Biografien & Erinnerungen
Religionsfreiheit

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"Religionsfreiheit"
Veröffentlicht am 21. Februar 2018, 8 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Über den Autor:

Ich bin eher introvertiert, liebe die Menschen, die Natur - die Literatur seit ich lesen kann (bin eine echte Leseratte) und schreibe auch selbst sehr gerne.
Religionsfreiheit

Religionsfreiheit


Religionsfreiheit

Es war 1944, im letzten Kriegsjahr, als Inge in die Schule eintrat.

Ihre Mutter war römisch-katholisch, ihr Vater evangelisch.

Als das kleine Mädchen geboren worden war, hatte man es nach dem Glaubensbekenntnis des Vaters in der schönen evangelischen Heilandskirche in Mürzzuschlag zur Taufe getragen.

Diese Kirche verfügt über eine Besonderheit, über eine Einmaligkeit: Sie ist die einzige protestantische Kirche mit einem Marienbildnis.

Dies nämlich hatte Peter Rosegger

zur Bedingung gemacht, als er das Geld für den Bau des evangelischen Gotteshauses zur Verfügung gestellt hatte.

Selbst Katholik und großer Marienverehrer, hatte er im In- und Ausland gesammelt, in Zeitungen zu Spenden aufgerufen und Lesungen gehalten, um die Mittel für den Kirchenbau aufzubringen.

Er übergab das Geld der Gemeinde, und im Jahre 1900 konnte das Gotteshaus errichtet werden.

In dieser “Heilandskirche” wurde Inge nun als Baby getauft.

Als sie dann in die Schule eintrat,

nahm sie natürlich am evangelischen Religionsunterricht teil.

Während der Großteil der Kinder im Klassenzimmer auf den Herrn Pfarrer wartete,  begaben sich die wenigen protestantischen Schülerinnen in einen kleineren Nebenraum,  wo sie der Herr Pastor unterrichtete.

Er war ein Mann in mittleren Jahren und selbst Familienvater. Seine Tochter Ingrid besuchte dieselbe Klasse wie Inge. Sie waren sogar ein wenig befreundet, und Inge hatte ihre Klassenkameradin schon einigemal im Pfarrhaus zum gemeinsamen Spiel besucht.

Der Pastor gestaltete den Unterricht nüchtern und sachlich. Er war streng. Die

Schulanfängerinnen mussten jedesmal lange Absätze auswendig lernen und viel zeichnen.

Inge war ein aufgewecktes Mädchen.

Bald hatte sie herausgefunden, dass es im katholischen Religionsunterricht viel schöner zugehen sollte.

Nein, nein, beteuerten die Freundinnen, sie müssten bestimmt nichts lernen und zeichnen. Im Gegenteil, diese Unterrichtsstunde sei eine der schönsten, denn der Herr Pfarrer würde so schöne Geschichten von Jesus und dem lieben Gott erzählen.

Inge glaubte es nicht.

“Das schau´ ich mir einmal an!”

beschloss sie und blieb während der Religionsstunde in der Klasse sitzen.

Es stimmte! Es war wirklich wahr!

Der Herr Pfarrer, ein lieber, alter Mann, konnte wunderschön erzählen.

Inge war hingerissen - und niemand vermochte sie noch einmal in den kleinen Raum zum protestantischen Religionsunterricht zu bringen

Der Pastor schickte ein Mädchen, um sie zu holen.

Erfolglos . “Nein, nein, ich gehe nicht mit. Hier gefällt es mir viel besser!” entschied die Abtrünnige.

Die Frau Lehrerin redete ihr gut zu.

Der Pastor selbst kam, um das verlorene

Schäfchen zurückzuholen.

Alles umsonst!

Inge weigerte sich standhaft.

Nun wurde die Mutter in die Schule gebeten, um ihre Tochter endlich zur Vernunft zu bringen.

Die Frau Mama war Mitglied der katholischen Kirche. Ihr Mann, Inges Vater, vor wenigen Monaten im Krieg gefallen.

Es fiel ihr daher leicht, den Entschluss ihrer Tochter spontan zu akzeptieren.

Sie leitete die notwendigen Schritte ein, damit ihr kleines Mädchen zum katholischen, und damit zu ihrem

eigenen Glauben übertreten konnte.

Mutter und Tochter waren gleichermaßen froh über diese Entscheidung und haben sie nie bereut.



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mukk
Ich bin eher introvertiert, liebe die Menschen, die Natur - die Literatur seit ich lesen kann (bin eine echte Leseratte) und schreibe auch selbst sehr gerne.

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Rajymbek 
In jedem Alter wechseln die Menschen zu denen, die schönere Geschichten erzählen können. Dumm gelaufen für den Pastor. Lach

VLG Roland
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Dein "Lach" gefällt mir gut, danke, schön, dass du meinen kindlichen Wunsch nachvollziehen kannst, ich sehe, wir verstehen uns ... :-))))
liebste Grüße
Mukk
Vor langer Zeit - Antworten
derrainer liebe ingrid,
eine schöne geschichte, oder erlebnis

lieben gruß rainer
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Lieber Rainer, freue mich über dein treues Lesen und danke dir allerherzlichst für deinen lieben Kommi und den Favo, danke!
Mit den liebsten Grüßen
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Lieber Rainer, freue mich über dein treues Lesen und danke dir herzlichst für deinen lieben Kommi und den Favo.
Sei recht, recht lieb gegrüßt!
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Auch das ist eine sehr schön erzählte Erinnerung, die mir sehr gut gefällt, liebe Ingrid. Erlebte Religionsfreiheit eben :)
Lieben Nachtgruß
deine Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Was mir damals allerdings nicht bewusst war, mir ging es bloß um die wunderbaren Geschichten, die der alte Herr Pfarrer erzählte.. Aber mein ganzes Leben und heute noch bin ich dankbar und froh über die Entscheidung meiner Mutter.
Sei allerherzlichst gegrüßt
deine Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Sehr aufschlussreich und wunderschön erzählt, liebste Ingrid,
gefällt mir sehr!
Das sagt dir eine ungetaufte Atheistin.;-)
Ich respektiere jede ehrlich ausgeübte Religion, möchte nur nicht missioniert werden.

Ganz liebe Grüße
deine fleur
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Liebe fleur, erstmals herzlichen Dank. freue mich sehr, dass dir die Geschichte gefällt. Es lag sicher nicht an meinem Durchsetzungsvermögen und dass ich schon als Kind gewusst hätte, was ich will. Aber da meine Mutter selbst römisch katholisch war, fiel es ihr sicher leicht, meinem Wunsch nachzukommen. Damals verstand ich das alles natürlich noch nicht, aber ich bin heute noch dankbar und froh über diese Entscheidung.
Sei ganz lieb gegrüßt
deine Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Da ist ja die Geschichte. Wieder sehr lebendig erzählt. Aber Pastoren waren sicher überall anders. Sind halt auch nur Menschen. Ich bin damals bis ich 13 Jahre alt war, auch zum Religionsunterricht gegangen und war auch gern da, aber als wir dann einen neuen Pfarrer bekamen, der nur noch nach Nase und Herkunft urteilte, habe ich mich davon abgewandt.
Liebe Grüße
Deine Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
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