Verloren?
Atemlos hetzte sie durch die Wohnung, drehte jeden Polster zehnmal um, sah unter die Stühle, das Sofa und den Tisch, hob jedes Deckchen und jedes der herumliegenden Bücher hoch. Aber nirgendwo hatte sich dieser verdammte kleine Schlüssel versteckt. Sie hatte ihn doch am Vortag noch in der Hand gehabt. Hatte sie ihn in die Tasche oder Geldbörse gesteckt als sie einkaufen ging? Nein, auch da war er nicht. Hatte sie ihn überhaupt mitgenommen, ihn ausgestreut, verloren?
Panik erfasste sie Noch einmal durchsuchte sie jede erdenkliche Stelle in der Wohnung und malte sich voll Entsetzen die Folgen aus.
Sie würde die Schmuckschatulle nicht aufsperren können, nicht zu dem auf die Seite gelegten Geld, dem Flugticket und nicht zu ihrem Pass kommen. Zur Not könnte man die Kassette ja mit Gewalt öffnen, sie kaputt machen. Aber wie? Messer und Hammer waren sicher zu schwach. Eine Bohrmaschine? Ja, mit einer Bohrmaschine könnte es funktionieren.
Aber irgendwo musste dieser Schlüssel doch sein! Sie begann zu schwitzen und holte sich ein Glas Wasser.
Nur ruhig! Ruhig Blut und nachdenken. Wann hatte sie den Schlüssel zuletzt in der Hand gehalten? Richtig. Als sie noch einen Hunderter in die Kassette gelegt hatte. Sie schmunzelte. Einen Hunderter für ein hübsches Souvenir für ihre Enkelin. Doch dieses kurze Lächeln wich schnell einer wütenden und hilflosen Grimasse.
Noch einmal. Wann war das? Was hatte sie da gerade getan? Ja, sie hatte gekocht, als ihr einfiel, ihrer Enkelin etwas besonders Schönes aus dem Urlaub mitzubringen. Hektisch riss sie die Küchenladen auf, sah in jeden Topf, in jedes Heferl, in die Bestecklade. Nichts.
Es war zum Heulen.
Es passierte ja nicht zum ersten Mal, dass sie etwas „verlegt“ hatte. Irgendwann war aber immer alles wieder aufgetaucht. Aber heute? Heute hatte sie nicht die Zeit, darauf zu warten. Das Flugzeug ging morgen Vormittag. Sie brauchte ihren Pass, ihr Ticket, das Geld. Und zwar gleich.
Beschwörend sah sie auf die Schmuckschatulle „wo ist der Schlüssel? Wo ist das kleine Schlüsselchen für dieses Ding da? Wo?“
Tränen traten ihr in die Augen. Erschöpft ließ sie sich auf einen Sessel fallen und zog ihr Taschentuch aus der Hosentasche, um sich zu schnäuzen.
Da hörte sie ein leises Klirren .... und der Schlüssel machte vor ihren Füßen ein paar Purzelbäume.