Romane & Erzählungen
Der fliegende Koffer

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"Der fliegende Koffer"
Veröffentlicht am 02. März 2018, 12 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Ich bin eher introvertiert, liebe die Menschen, die Natur - die Literatur seit ich lesen kann (bin eine echte Leseratte) und schreibe auch selbst sehr gerne.
Der fliegende Koffer

Der fliegende Koffer

Eine leise Erinnerung an längst vergangene Tage. Ich glaube aber, der alte Koffer steht noch immer auf dem Dachboden ...


Der fliegende Koffer

Sobald die Dämmerung hereinbrach, bettelten unsere Enkelkinder Martina, Monika und Erwin: „Oma, erzähl´ uns ein Märchen!“

Ich setzte mich in den Schaukelstuhl. Die Kinder durften Kerzen anzünden und platzierten  sich erwartungsvoll auf ihren Hockern. Ich räusperte mich, klapperte mit den Stricknadeln und begann zu erzählen ....

Manchmal waren es Geschichten, die sie schon kannten. Um die Aufmerksamkeit der Kinder anzuregen, ließ ich gelegentlich etwas aus oder fügte fremde Passagen hinzu. Meist protestierten sie sofort. Meinen Beteuerungen: „Doch, das stimmt.“, glaubten sie nicht.

 

„Der fliegende Koffer“, begann ich eines Abends, „gehörte einem Kaufmannssohn, dem sein Vater viel Geld hinterlassen hatte. Der junge Mann aber war ein Schlendrian und Tunichtgut. In ganz kurzer Zeit hatte er mit seinen Freunden das gesamte Erbe durchgebracht. Aus großen Geldscheinen

hatte er Schiffchen gefaltet und den Fluss hinunter schwimmen lassen ....“

„Nein!“, riefen die Kinder, „Er faltete Flieger und Vögel.“

Unbeirrt erzählte ich weiter: „Zuletzt besaß er nur noch einen alten Anzug und ein Paar Schuhe.“

„Falsch!“, korrigierten mich Martina und Monika, „einen Morgenrock und Pantoffeln.“

Schuldbewusst räumte ich ein, mich geirrt zu haben, und fuhr fort:

„Eines Tages schenkte ihm ein alter Mann einen Koffer. Da unser Held aber nichts einzupacken hatte, setzte er sich selbst hinein. Gedankenverloren drehte er an dem Schloss ... und siehe da ... der

Koffer hob sich mitsamt seinem Passagier in die Luft.

Zuerst wurde dem Kaufmannssohn angst und bang. Dann allerdings merkte er, dass er sein wunderliches Flugobjekt sogar steuern konnte.“

Ich hielt kurz inne, um meine Strickmaschen zu zählen.

„Weiter!“, drängten die Kinder.

Ich runzelte die Stirn, als ob ich grĂĽbelte, wie es nun wohl weiter ginge.

„Erzählt doch ihr ein Stückchen“, bat ich die Kinder, „ich habe jetzt tatsächlich den Faden verloren.“

Martina, die älteste, bemühte sich, fließend und schön zu sprechen.

„Der Kaufmann flog in die Türkei und

landete auf dem Dach eines Sultanspalastes. Er kroch durch ein Fenster und lernte die wunderschöne Tochter des Sultans kennen.“

„Die war so schön“, fügte Erwin etwas verschämt hinzu, „dass er sich sofort in sie verliebte. Er hielt um ihre Hand an und bald heirateten sie.“

„Ja.“, bekräftigte Monika. „Und bei den Hochzeitsfeierlichkeiten startete der Kaufmannssohn seinen Koffer und zündete in luftiger Höhe unzählige Feuerwerkskörper. Der Himmel war mit funkelnden Sternen übersät. Sie bildeten schöne Ornamente in allen möglichen Farben und fielen in Kaskaden nieder.“

„Wie bei uns zu Silvester!“, strahlte

Erwin.

Martina warf ihm ob der vielen Unterbrechungen einen strengen Blick zu und erzählte weiter.

„Er ging in die Stadt und hörte, wie die Leute begeistert über das Feuerwerk sprachen so etwas hatten sie nämlich noch nie gesehen.

Als er wieder in den Wald zurück kehrte, fand er den Koffer nicht mehr. Er war durch Funken in Brand geraten und verbrannt.“

Jetzt war es an mir, zu widersprechen.

„Nein“, erklärte ich, „der Koffer ist nicht verbrannt, den gibt es noch.“

„Wo?“, riefen die Kinder.

Ich lieĂź sie eine Weile raten und zappeln.

Dann sagte ich: „Er steht bei uns auf dem Dachboden.“

Mehr von den Kindern gezwungen als freiwillig, begab ich mich mit ihnen auf den Dachboden. Im Schein einer Taschenlampe suchten wir nach dem Koffer.

Er stand völlig verstaubt in einer Ecke. Notdürftig wischten wir Staub und Spinnweben ab und betrachteten das märchenhafte Stück von allen Seiten.

„Glaubst du, dass wir alle drei darin Platz haben?“, fragte Monika zaghaft.

„Natürlich!“, gab sich Erwin zuversichtlich. „Probieren wir es aus.“

Es half keine Ausrede. Diese Frage musste auf der Stelle geklärt werden. Der

Schein der Taschenlampe reichte gerade noch, um eine geeignete Sitzposition im Koffer auszuprobieren.

„Jetzt müssen wir aber hinunter.“, mahnte ich. „Es ist spät, ihr müsst ins Bett.“

„Morgen aber holen wir den Koffer! Vielleicht können wir wirklich damit fliegen?“

Sie akzeptierten meinen Widerspruch nicht, als ich von einem gefährlichen Abenteuer sprach und der Angst, die ich dabei hätte.

Am nächsten Morgen, gleich nach dem Frühstück, wurde der kostbare Schatz geborgen.

„Wohin sollen wir fliegen?“, fragten die Kinder, als der Koffer mitten im Wohnzimmer auf dem Teppich stand.

„Kinder, Kinder! Schön langsam. Märchenstunde ist erst abends und bis dahin haben wir sicher ein lohnendes Ziel gefunden.“

Aber die Kinder waren nicht mehr zu beruhigen.

Ich ĂĽberlegte ....

Es war Winter ...also ab ins Land der Schneekönigin.

Während ich erzählte, schaukelten sich die Kinder im alten Koffer auf dem Fußboden.

DrauĂźen vor dem Fenster tanzten Schneeflocken und der Wind heulte um

das Haus.

Als ich vom kleinen Kai berichtete, den die Schneekönigin mitgenommen hatte, legte ich den Kindern eine Decke um die Schultern.

„Damit ihr nicht friert“, sagte ich, „denn jetzt kommen wir in ein Reich aus Eis und Schnee.“ und servierte ihnen zum Aufwärmen heißen Früchtetee.

Das Märchen von der Schneekönigin zog sich über mehrere Tage hin.

Später besuchten wir Afrika und die vielen Großwildtiere, das Morgenland mit seinen Alabasterpalästen, den Sultans und verschleierten Prinzessinnen. Wir reisten nach Amerika und kämpften

an der Seite der Indianer.

Die ganze Welt eroberten wir. Und meine Enkelkinder flogen in dem alten Koffer begeistert zu all diesen Schauplätzen.

Ohne „fliegenden Koffer“ gab es nun lange, lange Zeit kein Märchen mehr. Jeden Tag waren wir mit ihm unterwegs.

Und ich muss gestehen: Für mich waren es die schönsten Reisen, die ich in meinem langen Leben unternommen habe.

 

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mukk
Ich bin eher introvertiert, liebe die Menschen, die Natur - die Literatur seit ich lesen kann (bin eine echte Leseratte) und schreibe auch selbst sehr gerne.

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Nereus solch liebe Oma , liebe Ingrid, hatte ich auch, Geschichten erzählend, Lieder singend,
Auch wenn die Zuhörer nicht den Märchen mehr lauschen, es bleibt für sie eine schöne Zeit
EIN LEBEN LANG; IHR LEBEN LANG
dankend lieben Gruß
markus
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Wow! Freue mich sehr über deinen Besuch bei mir und den lieben Kommi. Danke dir allerherzlichst.
Geschichten erzählend, Lieder singend ... da wird mir ein wenig wehmütig ums Herz, weil ich fürchte, dass dies immer weniger gepflegt wird. Eltern haben nicht mehr die Zeit, und Kinder schon mit drei oder vier ein handy.....
Als ich mein Kinderbuch vor Jahren schon beim Bürgermeister vorstellte, blätterte er durch und sagte: "Wer soll das lesen? Keine action, keine Kämpfe auf anderen Sternen,etc., etc,,,.. ?"
Sei lieb gegrüßt
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Wunderschön erzählt, liebe Ingrid. War dabei und habe still gelauscht.
Darüber werden die Enkelkinder ihr Leben lang reden, davon bin ich überzeugt.
Liebsten Gruß zu dir
deine Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
mukk liebe Sabine, verzeih, dass ich erst heute antworte. War wieder einige Zeit in der Steiermark bei meiner Tochter.
Habe mich über deinen Besuch und den schönen Kommi sehr gefreut, danke und sei lieb gegrüßt
deine Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
erato 
...und DU bist die liebste Märchen
erzählende Oma, die mir je über
den Weg gelaufen ist, liebe Ingrid.

Wahrlich ganz ganz tief herzerwärmend
und so lieb ich DICH
Dein Buam
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Danke für dein liebes Kompliment, ich freue mich, dass uns auf unserer Reise begleitet hast. Warst ein gern gesehener Passagier.. Hoffentlich hat dir die Wacklerei in dem alten Koffer nichts ausgemacht.
Mit einer herzlichen Umarmung und einem lieben Gruß
deine Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
KaraList Gebannt habe ich der Oma gelauscht, staunend bin ich durch fremde Länder gereist.
Eine zauberhafte Geschichte, liebe Ingrid, in einem wunderbaren Erzählstil geschrieben.
... und morgen erzählst Du eine andere Geschichte. :-)
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Oh, da freue ich mich aber sehr, dich auf unserem fliegenden Koffer an Bord geholt zu haben. Danke dir allerherzlichst.
Die nächste Geschichte stelle ich speziell für dich herein.
Liebe Knuddelgrüße
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Das ist ja wundervoll, eine fantastische Geschichte, liebe Ingrid!
Ich beneide dich um deine Fantasie!
Meine kleinen Enkelinnen wollen immer Geschichten über ihren Papa hören, als er noch klein war. :-)

Liebste Grüße in deinen Abend
deine fleur
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Du machst mich verlegen, liebste fleur. Danke dir allerherzlichst!
Ja, auch meine lieben die Geschichten, in denen sie selbst oder jemand aus der Familie vorkommen, sehr.
Hatte einmal das Töchterchen einer Freundin bei mir. Als sie ihre Mutter abholte, schwärmte sie ihr nur von den Geschichten vor und erzählte:.". und stell dir vor Mama, da machen wir Ausflüge in der Nacht und die Puppen und Teddys können sogar sprechen..."
Danke dir und sei ganz, ganz lieb gegrüßt
deine Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
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