass Hochadel. Mit seinen neunzehn Jahren zu jung um Frau und Kind zu hinterlassen. Andererseits … An dessen statt saßen seine Eltern und sein Bruder Begun von Apelhoe auf den Kondolenzstühlen neben

den Bahren. Und Adela stand davor und hielt schützend ihre Hand über ihren Bauch. Unter dem Umhang, wo es keiner sah. Als Adelas Blick auf Valis blonden Schopf fiel, biss sie sich beinahe die Zunge ab. „Er schläft nur! Er kann nur schlafen!“, sagte sie sich dabei immer wieder, auch wenn die wächserne Haut seines schönen, bartlosen Gesichtes, sie eines Besseren belehrte. Wenigstens seine Mutter weinte hemmungslos. All die Tränen, die sich Adela verbeißen musste, von denen niemand wissen konnte. Mit festem Blick richtete sie sich auf und schritt an den Trauernden vorüber.

Kurz verbeugte sie sich, wie alle anderen auch, vor Sebelion, dem Bruder des Königs und morgen schon der neue König von Hyrass. Bleich und schmal saß er auf seinem Stuhl. Sein hageres Gesicht umrahmt von dunklem, halblangem Haar. Der Sieg über das Heer der Schatten war teuer erkauft worden. Zu teuer und zu bitter. Nicht nur für Adela. Endlich waren sie vorüber. Gertraud hatte auch Friedrich noch vertraut zunicken können, der neben seinem Vater und seiner Mutter unter den engsten Trauernden saß, dann schoben sie sich bereits zum Ausgang des Domes. Es würde noch den ganzen Nachmittag und

zwei weitere Tage dauern, bis alle von ihrem König Abschied genommen hatten. Adela atmete tief ein, als sie in das helle Sonnenlicht traten. Im Dom hatte sie geglaubt zu ersticken. Sie hatte Valis Leichnam gesehen, doch sie konnte es immer noch nicht glauben. Die Verluste des Kampfes gegen das Heer des Schattenfürsten waren gering. Ohne Mühe war es Hyrass Armee gelungen, die annektierten Gebiete in Vohrasch wieder zurück zu gewinnen. Doch es war wohl eine Falle gewesen. Hyrass war reicher denn je, doch die Galgenfrist war kürzer geworden. Genau darauf war es dem Schattenfürsten, dem Unaussprechlich Dunklem, wohl angekommen. Adela hätte

die leise geführten Unterhaltungen der Männer gar nicht belauschen müssen, um sich darüber im Klaren zu sein. „Kommt, wir müssen nach Hause“, sagte ihr Vater. „Es bleibt uns gerade noch genug Zeit, um uns frisch zu machen, bevor wir in den Palast zur Feier der bevorstehenden Krönung geladen sind. Adela, kümmere dich um die Kleine. Sie ist alt genug, um ebenfalls adrett aussehen zu können. Gertraud wird ja selbst wissen, was es für sie bedeutet.“ „Ja, Vater“, sagte Adela mechanisch. Ein kurzer Schmerz auf ihrer Wange ließ sie zusammenzucken. Ihr Vater hatte ihr tatsächlich in die Wange gezwickt. Dabei blinzelte er sie verschwörerisch an. „Du

hast gute Arbeit geleistet, seit dem Tod deiner Mutter. Nachdem Gertraud verheiratet ist, werde ich mich um einen Gemahl für dich kümmern. Als Berater des alten wie auch des neuen Königs, wird es mir nicht schwerfallen, auch für dich eine gute Partie auszuhandeln.“ Prüfend sah er sie an. „Ich hätte es beinahe übersehen, doch noch bist du nicht zu alt.“ Adela wäre am liebsten in Grund und Boden versunken. Ich bin bereits verheiratet – hätte sie ihm ins Gesicht schreien wollen. Doch nein, sie war nicht mehr verheiratet, sie war verwitwet. Und damit hatte ihr Vater recht. Sie war vor zwei Monaten bereits vierundzwanzig

Jahre alt geworden. Viel zu alt für eine gute Partie, wie ihr Vater es ausdrückte. Viel zu alt für die noblen Herren, wenn auch nicht zu alt für Valis … Doch Valis lag kalt und tot im Dom. Der jüngste der Offiziere. Die Nähe zum Monarchen hatte ihm das Leben gekostet. Adela sog schnell die Luft ein und nickte ihrem Vater zu. Sie würde ein Gespräch mit ihm führen müssen. Doch nicht jetzt. Man merkte noch nichts. Erst nach Gertrauds Hochzeit, die in drei Wochen stattfinden sollte. „Wir müssen uns beeilen“, sagte sie deshalb und drängte die Kleine voran. Gertraud, die vorigen Monat siebzehn geworden war, tänzelte aufgeregt die Straße hinab. Der König

war tot, doch das Leben ging weiter. Ganz besonders ihr Leben. Als Friedrichs Gattin würde sie in den höchsten Adelskreisen verkehren. Sie würde sogar besser gestellt sein als ihre Schwester Brenda, die vor einem Jahr einen reichen Patrizier geheiratet hatte und ihr erstes Kind erwartete. Sie war an der Seite ihres Mannes viel weiter hinten in der Schlange der Menschen gestanden, als Viktor Brennhagen und seine noch unverheirateten Töchter. Adela schwindelte es. Die Choräle der Mönche klangen unwirklich im Sonnenschein. Sowie all die schwarzen Roben unwirklich aussahen. Auch die Soldaten, welche den Eingang des Doms

flankierten sahen unwirklich aus. Genauso die schwarzen Fahnen, die überall von den Dächern der Häuser wehten. Drei Tage würden die Toten im Dom aufgebahrt werden. Drei Tage, in denen sich Adela noch verabschieden konnte. Irgendwann nachts, wann es ruhiger werden würde. Sie musste Valis noch einmal sehen, um es glauben zu können. Dann, wann keiner sie beobachten konnte. Obwohl, es war sowieso egal. Für Adela würde es nur mehr den Konvent der Lichtträgerinnen geben. Den Konvent alter, verwitweter Frauen, die niemand mehr haben wollte und in Ungnade gefallener Mädchen. Nur

würden sie dort keine erhabenen Choräle singen, wie die Mönche. Sie würden im eigenen Garten arbeiten und beten und sticken und auf ihren Lebensabend warten … „Wo bleibst du nur, Adela!“ Grima, ihre Freundin drängte Adela in eine Ecke. Ihr dicker Bauch behinderte sie ein wenig, doch um nichts auf der Welt hätte Grima sich jetzt noch von ihr abdrängen lassen. „Was sagst du dazu?“, fragte sie atemlos. „Sebelion nimmt die blutjunge Chrissa zur Gemahlin! Eine Frau aus völlig nichtssagendem Adel. Das ist ein Skandal!“ „Ach hör schon auf“, sagte Adela und

hielt sehnsüchtig nach einem Diener Ausschau, der mit gefüllten Weingläsern seine Runde machte. Sie brauchte etwas von dem schweren, süßen Wein. Anders würde sie diesen Abend nicht überstehen. Wie konnte Sebelion angesichts des Todes seines Bruders nur einen Ball geben? Nur weil es so Brauch war? Der König ist tot, es lebe der König! Adela schüttelte sich innerlich. Ganz mechanisch antwortete sie ihrer Freundin: „Natürlich sucht sich Sebelion die hübscheste Anwärterin aus. Aus einem sehr kinderreichen Haus. Sebelion mag farblos sein, aber nicht dumm. Du kennst die Bedingungen des Schattenfürsten. Das Geschlecht der

Stroltz stirbt aus. Scheinbar waren alle Prophezeiungen richtig.“ „Ach, Papperlapapp. Alles dummes Gewäsch“, winkte Grima ab. „ Alle ducken sich vor dem ‚Schattenfürsten‘. Doch niemand hat ihn noch gesehen. Jetzt plötzlich soll er aufstehen und sich rühren, nur weil der Tag der Prophezeiung näher rückt? Pffft! Ich glaube nicht daran und mein Mann auch nicht. Ich denke eher, der gute Sebelion will das nachholen, was er seit über fünfzehn Jahren versäumt hat. Ob der überhaupt weiß, wie es geht?“ „Grima!“ Ihre Freundin lächelte gruslig. „Ich glaube nicht, dass die Mönche Unterricht

darin bekommen, wie sie eine Frau beglücken können. Und Sebelion soll ein sehr frommer Mönch gewesen sein! Zu dumm aber auch, dass König Heinfried nur zwei Töchter zeugen konnte und auch der schöne Hektor starb. Jetzt hängt angeblich alles an Sebelion. Aber wie gesagt. Ich glaube nicht daran.“ Verächtlich schnupfte Grima auf. „Und an Chrissa“, warf Adela ein. Sie schüttelte innerlich den Kopf. Wie konnte man nicht an die Gefahr glauben, nach dem Krieg gegen die Schatten? Nur weil in Kapaun, der Königsstadt von Hyrass, alle in Sicherheit waren? Weil die hohen Frauen und Töchter weiter ihr Leben im Prunk lebten? Oder vielleicht

war auch nur Grima so dumm. Ihre Freundin hatte immer nur von einem Fest bis zum nächsten gelebt. „Vergiss Chrissa nicht. Schließlich gehören zwei dazu um Kinder zu bekommen“, sagte sie und schnappte sich ein Weinglas vom Tablett eines erschrockenen Dieners, der nichtsahnend an ihnen vorüberging. „Ich finde es dennoch einen Skandal! Die Hochzeit soll bereits in zwei Wochen sein. Eine Woche nach Sebelions Krönung.“ Grima zog ihre Stirn in Falten. „Ob Sebelion seine Gattin verstoßen wird, wenn sie ihm ebenfalls nur Töchter schenkt?“ „Was faselst du da, Grima?“ Adela trat einen Schritt zurück und studierte ihre

Freundin. „Ach nichts, ach nichts.“ Grübelnd sah Grima Adela an. „Du siehst gut aus. Dennoch hat dein Vater es verabsäumt dich rechtzeitig zu verheiraten. Du hättest viel besser zu Sebelion gepasst. Gelehrt und verstaubt in euren Büchern. Doch was soll’s. Dir bleiben nicht mehr viele gute Partien.“ Adela verdrehte die Augen und strich über ihr braunes Haar. Ihr würde nicht einmal eine gute Partie bleiben wenn … Unwirsch schüttelte sie den Kopf und verschüttete dabei ein paar Tropfen vom Wein. Zum Glück war nichts auf ihre neue Garderobe gefallen. Trotz der Trauer trug niemand ein schwarzes

Kleid. Bis auf die verwitwete Königin. Sie würde natürlich nicht in das Konvent der Lichtschwestern eintreten. Sie würde sich um die Erziehung ihrer beiden Töchter kümmern und der neuen Königin helfen, sich im Hofstaat einzufügen. Das würde Chrissa auch bitter nötig haben. Adela hoffte es für das vierzehnjährige Mädchen, das mit rosigen Wangen neben Sebelion saß, nachdem sie mit ihm den Tanz eröffnet hatte. Ob sie dem Druck überhaupt standhalten können würde? Ganz Hyrass hoffte auf einen Erben. Zwanzig Jahre waren es noch bis zum Tag, an dem die Prophezeiung wahr werden sollte. Zwanzig Jahre klangen lange, doch sie konnten im Nu verflogen

sein. Chrun, der Dunkle, der Schattenfürst, streckte schon seine gierigen Krallen nach Hyrass aus und niemand würde ihnen helfen können. „Einen Taler für Eure Gedanken!“ Adela zuckte zusammen, da wurde ihr auch schon ein frisches und vor allem volles Glas Wein in die Hand gedrückt. Das leere Glas wurde ihr abgenommen und einem Diener überreicht, der mit seinem Tablett an ihnen vorüberging. Adela hatte gar nicht bemerkt, dass sie das Glas bereits leergetrunken hatte. „Oh, Adela“, sagte Grima und lächelte vielsagend. „Das ist der beste Freund meines Mannes, Begun von Apelhoe, der ältere Bruder des verstorbenen

Valis.“ Adela gefror in ihren Bewegungen. Begun … Mit allergrößter Willensanstrengung schaffte sie es ihn anzusehen. Im Dom war es finster genug gewesen, um ihn nicht genau mustern zu können. Sie wusste, dass er Valis ähnlich sah. Begun war kein Unbekannter in Hyrass. Doch das selbstgefällige Grinsen verzog die ansonsten einnehmenden Gesichtszüge. Zurück blieb ein verzerrter Abklatsch eines geliebten Antlitzes. Doch das war es nicht allein, was Adela all ihre Selbstbeherrschung kostete. Begun hätte an der Seite des Königs sein sollen und Valis bei der Armee. So hatte Valis ihr das zugeflüstert. Beim Abschied

vor drei Monaten … Nach ihrer Hochzeit … „Darf ich um diesen Tanz bitten?“ Formvollendet verneigte sich Begun vor ihr, während Grima kicherte, als hätte er einen Witz gemacht. Hilfesuchend blickte Adela zu ihr, doch Grima zwinkerte ihr zu. „Jetzt mach, Adela“, flüsterte sie verschwörerisch. „Ich sehe deinen Vater bereits mit dem alten Allsighraz verhandeln. Du weißt schon, den alten Haudegen, dessen Weib erst letztes Jahr an den Pocken starb.“ Wenn Grima nur wüsste! Doch Adela machte gute Miene zum bösen Spiel und ließ sich von Begun auf das Parkett

führen. Nach der Aufregung um Chrissa waren jetzt alle Augen auf sie gerichtet. Der nächste Skandal, über den man sich das Maul zerreißen würde. Neben der blutjungen Chrissa, stach Adela heraus wie eine alte Gouvernante. Und Begun genoss auch nicht gerade den Ruf eines ehrbaren Mannes. Zu oft war sein Name schon mit Skandalen in einem Atemzug genannt worden. Auch wenn er aus hohem Adel stammte, so war seine Neigung zum schönen Geschlecht hinreichend bekannt. Keine wirklich ehrbare junge Frau würde sich mit ihm abgeben. Doch die ansonsten sitzengebliebene Adela von Brennhagen hatte wohl keine große Auswahl mehr.

Dass selbst Grima dabei ihre Finger im Spiel hatte, nahm Adela ihrer Freundin wirklich übel. Da wäre ihr der alte Allsighraz noch lieber. Aber, im Endeffekt war es sowieso egal … „Ihr seht bezaubernd aus“, sagte Begun, als er ihre Hand nahm und seine andere sanft um ihre Taille legte. Adela neigte nur bestätigend ihr Haupt. Innerlich krampfte sie ihre Finger zusammen. Begun sah aus der Nähe jetzt doch viel zu sehr wie Valis aus. Und er roch sogar beinahe wie er. „Was ist los?“, fragte Begun mit hochgezogenen Augenbrauen, als Adelas Finger sich um seinen Oberarm krampften. „Halte ich Euch zu

fest?“ Adela schüttelte den Kopf. „Nein …“, log sie rasch. „… ich habe nur meine kleine Schwester gesehen, wie sie soeben mit verschmierten Fingern Gertrauds Verlobten das Wams vollkleckerte.“ Begun lachte leise, dann sah er zu Friedrich, dessen Wams völlig intakt war. Doch Adela errötete nicht einmal wegen ihrer Lüge. Wenn Begun auch so neugierig war ... „Der arme Friedrich“, meinte Begun geistesabwesend. „Auch er hat seinen Bruder verloren. Aber ich verstehe nicht, wie er sich bloß mit Eurer Schwester begnügen konnte, wo er doch Euch hätte haben

können!“ „Hätte er nicht“, antwortete Adela spitz. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt schon längst gewählt gehabt. „Vater wollte zuerst Gertraud verheiraten und Friedrich war nicht abgeneigt“, sagte sie stattdessen. „Viktor von Brennhagen hat eine verantwortungsvolle Aufgabe im Staat“, meinte Begun nachdenklich. „Es war schon längst an der Zeit, dass er zum Hochadel aufsteigt. Und mit ihm seine liebreizenden Töchter.“ Beguns Lippen kräuselten sich. Adela hätte gemeint, es wäre spöttisch, doch sie hätte sich natürlich auch täuschen können. „Bin ich darum jetzt für Euch

interessant? Ihr habt zuvor nie einen zweiten Blick in meine Richtung riskiert.“ Begun sah sie an. „Ihr seid zu klug, um Euch etwas vorzumachen. Eine Eigenschaft, die ich persönlich sehr schätze. Also ja, das ist einer der Gründe.“ „Und es macht Euch auch nichts aus, dass ich nicht mehr im besten Alter bin?“ Jetzt hatte sein Blick eindeutig etwas Spöttisches. „Aber, Ihr seid im besten Alter, Lady Adela! Ich glaube, meinem kleinen, verstorbener Bruder war das ebenfalls bewusst. Er bekam stets leuchtende Augen, wenn er von Euch sprach. Und wenn ich Euch so ansehe,

kann ich direkt verstehen warum. Außerdem ist Eure Mitgift nicht zu verachten und all die dummen Gänse haben mich nie interessiert.“ „Nein, dafür aber die reichen Witwen.“ Adela biss sich auf die Zunge, aber die Worte waren ihr entschlüpft, bevor sie sie noch zurücknehmen konnte. Begun warf seinen Kopf zurück und begann schallend zu lachen. Es war dennoch verhalten genug, um nicht mehr als ein paar Köpfe in ihre Richtung drehen zu lassen. Schließlich wischte er sich die Lachtränen aus den Augen. „Ich sehe schon, meine Mutter hat recht, mit Euch wird es tatsächlich nicht langweilig werden.“ Dann verbeugte er sich

nochmals formvollendet und führte sie vom Parkett zurück in ihre Ecke. Leise tropfte die Zeit im Dom dahin ... Es erschien alles so unwirklich. Die sanften Choräle, die von den Mönchen gesungen wurden, der Duft des Weihrauchs, der durch den hohen Dom zog, das Sonnenlicht, das sich in den bunten Scheiben brach und die aufgebahrten Leichname der gefallenen Offiziere … Adela fühlte, wie die Übelkeit in ihr hochkroch. Verzweifelt krallte sie sich in das Kleid ihrer Schwester, bis die ärgste Welle vorüber ging. Verdutzt blickte

Gertrude sie an. „Was hast du nur?“, fragte sie und nahm Adelas klamme Hand kurz in die ihre, bevor sie sie wieder losließ. „Wir müssen den Verstorbenen die letzte Ehre erweisen, das weißt du, also reiß dich zusammen! So schlimm sehen sie auch nicht aus.“ Adela nickte und blickte zu den hohen Fenstern, während sie versuchte die Tränen wegzublinzeln. „Also, Mädchen!“, rügte ihr Vater, während sie langsam auf die Toten zuschritten. „Nehmt Haltung an. Friedrich von Kraneberg erwartet von seiner Verlobten und deren Familie schließlich ein Mindestmaß an Respekt

seinem gefallenen Bruder gegenüber.“ „Adela hat etwas Falsches gegessen!“, wisperte Adelas kleine, dreizehnjährige Schwester wichtigtuerisch und schmiegte sich näher an ihren Vater. „Jetzt ist ihr übel.“ „Ihr werdet euch dennoch zusammenreißen.“ Viktor von Brennhagen richtete sich kerzengerade auf und schleuderte böse Blicke auf seine älteste Tochter. Die Unwirklichkeit wurde schier erdrückend. Adela zog ihren Umhang noch fester um sich. Sie war die Einzige, die bei dieser Sommerhitze einen Umhang trug. Doch im Dom des Einen war es immer kalt. Gertraud zog

ungeduldig an ihrem Umhang und Adela folgte ihr zum Altar. Davor waren drei Holzgestelle aufgebaut worden auf denen die Körper der Männer in ihren Rüstungen lagen. Sie sahen aus, als würden sie schlafen. Selbst König Heinfried von Stroltz, der älteste von ihnen, wirkte mit seinen achtunddreißig Jahren und seinem dunklen Bart jung und verletzlich. Genauso jung wie die beiden Männer neben ihm. Valis von Apelhoe und Bernd von Kraneberg, Friedrichs älterer Bruder. Wie versteinert saßen die Frauen und Mütter der Verstorbenen auf ihren Plätzen. Nicht einmal die Königin wankte. Bleich und gefasst saß sie auf

ihrem Stuhl. Das war unwirklich. Niemand saß so gefasst vor dem Leichnam des eigenen Gatten! Adela biss sich so fest in ihre Wange, bis sie Blut schmeckte. Das half ihr vor die Gestelle treten zu können und sich, genau wie ihre Schwester, ehrerbietig davor zu verneigen und dem gefallenen König, wie auch dem Schwager Gertrauds die letzte Ehre zu erweisen. Und auch Valis von Apelhoe, dem vielversprechenden Spross aus Hyrass Hochadel. Mit seinen neunzehn Jahren zu jung um Frau und Kind zu hinterlassen. Andererseits … An dessen statt saßen seine Eltern und sein Bruder Begun von Apelhoe auf den Kondolenzstühlen neben

den Bahren. Und Adela stand davor und hielt schützend ihre Hand über ihren Bauch. Unter dem Umhang, wo es keiner sah. Als Adelas Blick auf Valis blonden Schopf fiel, biss sie sich beinahe die Zunge ab. „Er schläft nur! Er kann nur schlafen!“, sagte sie sich dabei immer wieder, auch wenn die wächserne Haut seines schönen, bartlosen Gesichtes, sie eines Besseren belehrte. Wenigstens seine Mutter weinte hemmungslos. All die Tränen, die sich Adela verbeißen musste, von denen niemand wissen konnte. Mit festem Blick richtete sie sich auf und schritt an den Trauernden vorüber.

Kurz verbeugte sie sich, wie alle anderen auch, vor Sebelion, dem Bruder des Königs und morgen schon der neue König von Hyrass. Bleich und schmal saß er auf seinem Stuhl. Sein hageres Gesicht umrahmt von dunklem, halblangem Haar. Der Sieg über das Heer der Schatten war teuer erkauft worden. Zu teuer und zu bitter. Nicht nur für Adela. Endlich waren sie vorüber. Gertraud hatte auch Friedrich noch vertraut zunicken können, der neben seinem Vater und seiner Mutter unter den engsten Trauernden saß, dann schoben sie sich bereits zum Ausgang des Domes. Es würde noch den ganzen Nachmittag und

zwei weitere Tage dauern, bis alle von ihrem König Abschied genommen hatten. Adela atmete tief ein, als sie in das helle Sonnenlicht traten. Im Dom hatte sie geglaubt zu ersticken. Sie hatte Valis Leichnam gesehen, doch sie konnte es immer noch nicht glauben. Die Verluste des Kampfes gegen das Heer des Schattenfürsten waren gering. Ohne Mühe war es Hyrass Armee gelungen, die annektierten Gebiete wieder zurück zu gewinnen. Doch es war wohl eine Falle gewesen. Hyrass war reicher denn je, doch die Galgenfrist war kürzer geworden. Genau darauf war es dem Schattenfürsten, dem Unaussprechlich Dunklem, wohl angekommen. Adela hätte

die leise geführten Unterhaltungen der Männer gar nicht belauschen müssen, um sich darüber im Klaren zu sein. „Kommt, wir müssen nach Hause“, sagte ihr Vater. „Es bleibt uns gerade noch genug Zeit, um uns frisch zu machen, bevor wir in den Palast zur Feier der bevorstehenden Krönung geladen sind. Adela, kümmere dich um die Kleine. Sie ist alt genug, um ebenfalls adrett aussehen zu können. Gertraud wird ja selbst wissen, was es für sie bedeutet.“ „Ja, Vater“, sagte Adela mechanisch. Ein kurzer Schmerz auf ihrer Wange ließ sie zusammenzucken. Ihr Vater hatte ihr tatsächlich in die Wange gezwickt. Dabei blinzelte er sie verschwörerisch an. „Du

hast gute Arbeit geleistet, seit dem Tod deiner Mutter. Nachdem Gertraud verheiratet ist, werde ich mich um einen Gemahl für dich kümmern. Als Berater des alten wie auch des neuen Königs, wird es mir nicht schwerfallen, auch für dich eine gute Partie auszuhandeln.“ Prüfend sah er sie an. „Ich hätte es beinahe übersehen, doch noch bist du nicht zu alt.“ Adela wäre am liebsten in Grund und Boden versunken. Ich bin bereits verheiratet – hätte sie ihm ins Gesicht schreien wollen. Doch nein, sie war nicht mehr verheiratet, sie war verwitwet. Und damit hatte ihr Vater recht. Sie war bereits dreiundzwanzig Jahre alt, in

einem Monat sogar vierundzwanzig. Viel zu alt für eine gute Partie, wie ihr Vater es ausdrückte. Viel zu alt für die noblen Herren, wenn auch nicht zu alt für Valis … Doch Valis lag kalt und tot im Dom. Der jüngste der Offiziere. Die Nähe zum Monarchen hatte ihm das Leben gekostet. Adela sog schnell die Luft ein und nickte ihrem Vater zu. Sie würde ein Gespräch mit ihm führen müssen. Doch nicht jetzt. Man merkte noch nichts. Erst nach Gertrauds Hochzeit, die in drei Wochen stattfinden sollte. „Wir müssen uns beeilen“, sagte sie deshalb und drängte die Kleine voran. Gertraud, die vorigen Monat siebzehn geworden war, tänzelte

aufgeregt die Straße hinab. Der König war tot, doch das Leben ging weiter. Ganz besonders ihr Leben. Als Friedrichs Gattin würde sie in den höchsten Adelskreisen verkehren. Sie würde sogar besser gestellt sein als ihre Schwester Brenda, die vor einem Jahr einen reichen Patrizier geheiratet hatte und bald ihr erstes Kind erwartete. Sie war an der Seite ihres Mannes viel weiter hinten in der Schlange der Menschen gestanden, als Viktor Brennhagen und seine noch unverheirateten Töchter. Adela schwindelte es. Die Choräle der Mönche klangen unwirklich im Sonnenschein. Sowie all die schwarzen Roben unwirklich aussahen. Auch die

Soldaten, welche den Eingang des Doms flankierten sahen unwirklich aus. Genauso die schwarzen Fahnen, die überall von den Dächern der Häuser wehten. Drei Tage würden die Toten im Dom aufgebahrt werden. Drei Tage, in denen sich Adela noch verabschieden konnte. Irgendwann nachts, wann es ruhiger werden würde. Sie musste Valis noch einmal sehen um es glauben zu können. Dann, wann keiner sie beobachten konnte. Obwohl, es war sowieso egal. Für Adela würde es nur mehr den Konvent der Lichtträgerinnen geben. Den Konvent alter, verwitweter Frauen, die niemand mehr haben wollte und in

Ungnade gefallener Mädchen. Nur würden sie dort keine erhabenen Choräle singen, wie die Mönche. Sie würden im eigenen Garten arbeiten und beten und sticken und auf ihren Lebensabend warten … „Wo bleibst du nur, Adela!“ Grima, ihre Freundin drängte Adela in eine Ecke. Ihr dicker Bauch behinderte sie ein wenig, doch um nichts auf der Welt hätte Grima sich jetzt noch von ihr abdrängen lassen. „Was sagst du dazu?“, fragte sie atemlos. „Sebelion nimmt die blutjunge Chrissa zur Gemahlin! Eine Frau aus völlig nichtssagendem Adel. Das ist ein

Skandal!“ „Ach hör schon auf“, sagte Adela und hielt sehnsüchtig nach einem Diener Ausschau, der mit gefüllten Weingläsern seine Runde machte. Sie brauchte etwas von dem schweren, süßen Wein. Anders würde sie diesen Abend nicht überstehen. Wie konnte Sebelion angesichts des Todes seines Bruders nur einen Ball geben? Nur weil es so Brauch war? Der König ist tot, es lebe der König! Adela schüttelte sich innerlich. Ganz mechanisch antwortete sie ihrer Freundin: „Natürlich sucht sich Sebelion die hübscheste Anwärterin aus. Aus einem sehr kinderreichen Haus. Sebelion mag farblos sein, aber nicht dumm. Du

kennst die Bedingungen des Schattenfürsten. Das Geschlecht der Stroltz stirbt aus. Scheinbar waren alle Prophezeiungen richtig.“ „Ach, Papperlapapp. Alles dummes Gewäsch“, winkte Grima ab. „ Alle ducken sich vor dem ‚Schattenfürsten‘. Doch niemand hat ihn noch gesehen. Jetzt plötzlich soll er aufstehen und sich rühren, nur weil der Tag der Prophezeiung näher rückt? Pffft! Ich glaube nicht daran und mein Mann auch nicht. Ich denke eher, der gute Sebelion will das nachholen, was er seit über fünfzehn Jahren versäumt hat. Ob der überhaupt weiß, wie es

geht?“ „Grima!“ Ihre Freundin lächelte gruslig. „Ich glaube nicht, dass die Mönche Unterricht darin bekommen, wie sie eine Frau beglücken können. Und Sebelion soll ein sehr frommer Mönch gewesen sein! Zu dumm aber auch, dass König Heinfried nur zwei Töchter zeugen konnte. Jetzt hängt angeblich alles an Sebelion. Aber wie gesagt. Ich glaube nicht daran.“ Verächtlich schnupfte Grima auf. „Und an Chrissa“, warf Adela ein. Sie schüttelte innerlich den Kopf. Wie konnte man nicht an die Gefahr glauben, nach dem Krieg gegen die Schatten? Nur weil in Kapaun, der Königsstadt von

Hyrass, alle in Sicherheit waren? Weil die hohen Frauen und Töchter weiter ihr Leben im Prunk lebten? Oder vielleicht war auch nur Grima so dumm. Ihre Freundin hatte immer nur von einem Fest bis zum nächsten gelebt. „Vergiss das Chrissa nicht. Schließlich gehören zwei dazu“, sagte sie und schnappte sich ein Weinglas vom Tablett eines erschrockenen Dieners, der nichtsahnend an ihnen vorüberging. „Ich finde es dennoch einen Skandal! Die Hochzeit soll bereits in zwei Wochen sein. Eine Woche nach Sebelions Krönung.“ Grima zog ihre Stirn in Falten. „Ob Sebelion seine Gattin verstoßen wird, wenn sie ihm ebenfalls

nur Töchter schenkt?“ „Was faselst du da, Grima?“ Adela trat einen Schritt zurück und studierte ihre Freundin. „Ach nichts, ach nichts.“ Grübelnd sah Grima Adela an. „Du siehst gut aus. Dennoch hat dein Vater es verabsäumt dich rechtzeitig zu verheiraten. Du hättest viel besser zu Sebelion gepasst. Gelehrt und verstaubt in euren Büchern. Doch was soll’s. Dir bleiben nicht mehr viele gute Partien.“ Adela verdrehte die Augen und strich über ihr braunes Haar. Ihr würde nicht einmal eine gute Partie bleiben wenn … Unwirsch schüttelte sie den Kopf und verschüttete dabei ein paar Tropfen vom

Wein. Zum Glück war nichts auf ihre neue Garderobe gefallen. Trotz der Trauer trug niemand ein schwarzes Kleid. Bis auf die verwitwete Königin. Sie würde natürlich nicht in das Konvent der Lichtschwestern eintreten. Sie würde sich um die Erziehung ihrer beiden Töchter kümmern und der neuen Königin helfen, sich im Hofstaat einzufügen. Das würde Chrissa auch bitter nötig haben. Adela hoffte es für das vierzehnjährige Mädchen, das mit rosigen Wangen neben Sebelion saß, nachdem sie mit ihm den Tanz eröffnet hatte. Ob sie dem Druck überhaupt standhalten können würde? Ganz Hyrass hoffte auf einen Erben. Zwanzig Jahre waren es noch bis zum

Tag, an dem die Prophezeiung wahr werden sollte. Zwanzig Jahre klangen lange, doch sie konnten im Nu verflogen sein. Chrun, der Dunkle, der Schattenfürst, streckte schon seine gierigen Krallen nach Hyrass aus und niemand würde ihnen helfen können. „Einen Taler für Eure Gedanken!“ Adela zuckte zusammen, da wurde ihr auch schon ein frisches und vor allem volles Glas Wein in die Hand gedrückt. Das leere Glas wurde ihr abgenommen und einem Diener überreicht, der mit seinem Tablett an ihnen vorüberging. Adela hatte gar nicht bemerkt, dass sie das Glas bereits leergetrunken hatte. „Oh, Adela“, sagte Grima und lächelte

vielsagend. „Das ist der beste Freund meines Mannes, Begun von Apelhoe, der ältere Bruder des verstorbenen Valis.“ Adela gefror in ihren Bewegungen. Begun … Mit allergrößter Willensanstrengung schaffte sie es ihn anzusehen. Im Dom war es finster genug gewesen, um ihn nicht genau mustern zu können. Sie wusste, dass er Valis ähnlich sah. Begun war kein Unbekannter in Hyrass. Doch das selbstgefällige Grinsen verzog die ansonsten einnehmenden Gesichtszüge. Zurück blieb ein verzerrter Abklatsch eines geliebten Antlitzes. Doch das war es nicht allein, was Adela all ihre Selbstbeherrschung kostete. Begun hätte an der Seite des Königs sein

sollen und Valis bei der Armee. So hatte Valis ihr das zugeflüstert. Beim Abschied vor drei Monaten … Nach ihrer Hochzeit … „Darf ich um diesen Tanz bitten?“ Formvollendet verneigte sich Begun vor ihr, während Grima kicherte, als hätte er einen Witz gemacht. Hilfesuchend blickte Adela zu ihr, doch Grima zwinkerte ihr zu. „Jetzt mach, Adela“, flüsterte sie verschwörerisch. „Ich sehe deinen Vater bereits mit Allsighraz verhandeln. Du weißt schon, den alten Haudegen, dessen Weib erst letztes Jahr an den Pocken starb.“ Wenn Grima nur wüsste! Doch Adela

machte gute Miene zum bösen Spiel und ließ sich von Begun auf das Parkett führen. Nach der Aufregung um Chrissa waren jetzt alle Augen auf sie gerichtet. Der nächste Skandal, über den man sich das Maul zerreißen würde. Neben der blutjungen Chrissa, stach Adela heraus wie eine alte Gouvernante. Und Begun genoss auch nicht gerade den Ruf eines ehrbaren Mannes. Zu oft war sein Name schon mit Skandalen in einem Atemzug genannt worden. Auch wenn er aus hohem Adel stammte, so war seine Neigung zum schönen Geschlecht hinreichend bekannt. Keine ehrbare junge Frau würde sich mit ihm abgeben. Doch die ansonsten sitzengebliebene

Adela von Brennhagen hatte wohl keine große Auswahl mehr. Dass selbst Grima dabei ihre Finger im Spiel hatte, nahm Adela ihrer Freundin wirklich übel. Da wäre ihr der alte Allsighraz noch lieber. Aber, im Endeffekt war es sowieso egal … „Ihr seht bezaubernd aus“, sagte Begun, als er ihre Hand nahm und seine andere sanft um ihre Taille legte. Adela neigte nur bestätigend ihr Haupt. Innerlich krampfte sie ihre Finger zusammen. Begun sah aus der Nähe jetzt doch viel zu sehr wie Valis aus. Und er roch sogar wie er. „Was ist los?“, fragte Begun mit hochgezogenen Augenbrauen, als Adelas

Finger sich um seinen Oberarm krampften. „Halte ich Euch zu fest?“ Adela schüttelte den Kopf. „Nein …“, log sie rasch. „… ich habe nur meine kleine Schwester gesehen, wie sie soeben mit verschmierten Fingern Gertrauds Verlobten das Wams vollkleckerte.“ Begun lachte leise, dann sah er zu Friedrich, dessen Wams völlig intakt war. Doch Adela errötete nicht einmal wegen ihrer Lüge. Wenn Begun auch so neugierig war ... „Der arme Friedrich“, meinte Begun geistesabwesend. „Auch er hat seinen Bruder verloren. Aber ich verstehe nicht, wie er sich bloß mit Eurer Schwester begnügen konnte, wo er doch Euch hätte

haben können!“ „Hätte er nicht“, antwortete Adela spitz. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt schon längst gewählt gehabt. „Vater wollte zuerst Gertraud verheiraten und Friedrich war nicht abgeneigt“, sagte sie stattdessen. „Viktor von Brennhagen hat eine verantwortungsvolle Aufgabe im Staat“, meinte Begun nachdenklich. „Es war schon längst an der Zeit, dass er zum Hochadel aufsteigt. Und mit ihm seine liebreizenden Töchter.“ Beguns Lippen kräuselten sich. Adela hätte gemeint, es wäre spöttisch, doch sie hätte sich natürlich auch täuschen können. „Bin ich darum jetzt für Euch

interessant? Ihr habt zuvor nie einen zweiten Blick in meine Richtung riskiert.“ Begun sah sie an. „Ihr seid zu klug, um Euch etwas vorzumachen. Eine Eigenschaft, die ich persönlich sehr schätze. Also ja, das ist einer der Gründe.“ „Und es macht Euch auch nichts aus, dass ich nicht mehr im besten Alter bin?“ Jetzt hatte sein Blick eindeutig etwas Spöttisches. „Aber, Ihr seid im besten Alter, Lady Adela! Ich glaube, meinem kleinen, verstorbener Bruder war das ebenfalls bewusst. Er bekam stets leuchtende Augen, wenn er von Euch sprach. Und wenn ich Euch so ansehe,

kann ich direkt verstehen warum. Außerdem ist Eure Mitgift nicht zu verachten und all die dummen Gänse haben mich nie interessiert.“ „Nein, dafür aber die reichen Witwen.“ Adela biss sich auf die Zunge, aber die Worte waren ihr entschlüpft, bevor sie sie noch zurücknehmen konnte. Begun warf seinen Kopf zurück und begann schallend zu lachen. Es war dennoch verhalten genug, um nicht mehr als ein paar Köpfe in ihre Richtung drehen zu lassen. Schließlich wischte er sich die Lachtränen aus den Augen. „Ich sehe schon, mit Euch wird es tatsächlich nicht langweilig werden.“ Dann verbeugte er sich nochmals

formvollendet und führte sie vom Parkett zurück in ihre Ecke.

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Über den Autor

Terazuma
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Ich selbst komme aus Österreich und Schreiben ist eine Leidenschaft, der ich schon seit einigen Jahren fröne. ^^ Am liebsten schreibe ich lange Fantasy-Geschichten. Dabei lasse ich meine Protagonisten durch alle Höhen und Tiefen gehen, die in einen so langen Plot nur hineinpassen. An Abenteuern, Dramatik und Romantik wird es ihnen nicht mangeln. Nur an Ruhe und Beschaulichkeit. ^^
Ich hoffe, hier auf dieser Seite auch viele andere schreibwütige Hobby-Autoren kennen lernen zu können. Auf einen regen Austausch von Kommentaren, Kritik und sämtlichen anderen Anmerkungen freue ich mich schon!

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