„Sie haben waaas getan?“
Mit ungläubigen, nahezu vor Entsetzen geweiteten Augen blickte der alte Referent seine attraktive Besucherin an, die trotz vorgerückter, beinahe mitternächtlichen Stunde noch um eine dringende Unterredung gebeten hatte.
Aber das, was sie ihrem Seelsorger dabei gebeichtet hatte, konnte und durfte doch einfach nicht wahr sein: Referent McIntosh kannte schließlich seine Besucherin - Mrs. Kathy Lionell - als absolut gläubige Christin, die natürlich auch keine sonntägliche Messe ausließ, und die streng nach den Geboten des Herrn lebte. Und doch wollte sie ...?
Immer noch ungläubig über das Gehörte, schüttelte der alte McIntosh sein ergrautes Haupt.
„Doch, doch, Referent“, Kathy Lionell nickte ein weiteres Mal ihr Lippenbekenntnis bekräftigend. „Doch, es ist so, wie ich sagte - ich habe soeben meinen Mann erschossen!“
„Richtig erschossen...?“
„Ja, Referent.“
„Und ... und er ist tot? Wirklich tot?“
„Ja, Referent - mausetot!“
„Ja, aber warum...?“ der alte Beichtvater konnte es noch immer nicht so recht begreifen. „Warum haben Sie das bloß getan?“
Noch einmal inhalierte Mrs. Lionell, die ja nun eine Witwe Lionell war, den Rauch ihrer hastig gerauchten Zigarette. Dann drückte sie diese mit fahrigen Bewegungen in den Ascher. Wobei sie
leise ausstieß: „Notwehr.“
Doch diese Antwort versetzte Referent McIntosh nochmals mehr in Erstaunen, dennoch flüsterte es aufatmend in seinen Gedanken in leises „Gott sei Dank, wenigstens kein vorsätzlicher Mord.“
Natürlich hakte er aber auch nach:
„Aus Notwehr?“
„Ja, Herr Pfarrer. Notwehr!“ bekräftigte Witwe Lionell erneut kopfnickend.
„Bitte erzähle Sie“, forderte der Geistliche sie nunmehr auf. „Wie kam es dazu?“
Erst stockend, dann immer flüssiger erzählend, kam es da der jungen Frau nun über ihre Lippen:
„Eigentlich war es sogar noch mehr ein dummer Zufall, wissen Sie. Ich hatte nämlich gerade die Pistole in der Hand, als mein Mann nach Hause kam ...“
„Und ...?“ Schon jetzt empfand Referent McIntosh die Geschichte als spannend.
„Mein kommt also nach Hause, ins Haus ... und ich steh da mit der Pistole in der Hand ...“
„Hmm, hmm“, kommt es ungeduldig aus des Geistlichen Mund. „Und weiter?“
„Ja ... mein Mann sieht zunächst mal mich ... und dann die Pistole in meiner Hand - und lacht sich halb kaputt!“
„Er lachte? Weil Sie da standen mit der Pistole in der Hand? Und da haben Sie ihn erschossen?1“
„Aber nein, Referent, lassen Sie mich doch zu Ende erzählen!“
„Entschuldigung. Ja, bitte erzählen Sie weiter.“
„Also, er steht da bloß, lacht und zeigt dann auf die Pistole in meiner Hand und brüllt schon bald vor Lachen als er sagt: ,na los, doch. Schieß doch, alte Schleiereule!“
„Aha!“ entfuhr es da dem alten Gottesmann. „Und da haben Sie abgedrückt?!“
„Nein, Referent. Da habe ich natürlich auch nicht abgedrückt. Warum auch? Aber dann sagte er weiter: ,Na los, schieß! Mach! Du triffst mich ja doch nicht - aber dann gnade dir Gott! Dann schlag ich dich windelweich! ... tja, sehen Sie, Referent ... da hab ich aus reiner Notwehr heraus ganz, ganz genau zielen müssen ...!“