Ich kann regelrecht spüren, wie meine verkrampfte Gesichtsmuskulatur allmählich wieder zur Gelassenheit kommt. Wer mich beobachtet sieht vermutlich, wie sich ein entsetztes Starren in ein nicht minder dämliches Glotzen verwandelt. Die davonzischende Gondel ist erschreckend schnell. Bereits nach nur diesen kurzen Augenblicken ist sie nicht mehr als ein in der Sonne funkelnden Punkt auf der Wasseroberfläche. Der Anblick ist atemberaubend. Der goldene Glanz der Sonne auf dem Meer, das massive, sich in erhabenen Bögen windende Schienennetz
und die unendliche Weite vor mir. Wo zur Hölle bin ich hier nur. Ich bin emotional gefangen. Einerseits bin ich überwältigt von allem, was ich hier sehe, andererseits beklemmt mich das Unbekannte und Fremde in unerträglichem Maße. „Hm!“, mehr bekomme ich nicht raus. Das war überraschend und konzentriert für einen Moment alle meine Gedankenprozesse auf einem Punkt. Was soll ich jetzt davon halten? Ratlos kratze mich erst am Hinterkopf, dann auch kurz am Hintern. Sieht ja keiner. Vielleicht ein guter Zeitpunkt zu rekapitulieren. Bislang haben sich die Ereignisse in schneller Folge überworfen und mir gar nicht die Zeit
gegeben, meinen „Think-Tank“ anzuschmeißen. Im Job ziehe ich mich regelmäßig zurück, blende alles um mich herum aus und konzentriere mich auf meine Kern-Projekte. Nach so einer Sitzung mit mir alleine habe ich alles für mich Anstehende visualisiert, gefiltert, verschoben oder abgehakt. Nach meiner Think-Tank Session habe ich in der Regel wieder einen klaren Kopf, und wichtiger noch, ich habe einen Plan, wo und was ich als nächstes anfassen muss. Also los, Ben, nutze diesen Moment sinnvoll solange nichts anderes ansteht. Die Hütte bietet eine gute Umgebung für meine Think-Tank Übung. Falls jemand mit der Gondel kommt, dann wird diese Person
hier durch fahren. Ich kann sie also nicht verpassen. Ich spüre, wie die Logik wieder das Ruder übernimmt, während mein Verstand eine imaginäre Check-Liste abarbeitet. Die Sicherheits-Checkliste. Die Hütte schirmt den Wald draußen ab, bietet also einen Basisschutz. Es ist ein mehr oder weniger geschlossener Raum, was bedeutet, wenig Ablenkung und noch wichtiger, wenig direkte Gefahr.
Eine feine Staubschicht bedeckt die groben Holzdielen am Boden der Hütte. Jeder meiner Schritte wirbelt diesen etwas auf und verteilt ihn im ganzen Raum. Der dichte Bewuchs am Ausgang der Hütte und der Staub lassen darauf schließen, dass sich hier lange Zeit
niemand aufgehalten haben kann. Alles hier ist ganz einfach gehalten, aber es ist soweit in Schuss, dass es seinen Zweck erfüllt. Ich drehe mich einmal langsam im Kreis und entscheide mich für eine Ecke. Think-Tank-Zeit. Mit dem Rücken zur Wand lasse ich mich zu Boden sinken, schließe meine Augen und beginne mein Brainstorming. „Beginnen wir am Anfang. Was wissen wir?“ Wann ist der Anfang festzulegen? Wann hat der ganze Irrsinn begonnen? Bin ich selber Schuld an dieser Situation? Hätte ich es an irgendeiner Stelle abwenden können? „Nein, da ist nichts. Da ist nichts, was aus jetziger Sicht wichtig wäre“, höre ich mich laut reden. Irgendwie tut das echt gut, laut zu
sprechen. Es mindert das Gefühl der Einsamkeit, also spreche ich weiter laut meine Gedanken aus. „Gehen wir doch mal die Schritte ab, wie wir hierher gelangt sind. Bis hier hin in diese Hütte. Da war der skurrile Übergang. Visuell beklemmend, nicht einfach ein Fingerschnippen und ich war hier. Es war eher eine Zeremonie, Ankündigungen durch komische Wesen, weitere Ankündigungen durch Wahrnehmungsstörungen, dann der eigentliche Übergang mit dem Ergebnis, dass ich auf dem Pfad aufgewacht bin. Dann eine kurze Einweisung von Mr No-nose und seine emotionslose Verabschiedung.“ Bei dem Gedanken an Mr No-nose fröstelt es mich kurz. Ein Wesen ohne Nase, mit Streifen,
die Funken schlagen und aus sich heraus Leuchten können. Ich spüre, wie mir Schweiß in die Augen läuft und unangenehm brennt. Ein eindeutiger Beweis dafür, dass ich tatsächlich wach bin, und nicht träume.
„Die Reise hierher gibt nicht viel her. Was davon hängen geblieben ist, lässt sich mit dem Wort Unbehagen am besten beschreiben. Als nächstes kam der Tunnel. Dort waren die fünf Regeln eingeritzt oder gemeißelt.“ Nun rückt die Gruppe in meinen investigativen Fokus. Die Gruppe ist nach meinem Verständnis ein solider Querschnitt unserer Gesellschaft. Es gibt diejenigen, die einfach nur mitlaufen. Das
könnte auf ca. 8 Personen zutreffen. Gerade die jüngeren orientieren sich eher an den älteren, augenscheinlich erfahreneren. Blindes Vertrauen beziehungsweise Folgen habe ich nie verstanden, wieso sollte ich mein Leben, meine Chancen, in die Hände von Fremden geben? Warum Menschen sich einfach ausliefern, ist mir ein Rätsel. Aber das ist nicht mein Problem, zumindest noch nicht.
Die anderen vier, worin unterscheiden diese sich vom Rest? Adrian und ich ringen um die Spitze der Gruppe. Nur wir zwei. Ich haben bei sonst niemandem Ambitionen entdeckt, die Führung zu übernehmen. Die anderen beiden, die nicht einfach mitlaufen, sind die guten Seelen der Gruppe. Sie nehmen in den Arm,
trösten, sprechen Mut zu. Das war vor allem in der Höhle gut zu beobachten. Sie sind eine Art Vize-Anführer. Sie haben zuviel Verantwortungsbewusstsein, um einfach nur zuzusehen, aber zu wenig Schneid, um die Führung komplett zu übernehmen. Korrektur: Schneid ist nicht zwingend zu wenig vorhanden. Manche Menschen haben nicht den Zwang ganz vorne stehen zu müssen. Das trifft es wohl eher. Was aber macht das aus mir? Eine Rampensau? Muss ich im Mittelpunkt stehen? Was treibt mich an, die Führungsrolle zu übernehmen? Die Antwort auf diese Fragen suche ich später.
Diese Vize-Anführer sind glücklich dort wo sie sind. Mit Verantwortung auf Zuruf. Sie könnten
die Spitze besetzen, aber nur wenn es notwendig ist, nicht weil sie es wollen. Diese Art von Menschen ist ungemein wichtig in einer Gruppe, vor allem aber für die, die an der Spitze der Gruppe stehen. Diese Menschen sind Meinungsbarometer und Meinungsführer. Sie haben den direkten Zugriff auf die Gruppe, in jede einzelne Ebene. Es sind die perfekten Berater für Führungspersonen. Empathisch und per Natur sympathisch. Etwas, was eine Führungspersönlichkeit stets anstrebt aber ebenfalls per natürlicher Bedingung nie erreichen kann. Eine Gruppe sich selbst verwalten lassen funktioniert nur in Ausnahmefällen. In allen anderen Fällen entwickelt sich eine Hackordnung, die auch
von Zeit zu Zeit neu arrangiert wird. Wenn ich diese Meinung offen vertrete, dann schlägt mir heftiger Gegenwind ins Gesicht. Ich muss dann auf Argumente reagieren wie: „Hast du schon mal daran Gedacht mit Vertrauen zu führen? Wo ist deine Sozialkompetenz? Blablabla“. In der Realität, die ich kennengelernt habe, werden Entscheidungen für die gesamte Gruppe durch eine Person oder eine gemeinschaftliche Spitze getroffen.
Für mich ist dann auch absolut logisch, dass es dabei kein Wunschkonzert geben kann. Wünsche und Bedürfnisse einzelner können und dürfen nur in Einzelfällen berücksichtigt werden. Wenn ich also in der Funktion als Anführer Empathie zeige, dann denen
gegenüber, die mir einen Vorteil bringen. Wenn ich Sympathie erzeugen möchte, dann sollte ich mich in die zweite Reihe stellen. Ja klar, es gibt die großen Ausnahmen in der Geschichte, welche allein durch ihre Ausstrahlung und Persönlichkeit ganze Völker führen konnten. Aber sind wir doch mal realistisch. Diese Gabe ist nur den wenigsten von uns vergönnt. Wir müssen nun mal mit den Werkzeugen arbeiten, die uns zur Verfügung stehen. Meine sind Logik und Sachlichkeit.
Ganz vorne stößt man nur vereinzelt auf Anerkennung. Überwiegend schlägt einem Neid, Hass, Intrigen und Sabotage entgegen. Von Sympathie zu träumen ist also unprofessionell und nicht zielgerichtet. Wie
heißen die beiden guten Seelen nochmal? Der Name der jungen Frau beginnt mit L, das weiß ich noch. Larissa? Lisa? Noch nicht ganz. Und der ältere Herr? Ich habe nicht gut genug aufgepasst in der Vorstellungsrunde. Kein allzu gravierender Fehler. Ich weiss nicht einmal, ob ich irgendjemand aus der Runde überhaupt wiedersehen werde. Sollte dem jedoch so sein, werde ich versuchen diese beiden für mich zu gewinnen. Ein Gedanke holt mich zurück in die Hütte: wenn ich überhaupt jemanden aus der Runde wiedersehe. Wieviel Sinn macht es, hier in der Hütte zu verharren, beziehungsweise, wie lange sollte ich hier bleiben, bis ich weiterziehe? Ziehe ich wirklich
weiter? Ich bekomme Durst. Das ist schlecht, denn ich weiß überhaupt nichts über diese Gegend. Weder wo Wasser zu finden ist, noch ob es trinkbar ist. Ein weiterer Punkt für die To Do Liste. Wasser und Essen im Auge behalten. Zurück zu meinem Brainstorming. Nicht zu viele Felder auf einmal aufmachen. Auf der anderen Seite darf ich meine Grundbedürfnisse nicht ignorieren. Ok, ich gestehe mir noch ein paar abschließende Überlegungen ein und dann sollte ich mich auf die Suche nach Trinkwasser machen. Wie komme ich an die Spitze der Gruppe? Ich muss einen Weg finden entweder mit Adrian
eine Führungsspitze zu bilden oder mich durch die Gruppe über ihn wählen lassen. Beides nicht ganz einfach. Darüber mache ich mir später Gedanken, der Rest der Gruppe ist zurzeit noch zusammen, nur ich bin getrennt. Das bedeutet, dass sich dort im Rest der Gruppe gerade durchaus unvorhersehbare Konstellationen entwickeln, das muss ich auf mich zukommen lassen. Wir sind alle in der Höhle zusammengekommen. Mir fällt gerade wie Schuppen von den Augen, dass wir alle gegen alle Vernunft gehandelt hatten. Neugier, Angst oder der Wunsch nach einem Ausweg aus diesem Alptraum haben jeden einzelnen von uns in ein dunkles Loch in der Erde steigen
lassen. Aus welchem Grund haben wir alle nach dem selben Schema reagiert? Ist das unsere verbindende Komponente? Der unbändige Wille Dinge zu tun? Oder eher, sich mit gegebenen Situationen nicht abfinden? Ja, das klingt wie eine Antwort, die passt. Das war die Reaktion eines jeden einzelnen. In der Höhle hat uns ein Geräusch als Gruppe in Richtung des Spiegels gedrängt. Ein Geräusch, mehr hat es nicht gebraucht. Nein, Moment, das stimmt nicht. Der Raum hatte sich auch bewegt. Das war der Auslöser. Wir hatten alle zu verstehen geglaubt, dass die Gefahr nur aus der Öffnung in der Wand kommen kann. Also haben wir uns alle soweit wie möglich davon entfernt. Nach weniger als einer Viertelstunde auf der
anderen Seite des Spiegels hatten wir erkannt oder uns eingeredet, dass eine Flucht über Land nicht möglich war. Es hatte keine fünf Minuten gedauert, bis einer von uns den riskanten, ungesicherten Abstieg zur Gondel gewagt hatte. Entgegen jeder Vernunft war ich dann sogar in die Gondel eingestiegen und nun sitze ich mutterseelenallein in einer Holzhütte irgendwo am Arsch einer fremden vielleicht nicht einmal real existierenden Welt. „Toll gemacht Ben. Mama würde dich so was von zusammenstauchen.“ „Ben, konzentriere dich auf das, was greifbar und hilfreich ist. Bleibe bei deiner Zusammenfassung der Geschehnisse“. „Es gibt Sauerstoff“, stelle ich das Offensichtliche nochmal fest. Ich kann atmen.
Das ist eine wichtige Erkenntnis. Die physikalischen Gesetze, die ich bisher erlebt habe sind vergleichbar mit denen, die ich kenne. Wir können alle miteinander sprechen, wir verstehen uns gegenseitig.
Wer auch immer das ganze hier inszeniert oder vorher bewohnt hat, hat technisches Wissen und Können. Lampen leuchten, es gibt also Energiequellen irgendwelcher Art. Es gibt Gegenstände aus Metall. Die Hütte in der ich sitze hat gewohnte Innenmaße. Wer oder was das gebaut hat muss ungefähr unsere Abmessungen besitzen. Es besteht also Hoffnung, dass unsere Entführer uns in diversen Punkten ähnlich sind. Wenn wir tatsächlich eine gemeinsame Basis haben,
könnten wir vielleicht sogar verhandeln. Bei diesem Gedanken steigt ein lange vermisstes Gefühl in mir auf. Tatendrang! Ich habe endlich wieder ein Ziel. Ich habe endlich etwas, das ich mir beweisen kann. Wir kommen hier wieder raus. Sei clever. Eine Maxime, die einfach klingt, aber je nach Situation nicht immer einfach umsetzbar ist. Was kann ich jetzt hier Cleveres unternehmen. Ich wäge die Pros und Contras über Akkulaufzeiten ab, und entscheide mich schlussendlich, mein Smartphone einzuschalten. Energiesparend im Flugmodus mit minimaler Displaybeleuchtung. Ich kratze die fünf Regeln mit einem kleinen Stein in die
Holzwand. „Solange die Hütte nicht abfackelt spielt die Akkulaufzeit jetzt keine Rolle mehr. Sei clever, Ben!“ Ein rauschendes Rollen, dumpf und leise aber es ist wirklich da. Die Gondel? Irgendwas Anderes? So schnell es meine steifen Gelenke zulassen, stehe ich auf und stelle mich an das Podest. Es ist so ausgerichtet, dass man von dort aus dem Fenster zu den Schienen blicken kann. Und tatsächlich, die Kanzel ist als kleiner über dem Wasser fliegender Punkt bereits erkennbar. Aus dem Podest ertönt ein Summen und ich blicke auf die zwölf Striche. Der erste leuchtet noch immer türkisblau. Der rote Knopf leuchtet nun
auch wieder. Soll ich jetzt drücken oder nicht? Beim letzten Mal ist die Gondel einfach wieder davongerauscht. Was könnte jetzt passieren? Stillstand? Spontane Umkehr? Nichts? Ich bin unentschlossen, aber das rote Leuchten fordert mich geradezu heraus, gedrückt zu werden. Allerdings protestiert meine Vernunft lautstark und hält mich dadurch von impulsiven Handlungen ab. Als eine Art Kompromiss fahre ich mit meinem Zeigefinger die zweite Linie neben der bereits leuchtenden entlang. Es fühlt sich wie eine Übersprunghandlung an. Es ist aber mehr als das. Es ist ein persönliches Bekenntnis, dass ich mich tatsächlich freue, vielleicht gleich nicht mehr allein zu sein. Ich begrüße den Passagier aus der Kanzel also symbolisch
bereits jetzt durch das Berühren seiner Linie. Wer mag es wohl sein? Ich merke, dass ich mir instinktiv die junge Frau vorstelle und sich ein leichtes Grinsen in mein verkrampftes Gesicht geschlichen hat. Mein Trieb übernimmt gerade ungewollt das Kommando in meinem Kopf. Ich lasse ihn kurz gewähren, ein paar schöne Gefühle schaden im Moment nicht. Die Gondel nähert sich weiter der Küste und damit meinem Standort. Langsam verdrängt der Verstand die Lust wieder aus der Zentrale und ich bereite mich darauf vor, endlich meine Gedanken mit jemandem teilen zu können. Etwas ist anders. Das habe ich nicht erwartet, die Linie leuchtet nicht wie die erste türkisblau
auf. Das leuchtende Rot des Knopfes erlischt auf einen Schlag und die Linie übernimmt nahtlos das rote Licht und die Frequenz des Aufleuchtens. Was bedeutet das? Ist das eine Art Count-Down?
Unsicher mache ich einen Schritt zurück, lasse die Linien jedoch nicht einen Moment aus den Augen. Die Freude, welche gerade sogar noch auf erotischen Hoffnungen aufbaute ist vollständig verschwunden. An ihrer Stelle drängen nun kalte Fingerspitzen und wachsendes Unbehagen.
Wie ein Umhang überfällt mich ein Kribbeln über die Schulten, den ganzen Rücken hinab. Da passiert noch mehr. Ich bin völlig überfordert und flüstere das Pult hilfesuchend
an. „Was willst du von mir? Was soll ich tun?“ Plötzlich brechen weitere Schienen durch die Wasseroberfläche und erheben sich Gischt sprühend auf das Niveau der bereits stehenden Schienen.
Es wirkt, wie in Zeitlupe. Da sind ungeheure Kräfte am Werk. Welche Art von Maschine kann solche massiven Teile durch tonnenschweres Wasser drücken? Meine Haut fühlt sich trocken und gespannt an. Ich kann meinen Blick nicht von den Geschehnissen dort auf dem Meer abwenden. Alles, was ich kann, ist hier stehen und abwarten. Die neuen Schienen müssen eine Art Weiche sein. Sie verbinden sich nahtlos mit den anderen Schienen und erstarren in der
Bewegung. Meine Augen brennen, weil ich viel zu lange nicht mehr geblinzelt habe. Sie fühlen sich völlig ausgetrocknet an. Mein Rachen steht der Trockenheit in nichts nach. Die rote Linie leuchtet indes unbeirrt in ihrem Rhythmus weiter. Schweiß läuft mir den Rücken und die Schläfen runter. Ich kann die einzelnen Tropfen und ihre Bahnen spüren, welche sie auf meiner Haut ziehen. „Oh mein Gott, sie wird nicht hierher kommen“. Ich flüstere es mehr, als das ich es ordentlich formuliere. Aber hier ist ja auch niemand, der es hören oder verstehen müsste. Es ist soweit. Die Gondel hat die Weiche bereits erreicht und biegt mit einer flüssigen
aber abrupten Kursänderung auf die neuen Schienen ab. Der letzte Anblick ist der schlimmste und ich fühle, wie mir der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Ich will losrennen, will helfen. Ich will etwas unternehmen, ich will verhindern, dass passiert, was gerade passiert. Doch ich bleibe genauso so stehen, wie ich noch vor einer Minute gestanden habe. Die Kapsel wird auf den Schienen direkt unter die Wasseroberfläche geführt. Das letzte Bild, welches ich schemenhaft erkenne, bevor die Gondel vom Ozean verschluckt wird, erzeugt ein Feuerwerk an widersprüchlichen Gefühlen. Angst und Hilflosigkeit, jedoch im selben Moment entflammt der unabdingbare Wille zu überleben, zu gewinnen. All das ausgelöst
durch ein angstverzerrtes Gesicht, welches zwischen zwei an die Seitenscheibe der Gondel gepresste Hände direkt in meine Richtung blickt.